Transkript
Im Fokus: Gastroenterologische Tumoren
Medikamentöse Therapie des hepatozellulären Karzinoms
Neue Therapieoptionen
In den letzten Jahren konnte die systemische Behandlung des fortgeschrittenen hepatozellulären Karzinoms verbessert werden, da neben zielgerichteten Therapien auch Immunonkologika und Kombinationstherapien das Behandlungsfeld erweitert haben. Dieser Beitrag fokussiert die neuen Therapieoptionen vorwiegend in der Erstlinientherapie.
ALEXANDER SIEBENHÜNER
SZO 2021; 5: 24–28.
Alexander Siebenhüner
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist der häufigste primäre Leberzelltumor. Entsprechend der aktuellen Statistik von 2020 wurden 900 000 Fälle diagnostiziert und die weltweite Mortalität lag bei 830 000 Fällen (1). Das HCC umfasst 75 bis 85% der Leberzelltumore. Der zweitgrösste Anteil des primären Leberzelltumors wird durch das intrahepatische Gallengangkarzinom repräsentiert. Aufgrund von Risikofaktoren wie den viralen Hepatitiden HBV oder HCV, Alkohol und der Fettleber sowie der damit verbundenen Risiken einer Leberzirrhose ist das HCC ein Tumor mit steigender Inzidenz. In Asien ist dies vorwiegend durch die virale Ätiologie bedingt. In unserer westlichen Region ist durch eine gute Behandlung der HCV das viral bedingte HCC rückläufig (2). Demgegenüber steigen jedoch die durch die äthyltoxische Fettleber und die nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) bedingten HCCInzidenzen, so dass insgesamt auch in unseren Breitengraden das HCC stark zunimmt. Vor allem die NAFLD und die meist damit assoziierte Adipositas werden die häufigsten HCC-Risikofaktoren in
ABSTRACT
Drug therapy for hepatocellular carcinoma
A molecular targeted therapy with the multikinase inhibitor sorafenib was the only option for the first-line treatment of aHCC for many years. Now there are also immunotherapies with PD-1 checkpoint inhibitors like pembrolizumab and nivolumab or PD-L1 checkpoint inhibitors like atezolizumab and durvalumab available. Combination therapies with immuno oncological and antiangiogenic drugs have synergistic effects and mark the beginning of a new area. The combination of bevacizumab and atezolizumab has become standard first-line treatment for aHCC. Other combinations with multikinase inhibitors and checkpoint inhibitors are currently investigated in studies.
Keywords: advanced hepatocellular carcinoma, molecular targeted therapy, multikinase inhibitor, immunotherapies, checkpoint inhibitors, PD-1 inhibitor, PD-L1 inhibitor, combination therapies
der westlichen Region sein. In Statistiken rechnet man deshalb mit einem Anstieg des HCC um 122% zwischen 2016 und 2030 (3). Die Inzidenz ist mittlerweile geschlechterunabhängig, wobei zuvor aufgrund der äthyltoxischen Risikosituation beim HCC eine doppelt so häufige Inzidenz bei Männern beobachtet wurde. Somit wird das HCC geschätzt die zweithäufigste Inzidenz (Mann) respektive die dritthäufigste Inzidenz (Frau) bei den Tumorentitäten bis 2030 einnehmen (4). Bei primärer Diagnose eines HCC befinden sich die meisten Patienten in mittleren oder «advanced stages» des hepatozellulären Karzinoms (aHCC), in denen keine kurative Therapie möglich ist. Somit ist die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit gering. Sie liegt bei 15 bis 19% in Nordamerika und nur bei 12,1% in China (5, 6). Aber auch bei lokaler Erkrankung ist die Rückfallquote sehr hoch, so dass diese Patienten in einer späteren Phase zu einem Grossteil mit einer Systemtherapie behandelt werden. Die Gründe hierfür sind vielseitig und liegen zum einen in der hohen De-novo-Rate des HCC in anderen Abschnitten der vorgeschädigten zirrhotischen oder nicht zirrhotischen Leber. Aber auch bei einer transplantierten Leber besteht ein gewisses Rückfallrisiko. Somit sollte nach Ablationen oder Operation/Transplantation eine konsequente Surveillance-Strategie verfolgt werden, zumal adjuvante Therapieprogramme noch keinen Behandlungspfad etablieren konnten.
Erweitertes Therapiespektrum beim fortgeschrittenen HCC
Die Therapie des aHCC ist bei einem guten Performancestatus und einer guten Leberfunktion (Child A oder B) für ein systemisches Konzept aus-
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BCLC 0-A
BCLC B
BCLC C
Resektion Leber-TPL
Ablation TACE/
TARE
Leber-TPL
Resektion
Ablation TACE/
TARE
SIRT
Systemtherapie
Standard: Atezolizumab plus
Bevacizumab
Option: Lenvatinib† oder Sorafenib
BCLC D
BSC
Standard n. SOR: Cabozantinib
Regorafenib* Ramucirumab**
Option nach Atezo-Bev oder Len:
Lenvatinib †† / Sorafenib
Cabozantinib Regorafenib*
Ramucirumab**
Abb. 1: Therapieoptionen nach Stadium und Linie adaptiert nach ESMO-HCC-Guidelines (30, 31)
Atezo = Atezolizumab, Bev = Bevacizumab, BSC = Supportivtherapie, Len = Lenvatinib, SIRT = selektive interne Radiotherapie, SOR = Sorafenib, TKI = Tyrosinkinase Inhibitor, TPL = Transplantation, TACE = transarterielle Chemoembolisation, TARE = transarterielle Radioembolisation
* nicht empfohlen bei TKI-naiven Patienten; ** bei AFP-Level ≥ 400 ng/ml; † nicht unterlegen gegenüber SOR; †† sofern Len nicht vorher angewandt wurde
gelegt, entsprechend dem Barcelona-Clinic-LiverCancer(BCLC)-Stadium C sowie zum Teil einem BCLC-Stadium B, worin keine weitere lokale Therapie vorgesehen werden kann (Abbildung 1). Dies sollte im Zusammenhang mit den neuen und verbesserten Systemtherapien berücksichtigt werden, da die restliche Leberfunktion auch durch repetitive lokale Therapieverfahren herabgesetzt wird und somit der Übergang von lokaler zu einer systemischen Therapie frühzeitig interdisziplinär diskutiert werden sollte (7).
Molekulare zielgerichtete Therapie
Eine Behandlungsstrategie ist die molekulare zielgerichtete Therapie, welche einen positiven Antitumoreffekt beim aHCC erreichte. Derzeit sind unterschiedliche Medikamente im klinischen Einsatz wie Sorafenib (Nexavar®), Regorafenib (Stivarga®), Lenvatinib (Lenvima®) oder Cabozantinib (Cabometyx®). Ihre Basis ist der breite Ansatz einer Tyrosinkinase-Inhibition (TKI), eine Blockade des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) und des von Blutplättchen abgeleiteten Wachstumsfaktors (PDGF) sowie die Blockade von Fibroblasten-Wachstumsfaktoren und anderweitige Blockaden von Rezeptoren von TyrosinMolekülen. Sorafenib ist seit 2007 in klinischer Anwendung. Es ist somit der erste Vertreter dieser MultikinaseInhibitoren (MKI) mit den längsten bekannten
Daten zur Anwendung und zum Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum. In der Studie Sorafenib Hepatocellular Carcinoma Assessment Rando mized Protocol (SHARP) konnte beim aHCC eine Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens (mOS) um mehr als 2,8 Monate erreicht werden. Die Toxizitätsprofile befanden sich bei der Studienpopulation im tolerierbaren Bereich (8, 9). Interessant ist auch die Population mit einem BCLC-B-Stadium, da hier nach den lokal ablativen Verfahren frühzeitig eine Systemtherapie diskutiert werden sollte. In einer Studie in der Ära von Sorafenib konnte ein medianes Gesamtüberleben (mOS) von 15 bis 20 Monaten erreicht werden (10). Damit war Sorafenib fast 10 Jahre als alleinige Option in der Erstlinienbehandlung des aHCC der Stadien BCLC-B oder -C verfügbar und wurde breit angewandt. In der weiteren Entwicklung der MKI wurde und wird derzeit Regorafenib nach vorheriger Anwendung von Sorafenib in der Zweitlinie eingesetzt. Die Inhibitionseigenschaften von Regorafenib sind im Vergleich zu Sorafenib breiter und stärker, wobei die Nebenwirkungsreaktionen und -profile sich nicht stark unterscheiden. Regorafenib hat seinen Stellenwert in der sequenziellen Therapie nach Krankheitsprogression unter Sorafenib (11). In der Studie RESORCE konnte das mOS mit Regorafenib um 2,8 Monate gegenüber der Kontrollgruppe verlängert werden (12). Eine therapielimitierende Nebenwirkung ist die Hautreaktion
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(hand-foot-skin-reaction). Diese zeigt mitunter ausgeprägte Verläufe, so dass die Therapie mit Regorafenib unter der Maximaldosierung von 160 mg nur eingeschränkt toleriert wird. Im klinischen Alltag wird auch das Dosierungsschema aus der Studie ReDOS angewandt, um einen guten Kompromiss aus Wirkung und tolerablen Nebenwirkungseffekten zu ermöglichen (13). Unter der Therapiesequenz Sorafenib, gefolgt von Regorafenib, konnte beim aHCC eine Verlängerung des Gesamtüberlebens um bis zu 26 Monaten gezeigt werden (14). Allerdings muss hierbei die SorafenibToleranz miteinbezogen werden, da Patienten mit einer geringen Nebenwirkungsrate unter Sorafenib eine Therapie mit Regorafenib sequenziell tolerieren, wohingegen bei einer schlechten Toleranz von Sorafenib in der Erstlinie eine nachfolgende Therapie mit Regorafenib gemäss Guide lines (Abbildung 1) nicht in Betracht gezogen werden sollte (15). Im Jahr 2017 erweiterte sich das Therapiespektrum in der Erstlinienbehandlung um Lenvatinib. In einer Phase-III-Studie mit dem primären Endpunkt einer Nichtunterlegenheit gegenüber der Vergleichsgruppe mit Sorafenib konnte Lenvatinib signifikant seine Wirkung zeigen – mit einer Verlängerung des mOS um 1,3 Monate, des progressionsfreien Überlebens (PFS) um 3,7 Monate, des krankheitsfreien Überlebens (DFS) um 5,2 Monate sowie einer objektivierbaren Ansprechrate von 15% (16). Somit wurde Lenvatinib in die unterschiedlichen Guidelines in der Erstlinienbehandlung aufgenommen und ist in dieser Indikation auch durch Swissmedic zugelassen. Weitere Medikamente aus der Gruppe der MKI sind Cabozantinib, Apatinib und Ramucirumab (Cyramza®), welche in der Zweitlinie oder in späteren Therapielinien beim HCC signifikante Studienergebnisse erzielten und durch FDA, EMA (ausser Apatinib) und Swissmedic (ausser Apatinib) ab der Zweitlinie zugelassen sind. In der CELESTIAL-Studie erwirkte die Therapie mit Cabozantinib eine Verlängerung des mOS (+ 2,2 Monate) und des PFS (+3,3 Monate) im Vergleich zur Kontrollgruppe, jedoch haben sich auch die Raten der unerwünschten Ereignisse verdoppelt, so dass es bislang nur bedingt angewandt wurde (17). Im Hinblick auf die Anwendung von Ramucirumab sollte beachtet werden, dass es nach Therapieversagen mit Sorafenib eingesetzt werden kann und eine statistisch signifikante Verbesserung in der Population von Patienten mit einem Alpha-Fetoprotein (AFP) von 400 ng/ ml oder höher zeigte (18), sodass es mit diesem Zusatz in die Guidelines aufgenommen wurde. Somit stehen für die Erstlinienbehandlung des aHCC mit Sorafenib und Lenvatinib zwei MKI in der Monotherapie zur Verfügung. Resistenzmechanismen und deren Verringerung sind Fokus
von weiteren wissenschaftlichen Programmen. Mit Immunonkologika und den Möglichkeiten der Kombinationstherapien erweiterte sich das Behandlungsfeld des aHCC ab der Erstlinienbehandlung und ist derzeit Gegenstand sehr aktiver Forschung.
Immunonkologika (IO)
Die Immuntherapie ist der neueste Durchbruch in der Behandlungsstrategie des HCC und Checkpoint-Inhibitoren (CKI) mit PD-1-Antikörpern wie Pembrolizumab (Keytruda®) und Nivolumab (Opdivo®) oder PD-L1-Antikörpern wie Atezolizumab (Tecentriq®) oder Durvalumab (Imfinzi®) haben sich bereits bei anderen soliden Tumoren als absoluter Therapiestandard etabliert. Diese Medikamente wurden auch in der Monotherapie des aHCC intensiv studiert. Nach vorheriger Therapie mit Sorafenib konnte die Studie CheckMate-040 ein objektives Ansprechen (ORR) von 22,5% der HCC unter Nivolumab zeigen mit einem mOS von 29 Monaten (19). Jedoch war in der folgenden Phase III keine statistische Verbesserung des mOS mit Nivolumab zu beobachten, wobei es aber zu einer Verbesserung der Klinik unter CKI kam. In der Studie CheckMate-040 resultierte die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab (a-CTLA4; Yervoy®) in einem durchschnittlichen Ansprechen von 17,5 Monaten. Auch scheint es eine besondere Subgruppe zu geben, da nach 12 Monaten 56% und nach 24 Monaten noch 31% ein Ansprechen zeigten. Dies sind sehr vielversprechende Daten für die aHCC-Population, für die die Prognose nach Versagen einer systemischen Therapie bislang sehr schlecht war (20). Prädiktive Marker für ein besonders günstiges Ansprechen auf IO sind bislang noch nicht definiert. Basierend auf den Daten der Studie CheckMate-040 erteilte die FDA im März 2020 eine beschleunigte Zulassung für Nivolumab und Ipilimumab, wohingegen EMA und Swissmedic diesem Schritt nicht folgten. Pembrolizumab wurde als weiteres Medikament für das aHCC zugelassen. In der hier zugrunde liegenden Studie Keynote-224 erwies sich Pembrolizumab als sichere und effektive Therapie nach vorangehender Sorafenib-Gabe (21). Das Ansprechen in der Phase II wurde mit 17% und einer Überlebenszeit von 13 Monaten dargestellt. In der nachfolgenden Phase-III-Studie Keynote-240 war Pembrolizumab der Kontrollgruppe überlegen (mOS 13,9 vs. 10,6 Monate; mPFS 3,0 vs. 2,8 Monate). Dennoch liegt derzeit für Pembrolizumab für die Zweitlinie der Behandlung des aHCC keine Zulassung durch EMA oder Swissmedic vor. Global sind weitere PD-1-Antikörper in der klinischen Erprobungsphase. Toripalimab (anti-PD-1)
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wurde in China entwickelt und dort 2018 aufgrund vielversprechender Resultate zugelassen. Camrelizumab (anti-PD-1), ebenfalls in China produziert, war in der Phase II nach mindestens einer vorherigen Systemtherapie mit einem ORR von 14,7% und einem 6-monatigen OS von 74,4% verbunden (22). Jedoch ist im Vergleich zu anderen IO die krankheitsbezogene Kontrolle geringer, und dies bedingt ein kurzes PFS. Die Wahrscheinlichkeit einer Zulassung in Europa oder durch Swissmedic ist aus meiner Sicht zukünftig als sehr gering zu betrachten.
Kombinationstherapien
Einen Durchbruch in der Erstlinientherapie des aHCC erzielten Kombinationstherapien innerhalb der letzten 3 Jahre. Die Kombinationen von antiangiogenetisch wirksamen Medikamenten (VEGFInhibitoren) und Checkpoint-Inhibitoren haben mit ihrem synergistischen Effekt eine neue Ära eingeleitet. Die erste positive Studie mit direkter Einleitung eines Wechsels des Therapiestandards in der Erstlinienbehandlung (Abbildung 1) stellt die Studie IMbrave150 dar (23). Unter der Kombination mit Bevacizumab (Avastin®) und Atezolizumab wurde eine signifikante Verbesserung des mOS und des mPFS im Vergleich zu Sorafenib beobachtet. Auch wurden eine Reduktion der Krankheitsprogression um 41%, der Todesrate um 42% und eine Verlängerung des Gesamtüberlebens um 2,5 Monate erzielt. Zugleich wurde mit der Kombination eine Verbesserung und Stabilisierung der Lebensqualität erreicht, von denen die Patienten auch noch über das PFS hinaus profitierten. Auch in den Subgruppenanalysen profitierte jede Kategorie von der Kombination. Somit erfolgte ein Wechsel des Therapiestandards mit Aufnahme in die Guidelines und die Kombinationstherapie erhielt im gleichen Zeitraum die Swissmedic-Zulassung (24, 25). Eine ähnliche Kombination wird in der Studie ORIENT-32 untersucht mit der Kombination Sintilimab und Bevacizumab (26). Auch hier wurden gegenüber Sorafenib für die Kombination signifikante Behandlungsvorteile in Bezug auf das OS (not reached [NR] vs. 10,4 Monate) und das mPFS (4,6 vs. 2,8 Monate) beobachtet. Das Risiko einer Progression oder zu versterben wurde um 43% gesenkt und die Ansprechrate war unter der Kombination 5-fach höher im Vergleich zu Sorafenib. Die Nebenwirkungsraten in IMbrave und ORIENT-32 waren geringer im Vergleich zu Sorafenib und entsprachen dem typischen aVEGFR- und IONebenwirkungsprofil. Weitere interessante Kombinationen bestehen aus MKI und CKI. Sorafenib, Cabozantinib oder Lenvatinib und PD-1-Inhibitoren sind derzeit häu-
fige Kombinationspartner in der Behandlung des aHCC. Die Daten der Studien COSMIC wie auch LEAP-002 werden mit Spannung erwartet. Weitere rekrutierende Studien, die Kombinationen von MKI und CKI sowie die duale Checkpoint-Inhibition (PD-1 und anti-CTLA4) untersuchen, sind in der Tabelle dargestellt. Einen Anhaltspunkt zur Wirksamkeit der Kombination von Lenvatinib plus Pembrolizumab gibt ein Fallreport. Über eine Dauer von 8 Monaten wurden ein Tumorrückgang bis zur Komplettremission und eine damit verbundene Verbesserung der Leberfunktion beobachtet. Das PFS lag bei 19 Monaten mit derzeit fehlenden Anzeichen eines Rückfalls (27). Diese vermehrt Bedeutung einnehmende Kombination von Lenvatinib plus Pembrolizumab zeigte in der Studie Keynote-524 eine ORR von 46%, eine Komplettremissionsrate von 11% sowie ein mPFS von 9,3 Monaten mit einer Krankheitskontrollrate (DCR) von 88% (28). Diese Parameter waren in einer «Real-World-Studie» mit ähnlichen Ansprechraten verbunden (29). Als CKI-Kombinationstherapie wurde bereits 2019 durch die FDA die Kombination von Nivolumab plus Tremelimumab beim aHCC nach vorangehender Sorafenib-Therapie zugelassen. Im Vergleich zur Monotherapie erzielte diese Kombination eine Verlängerung des mOS auf 22,8 Monate mit einem akzeptablen Sicherheitsprofil. Zugleich lag eine Komplettremissionsrate bei 29% der Patienten vor, mit möglicher Resektabilität innerhalb von 6 Wochen (vorgestellt am ASCO 2019). Eine weitere, seit Januar 2021 durch die FDA zugelassene CKI-Kombination besteht aus Devaruzumab plus Tremelimumab. Allerdings müssen die CKI-Kombinationen noch besser studiert werden, da das Ansprechen sich bislang in der aHCC-Population heterogen zeigte. Gerade im Hinblick auf Vortherapien, Patienten- und Tumorcharakteristika bestehen noch Unklarheiten in der Selektion. Zudem ist beim aHCC bislang kein guter Biomarker definiert, welcher für die ein oder andere Kombinationstherapie spricht.
Multidisziplinäre Zusammenarbeit beim HCC
Das HCC ist mit den prädisponierenden Faktoren (u. a. Leberzirrhose) ein sehr gutes Beispiel für die Bedeutung einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Gastroenterologie, medizinischer Onkologie, interventioneller Radiologie und Chirurgie. Gerade hierbei spielt die frühzeitige (ab BCLC 0-A) Diskussion innerhalb eines multidisziplinären Tumorboards eine entscheidende Rolle. Einige weltweite und auch schweizerische Zentren bieten kombinierte multidisziplinäre Sprechstunden an, um die Patientenversorgung zu optimieren.
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Im Fokus: Gastroenterologische Tumoren
Studienname COSMIC-312
ID Nr. (NCT)
NCT03 755791
Studienname ID Nr.
Phase BCLC
Phase BCLC (NCT) Therapiearme Stadium
COSMICS-t3a1d2ium NCT03 Phase B oder C
Phase B oder C 755791CaboIzIIantinib + Atezolizumab
III vs. Sorafenib vs.
Cabozantinib
Therapiearme Randomisierung
Cabozantinib + Atezolizumab 2v:s1.:1Sorafenib vs. Cabozantinib
Randomisierung PrimäErnedr pEunndkptunkt
2:1:1 PFS per RECIST 1.1 OS
Prim Endpunkt Setting
PFS per RECIST 1.1 ErstlOinSie
LEAP-002 HIMALAYA
NCT03 713593
NCT03 298451
LEAP-002
NCT03 Phase B oder C
Phase B oder C 713593LenvIaItIinib + Pembrolizumab
III vs.
Lenvatinib
HIMALAYA
Phase B oder C III
NCT03 Phase B oder C 298451DurvaIIlIumab vs.
Durvalumab + Trevelimumab (2 regimens) vs. Sorafenib
Lenvatinib + Pembrolizumab 1v:s1. Lenvatinib
1:1
PFS per RECIST 1.1 OS
Durvalumab vs. 4D-uArrvmaluSmtuadbie+1T:1r:e1v:1elimumab (2 regimens) vs. Sorafenib
4-Arm Studie 1:1:1:1 OS
PFS per RECIST 1.1 ErstlOinSie
OS Erstlinie
CheckMate 9DW
-
RATIONALE301
GOING Name Vorname
NCT04 039607
NCT03 764293
NCT03 412773
NCT04 170556
CheckMate Ph9aDseW C III
NCT04 Phase C 039607NivolIuIImab + Ipilimumab vs.
Sorafenib or Lenvatinib
-
Phase III
NCT03 Phase B oder C B oder C 764293CamrIIeIlizumab (SHR-1210) +
Apatinib vs. Sorafenib
RATIONALE- NCT03 Phase B oder C Ph3a0s1e B oder C 412773TislelIiIzIumab vs. III Sorafenib
GOING
Phase C I/II
NCT04 Phase C 170556RegoIr/IaIfenib (monotherapy
for the first 8 weeks) + Nivolumab
Nivolumab + Ipilimumab vs. 1S:o1rafenib or Lenvatinib
Camrelizumab (SHR-1210) + 1A:p1atinib vs. Sorafenib
Tislelizumab vs. 1S:o1rafenib
Regorafenib (monotherapy Efoinr athrme ifgirests8Dweseiegkns) + Nivolumab
1:1 OS
1:1 PFS OS
1:1 OS
Einarmiges Design Safety
OS Erstlinie
PFS ErstlOinSie
OS Erstlinie
Safety Zweitlinie
RENOBATE
NCT04 Phase B oder C
Regorafenib + Nivolumab
Einarmiges Design
ORR per RECIST 1.1
RENOBATE
NCT04 Phase B oder C 310709RegoIrIafenib + Nivolumab
Einarmiges Design
ORR per RECIST 1.1
Erstlinie
310709 II
TabBlaeyer11:94A97usblNiCcTk03aTuafPbhdBalsaeeeyerr1z1:e9B4Aio9td7uerresCbkrlN3iu4Cc7Tt2ki09e32RareeugonfPIrbah/ddIfaIeseneeibrS+zetBuiotdderireeCknruintiedERPreieenemgarornbmrpraodifgleaiezensuliblmDiS+aaebsttiguivndeinenSiintudaSEeatinfiearotrymnpigaesllDiaestigivn en
SituaSatfieotyn
Erstlinie
347292 Ib/II
Pembrolizumab
Setting Erstlinie
Erstlinie Erstlinie
Erstlinie Erstlinie Erstlinie Zweitlinie
Erstlinie Erstlinie
Tabelle: Ausblick auf derzeit rekrutierende Studien in der palliativen Situation (aHCC)
Entsprechend der Komplexität des HCC und der diversen Behandlungsmethoden ist eine multidisziplinäre Therapie (MDT), mitunter lokale Therapie kombiniert mit zielgerichteter Therapie und Immuntherapie, ein neuer Therapietrend, wodurch die individualisierte und umfangreiche Behandlung optimiert wird. Dies sollte als Ära 3.0 angesehen werden. Das übergeordnete Ziel der HCC-Therapie sollte die Verlängerung des Gesamtüberlebens dieser Patienten sein mit einer Maximierung der Lebensqualität. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, den Gesamtprozess innerhalb einer MDT zu optimieren, mit regelmässiger interdisziplinärer
Merkpunkte
■ Als neuer Standard in der Erstlinientherapie des aHCC gilt die Kombination Bevacizumab/Atezolizumab, mit der auch eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann.
■ Die Multikinase-Inhibitoren Sorafenib und Lenvatinib stehen auch weiterhin zur Erstlinientherapie zur Verfügung.
■ Regorafenib wird in der Zweitlinie nach Sorafenib angewandt. ■ Cabozantinib und Ramucirumab sind weitere Optionen ab der Zweitlinie. ■ Mit einer multidisziplinären Therapie kann das individuelle Behandlungsergebnis
verbessert werden.
Konsultation und regelmässigem Austausch innerhalb von ausgewiesenen HCC-Tumorboards. Durch Promotion und Etablierung solcher MDTSprechstunden können nicht nur die Therapiepfade von HCC-Patienten mit einer erhöhten Effizienz standardisiert werden. Vielmehr ist solch ein interdisziplinärer Prozess auch die Basis, um ein tieferes Verständnis für die Erkrankung und multimodale wissenschaftliche Ansätze in der Grundlagenforschung zu ermöglichen. Somit könnten bislang fehlende Biomarker für die Therapie und ein gesteigertes Verständnis für Resistenzmechanismen entwickelt werden, worauf sich auch zukünftige klinische Forschungsprotokolle stützen könnten.
Dr. med. Alexander Siebenhüner Leitender Arzt Medizinische Onkologie Kantonsspital Schaffhausen Geissbühlstrasse 81 8208 Schaffhausen E-Mail: alexander. siebenhuener@spitaeler-sh.ch
Interessenkonflikte (letzten 5 Jahre): Scientific consultancy role: AdvancedAcceleratorApp, Amgen, Bayer, BMS, Eisai, Lilly, MSD, Novartis, Pfizer, Servier Sanofi; Research grants: Ipsen; Principal investigator (ISS): Ipsen.
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SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2021
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