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KONGRESSBERICHT
Virtuelle Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie vom 1. bis 4. Oktober 2021
CAR-T-Zell-Therapie
Diverse neue Entwicklungen in den Pipelines
Trotz der Erfolge, die mit der CAR-T-Zell-Therapie seit ihrer Einführung erzielt wurden, geht diese Therapieform auch mit Problemen einher. Sei dies das Auftreten eines Rezidivs oder von Toxizitäten oder auch der zeitaufwändige Herstellungsprozess. Die Forschung arbeitet aktuell an unterschiedlichen Ansätzen zur Überwindung solcher Hürden. An einer wissenschaftlichen Sitzung während des DGHO-Kongresses wurden einige dieser Ansätze vorgestellt.
Für stark vorbehandelte Patienten mit Erkrankungen wie einer akuten lymphatischen B-Zell-Leukämie (B-ALL), einem rezidivierten oder refraktären diffus grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) oder einem primär mediastinalen grosszelligen B-Zell-Lymphom (PMBCL) stellen CAR-T-Zell-Therapien wie Tisagenlecleucel (Kymriah®) bzw. Axicabtagen Ciloleucel (Yescarta®) eine wichtige Behandlungsoption dar. Wie Prof. Dr. med. Peter Dreger, Heidelberg, in seinem Vortrag berichtete, wurden beide Konstrukte seit ihrer Einführung in den Ländern Deutschland und Frankreich bereits bei mehreren Hundert Patienten eingesetzt (hauptsächlich bei DLBCL). Aus Italien und der Schweiz lagen ihm Angaben über 113 (DLBCL) bzw. 110 behandelte P atienten (DLBCL und B-ALL) vor. Wie er erklärte, entsprach die dabei unter Praxisbedingungen beobachtete Wirksamkeit und Verträglichkeit im Grossen und Ganzen den Resultaten der Zulassungsstudien.
Neue Zielantigene zur Resistenz-Überwindung
Während bei den lymphoiden Neoplasien CD19 als Zielantigen für die Therapie dient, ist dies bei Patienten mit einem rezidivierten/refraktären Multiplen Myelom das BCMA (B Cell Maturation Antigen). In Phase-I/II-Studien führte die Behandlung mit einem entsprechenden CAR-T-Zell-Konstrukt (Idecabtagen Vicleucel) zu sehr guten Resultaten (1, 2). Jedoch wurde teilweise nur ein kurzes progressionsfreies Überleben (< 12 Monate) beobachtet, obwohl vielfach eine Persistenz der CAR-T-Zellen gezeigt werden konnte. Dies spricht für die Entwicklung eines
Resistenzmechanismus. Prof. Dr. med. Michael Hudecek, Würzburg, erklärte dazu: «Wir konnten feststellen, dass es beim Multiplen Myelom unter der CART-Zell-Therapie zu einem homozygoten Verlust des Zielantigens BCMA kommen kann. Glücklicherweise haben wir bei dieser Erkrankung aber mehrere Zielantigene für eine CAR-T-Zell-Therapie zur Auswahl.» Darunter sei SLAMF7 besonders vielversprechend, da es sowohl im Knochenmark als auch bei extramedullären Läsionen nachweisbar ist. Dies selbst nach einer Vorbehandlung mit einem Anti-SLAMF7-Antikörper. «Wir konnten bisher in Labormodellen auch keine Modulation dieses Antigens unter dem Druck einer CART-Zell-Therapie beobachten», berichtete Hudecek. Sie hätten daher ein SLAMF7-spezifisches CAR-T-Zell-Produkt entwickelt, erstmals mithilfe eines virusfreien Gentransfers. In präklinischen Versuchen zeigte dieses eine hohe Wirksamkeit gegenüber malignen Plasmazellen, sowohl bei Patienten mit einem neu diagnostizierten Multiplen Myelom als auch bei vorbehandelten Betroffenen (3). «Im Mausmodell genügte eine einzige Dosis dieses Zellproduktes, um eine komplette Remission zu erreichen», so der Redner. Im Rahmen des EU-Projektes CARAMBA wird nun eine «first-in-human»-Phase-I/ II-Studie durchgeführt, an der vier Zentren in vier europäischen Ländern beteiligt sind. Die Studienteilnehmenden haben mindestens zwei Vortherapien erhalten. Auch eine vorhergehende Behandlung mit einem SLAMF7-Anti körper sowie eine allogene Stammzelltransplantation sind erlaubt. «Aktuell läuft die Dosis-Eskalationsphase. Bis-
her konnten wir vier Patienten mit einer Dosis von 3x 105 CAR-T-Zellen pro Kilogramm Körpergewicht behandeln, und es zeigten sich sehr ermutigende Resultate. So traten keine dosislimitierenden Toxizitäten auf und das Ansteigen der CAR-T-Zellen im peripheren Blut korrelierte mit einer Reduktion der Myelom-Marker im Serum», erläuterte er.
Bakterielle Metaboliten zur Verstärkung der CAR-T-ZellWirkung
Eine weitere Möglichkeit, die Wirkung einer CAR-T-Zell-Therapie zu verbessern, liefert das Darmmikrobiom. «Von den Immuntherapien wissen wir, dass das Mikrobiom des Darms, beziehungsweise bestimmte bakterielle Metabolite, einen Einfluss auf das Therapieansprechen haben», berichtete Hudecek weiter. In einem PankreaskarzinomMäusemodell konnte gezeigt werden, dass vor allem die von Darmbakterien produzierten kurzkettigen Fettsäuren Pentanoat und Butyrat in der Lage waren, die Antitumor-Aktivität von CAR-TZellen zu verstärken (4). «Wir wissen mittlerweile auch, dass der Hauptproduzent von Pentanoat und Butyrat im menschlichen Darm das Bakterium Megasphaera massiliensis ist», so der Experte. «Man könnte sich also vorstellen, das Darmmikrobiom in Zukunft so zu modulieren, dass dieses oder auch andere relevante Bakterien in höherer Zahl vorhanden sind und sich die Wirkung einer CAR-T-Zell-Therapie dadurch verbessert», erklärte er. «Ausserdem untersuchen wir auch, ob es allenfalls genügt, bestimmte Bakterienstämme oder lediglich die kurzkettigen Fettsäuren einzusetzen und so einen vergleichbaren Effekt zu erreichen. Im Endeffekt wird es wohl darum gehen, welche dieser Möglichkeiten am praktikabelsten ist», schloss Hudecek.
Weitere neue Entwicklungen
Im letzten Teil der wissenschaftlichen Sitzung stellte Prof. Dr. med. Dimitrios
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2021
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Virtuelle Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften
für Hämatologie und Medizinische Onkologie vom 1. bis 4. Oktober 2021
Mougiakakos, Erlangen, weitere neue Entwicklungen vor. Wie er erklärte, sollen neue CAR-T-Zell-Konstrukte einerseits dazu beitragen, die bereits von Prof. Hudecek angesprochene Problematik einer Resistenz zu überwinden. Andererseits werde auch nach Lösungen gesucht, um therapiebedingte Toxizitäten zu reduzieren und den Herstellungsprozess zu vereinfachen. «Ein möglicher Ansatz zur Überwindung des Problems eines Antigenverlusts liegt in einem Multi-Antigen-Targeting, zum Beispiel in einem dualen Targeting von CD19 und CD22», schilderte er. Ein entsprechendes bispezifisches CAR-TZell-Konstrukt wurde in einer Phase-IStudie bei Patienten mit rezidivierten/ refraktären aggressiven Lymphomen und B-ALL untersucht (5). «Die hier beobachtete klinische Wirksamkeit und die Toxizitäten deuten darauf hin, dass dieses Prinzip funktionieren kann», so der Redner. Weitere Schlüsse liessen sich daraus allerdings noch nicht ziehen, dazu brauche es zusätzliche Untersuchungen. «Ebenfalls ein häufig beobachtetes Problem stellt die Hochregulierung immunologischer Checkpoints wie PD-L1 dar, die auch die CAR-T-Zell-Funktion behindern», erklärte Mougiakakos weiter. Die einfachste Möglichkeit einer Gegenmassnahme sei hier der kombinierte Einsatz von CAR-T-Zellen mit einem Checkpoint-Inhibitor. «Es gibt aber auch bereits präklinische Daten zum Einsatz von CAR-T-Zellen, die gegen PD-L1 gerichtet sind, was ebenfalls ein interessantes Konzept darstellt.» In der Phase-I-Studie Alexander wird AUTO3, ein gegen CD19 und CD22 gerichtetes CAR-T-Konstrukt, in Kombination mit dem Anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem DLBCL oder transformiertem DLBCL eingesetzt (6). Bisher wurde dabei kein Fall eines schweren Zytokinfreisetzungssyndroms (CRS) beobachtet. Zu schweren Neurotoxizitäten kam es bei 5% der Patien-
ten (1/19). Die Gesamtansprechrate (11 schwere CRS», so Prof. Mougiakakos.
auswertbare Patienten) lag bei 64% Ebenfalls off-the-shelf verfügbar sind
(komplettes Ansprechen: 55%). «Wir NK-Zellen aus Nabelschnurblut, die ei-
haben es hier demnach mit einer effek- nen Anti-CD19-CAR exprimieren. In ei-
tiven Therapie zu tun, die nicht so to- ner Studie der Phase I/II wurden 11 Pa-
xisch ist, wie wir es aufgrund der Kom- tienten mit rezidivierten/refraktären
bination erwartet hätten. Dieser Non-Hodgkin-Lymphomen und CLL
spannende Ansatz wird daher weiter- mit den CAR-NK-Zellen behandelt (8).
verfolgt», sagte Prof. Mougiakakos.
Es trat dabei keine GvHD, kein CRS und
Allogene CAR-T-Zellen: schneller verfügbar
keine Neurotoxizität auf. Bei 73% der Patienten kam es zu einem Ansprechen, 7 der 11 Patienten erreichten ein
Die Verwendung allogener CAR-T-Zel- komplettes Ansprechen. «Mittlerweile
len von Spendern hat gegenüber den gibt es Bestrebungen, Studien mit
autologen Produkten viele potenzielle CAR-NK-Zellen auch in Deutschland
Vorteile, wie z. B. die sofortige Verfüg- durchzuführen», schloss der Experte.n
barkeit von kryokonservierten Chargen
(off-the-shelf), die mögliche Standardi-
Therese Schwender
sierung des CAR-T-Zell-Produkts, Zeit
für multiple Zellmodifikationen, wie-
derholte Behandlungen oder die Kom- Referenzen:
bination von CAR-T-Zellen, die gegen verschiedene Zielantigene gerichtet
1. Raje N et al.: Anti-BCMA CAR T-Cell Therapy bb2121 in Relapsed or Refractory Multiple Myeloma. N Engl J Med.
sind, sowie geringere Kosten durch ein
2019;380(18):1726-1737.
industrialisiertes Herstellungsverfahren. Allerdings können allogene
2. Munshi NC et al. Idecabtagene vicleucel (ide-cel; bb2121), a BCMA-targeted CAR T-cell therapy, in patients with relapsed
CAR-T-Zellen eine lebensbedrohliche
and refractory multiple myeloma
Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD)
(RRMM): initial KarMMa results. J Clin Oncol. 2020; 38(15_suppl):8503-8503.
auslösen und werden vom Immunsys- 3. Gogishvili T et al.: SLAMF7-CAR T cells
tem des Empfängers rasch eliminiert.
eliminate myeloma and confer selective
Mit ALLO-501A wird ein allogenes Anti-CD19-CAR-T-Zell-Produkt aktuell
fratricide of SLAMF7+ normal lymphocytes. Blood. 2017;130(26):2838-2847. 4. Luu M et al.: Microbial short-chain fatty
in einer Phase-I-Studie bei Patienten
acids modulate CD8+ T cell responses
mit rezidivierten/refraktären grosszelligen B-Zell-Lymphomen und follikulären Lymphomen untersucht (7). Bei
and improve adoptive immunotherapy for cancer. Nat Commun. 2021;12(1):4077. 5. Spiegel JY et al.: CAR T cells with dual targeting of CD19 and CD22 in adult pa-
diesem Konstrukt wurde der T-Zell-Rezeptor durch eine genetische Modifika-
tients with recurrent or refractory B cell malignancies: a phase 1 trial. Nat Med. 2021;27(8):1419-1431.
tion eliminiert, um so das GvHD-Risiko 6. Osborn W et al.: Phase I Alexander study
zu reduzieren. Zudem wurde CD52 eliminiert, um durch die Gabe von ALLO-
of AUTO3, the first CD19/22 dual target ing CAR T cell therapy, with pembrolizumab in patients with relapsed/refractory
647 (ein humanisierter Anti-CD52- (r/r) DLBCL. J Clin Oncol. 2020;38(15_
Antikörper), zusätzlich zu einer
suppl):8001.
Chemotherapie, selektiv die T-Zellen des Wirts depletieren zu können. «Da-
7. Locke FL et al.: First-in-human data of ALLO-501A, an allogeneic chimeric antigen receptor (CAR) T-cell therapy and
durch will man die Lebenszeit der applizierten CAR-T-Zellen verlängern. Bis-
ALLO-647 in relapsed/refractory large B-cell lymphoma (R/R LBCL): ALPHA2 study. J Clin Oncol. 2021;39(15_
her wurden erst wenige Patienten
suppl):2529.
behandelt. Sie zeigten jedoch gute Ansprechraten und eine gute Verträglichkeit, ohne Fälle einer GvHd und ohne
8. Liu E et al. Use of CAR-Transduced Nat ural Killer Cells in CD19-Positive Lymphoid Tumors. N Engl J Med. 2020;382:545-553.
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