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Aktuelle Studien der SAKK Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Kli nische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine offene Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organisation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für eine der hier vorgestellten Studien oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienleiter (Coordinating Investigator) oder die Studienkoordinatoren (Clinical Project Manager).
Infos zur SAKK: www.sakk.ch
Prof. Dr. med. Roger von Moos Präsident der SAKK E-Mail: roger.vonmoos@ksgr.ch
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SAKK 67/20 Therapie mit Docetaxel micellar beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom
In der Studie SAKK 67/20 erhalten Patienten mit einem metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) den neu entwickelten Wirkstoff Docetaxel micellar, der weniger Nebenwirkungen auslösen soll als das übliche Docetaxel. Eines der Studienziele besteht darin, die höchstmögliche, noch gut verträgliche Dosierung zu finden.
Die Behandlung mit Docetaxel gehört zu den Standardtherapien bei Patienten mit mCRPC. Die übliche Verabreichungsform von Docetaxel enthält Polysorbat-80; diese
Substanz ermöglicht die Löslichkeit von Docetaxel, kann jedoch auch Nebenwirkungen auslösen. Vor und nach der Infusion von Docetaxel erhalten die Patienten deshalb Kortikosteroide, um die Nebenwirkungen wie Flüssigkeitsretention und Überempfindlichkeitsreaktionen zu verhindern oder zumindest abzuschwächen. Nun wurde eine neue Verabreichungsform von Docetaxel ohne Polysorbat-80 entwickelt (Docetaxel micellar). Mizellen sind kugelförmige molekulare Strukuren aus oberflächenaktiven chemischen Verbindungen, die sich wie eine Membran um den eigentlichen Wirkstoff anordnen. Es wird erwartet, dass Docetaxel
micellar weniger Nebenwirkungen auslöst als das übliche Docetaxel. Sollte dies zutreffen, könnte bei der Docetaxel-Therapie von Patienten mit mCRPC eventuell auf die Gabe von Kortikosteroiden verzichtet werden. Dies hätte deutliche Vorteile, da Steroide ebenfalls Nebenwirkungen wie Immunsuppression oder Osteoporose auslösen.
Bei Brustkrebs-Patientinnen vergleichbare Wirkung wie Docetaxel In der Phase-Ib-Studie SAKK 67/20 werden Sicherheit, Verträglichkeit und Wirkung von unterschiedlichen Dosierungen Docetaxel micellar bei Patienten mit mCRPC geprüft.
Abbildung: Ablauf der Studie SAKK 67/20
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Pharmakokinetik und Sicherheit von Docetaxel micellar wurden zwar schon in zwei klinischen Studien untersucht, aber nur bei Patientinnen mit Brustkrebs. In diesen Studien zeigte Docetaxel micellar eine vergleichbare Wirkung wie Docetaxel mit einem insgesamt günstigeren Sicherheitsprofil. Momentan ist Docetaxel micellar in keinem Land zur Therapie von Prostatakrebs zugelassen.
Dosisfindung mit maximal 18 Patienten Der primäre Endpunkt von SAKK 67/20 ist die dosislimitierende Toxizität. Zu den se-
kundären Endpunkten gehören unter anderem das radiologisch progressionsfreie Überleben, die Dauer bis zur PSA-Progression respektive PSA-Response und die Dauer der Response. An der Studie können maximal 18 Patienten mit mCRPC teilnehmen, bei denen noch keine Chemotherapie durchgeführt wurde. Die ersten drei Patienten (Patientenkohorte) erhalten im ersten Zyklus (21 Tage) 75 mg/m2 Docetaxel micellar, was der Standarddosis von Docetaxel bei der Therapie des mCRPC entspricht. Ist diese Dosis mit starken Nebenwirkungen verbun-
den, wird die Behandlung mit dieser Dosisstärke abgebrochen, und die nachfolgende Patientenkohorte erhält eine Dosis von 60 mg/m2. Verursacht die Behandlung mit 75 mg/m2 aber keine starken Nebenwirkungen, wird die nachfolgende Patientenkohorte mit 90 mg/m2 behandelt. Dieses Vorgehen wird so lange wiederholt, bis die höchstmögliche, noch gut verträgliche Dosis gefunden wird (maximal 100 mg/m2). Die Behandlung wird bis zur Krankheitsprogression respektive für maximal 10 Zyklen durchgeführt (Abbildung).
Kommentar zur Studie von Dr. med. Ilaria Colombo:
Docetaxel micellar ist eine neue lösungsmittelfreie (ohne Polysorbat-80) Formulierung von Docetaxel, einem etablierten Chemotherapeutikum, das zur Behandlung von Prostatakrebs eingesetzt wird. Diese innovative Formulierung ermöglicht es, den Patienten eine Prämedikation mit Steroiden zu ersparen, welche zu Knochenbrüchigkeit oder Stoffwechselproblemen führen kann. Die Verringerung des Auftretens dieser unerwünschten Nebenwirkungen ist bei Patien ten mit Prostatakrebs, die auch den Folgen der Androgendeprivation ausgesetzt sind, von grösster Bedeutung.
Das Ziel der klinischen Forschung und der Entwicklung neuer Medikamente ist es nicht nur, effektivere Behandlungsmöglichkeiten für Patienten zu finden, s ondern auch, neue Wirkstoffe einzusetzen, welche besser verträglich sind und die Lebensqualität der Patienten nicht beeinträchtigen.
Mit dieser Studie möchten wir das Sicherheitsprofil, die maximal verträgliche Dosis und die Wirksamkeit von Docetaxel micellar bei Patienten mit mCRPC, die noch keine Chemotherapie erhalten haben, untersuchen. Die Studie SAKK 67/20 wurde erfolgreich aktiviert und rekrutiert nun aktiv Patienten.
Studienname: Open-label dose escalation phase 1b trial of a new micellar docetaxel compound in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer
Teilnehmende Zentren: Onkologisches Institut der Italienischen Schweiz (IOSI); Kantonsspital Graubünden; Kantonsspital St. Gallen.
Coordinating Investigator: Dr. med. Ilaria Colombo Onkologisches Institut der Italienischen Schweiz (IOSI), ilaria.colombo@eoc.ch
Supporting Coordinating Investigators: PD Dr. med. Aurelius Omlin aurelius.omlin@kssg.ch und Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Markus Jörger, markus.joerger@kssg.ch, Kantonsspital St. Gallen
PD Dr. med. Anastasios Stathis, Onkologisches Institut der Italienischen Schweiz (IOSI), anastasios.stathis@eoc.ch
Clinical Project Manager: Dr. Katrin Eckhardt SAKK Bern, katrin.eckhardt@sakk.ch
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