Transkript
ASCO 2021 VIRTUAL
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 4. bis 8. Juni 2021
Nierenzellkarzinom, Urothelkarzinom
Immuntherapien in der Behandlung urologischer Tumoren
Die Immuntherapie hat sich innerhalb der urologischen Tumorentitäten beim Nierenzellkarzinom und beim Urothelkarzinom etabliert. Bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden Studienergebnisse mit Checkpoint-Inhibitoren für Patienten in verschiedenen Behandlungssituationen, von der neoadjuvanten Situation bis zu intensiv vorbehandelten Patienten, präsentiert.
Nierenzellkarzinom: Adjuvante Therapie nach Nephrektomie
Für das lokale Nierenzellkarzinom gibt es derzeit aufgrund fehlender Evidenz keinen weltweit akzeptierten Standard für eine adjuvante Behandlung, obwohl nahezu die Hälfte der Patienten nach der Operation einen Krankheitsrückfall erleiden. Auch Patienten mit Tumoren im Stadium M1 ohne Hinweise auf eine Erkrankung (No Evidence of Disease; NED) nach Resektion der Oligometastasen haben ein hohes Rezidivrisiko. Die Studie KEYNOTE-564 ist die erste positive Phase-III-Studie für die adjuvante Immuntherapie beim Nierenzellkarzinom nach Nephrektomie (1). In der doppelblinden, multizentrischen, randomisierten PhaseIII-Studie wurden 994 Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom (ccRCC) nach Nephrektomie über zirka 1 Jahr adjuvant mit Pembrolizumab (Keytruda®; 200 mg, q3w) oder Plazebo behandelt. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (Disease-free Survival; DFS) laut Prüfarzt. Die Patienten waren im Median 60 Jahre alt und gehörten mehrheitlich der intermediären-hohen Risikogruppe an (pT2 [Grad 4 oder sarkomatoid]-pT3, N0, M0). 8,1 bzw. 7,2% der Patienten hatten ein hohes Rückfallrisiko (pT4 N0 M0 oder pTx N+ M0) und je 5,8% der Patienten befanden sich im Stadium M1 NED. Der PD-L1-CPS-Status war bei 23 bis 25% der Patienten < 1 und bei 74 bis 77% der Patienten ≥ 1. Mit einer Nachbeobachtungszeit von median 24,1 Monaten wurde ein signifikanter DFS-Vorteil durch die Pembrolizumab-Behandlung gesehen (Hazard Ratio [HR]: 0,68; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,53–0,87; p = 0,0010).
Nach 12 Monaten betrug die DFS-Rate 85,7% im Pembrolizumab-Arm versus 76,2% im Plazebo-Arm, nach 24 Monaten lag sie bei 77,3 versus 68,1%. In einer frühen Zwischenanalyse zum Gesamtüberleben (Overall Survival; OS) nach Ereignissen bei 3,6 versus 6,6% der Studienteilnehmer unter Pembrolizumab bzw. Plazebo wurde das Risiko zu versterben durch Pembrolizumab um 46% reduziert (HR: 0,54; 95%-KI: 0,30–0,96; p = 0,0164). Die prädefinierte Signifikanzgrenze war noch nicht erreicht. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale gesehen. 20,7 versus 2% der Patienten beider Studienarme brachen die Studienmedikation aufgrund von Nebenwirkungen ab.
Nierenzellkarzinom: Immunund zielgerichtete Therapie in erster Therapielinie
In der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen klarzelligen Nierenzellkarzinoms konnte mit Pembrolizumab in Kombination mit Axitinib (Inlyta®) in der Studie KEYNOTE-426 ein Vorteil gegenüber der Therapie mit Sunitinib gezeigt werden. Für diese Studie wurde beim ASCO nun ein Update mit median 42 Monaten und minimal 35,6 Monaten Nachbeobachtungszeit präsentiert (2). In der PhaseIII-Studie hatten 861 Patienten randomisiert Pembrolizumab plus Axitinib oder den ehemaligen Standard Sunitinib erhalten. Co-primäre Studienendpunkte waren das progressionsfreie Überleben (Progression Free Survival; PFS) und das OS. Zum Zeitpunkt der präsentierten Auswertung hatten 81,4% der Patienten im experimentellen und 90,6% der Patienten im Kontrollarm die Studienmedikation abgebrochen. 58,4 bzw. 73,0% der
Patienten hatten eine nachfolgende Therapie erhalten, für Patienten des Pembrolizumab plus Axitinib-Arms war dies in 21,6% der Fälle ein PD-(L)1-Inhibitor und in 88,2% der Fälle ein VEGF(R)-Inhibitor. Patienten des Sunitinib-Arms erhielten in 74,4% der Fälle einen PD-(L)1-Inhibitor und in 68,7% der Fälle eine VEGF(R)-gerichtete Therapie. Das Gesamtüberleben wurde unter der kombinierten Therapie gegenüber der Sunitinib-Therapie signifikant verlängert: Im Median überlebten die Patienten 45,7 versus 40,1 Monate (HR: 0,73; 95%-KI: 0,60–0,88; p < 0,001) und nach 36 Monaten 63 versus 54% der Patienten. Das PFS betrug im experimentellen Arm median 15,7 versus 11,1 Monate im Kontrollarm (HR: 0,68; 95%-KI: 0,58–0,80; p < 0,0001). Nach 36 Monaten lebten 29 versus 15% der Patienten ohne Progress, ein Plateau wurde bisher nicht erreicht. Ein bestätigtes Ansprechen zeigten 60,4% der Patienten unter Pembrolizumab plus Axitinib versus 39,6% unter Sunitinib, mit Komplettremissionen (Complete Remission; CR) bei 10,0 versus 3,5% der Patienten. Die Zeit bis zum Ansprechen lag bei 2,8 versus 3,0 Monaten, die mediane Dauer des Ansprechens (Duration of Response; DoR) bei 23,6 versus 15,3 Monaten. Bei 44,5 versus 32,1% der ansprechenden Patienten hielten die Remissionen ≥ 30 Monate an. Eine Auswertung entsprechend der IMDC-Risikokriterien bestätigte den OSVorteil für die Kombinationstherapie nur bei intermediärem oder hohem Risiko (HR: 0,64; 95%-KI: 0,52–0,80). Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko gelangten unter beiden Studienmedikationen zu einem vergleichbaren Ergebnis (HR: 1,17; 95%-KI: 0,76–1,80).
Urothelkarzinom: Blasenerhaltende systemische Kombinationstherapie
Patienten mit einem muskelinvasiven Blasenkarzinom (MIBC) erreichen bei neoadjuvanter Behandlung mit einem Cisplatin-basiertem Regime in etwa 30 bis 40% der Fälle eine komplette pathologi-
6 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE 2021
ASCO 2021 VIRTUAL
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 4. bis 8. Juni 2021
sche Remission (pathological Complete Response; pCR). Die pCR ist ein prognostischer Marker für das Überleben der Patienten, der aber erst nach kompletter Entfernung der Blase determiniert wird. Eine Chemotherapie zur blasenerhaltenden TURBT (transurethrale Resektion des Blasentumors) ist bei einem Teil der Patienten mit einem längeren Überleben assoziiert. Mit einem klinischen Re-Staging könnte bei klinischer Komplettremission (clinical Complete Response; cCR) eine Zystektomie unterbleiben, während bei nicht Erreichen der cCR eine Zystektomie durchgeführt werden könnte, so die Hypothese für das Design der Studie HCRN GU16-257 (3). In der Phase-II-Studie wurden Patienten mit 4 Zyklen Gemcitabin, Cisplatin und Nivolumab (Opdivo®) behandelt. Dann erfolgte ein klinisches Re-Staging. Patienten mit cCR (normale Zytologie, Bildgebung sowie ein niedrig gradiges Ta-Stadium in der Blasenbiopsie) wurden entsprechend des Patientenwunschs zystektomiert oder nicht zystekt omiert mit Nivolumab-Gabe über 4 Monate. Im Fall der nicht erreichten cCR wurden alle Patienten einer Zystektomie unterzogen. Als co-primärer Endpunkt wurde der Nutzen, definiert als 2 Jahre metastasenfreies Überleben bei Patienten unter gewählter Surveillance oder die erreichte pCR bei Patienten mit Zystektomie, erhoben. Von 76 eingeschlossenen Patienten erhielten nach der Induktionstherapie 64 ein Re-Staging. 31 Patienten (48%) zeigten eine cCR und 33 Patienten erreichten diese nicht. 30 Patienten mit cCR verzichteten auf eine Zystektomie und 1 Patient wurde auf Wunsch primär zystektomiert. Zur Zeit der Auswertung waren alle 31 Patienten mit cCR am Leben und überwiegend ohne Rezidiv. 6 dieser Patienten erhielten eine verzögerte Zystektomie nach lokalem Rückfall, 1 Patient mit pathologischem Stadium ypT4N1 und 5 Patienten im Stadium ypT0-2N0. Patienten ohne cCR wurden nach primärer Zystektomie
pathologisch den Stadien ypT0-3N0 (65%) ypT4N0 (3%) und ypTanyN+ (32%) zugeordnet. Bezüglich der Sicherheit wurde im Design der Studie geplant, bei einer hohen Rate an immun-vermittelten Nebenwirkungen ≥ Grad 3 bei allen eingeschlossenen Patienten oder einer hohen Rate an muskelinvasiven und / oder metastasierten Rückfallraten innerhalb der Patientenkohorte mit cCR die Studie abzubrechen. Da keines dieser Kriterien erfüllt wurde, musste die Studie nicht frühzeitig beendet werden. Das Nebenwirkungsprofil der Studiensubstanzen war konsistent mit dem in anderen Studien.
Urothelkarzinom: Neuer Checkpoint-Inhibitor bei intensiv vorbehandelten Patienten
ICOS ist ein Rezeptor aus der CD28-Ig-Rezeptor-Superfamilie, der auch die Check points CTLA4 und PD-1 angehören, und wird nach Aktivierung des T-Zell-Rezeptors (TCR) auf T-Zellen exprimiert. Beim Urothelkarzinom wurde eine hohe Expression von ICOS in allen Erkrankungsstadien nachgewiesen. Feladilimab ist der erste humanisierte lgG4-monoklonale Antikörper, der eine agonistische Wirkung gegen ICOS zeigt. In der Phase-I-Studie INDUCE-1 wurde Feladilimab als Monotherapie und in Kombination mit Pembrolizumab bei verschiedenen soliden Tumoren geprüft und die Kohorte der Patienten mit Urothelkarzinom erweitert (4). Die eingeschlossenen Patienten hatten bereits bis zu 5 Therapielinien im fortgeschrittenen Setting erhalten. Zur Studienauswertung der beim ASCO präsentierten Ergebnisse betrug die mediane Nachbeobachtungszeit in der Expan sionskohorte 12,6 Monate für die Monotherapie (n=14) und 9,6 Monate für die Kombination (n=32). Feladilimab war hinsichtlich des Sicherheitsprofils gut handhabbar, sowohl als Monotherapie als auch in der Kombina-
tion mit Pembrolizumab. Bei den meis-
ten therapieassoziierten Nebenwirkun-
gen handelte es sich um Grad-1- oder
2-Nebenwirkungen, und es wurden keine
Grad-5-Toxizitäten beobachtet. Immun-
vermittelte Nebenwirkungen wurden
nicht formal evaluiert, aber potenzielle
Ereignisse traten selten auf und wenn,
dann in milder Ausprägung. In der Mono-
therapiegruppe erhielten 4 Patienten
Steroide, davon 2 aufgrund von immun-
vermittelten Nebenwirkungen, und in der
Kombinationsgruppe erhielten 9 Patien-
ten Steroide, davon ebenfalls 2 Patienten
aufgrund immunvermittelter Nebenwir-
kungen. Bezüglich der Wirksamkeit wurde
sowohl mit der Monotherapie bei inten-
siv vorbehandelten, PD-(L)1-Inhibitor-er-
fahrenen Patienten als auch in Kombina-
tion mit Pembrolizumab bei PD-(L)1-
Inhibitor-naiven Patienten mit fortgeschrit-
tenem Urothelkarzinom eine klinische
Aktivität beobachtet. In kleinen Subgrup-
pen wurden Hinweise für eine verbesserte
Krankheitskontrolle in der PD-L1-positiven
und in der ICOS-positiven Subkohorte
gesehen.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Choueiri TK et al.: Pembrolizumab vs placebo as
post nephrectomy adjuvant therapy for patients with renal cell carcinoma: Randomized, double-blind, phase 3 KEYNOTE-564 study. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #LBA5. 2. Rini BI et al.: Pembrolizumab plus axitinib versus sunitinib as first-line therapy for advanced clear cell renal cell carcinoma (ccRCC): Results from 42-month follow-up of KEYNOTE-426. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #4500. 3. Galsky MD et al.: Phase 2 trial of gemcitabine, cisplatin, plus nivolumab with selective bladder sparing in patients with muscle-invasive bladder cancer (MIBC): HCRN GU 16-257. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #4503. 4. Balar AV et al.: Inducible T-cell co-stimulatory (IOCS) receptor agonist, feladilimab, alone and in combination with pembrolizumab: Results from INDUCE-1 urothelial carcinoma expansion cohorts. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #4519.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE 2021
7