Transkript
ASCO 2021 VIRTUAL
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 4. bis 8. Juni 2021
Metastasiertes Prostatakarzinom
Neue Therapiestandards im kastrationssensitiven und kastrationsresistenten Stadium
Die Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) ist alljährlich ein Highlight für Onkologen und onkologisch ausgerichtete Fachärzte. Am Kongress werden unter anderem wichtige Ergebnisse für aktuelle Studien und Forschungsfragen innerhalb aller Tumorentitäten, so natürlich auch für das Prostatakarzinom präsentiert. Die Studien PEACE-1 und VISION bringen Fortschritte für Patienten im metastasierten kastrationssensitiven wie auch im kastrationsresistenten Stadium.
In der letzten Dekade war die Behandlung des metastasierten kastrationssensitiven Prostatakarzinoms (mCSPC) einem ständigen Wandel der Therapielandschaft und damit auch der Standardtherapien ausgesetzt. Innerhalb dieser Zeit rekrutierte die PEACE-1-Studie als Teil des akademischen, europäischen PEACE-Programms (Prostate Cancer Consortium in Europe) (1). Es konnten von November 2013 bis Dezember 2018 1173 Patienten mit de novo mCSPC in 4 Studienarme der PEACE-1-Studie randomisiert werden. Die Patienten erhielten die Standardtherapie (Standard of Care; SOC), SOC plus Abirateron (Zytiga®) (1000 mg qd + Prednison 5 mg bid), SOC plus Radiatio (74 Gy in 37 Fraktionen) oder SOC plus Abirateron plus Radiatio. Bei der SOC handelte es sich um eine Androgendeprivationstherapie (ADT) mit oder ohne Docetaxel und mit oder ohne Radiatio. Docetaxel wurde entsprechend der jeweiligen Studienperiode nicht gegeben (November 2013 bis 2015), war als Teil der Therapie erlaubt (2015–2017) oder als Teil der The rapie verpflichtend (2017 bis Dezember 2018). Co-primäre Studienendpunkte waren das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) und das Gesamtüberleben (OS). Es wurde keine Interaktion zwischen dem Effekt einer lokalen Radiotherapie und Abirateron auf das rPFS festgestellt (p = 0,64). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42 Monaten wurde das rPFS durch die zusätzliche Gabe von Abirateron zu SOC von median 2,2 auf 4,5 Jahre signifikant verlängert (Hazard Ratio [HR]: 0,54; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,46–
0,64; p < 0,0001). Innerhalb der Docetaxel-Population lag das mediane rPFS bei 4,5 Jahren unter SOC plus Abirateron versus 2,0 Jahren unter SOC (HR: 0,50; 95%KI: 0,40–0,62; p < 0,0001). Auch bezüglich des Gesamtüberlebens zeigte sich ein signifikanter Effekt durch Abirateron in beiden Analysepopulationen: In der gesamten Studienpopulation betrug das mediane OS 3,8 versus 1,5 Jahre (HR: 0,40; 95%-KI: 0,35–0,47; p < 0,0001) und in der Docetaxel-Population 3,2 versus 1,4 Jahre (HR: 0,38; 95%-KI: 0,31–0,47; p < 0,0001). Es wurde keine zusätzliche relevante Toxizität beobachtet. Die Autoren schlossen, dass den Patienten der absolute Vorteil von annähernd 2,5 Jahren medianes rPFS nicht vorenthalten werden sollte. Überlebensverlängerung durch 177Lu-PSMA-617 in später Therapielinie Für intensiv vorbehandelte Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) wurde die zusätzliche Gabe von 177Lu-PSMA-617 zu einer kombinierbaren Standardbehandlung nach hormoneller Behandlung und Chemotherapie untersucht (2). In der offenen VISION-Studie erhielten Patienten mit Vorbehandlung mit ≥ 1 Androgenrezeptor (AR)-gerichteter Therapie und 1–2 Taxanregimen entweder eine laut Studienprotokoll erlaubte Standardtherapie plus 177Lu-PSMA-617 oder die alleinige Standardtherapie. Die Standardtherapie wurde vor der Randomisierung festgelegt. Primäre Endpunkte waren das rPFS und das OS. Es wurden 831 Patienten 2:1 in die bei- den Studienarme randomisiert. Um den Effekt eines frühen Studienausscheidens nach radiologischem Progress zu reduzie- ren, wurden in der primären rPFS-Ana- lyse 581 Patienten und in der primären OS-Analyse 831 Patienten (ITT-Popula- tion) ausgewertet. Bezüglich der primären Endpunkte wurde eine signifikante Verlängerung des OS mit einer Hazard Ratio von 0,62 (95%-KI: 0,52–0,74; p < 0,001) in der ITT-Popula- tion bzw. 0,63 (95%-KI: 0,51–0,79) in der rPFS-Population erreicht. Im Median leb- ten die Patienten 15,3 versus 11,3 Mo- nate bzw. 14,6 versus 10,4 Monate in den beiden Analysesets. Auch bezüglich des zweiten primären Endpunkts, dem rPFS, wurde eine signifikante Verlängerung so- wohl in der rPFS-Population (HR: 0,40; 99,2%-KI: 0,29–0,57; p < 0,001) als auch in der ITT-Population (HR: 0,43; 99,2%-KI: 0,32–0,58) beobachtet. Das mediane rPFS betrug 8,7 versus 3,4 Monate bzw. 8,8 versus 3,6 Monate. Eine Komplettremis- sion wurde bei 9,2 versus 0,0%, ein par- tielles Ansprechen bei 41,8 versus 3,1%, eine stabile Erkrankung bei 35,5 versus 46,9% und ein Fortschreiten der Erkran- kung bei 13,0 versus 45,3% der Patienten mit messbarer Erkrankung gesehen. Die Nebenwirkungsrate war im 177Lu- PSMA-617-Arm höher als im Kontroll- arm, mit therapieassoziierten Toxizitäten Grad 3–5 bei 28,4 versus 3,9% der Patien- ten, klinisch relevanten Nebenwirkun- gen Grad 3–5 bei 8,1 versus 2,4% und Grad-5-Nebenwirkungen bei 0,9 versus 0% der Patienten. n Ine Schmale Referenzen: 1. Fizazi K et al.: A phase 3 trial with a 2x2 factorial de- sign of abiraterone acetate plus prednisone and/or local radiotherapy in men with de novo metastatic castration-sensitive prostate cancer (mCSPC): First results of PEACE-1. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #5000. 2. Morris MJ et al.: Phase 3 study of 177Lu-PSMA-617 in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (VISION). 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #LBA4. 8 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE 2021