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ASCO 2021 VIRTUAL
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 4. bis 8. Juni 2021
Mammakarzinom
Patientinnen-Selektion und zielgerichtete Behandlungsoptionen
Die auch in diesem Jahr virtuell durchgeführte Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) verdeutlichte im Bereich des Mammakarzinoms den Stellenwert der Patientinnen-Selektion. Beim HER2-positiven Brustkrebs könnte beispielsweise eine De-Eskalation der neoadjuvanten Therapie für einen Teil der Patientinnen möglich sein. Patientinnen mit HER2-negativen Tumoren profitierten von zielgerichteten Therapien mit PARP- und CDK4/6Inhibitoren.
Erste Überlebensdaten der ADAPT-Studie
In der ADAPT-Studie der Westdeutschen Studiengruppe (WSG) wurden für Patientinnen mit frühem HER2-positivem Hormonrezeptor-negativem Brustkrebs durch 12 Wochen der neoadjuvanten Pertuzumab-Trastuzumab-Gabe hohe Raten an pathologischen Komplettremissionen (Pathological Complete Remission, pCR) mit Paclitaxel (90,5%) und klinisch relevante pCR-Raten ohne Paclitaxel (34,4%) erreicht. Beim ASCO 2021 wurden erste Überlebensdaten und Biomarkeranalysen der ADAPT-Studie präsentiert (1). Insgesamt 134 Patientinnen erhielten 5:2-randomisiert 4 Zyklen (q3w) Trastuzumab (8 mg/kg → 6 mg/kg) plus Pertuzumab (840 mg → 420 mg) ohne versus mit 12 Zyklen (q1w) Paclitaxel (80 mg/m2). Anschliessend wurde innerhalb von 3 Wochen die Tumorresektion durchgeführt. Primärer Endpunkt war die pCR-Rate, sekundäre Endpunkte das invasive erkrankungsfreie Überleben (invasive DiseaseFree Survival, iDFS), das fernmetastasierte erkrankungsfreie Überleben (distant Disease-Free Survival, dDFS), das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit. Zudem wurde nach prädiktiven Biomarkern für die Deeskalierung bei HER2-positivem frühem Brustkrebs geschaut. Mit einer medianen Beobachtungszeit von rund 5 Jahren (Spanne: 0,2–75,3 Monate) betrug die iDFS-Rate nach 5 Jahren 87% im Trastuzumab-Pertuzumab-Arm und 98% im Paclitaxel-haltigen Arm (Hazard Ratio [HR]: 0,32; 95%-Konfidenz intervall [KI]: 0,07–1,47; p = 0,144). Für das dDFS wurde eine 5-Jahres-Rate von 92 versus 98% mit einer Hazard Ratio von
0,34 (95%-KI: 0,04–2,80; p = 3,13) beobachtet. Auch für das OS hatten sich die Kaplan-Meier-Kurven bereits getrennt (HR: 0,41; 95%-KI: 0,05–3,55; p = 0,422). Die 5-Jahres-OS-Raten betrugen 94 ohne und 98% mit Paclitaxel. Wurden Patientinnen des Paclitaxel-freien Studienarms bezüglich einer erreichten oder nicht erreichten pCR ausgewertet, so betrug die 5-Jahres-iDFS-Rate mit pCR 98 gegenüber 83% ohne pCR (HR: 0,18; 95%-KI: 0,02–1,43; p = 0,106). Ein Drittel der Patientinnen (33,7%) zeigte kein frühes Ansprechen. Diese Gruppe setzte sich aus Patientinnen mit Basaltyptumoren, niedrig HER2-exprimierenden Tumoren (1+,2+/FISH+) und einem Teil hoch HER2-exprimierenden Tumoren (3+/FISH+) zusammen. Für hoch sensitive Tumoren, dies waren HER2 3+/FISH+-Tumoren, die früh auf die Therapie mit einer Komplettremission ansprachen, wurden in der gesamten Studienpopulation höhere 5-Jahres-iDFS-Raten gesehen als in der Gruppe mit nicht sensitiven Tumoren (93 vs. 79%). Die Suche nach Chemotherapiefreien Regimen müsse daher auf ausgewählte Patientinnen, beispielsweise mit HER2 3+ und nicht Basaltyptumoren, frühem Ansprechen oder prädiktiver RNASignatur, fokussiert werden, schlossen die Autoren.
Zielgerichtete adjuvante Gabe von Olaparib bei HER2negativem Brustkrebs
Die PARP-Blockade hat sich in diversen Therapielinien bei verschiedenen Tumorentitäten bei Vorliegen einer BRCA1/2Mutation etabliert. Nun wurde in der OlympiA-Studie auch der mögliche Stel-
lenwert in der adjuvanten Situation bei frühem Brustkrebs mit hohem Rezidivrisiko untersucht (2). In die Studie eingeschlossen wurden Patientinnen mit HER2negativem Brustkrebs im Stadium II-III oder fehlender pCR nach neoadjuvanter Chemotherapie und Nachweis einer Keimbahn-BRCA1/2-Mutation. Die Patientinnen wurden in zwei Behandlungskohorten unterteilt: die neoadjuvante Gruppe (neoadjuvante Therapie, Operation und möglicher Radiotherapie) sowie die adjuvante Gruppe (Operation, adjuvante Chemotherapie und mögliche Radiotherapie). Insgesamt 1836 Patientinnen erhielten anschliessend an diese Behandlungen randomisiert Olaparib (300 mg, bid) über ein Jahr oder Plazebo. Primärer Endpunkt war das iDFS. Beim ASCO wurden die Ergebnisse einer Interimsanalyse mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,5 Jahren in der ITT-Population und 3,5 Jahren in der reifen Kohorte der ersten 900 eingeschlossenen Patientinnen gezeigt. Die Studienteilnehmerinnen waren im Median 42–43 Jahre alt und wiesen in 71– 73% der Fälle eine BRCA1- sowie in 26– 28% eine BRCA2-Mutation auf. Bei den Tumoren handelte es sich in 17–18% der Fälle um eine Hormonrezeptor-positive und in 82–83% der Fälle um tripel-negative Mammakarzinome. Bei drei Viertel der Patientinnen war eine Mastektomie erfolgt, 50% hatten eine adjuvante und 50% eine neoadjuvante Therapie erhalten. Von den HR-positiven Patientinnen erhielten 87–90% zudem eine endokrine Therapie. Die zusätzliche Olaparib-Therapie resultierte in einem signifikant verlängerten iDFS mit einer 3-Jahres-Rate von 85,9 versus 77,1% und einer Risikoreduktion für das Auftreten einer invasiven Erkrankung um 42% (HR: 0,58; 99,5%-KI: 0,41–0,82; p < 0,0001). Auch das dDFS unterschied sich mit einer 3-Jahres-Rate von 87,5 versus 80,4% in der ITT-Population signifikant zugunsten von Olaparib (HR: 0,57; 99,5%KI: 0,39–0,83; p < 0,0001). Der Unterschied im Gesamtüberleben erreichte die statistisch festgelegte Signifikanzgrenze bisher 14 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE 2021 ASCO 2021 VIRTUAL Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 4. bis 8. Juni 2021 nicht (HR: 0,68; 99%-KI: 0,44–1,05; p = 0,014). Nach drei Jahren lebten 92,0% der Patientinnen im Olaparib-Arm versus 88,3% der Patientinnen im Plazebo-Arm. Subgruppenanalysen zum iDFS gaben keinen Hinweis auf eine Patientinnengruppe, die nicht von Olaparib profitiert hätte. Verlängertes Gesamtüberleben mit CDK4/6-Inhibitoren plus Fulvestrant Auch die Gabe von CDK4/6-Inhibitoren plus endokriner Therapie hat zu einer Verbesserung der Überlebensraten bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs geführt. In der Phase-III-Studie MONALEESA-3 wurde die Kombination von Ribociclib und Fulvestrant mit der alleinigen Fulvestrant-Therapie bei postmenopausalen Brustkrebspatientinnen mit HER2-negativer, HR-positiver Erkrankung plazebokontrolliert verglichen. Beim ASCO-Jahrestreffen wurden aktualisierte OS-Daten mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 56,3 Monaten vorgestellt (3). Der bereits in einer finalen-OS-Analyse gezeigte Vorteil bezüglich des Gesamtüberlebens durch die zusätzliche RibociclibGabe wurde bestätigt (HR: 0,726; 95%-KI: 0,588–0,897). Nach 4 Jahren waren 53,6% der Patientinnen im Ribociclib-Arm versus 44,5% im Plazebo-Arm am Leben, nach 5 Jahren waren es 46,0 versus 31,1%. Das mediane OS betrug 53,7 Monate mit Ribociclib plus Fulvestrant versus 41,5 Monate mit Plazebo plus Fulvestrant. Patientinnen, die im Erstlinien-Setting behandelt wurden, definiert als Krankheitsrückfall mehr als 12 Monate nach Beendigung der (neo)adjuvanten endokrinen Therapie oder als de novo frühes Mammakarzinom, hatten unter Ribociclib plus Fulvestrant ein um 36% niedrigeres Risiko zu versterben als unter alleiniger Fulvestrant-Therapie (HR: 0,640; 95%-KI: 0,464– 0,883). Auch Patientinnen unter Zweitlinienbehandlung oder nach frühem Rückfall (≤ 12 Monate nach [neo]adjuvanter komplettierter endokriner Thera- pie) zeigten ein verlängertes Überleben unter der kombinierten Therapie. Das mediane OS betrug für diese Patientinnengruppe 39,7 versus 33,7 Monate (HR: 0,780; 95%-KI: 0,587–1,037). Das mediane OS wurde durch die zusätzliche Ribociclib-Gabe sowohl bei Patientinnen, die sensitiv als auch bei denen, die resistent gegenüber der endokrinen Therapie waren, verlängert. Die Zeit ab Randomisierung bis zu der Studienmedikation nachfolgenden Therapie wurde um fast 20 Monate verlängert (median 28,8 vs. 48,1 Monate; HR: 0,704; 95%-KI: 0,566–0,876). Das chemotherapiefreie Überleben (Zeit ab Randomisierung bis zu der Studienmedikation nachfolgenden ersten Chemotherapie) wurde um nahezu 10 Monate verlängert (22,4 vs. 32,3 Monate; HR: 0,688; 95%-KI: 0,570–0,830). Auch der neue CDK4/6-Inhibitor Dalpiciclib wurde in Kombination mit Fulvestrant geprüft (4). Patientinnen mit HER2-negativem HR-positivem fortgeschrittenen Mammakarzinom, die ein Rezidiv oder ein Fortschreiten der Erkrankung unter endokriner Therapie aufwiesen, erhielten in der Phase-III-Studie DAWNA-1 Dalpiciclib plus Fulvestrant oder Plazebo plus Fulvestrant. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Insgesamt wurden 360 Patientinnen 2:1 randomisiert in den beiden Studienarmen behandelt. Bei Studienbeginn waren die Patientinnen in einem Alter von median 51–52 Jahren, mehr als die Hälfte (55– 56%) waren in der Postmenopause und mehr als ein Viertel (27–28%) hatten bereits zwei endokrine Therapien erhalten. Eine neoadjuvante Chemotherapie wurde für 15–16%, eine adjuvante Chemotherapie für 83–85% und eine Salvage-Chemotherapie für 27 bzw. 35% der Patientinnen angegeben. Durch die zusätzliche Gabe von Dalpiciclib zu Fulvestrant wurde das mediane PFS von 7,2 auf 15,7 Monate verlängert (HR: 0,42; 95%-KI: 0,31–0,58; p < 0,0001). Ein Ansprechen zeigten 27,0 versus 20,0% der Patientinnen, eine klinische Kontrollrate 61,0 versus 45,8%. Die mediane Dauer des Ansprechens war im Dalpiciclib-Arm noch nicht erreicht (Spanne: 1,7–12,1+) und betrug im Pla- zebo-Arm 7,7 Monate (Spanne: 1,8– 13,9+). Auch die Zeit bis zur ersten nach- folgenden Chemotherapie konnte durch Dalpiciclib verzögert werden (HR: 0,47; 95%-KI: 0,32–0,69; p < 0,0001). Nach 12 Monaten waren 70,8 versus 52,4% der Patientinnen noch nicht unter einer nach- folgenden Chemotherapie. Im Median wurden Dalpiciclib und Pla- zebo über eine Dauer von 9,4 bzw. 5,8 Mo- naten appliziert und Fulvestrant über 9,9 bzw. 6,1 Monate in den beiden Studien- armen. Nebenwirkungen Grad 3–4 wur- den bei 88,3 versus 11,7% der Patien- tinnen beobachtet, klinisch relevante Nebenwirkungen bei 5,8 versus 6,7% der Patientinnen. 2,5 versus 3,3% der Patien- tinnen brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab und 0,8 bzw. 3,3% der Patientinnen verstarben. Die häufig sten Nebenwirkungen Grad 3–4 unter Dalpiciclib waren Neutropenie (Grad 3: 65,0%; Grad 4: 19,2%) und Leukopenie (Grad 3: 62,1%; Grad 4: 0%). Die primäre Prophylaxe mit G-CSF war gemäss Proto- koll nicht erlaubt. n Ine Schmale Referenzen: 1. Harbeck N et al.: De-escalated neoadjuvant pertu- zumab+trastuzumab with or without weekly paclitaxel in HER2+/HR- early breast cancer: ADAPT HER2+/HR- biomarker and survival results. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #503. 2. Tutt A et al.: OlympiA: A phase III, multicenter, randomized, placebo-controlled trial of adjuvant olaparib after (neo)adjuvant chemotherapy in patients with germline BRCA1/2 mutations and high-risk HER2-negative early breast cancer. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #LBA1. 3. Slamon DJ et al.: Updated overall survival results from the phase III MONALEESA-3 trial of postmenopausal patients with HR+/HER2- advanced breast cancer treated with fulvestrant ± ribociclib. 2021 ASCO Annual Meeting, Abstr. #1001. 4. Xu B et al.: Dalpiciclib versus placebo plus fulvestrant in HR+/Her2- advanced breast cancer that relapsed or progressed on previous endocrine thearpy (DAWNA-1): A multicenter, randomized, phase 3 study. ASCO 2021, Abstr. #1002. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE 2021 15