Transkript
ASCO 2021 VIRTUAL
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 4. bis 8. Juni 2021
Gynäkologische Tumoren
Operation und adjuvante Therapie als Stellschrauben der Prognose
Die Tumorresektion ist bei vielen Krebsentitäten die einzige kurative Therapieoption. Mit Hilfe der adjuvanten Therapie kann zudem die rezidivfreie Zeit verlängert werden. Bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) konnte für das Ovarialkarzinom eine bessere Visualisierung des Tumors durch einen Folat-analogen Liganden gezeigt werden. Eine Optimierung der adjuvanten Therapie beim Zervixkarzinom blieb hingegen erfolglos.
Ovarialkarzinom: OTL38 bei Folatrezeptor-positiven Tumoren
Die komplette Zytoreduktion ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um beim Ovarialkarzinom die Prognose der Patientinnen zu verbessern. Da etwa 97% der Ovarialkarzinomzellen den Folat-Rezeptor exprimieren, wurde dieser als Ziel für ein intra-operatives Hilfsmittel verwendet. OTL38 – ein Folat-analoger Ligand, der mit einem Indolcyanin-ähnlichen grünen Farbstoff konjugiert ist, kann die Visualisierung der Tumoren während des Eingriffs erhöhen. Bei Kontakt mit dem Folat-Rezeptor wird die Fluoreszenz des Farbstoffs aktiviert und mithilfe der nahen Infrarot-Bildgebung sichtbar gemacht. Auf dem Jahreskongress ASCO 2021 wurden Studienergebnisse präsentiert, die den Vorteil der Operation mit OTL38 nachwiesen (1). 134 Patientinnen wurden in einer offenen Phase-III-Studie zuerst mit Weisslicht und Palpation auf verdächtige Läsionen untersucht und bei Notwendigkeit ein Operationsplan aufgestellt. Dann wurde mit der Fluoreszenz-Bildgebung nach weiteren Läsionen gesucht und der Operationsplan bei Bedarf umgestellt. Vor der Resektion des Ovarialkarzinoms erhielten die Patientinnen eine 60-minütige OTL38-Infusion. Bei der Operation wurden dann die Läsionen, die unter Weisslicht und Fluoreszenz identifiziert wurden, reseziert, und nach der Resektion wurde noch einmal mit der Fluoreszenz-Bildgebung intraoperativ nach Läsionen geschaut. Alle Resektate wurden pathologisch begutachtet.
Insgesamt wurden bei einem Drittel der Patienten durch die Fluoreszenz-Bildgebung eine oder mehrere Folat-Rezeptorpositive Läsionen identifiziert, die mit Weisslicht und Palpation nicht reseziert worden wäre. Die Sensitivität für die Identifizierung Folat-Rezeptor-positiver Läsionen betrug 83%, die Falsch-Positiv-Rate 32,7%. Bei Chirurgen mit hohem Operationsvolumen wurde eine Sensitivität von 86,5% und eine Falsch-Positiv-Rate von 28,5% ermittelt. In einer Befragung gaben die Chirurgen an, für 56,0% der Patientinnen den Operationsplan aufgrund der intra-operativen Fluoreszenz-Bildgebung geändert zu haben. Bei 50,5% der Patientinnen wurde ein verbessertes Debulking erzielt und bei 62,4% der Patientinnen konnte eine komplette Resektion (R0) erreicht werden.
Zervixkarzinom: Adjuvante Chemotherapie bringt keinen Vorteil
Der Versuch, durch eine adjuvante Therapie nach Chemoradiotherapie die Prognose beim Zervixkarzinom zu verbessern, brachte in der OUTBACK-Studie nicht den gewünschten Erfolg. Hintergrund für die gewählte Strategie war die Überlegung, dass die meisten Todesfälle beim Zervixkarzinom aufgrund der Entwicklung von Fernmetastasen erfolgen. Um nun ein Fortschreiten zur metastasierten Erkrankung zu verzögern, wurde in der OUTBACK-Studie die adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin plus Paclitaxel zur Standard-Chemoradio therapie hinzugefügt. Primärer Endpunkt war eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (Overall Survival; OS). Aus den
beim ASCO präsentierten Studienergeb-
nissen ist zu folgern, dass die Becken-
bestrahlung mit wöchentlicher Cisplatin-
Gabe – ohne die zusätzliche adjuvante
Chemotherapie – die Standardbehand-
lung des lokal fortgeschrittenen Zervix-
karzinoms bleibt (2).
Bei der Auswertung der Studiendaten
wurde kein Unterschied für das OS (Ha-
zard Ratio [HR]: 0,90; 95%-Konfidenz
intervall [KI]: 0,70–1,17; p = 0,8) oder das
progressionsfreie Überleben (PFS) (HR:
0,86; 95%-KI: 0,69–1,07; p = 0,6) gesehen.
Die 5-Jahres-OS-Rate betrug 71% im
Chemoradiotherapie-Arm und 72% bei
zusätzlicher Gabe von Carboplatin plus
Paclitaxel. Progressionsfrei lebten nach
5 Jahren 61 versus 63% der Patientinnen.
Es traten aber, wie zu erwarten, signifi-
kant häufiger Nebenwirkungen hämato-
logischer, neurologischer und allgemei-
ner Art unter zusätzlicher Chemotherapie
auf. Der Anstieg einer späten Radiotoxi-
zität wurde nicht beobachtet.
In der OUTBACK-Studie starteten 453 Pa-
tientinnen die Chemoradiotherapie im
Kontrollarm und 353 Patientinnen kom-
plettierten sie. Im experimentellen Arm
mit zusätzlicher adjuvanter Chemothera-
pie begannen 453 Patientinnen die Che-
moradiotherapie und 356 komplettierten
diese. Allerdings starteten nur 361 Patien-
tinnen auch mit der adjuvanten Chemo-
therapie – was bedeutet, dass 22% der
Patientinnen im experimentellen Arm die
vollständige Studienmedikation nicht er-
hielten – und 285 komplettierten diese.
Dennoch: Die vorliegenden Daten recht-
fertigen eine adjuvante Chemotherapie
mit Carboplatin und Paclitaxel nach Che-
moradiatio mit wöchentlichem Cisplatin
nicht. Es solle für die Optimierung durch
eine adjuvante Therapie auf effektive,
aber weniger toxische Möglichkeiten fo-
kussiert werden, so die Schlussfolgerung
der Autoren.
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Ine Schmale
Referenzen in der Online-Version des Beitrags
16 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE 2021