Transkript
Interview
«Bei Mukositis gibt es nichts Besseres»
Interview zum Einsatz von Bienenprodukten in der Medizin
Schützen Bienenstiche vor COVID-19? Die Apitherapie muss für vieles herhalten. Neben substanzlosen Therapieversprechen können Bienenprodukte in begründeten Fällen, wie bei Schleimhautwunden oder Herpes labialis, durchaus hilfreich sein. Ein Gespräch mit dem Gynäkologen und Imker Prof. Dr. Karsten Münstedt vom Ortenau-Klinikum in Offenburg (D) über seine mühsame Arbeit, in der Apitherapie die Spreu vom Weizen zu trennen.
Fotos: KD
Prof. Dr. med. Karsten Münstedt ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und Chefarzt am OrtenauKlinikum im deutschen Offenburg. Seit vielen Jahren setzt er sich in Fachartikeln und Büchern mit Fragen zur Apitherapie auseinander, indem er die Therapieansätze auf ihre wissenschaftliche Relevanz prüft. Karsten Münstedt ist seit 1980 Imker und Besitzer von rund 20 Bienenvölkern.
Herr Prof. Münstedt, Sie haben aktuell eine Studie zu Bienenstichen und COVID-19 durchgeführt. Wie kamen Sie auf diese Idee? Prof. Dr. Karsten Münstedt: Es gab eine chinesische Arbeitsgruppe, die behauptete, man könne COVID-19 mit Bienenstichen heilen (1). Von den untersuchten 5100 Imkern hatte angeblich kein einziger COVID-19. Wenn Imker durch Bienenstiche vor dem Virus geschützt wären – das wäre ja eine tolle Geschichte! Also habe ich mir die Studie angesehen. Sie enthält überhaupt keine methodischen Details, es gibt keine demografischen Daten, die erfassten Variablen werden nicht genannt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man eine solche Studie nicht einfach so vom Tisch wischen sollte, auch wenn das alles sehr unglaubwürdig klingt. Ich habe dann alle Imkervereine Deutschlands angeschrieben und gleichzeitig in den Bienenzeitschriften inseriert, um herauszufinden, welche Erfahrung die Imker mit dem Coronavirus gemacht haben (2). Bei etwa 400 Rückmeldungen
Jede Biene sammelt in ihrem Leben einen Teelöffel Honig.
kam heraus, dass um die 50 Imker COVID-19 hatten, obwohl sie in dieser Zeit immer wieder von Bienen gestochen wurden. Im Durchschnitt hatten die Imker etwa 28 Bienenstiche im Jahr 2020. Zudem sind zwei Imker daran gestorben, trotz reichlicher Bienengiftexposition. Ich habe die Gesamtzahl der Imker in Deutschland mit den Coronafällen korreliert und bin auf ganz ähnliche Inzidenzen wie in der Normalbevölkerung gekommen. Fazit: Bienengift schützt in keiner Weise vor COVID-19 .
Auch für andere Indikationen werden Bienen produkten bisweilen wahre Wunder unterstellt … Ich habe im vergangenen Jahr 130 Bücher aus aller Welt zur allgemeinen Apitherapie ausgewertet und sie auf ihre Empfehlungen hinsichtlich bestimmter Krankheitsbilder analysiert (3–6). Dabei zeigte sich, dass es «die Apitherapie» eigentlich gar nicht gibt. Egal ob rheumatoide Erkrankungen, Prostataprobleme, Herzkrankheiten oder Krebs: Zu fast jeder Indikation existieren sehr viele unterschiedliche therapeutische Vorschläge, ohne irgendein gemeinsames Konzept. Da kommen Honig, Propolis, Pollen, Gelee royale, Bienengift, Honigmassage oder Stockluft zum Einsatz, allerdings ohne jegliche Evidenz. Es gibt Anbieter von Apitherapien, die ernsthaft behaupten, man könne mit Bienenprodukten Brustkrebs heilen. Ich habe ihnen geschrieben, dass ich das sehr interessant fände. Daraufhin haben sie freudig zurück geschrieben, dass sie mein Interesse sehr schätzen würden. Dann habe ich höflich nachgefragt, ob es denn möglich wäre, mit einer Frau, die mit den Bienenprodukten geheilt worden sei, Kontakt aufzunehmen. Daraufhin hörte ich nie wieder etwas von diesen Leuten.
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Sie haben die Literatur zu verschiedenen Indikationen ausgewertet. Beispiel Heuschnupfen: Lässt sich da etwas mit Bienenprodukten lindern? Viele Menschen glauben, dass Honig gegen Heuschnupfen wirkt. Aber das wird in 61 Prozent der Bücher überhaupt nicht erwähnt (5). In den anderen haben wir 29 unterschiedliche Empfehlungen, das reicht von Honig über Wabenhonig bis zu Pollen oder Propolis. Nur für Honig, dem Pollen zugesetzt wurden, existieren klinische Studien aus der Schweiz und Deutschland, die tatsächlich eine gewisse Evidenz für eine Desensibilisierung zeigen. Aber das war es dann eigentlich schon.
Einsatz von Honig bei oraler Mukositis
Im Rahmen der Aktualisierung der klinischen Praxisleitlinien für die Behandlung der oralen
Mukositis, die von der Multinational Association of Supportive Care in Cancer/International
Society of Oral Oncology (MASCC/ISOO) entwickelt wurden, wurde systematisch der
Einsatz zahlreicher Naturprodukte und pflanzlicher Heilmittel evaluiert, unter anderem
der Einsatz von Honig (13). Die Autoren bezogen insgesamt 49 Untersuchungen ein
und führten die Ergebnisse mit jenen der 9 bereits in der Version 2014 der Guideline
berücksichtigten Studien zusammen. Auf Basis der vorliegenden Daten zum topischen
und systemischen Einsatz von Honig bei Patienten mit Kopf- und Halskarzinomen aus
insgesamt 10 Studien schlagen sie den Einsatz von Honig (kombiniert topisch und sys-
temisch) vor, um unter Bestrahlung (mit oder ohne Chemotherapie) der Entwicklung
oraler Mukositiden vorzubeugen (Evidenzlevel III). Bei topischer Anwendung sollte zur
Vermeidung von Karies auf strenge Mundhygiene geachtet werden.
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Und wie ist es mit den alten Honig-Hausrezepten bei Erkältung? Honig schadet sicher nicht bei Erkältungen; vielleicht hilft er auch, vielleicht ist es aber auch nur der Glaube daran. Gute randomisierte Studien und wissenschaftliche Evidenzen, dass Honig tatsächlich eine Erkältung erfolgreich zurückdrängt, gibt es nicht. Etwas anderes ist es mit Husten bei Kindern. Da wurde in sauberen Studien, darunter eine Metaanalyse, klar gezeigt, dass ein Löffel Honig zur Behandlung des nächtlichen Hustens bei Kindern eine sinnvolle Massnahme ist (7–9).
«Die Indikationen, von denen ich heute s agen würde, dass der Einsatz von Bienenproduk ten wirklich evidenzbasiert ist, sind Herpes infektionen und die komplementärmedizini sche B ehandlung von Wunden, insbesondere nach Bestrahlung oder Chemotherapie.»
Wo ist der Einsatz von Honigprodukten sonst noch sinnvoll? Die Indikationen, von denen ich heute sagen würde, dass der Einsatz von Bienenprodukten wirklich evidenzbasiert ist, sind Herpesinfektionen und die komplementärmedizinische Behandlung von Wunden, insbesondere nach Bestrahlung oder Chemotherapie. Zu den Herpesvireninfektionen gibt es mittlerweile sechs neuere randomisierte, prospektive Studien mit insgesamt über 1000 Patienten (z. B. 4, 10, 11). Dabei handelt es sich um qualitativ hochwertige Unter suchungen. Sie zeigen, dass Propolis besser wirkt als das Standardmedikament Aciclovir. Damit ist Propolis eine ernst zu nehmende Substanz. Sie wurde mittlerweile standardisiert, und es besteht eine wirklich gute Pharmakologie zu diesem Produkt.
Was ist eigentlich die Funktion von Propolis im Bienenstock? Propolis ist eine gelbliche, klebrige Substanz. Sie dient im Stock einerseits zum Abdichten von kleinen Öffnungen, Spalten und Ritzen. Andererseits werden damit eingeschleppte Bakterien, Pilze, Viren und andere Mikroorganismen in ihrer Entwicklung gehemmt
respektive abgetötet. Die Bienen kleiden dazu bestimmte Oberflächen mit einem hauchdünnen Propolisfilm aus. Beispielsweise wird so das Innere der Wabenzellen, in dem die Brut lebt, gegen Mikroorganismen geschützt. Das erklärt die antivirale Wirkung von Propolis bei Herpes.
Wie steht es mit der antientzündlichen Wirkung von Honig? Für die Behandlung von Wunden während und nach der Chemo- und Strahlentherapie im Kopf-Hals- Bereich gibt es nichts Besseres als Honig. Ich habe 17 Studien zur Entzündungsprophylaxe von Honig auf den Mundschleimhäuten analysiert (12). 13 davon zeigten, dass die Wunden in der Mundschleimhaut mit Honig deutlich besser abheilten als mit anderen Substanzen. Bei den 4 negativen Studien wurde interessanterweise der viel gelobte Manuka-Honig verwendet, während die 13 positiven Studien mit normalem Honig durchgeführt wurden. Als Folge dieser Analyse kam von der Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) eine positive Empfehlung für den Einsatz von Honig zur Behandlung von Wunden und Entzündungen in den Mundschleimhäuten. Die MASCC ist eine der führenden Gesellschaften für supportive Medizin, und diese Empfehlung war für mich eine kleine Sensation. Denn damit hat eine klassische medizinische Gesellschaft, die der Naturheilkunde sehr kritisch gegenübersteht, in ihrer jüngsten Leitlinie Honig als positive Behandlungsoption bei Mukositis herausgestellt (13).
Honig bei Wunden ist ja ein sehr altes Rezept … Zur antibiotisch wirkenden Therapie von Honig auf Wunden existieren reichlich Untersuchungen. Beispiels weise erwies sich Honig in einer schwedischen Studie mit Brandwunden signifikant besser als Silbersulfadiazin. Auch bei Tonsillektomien zeigte sich Honig in mehreren Studien im Vergleich zu Lidocain überlegen. Ich selbst hatte einmal eine Patientin, deren Brust durch einen Tumor eine ziemlich übelriechende Wunde voller Eiter und Bakterien entwickelt hatte. Weder Antibiotika
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noch andere Substanzen hatten gegen die multiresistenten Keime geholfen. Also habe ich meinen Assistentinnen gesagt: «Macht mal Honig drauf.» Die Schwestern kicherten und nahmen das nicht so ernst. Aber nach drei Tagen heilte die Wunde ab, und niemand hat mehr gelacht (14, 15).
Wo sehen Sie noch Potenzial beim Einsatz von Bienenprodukten? Es gibt möglicherweise noch Potenzial hinsichtlich des Einsatzes von Bienengift bei neuralgischen Schmerzen. Allerdings kommt da bei vielen Menschen die Allergieproblematik hinzu, weshalb Bienengift kaum die Behandlung der Wahl sein wird. Abgesehen davon ist die Akzeptanz von solchen Substanzen nicht besonders hoch. Selbst gegenüber dem Honig existieren Bedenken, weil es gerade unter jungen Leuten immer mehr Veganer gibt. Diese sind der Meinung, dass viele Imker ihre Bienen ausbeuten – und deshalb lehnen sie Bienenprodukte ab. Veganer wollen Honig weder essen noch bei Mundschleimhautentzündungen einsetzen. Wenn sich das durchsetzen würde, hätte sich sowohl die Apitherapie als auch die Imkerei erledigt.
Das Interview führte Klaus Duffner
Referenzen: 1. Yang W et al.: Hu F.-L., Xu X.-F. Bee venom and SARS-CoV-2. Toxicon. 2020;181:
69-70. 2. Männle H et al.: Beekeepers who tolerate bee stings are not protected against
SARS-CoV-2 infections. Toxicon. 2020;187:279-284. 3. Münstedt K, Männle H: Apitherapy for menopausal problems. Arch Gynecol
Obstet 2020; 302(6):1495-1502. 4. Münstedt K, Männle H: Bee products and their role in cancer prevention and
treatment. Complement Ther Med 2020;51:102390. 5. Münstedt K, Männle H: Seasonal allergic rhinitis and the role of apitherapy.
Allergol Immunopathol (Madr) 2020;48(6):582-588. 6. Münstedt K, Männle H: Benign Prostatic Hyperplasia – Is Apitherapy a Reaso-
nable Therapeutic Option? General Clinical Practice. Urology Nursing 2020;40(5):239-243 7. Pecoraro L et al. Honey and children: only a grandma's panacea or a real useful tool? Int J Food Sci Nutr. 2021;72(3):300-307. 8. Oduwole O et al. Honey for acute cough in children. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018;4(4):CD007094. 9. Abuelgasim H et al. Effectiveness of honey for symptomatic relief in upper respiratory tract infections: a systematic review and metaanalysis. BMJ Evid Based Med. 2021;26(2):57-64. 10. Jautová J et al.: Lip creams with propolis special extract GH 2002 0.5% versus aciclovir 5.0% for herpes labialis (vesicular stage): Randomized, controlled double-blind study. Wien Med Wochenschr. 2019;169(7-8):193-201. 11. Arenberger P et al. Comparative Study with a Lip Balm Containing 0.5% Propolis Special Extract GH 2002 versus 5% Aciclovir Cream in Patients with Herpes Labialis in the Papular/Erythematous Stage: A Singleblind, Randomized, Two-arm Study. Curr Ther Res Clin Exp 2017;88:1-7. 12. Münstedt K et al. Honey in the management of side effects of radiotherapy- or radio/chemotherapyinduced oral mucositis. A systematic review. Complement Ther Clin Pract 2019;34:145-152. 13. Yarom N et al.: Systematic review of natural and miscellaneous agents, for the management of oral mucositis in cancer patients and clinical practice guidelines – part 2: honey, herbal compounds, saliva stimulants, probiotics, and miscellaneous agents. Support Care Cancer 2020;28(5):2457-2472. 14. Praptiwi A et al. The potentials of honey in managing breast cancer wounds: A literature review. Asian Journal of Pharmaceutical and Clinical Research 2017;10(14):102-107. 15. Tsichlakidou A et al. Intervention for symptom management in patients with malignant fungating wounds – a systematic review. J Buon. 2019;24(3):1301-1308.
Der arbeitsreiche Weg zum Honig
Honig, Pollen, Propolis, Wachs und der Futtersaft Gelee Royale: Bienen haben ein ganzes Spektrum von Substanzen, die von ihnen in unterschiedlichster Weise hergestellt und genutzt werden. Das bekannteste Produkt ist sicherlich der Honig, der entweder aus dem Nektar von Blüten oder aus den süssen Hinterlassenschaften von Läusen gewonnen wird. Der Weg zum leckeren Brotaufstrich ist spektakulär: Eine einzelne Biene besucht pro Tag viele Hundert Blüten, wobei pro Volk ein Sammelgebiet von rund 50 Quadratkilometern abgedeckt wird. Dabei ist der Sammeleifer der einzelnen Arbeiterinnen durchaus unterschiedlich. Es gibt eher faule Bienen, die es bei ein bis drei Ausflügen pro Tag bewenden lassen. Es gibt im gleichen Bienenstock aber auch echte Schafferinnen, die es täglich auf bis zu zehn Sammelreisen bringen. Die Ergiebigk eit der Blüten kann je nach Pflanze, Lage, Temperatur, Tages- und Jahreszeit sehr unterschiedlich sein. Deshalb ist für das Sammeln von Nektar wirtschaftliches «Denken» gefragt. So teilen «Pfadfinderbienen» ihren im Stock weilenden Artgenossinnen über den berühmten Schwänzeltanz genau mit, wo es sich gerade lohnt und wo nicht. Je heftiger dieser Tanz ausfällt, desto attraktiver das Ziel und desto mehr Bienen machen sich auf den Weg. Sammelbienen besuchen nicht wahllos jede Blüte, auf die sie treffen. Sie sammeln bevorzugt auf derjenigen Blütenpflanze, mit der sie ihr Tagwerk begonnen haben. Also bleiben sie an diesem Tag zum Beispiel dem Löwenzahn, der Kirschblüte oder der Himbeerblüte treu. Das hat Vorteile, sowohl für die Pflanze, deren Bestäubung viel wahrscheinlicher wird, als auch für die Biene, die den Umgang mit einem bestimmten Blütentyp trainieren kann. Und das ist nicht alles: Da die Blüten an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Mengen an Nektar produzieren, fliegen sie, ähnlich wie ein Handelsreisender, der seine Kunden auf einem vorausgeplanten Weg abklappert, in optimaler Reihenfolge ihre Nektarquellen ab. Ist diese Quelle von der Biene geleert, gibt sie einen chemischen Duftstoff ab, der den nachfolgenden Arbeiterinnen signalisiert, dass hier im Augenblick nichts mehr zu holen ist. Dadurch müssen andere Bienen nicht erst umständlich und energieaufwändig landen und nachschauen, sondern sie können sich direkt auf die Suche nach anderen lohnenden Quellen begeben. Diese chemische Botschaft verblasst so rasch, wie die Blüte ihren Nektartank wieder gefüllt hat. Kehren die mit vollgefüllter Honigblase beladenen Arbeiterinnen zurück in den Stock, werden sie schon von Nektar-Abnehmerbienen erwartet. Sie reichern den süssen Saft mit Enzymen an, entziehen ihm das Wasser und deponieren den Honig in den Waben, wo ihm durch selbst erzeugte Wärme weitere Feuchtigkeit genommen wird.
Vielseitig einsetzbar
Eine Arbeitsbiene übt in ihrem vier- bis sechswöchigen Sommerleben mehrere Berufe aus. Sie ist beispielsweise Putzbiene, Bauarbeiterin, Brutpflegerin, Wächterin oder Nektarverarbeiterin. Erst im letzten und längsten Lebensabschnitt wird sie schliesslich zur Sammelbiene. Bei einem Körpergewicht von rund 82 Milligramm kann eine solche Sammlerin in ihrem Honigmagen 20 bis 40 Milligramm Nektar transportieren. Dabei legt sie täglich rund 80 Kilometer Flugstrecke zurück. Für 500 Gramm Honig müssen die Arbeitsbienen rund 40 000-mal ausfliegen und dabei eine Flugstrecke von rund 120 000 Kilometern zurücklegen. An guten Tagen können so über drei Kilogramm Blütennektar eingeflogen werden. Eine Biene produziert in ihrem gesamten Leben rund einen Teelöffel Honig. Ein starkes Bienenvolk mit über 50 000 Individuen kann pro Sommer bis zu 300 Kilogramm Honig herstellen. Das meiste davon landet jedoch nicht auf dem Butterbrot oder im Tee der Honigliebhaber, sondern wird sofort wieder in Wärmeenergie und Aufzucht der Nachkommen gesteckt. Der Honigertrag des Imkers pro Bienenvolk liegt bei jährlich durchschnittlich 30 Kilogramm, wobei die Menge je nach Saison und Region sehr stark schwanken kann. Auch Pollen, die zentrale Eiweissquelle für die Aufzucht der Brut, werden in erheblichen Mengen gesammelt. Eine mittelgrosse Kolonie bringt es auf rund 30 Kilogramm Pollen pro Jahr. Propolis wird aus Pflanzenharzen gewonnen, die in erster Linie von Knospen, Früchten oder Blättern stammen. Jedes Volk stellt pro Jahr mehrere Hundert Gramm dieses klebrigen Dichtungs- und Desinfektionsmittels her. Viele Fähigkeiten der Honig bienen erscheinen unglaublich. Obwohl sie die mit Abstand am besten erforschten Insekten sind, warten immer noch viele faszinierende Geheimnisse auf ihre E ntdeckung.
Klaus Duffner Quelle: Jürgen Tautz: Phänomen Honigbiene. Springer Spektrum, Heidelberg, 2012. ISBN 978-3-1845-6
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