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KONGRESSBERICHT
10th World Congress of Melanoma / 17th EADO Congress, 15.–17. April 2021, virtuell
Nicht melanozytäre Hauttumoren
Was können Immuntherapien bei diesen Entitäten leisten?
Zu den nicht melanozytären Hauttumoren gehören mit dem Basalzellkarzinom und dem kutanen Plattenepithelkarzinom die insgesamt häufigsten Tumorentitäten, aber auch das seltene, sehr aggressive Merkelzellkarzinom. In einer Sitzung im Rahmen der Jahresversammlung der European Association of Dermato Oncology (EADO) wurde der Stand der Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren bei diesen Entitäten dargestellt.
Merkelzellkarzinom
Mit einer Mortalität von etwa 40% ist das Merkelzellkarzinom (MCC) deutlich aggressiver als das Melanom. Die Inzidenz ist seit dem Jahr 2000 um etwa 95% gestiegen, während in derselben Zeit bei allen soliden Tumoren ein Anstieg nur um etwa 15% und beim Melanom ein Anstieg um 56% beobachtet wurden (1). Dies sei wahrscheinlich der älter werdenden Bevölkerung und der Assoziation des MCC mit einem Alter über 60 bis 70 Jahre geschuldet, erklärte Prof. Paul Nghiem, Seattle (USA). Die therapeutische Blockade der Checkpoints PD-1 und CTLA4 zeigen beim MCC einen grossen Effekt. Der PD-L1-Antikörper Avelumab (Bavencio®) wurde auf Basis der Ergebnisse der Studie JAVELIN Merkel 200 als Monotherapie zur Behandlung von Patienten mit metastasiertem MCC zugelassen (2). Die einarmige Phase-II-Studie untersuchte Wirksamkeit und Sicherheit von Avelumab bei chemorefraktären (Part A) bzw. therapienaiven MCC-Patienten (Part B). Nghiem verglich die Ergebnisse zum progressionsfreien Überleben (PFS) der Studie JAVELIN 200 Merkel (Part A) (2) mit historischen Beobachtungen zum Therapieerfolg mit Chemotherapien (3–5). Während unter den Chemotherapien kein Patient nach einem Jahr progressionsfrei war, betrug die 1-Jahres-PFS-Rate unter Avelumab 29% und die 2-Jahres-PFS-Rate 26%. Ebenso wurde mit Avelumab eine Gesamtüberlebensrate (OS) von 50% nach einem Jahr und von 36% nach zwei Jahren beobachtet. Demgegenüber überlebte im historischen Vergleich kein Patient unter Chemotherapie ein Jahr. Auch wenn es sich bei der JAVELIN-200-Merkel-Studie nicht um eine randomisierte Studie gehandelt
habe, sei der Therapievorteil klar erkennbar, so Nghiem. Eine randomisierte Studie mit Avelumab versus Chemotherapie sei aufgrund der überzeugenden Datenlage jetzt nicht mehr durchführbar. Bezüglich der immuntherapeutischen Erstlinientherapie wurden mit dem PD1-Inhibitor Pembrolizumab (Keytruda®) in der Phase-II-Studie KEYNOTE-017 anhaltende Remissionen induziert (6). Die Ansprechrate betrug bei den 50 Studienteilnehmern 56%, mit Komplettremissionen bei 24% der Patienten. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,9 Monaten war die mediane Dauer des Ansprechens noch nicht erreicht. Patienten mit Ansprechen waren in 96% der Fälle nach 6 Monaten noch in Remission, in 85% nach 12 Monaten und in 79% nach 18 und 24 Monaten. Auch wenn eine Chemotherapie bei etwa einem Drittel der MCC-Patienten ein Ansprechen bewirke, so sei dies nicht anhaltend, betonte Nghiem. In einer retrospektiven Analyse von 62 Patienten verlor mehr als die Hälfte der Patienten unter Chemotherapie nach 6 Monaten das Ansprechen (5). Nach 12 Monaten waren noch 12% der initial ansprechenden Patienten in Remission, nach 18 und 24 Monaten noch 6%. Vergleichbar wurden auch OS-Raten von 86% nach 6 Monaten unter Pembroli zumab-Erstlinientherapie gegenüber 70% im historischen Vergleich festgestellt, die sich von 72 bzw. 44% nach 12 Monaten auf 69 bzw. 20% nach 24 Monaten und 64 bzw. 10% nach 36 Monaten immer mehr auseinander bewegten (5, 6). Die Phase-I/II-Studie CheckMate 358 zur neoadjuvanten Therapie mit Nivolumab (Opdivo®) gab Hinweise auf einen weiteren Aspekt der Immuntherapie, so Nghiem: Bei Patienten mit einer Tumor-
reduktion ≥ 30% innerhalb der ersten zwei Zyklen wurde eine OS-Rate von 100% nach bis zu 40 Monaten erreicht, während Patienten mit einer Tumorreduktion < 30% eine OS-Rate von nur 62,3% nach 24 Monaten zeigten (7). Auch wenn also keine Biomarker identifiziert werden konnten, die die Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens vorhersagen könnten, so gebe die Proportion der Tumorschrumpfung doch Hinweise darauf, ob der Patient mit einer höheren oder weniger hohen Wahrscheinlichkeit langfristig von der Immuntherapie profitieren könnte. Basalzellkarzinom Basalzellkarzinome (BCC) machen mehr als 80% aller epithelialen Hauttumoren aus und entstehen am häufigsten im KopfHals-Bereich (8). Wenn auch eine Meta stasierung eher selten beobachtet wird, so gewinne das BCC durch das lokal infiltrierende, destruierende Wachstum an klinischer Bedeutung, erklärte Prof. Ralf Gutzmer, Minden (Deutschland). Die Inzidenz ist seit Jahren stetig zunehmend und auch für die kommenden Dekaden wird eine weiterhin ansteigende Inzidenz vorausgesagt. Eine Phase-II-Studie untersuchte den PD-1-Inhibitor Cemiplimab (Libtayo®) bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC, die bereits einen Hedgehog-Inhibitor (HHI) erhalten hatten (9). Die Studienteilnehmer waren im Median 70 Jahre alt. 60% der Patienten hatten die HHI-Therapie aufgrund eines Tumorprogresses und 40% der Patienten hatten sie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen. Primärer Studienendpunkt war die Ansprechrate. Im Ergebnis wurde bei 31,0% der Patienten ein Ansprechen beobachtet, mit einer kompletten Remission bei 6,0%. Nahezu die Hälfte der Patienten erreichte zudem eine stabile Erkrankung, die sich bei vielen der Patienten verzögert in ein Ansprechen umwandelte. Wurde ein Ansprechen erreicht, so war es häufig langanhaltend, so dass nach 6 Monaten noch 90,9% und nach 12 Monaten 85,2% der ansprechenden Patienten weiterhin in Remission waren. Das mediane PFS betrug 19,3 Mo- SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2021 43 KONGRESSBERICHT 10th World Congress of Melanoma / 17th EADO Congress, 15.–17. April 2021, virtuell nate und die 12-Monats-PFS-Rate 56,5%. Obwohl es sich in der Studie um ältere Patienten handelte, wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. In einer Posterpräsentation beim Kongress der Society for Immunotherapy of Cancer (SITC) 2020 wurden auch Ergebnisse vom Einsatz von Cemiplimab bei einer zweiten Kohorte, bei Patienten mit metastasiertem BCC, präsentiert (10). 21% dieser Patienten erreichten ein partielles Ansprechen, mit zum Teil anhaltenden Remissionen. Kutanes Plattenepithelkarzinom Das kutane Plattenepithelkarzinom (cSCC) ist der zweithäufigste maligne Hauttumor und entwickelt sich durch kumulative UVStrahlung. Die Standardbehandlung des cSCC ist die Operation. Mit der Zulassung von Cemiplimab zur Behandlung von Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem cSCC, die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen, stellt sich die Frage, ob überhaupt operiert werden soll. Prof. Michael Midgen, Houston (USA), bemerkte, dass bei aggressiveren oder grösseren Läsionen eine Operation für Patienten in Erwägung gezogen werden kann, wenn der Patient aufgrund multipler Resektionen nicht bereits operationsmüde sei, der Tumor nicht in tiefe vitale Strukturen eingedrungen sei und es klare Tumorabgrenzungen gebe. Es sollten allerdings auch die Konsequenzen einer Operation gegen die Risiken einer Immuntherapie abgewogen werden. Die Sicherheit, den Tumor komplett zu entfernen, sei nur ein Teil des Operationserfolges, mahnte Migden. Um die Entscheidung fällen zu können, ob die Operation durchgeführt werden soll, müssten auch die Morbidität und die Möglichkeit einer erfolgreichen Rekon struktion einbezogen werden. In der offenen, einarmigen Phase-II-Studie, die zur Zulassung von Cemiplimab führte, wurde ein Ansprechen bei 44,9% der ein- geschlossenen 78 Patienten mit lokal fortgeschrittener Erkrankung (Gruppe 1) und 50,8% der 59 Patienten mit metastasierter Erkrankung (Gruppe 2) mit 3 mg/kg Cemiplimab (q2w) beobachtet (11). Von 56 Patienten mit metastasierter Erkrankung, die 350 mg Cemiplimab alle 3 Wochen erhielten (Gruppe 3) – dies ist die in der Zulassung empfohlene Dosis –, sprachen 42,9% auf die Medikation an. Den Patienten war es erlaubt, nach Krankheitsprogress in der Studie weiter mit Cemiplimab behandelt zu werden. Wie Migden betonte, zeigten zwar die meisten Patienten ein Ansprechen sehr früh im Therapieverlauf, etwa 20% der Patienten erreichten aber erst nach 8 bis 10 Monaten ein Ansprechen. Bei den 89 Patienten mit Ansprechen betrug die mediane Zeit bis zur kompletten Remission 11,2 Monate (11). Mit einer Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten wurde in einer Posterpräsentation beim EADO 2021 bestätigt, dass Patienten unter einer länger dauernden Therapie die Chance erhalten, auch noch nach drei Jahren eine komplette Remission zu erreichen (12). Die 2-Jahres-Rate anhaltender Remissionen betrug laut dieser letzten Auswertung 72,8%. Das mediane PFS lag bei 18,4 Monaten für Gruppe 1, bei 18,5 Monaten für Gruppe 2 und bei 21,7 Monaten in Gruppe 3. Der Median bezüglich des OS war noch nicht erreicht (11). In der Phase-II-Studie KEYNOTE-629 wurde auch Pembrolizumab als Monotherapie für die Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder rezidivierten und metastasierten cSCC untersucht (13). Hier bestand das Studienklientel zu 86,7% aus Patienten, für die Pembrolizumab die Zweitlinientherapie darstellte. Es wurde laut einem beim EADO präsentierten Update ein Ansprechen bei insgesamt 40,3% und eine Krankheitskontrolle bei 56,6% der Studienteilnehmer erreicht (14). n Ine Schmale Quelle: «Immune checkpoint inhibition for non-melanoma skin cancer», Symposium SY31 am 10th World Congress of Melanoma / 17th EADO Congress, 16. April 2021, virtuell. Referenzen: 1. Paulson KG et al.: Merkel cell carcinoma: Current US incidence and projected increases based on changing demographics. J Am Acad Dermatol. 2018; 78(3):457-463.e2. 2. Nghiem P et al.: Two-year efficacy and safety update from JAVELIN Merkel 200 part A: A registrational study f avelumab in metastatic Merkel cell carcinoma progressed on chemotherapy. ASCO 2018, Abstr. #9507. 3. Cowey CL et al.: Real-world treatment outcomes in patients with metastatic Merkel cell carcinoma treated with chemotherapy in the USA. Future Oncol. 2017;13(19):1699-1710. 4. Becker JC et al.: Evaluation of real-world treatment outcomes in patients with distant metastatic Merkel cell carcinoma following second-line chemotherapy in Europe. Oncotarget. 2017;8(45):79731-79741. 5. Iyer JG et al.: Response rates and durability of chemotherapy among 62 patients with metastatic Merkel cell carcinoma. Cancer Med. 2016;5(9):2294-2301. 6. Nghiem P et al.: Durable tumor regression and overall survival in patients with advanced Merkel cell carcinoma receiving pembrolizumab as first-line therapy. J Clin Oncol. 2019;37:693-702. 7. Topalian SL et al.: Neoadjuvant Nivolumab for patients with resectable Merkel cell carcinoma in the CheckMate 358 trial. J Clin Oncol. 2020;38:2476-2487. 8. AWMF online: S2k-Leitlinie 032-021 «Basalzellkarzinom der Haut», Version 2017/2018. 9. Stratigos A et al.: Primary analysis of phase 2 results for cemiplimab in patients with locally advanced basal cell carcinoma (laBCC) who progress on or are intolerant to hedgehog inhibitors (HHIs). 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