Transkript
Aktuelle Studien der SAKK Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klin ische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine offene Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organisation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für eine der hier vorgestellten Studien oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienleiter (Coordinating Investigator) oder die Studienkoordinatoren (Clinical Project Manager).
Infos zur SAKK: www.sakk.ch
Prof. Dr. med. Roger von Moos Präsident der SAKK E-Mail: roger.vonmoos@ksgr.ch
aktuell Seite der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
SAKK Studie HOVON 150 AML oder MDS (MDS-EB2): Therapie mit Ivosidenib oder Enasidenib für Patienten mit IDH1- oder IDH2-Mutation
Bei etwa 20% der Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) und bei einem kleineren Anteil der Patienten mit myelodysplastischem Syndrom und Blastenexzess Typ 2 (MDS-EB2) werden in den erkrankten Blutzellen Mutationen in den Enzymen Isocitrat-Dehydrogenase 1 oder 2 (IDH1, IDH2) festgestellt. Diese Mutationen fördern die Entwicklung von leukämischen Zellen. Zurzeit sind verschiedene Wirkstoffe in Entwicklung, welche die IDH1- beziehungsweise IDH2-Mutantenproteine hemmen, mit denen die Hoffnung verbunden ist, dass sie die Therapie von Patienten mit AML respektive MDSEB2 verbessern können. Die beiden Wirkstoffe Ivosidenib und Enasidenib sind seit 2018 respektive 2017 in den USA bereits für die Behandlung von Patienten mit rezidivierender oder refraktärer AML und IDH1- beziehungsweise IDH2-Mutation zugelassen. In Phase-Iund II-Studien zeigten die beiden Wirkstoffe bei dieser Patientenpopulation eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Momentan laufen mit diesen beiden Medikamenten verschiedene Phase-III-Studien, eine davon ist die Studie HOVON 150. In dieser Studie wird untersucht, ob Ivosidenib und/ oder Enasidenib das Behandlungsergebnis bei Patienten mit neu diagnostizierter AML oder MDS-EB2 und IDH1- respektive IDH2-Mutation verbessern können. Ivosidenib respektive Enasidenib werden dabei mit der StandardInduktions- und Standard-KonsolidierungsChemotherapie kombiniert und danach als Erhaltungstherapie verabreicht. Patienten mit IDH1-Mutation erhalten Ivosidenib respektive Plazebo, Patienten mit IDH2-Mutation Enasidenib respektive Plazebo. An der Studie können erwachsene Patienten (18 Jahre oder älter) mit neu diagnostizierter AML oder MDS-
EB2 und einer nachgewiesenen IDH1- oder IDH2-Mutation teilnehmen, welche aufgrund ihres Allgemeinzustandes beziehungsweise der bestehenden Begleiterkrankungen «fit genug» für eine intensive Chemotherapie sind. Diese Studie wird unterstützt durch For-
schungsvereinbarungen mit folgenden Institutionen: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, Stiftung Krebsforschung Schweiz und Krebsliga Schweiz.
Abbildung 1: Studiendesign SAKK Studie HOVON 150
34 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2021
aktuell
Seite der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Markus G. Manz Universitätsspital Zürich E-Mail: markus.manz@usz.ch
Clinical Project Manager: Céline Rüegsegger SAKK Bern E-Mail: celine.rueegsegger@sakk.ch
Studienname: A phase 3, multicenter, doubleblind, randomized, placebo-controlled study of ivosidenib or enasidenib in combination with induction therapy and consolidation therapy followed by maintenance therapy in patients with newly diagnosed acute myeloid leukemia or myelodysplastic syndrome with excess blasts-2, with an IDH1 or IDH2 mutation, eligible for intensive chemotherapy.
Teilnehmende Zentren: Universitätsspital Basel EOC – Istituto Oncologico della Svizzera Italiana Inselspital Bern Hôpital Fribourgeois Fribourg Hôpitaux Universitaires de Genève CHUV – Centre hospitalier universitaire vaudois Luzerner Kantonsspital Kantonsspital St. Gallen Universitätsspital Zürich
Prof. Dr. med. Markus G. Manz
Kommentar zur Studie von Coordinating Investigator Prof. Dr. med. Markus G. Manz:
AML und MDS sind ein Sammelbegriff für Erkrankungen mit gemeinsamen klinischen und laborchemischen Charakteristika, deren genetische Ursachen (Driver) jedoch sehr unterschiedlich sein können. Dies ist für die AML beispielhaft in der Abbildung 2 dargestellt. Aktuelle Medikamentenentwicklungen zielen darauf ab, selektiv an den genetischen Treibermutationen anzusetzen. Dabei sind «gain-of-function»-Mutationen die therapeutisch relativ einfacheren Zielstrukturen. Dazu gehören auch die IDH- und die FLT3-Mutationen, die mit geringer Überlappung zusammen bei fast der Hälfte der jüngeren AML-Patienten zu finden sind (IDH-Mutationen ca. 20%; FLT3-Mutationen ca. 30%). Im aktuellen Studienkonzept der HOVON-Studie für «fitte» Patienten mit Erstdiagnose einer AML beziehungsweise MDS-EB2 wird nun geprüft, ob diese Mutationen zusätzlich zur Standardtherapie gezielt angegangen werden können und ob dies einen Vorteil bezüglich des ereignisfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens bringt. Das heisst, Patienten werden vor Studieneinschluss gezielt molekular untersucht. Die Ergebnisse der molekularen Untersuchung liegen innerhalb von 72 Stunden vor – ein Zeitrahmen, der bei stabilen Patienten mit AML/MDS-EB2 ohne Nachteile verantwortbar ist (1). Bei Vorliegen einer Mutation in IDH1 oder IDH2 können die Patienten in die Studie HOVON 150 eingeschlossen werden. Bei Vorliegen einer FLT3-Mutation können die Patienten in eine entsprechende Studie mit FLT3-Inhibitoren eingeschlossen werden (HOVON 156). In HOVON 150 werden die Inhibitoren randomisiert gegen Plazebo, in HOVON 156 wird Gilteritinib gegen Midostaurin getestet; zusätzlich erhalten die Patienten die «Standard-Erhaltungstherapie». Die Studien markieren damit den Einzug von beziehungsweise die Hoffnung auf «Präzisionsmedizin» in der Erstlinientherapie der AML beziehungsweise des MDS-EB2.
Abbildung 2: Molekulare Klassen der akuten myeloischen Leukämie (AML) und entsprechende Genmutationen bei erwachsenen Patienten bis etwa 65 Jahre. Für jede im Tortendiagramm dargestellte AML-Klasse sind häufig mitauftretende Mutationen in den jeweiligen Boxen angeführt (nach Döhner et al. [2]).
Referenzen: 1. Röllig C et al.: Time from diagnosis to treatment does not affect outcome in intensively treated patients with
newly diagnosed acute myeloid leukemia. Blood. 2019;134(Suppl 1):13. 2. Döhner H et al.: Diagnosis and management of AML in adults: 2017 ELN recommendations from an international
expert panel. Blood. 2017;129(4):424-447.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2021
35