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Aktuelle Studien der SAKK Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Kli nische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine offene Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organisation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für eine der hier vorgestellten Studien oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möch ten, kontaktieren Sie bitte den Studienleiter (Co ordinating Investigator) oder die Studienkoordi natoren (Clinical Project Manager).
Infos zur SAKK: www.sakk.ch
Prof. Dr. med. Roger von Moos Präsident der SAKK E-Mail: roger.vonmoos@ksgr.ch
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STUDIE SAKK 16/18 Neoadjuvante immunmodulierende Radiotherapie in Kombination mit Immuntherapie bei nicht kleinzelligem Lungenkrebs im Stadium III
Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkrebs im Stadium III können in kurativer Absicht behandelt werden. Dennoch ist die Rezidivrate hoch. Im Rahmen der Studie SAKK 16/18 wird untersucht, ob die Kombination einer Immuntherapie mit einer immunmodulierenden Radiotherapie, die zusätzlich zur Standardtherapie erfolgt, die Prognose verbessern kann.
Für Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom (NSCLC) im Stadium III mit Befall der N2Lymphknoten (St. III[N2]) stehen verschiedene multimodale Therapieoptionen zur Verfügung. In der Schweiz besteht die Standardbehandlung für operable Patienten mit einem resezierbaren NSCLC im Stadium III(N2) aus einer neoadjuvanten Chemotherapie (Cisplatin/Docetaxel) mit anschliessender Tumoroperation. Doch obwohl die Behandlung mit kurativer Intention erfolgt, erleiden die meisten Patienten ein Rezidiv. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt daher nur cirka 40%. In der soeben abgeschlossenen Studie SAKK 16/14 wurde untersucht, ob eine zusätzliche perioperative Immuntherapie mit dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab die Prognose verbessert. Es konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der Patienten ohne «Ereignis» (Tumorprogress oder Tod, Event-Free Survival) nach 12 Monaten im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe mit alleiniger neoadjuvanter Chemo therapie (SAKK 16/00) um mehr als 50% zunimmt (von 48 auf 73%).
Verbessert eine zusätzliche immunmodulierende Radiotherapie die Prognose? Aus präklinischen Studien und klinischen Beobachtungen gibt es Hinweise, dass eine Bestrahlung der Tumorzellen die antitumorale Immunantwort und damit auch die Wirksamkeit einer PD-L1-Blockade verbessern kann. Es ist aber nicht bekannt, mit welchem Radiothera pieprotokoll (Gesamtdosis, Fraktionierung) dieser «immunmodulierende» Effekt am besten erzielt wird. In der Studie SAKK 16/18 wird untersucht, ob eine zusätzliche immunmodulierende Radiotherapie, welche gleichzeitig mit der präoperativen Immuntherapie mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Durvalumab appliziert wird, die Prognose im Vergleich zu einer historischen Kontrolle weiter verbessern kann. Hierbei werden nur der Primärtumor oder Anteile
Abbildung: Studiendesign SAKK 16/18
davon bestrahlt, um das Risiko zusätzlicher Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten und um die in den zentralen (N2-) Lymphknoten ablaufende Aktivierung des Immunsystems nicht zu beeinträchtigen. Immun- und Radiotherapie erfolgen zusätzlich zur Standardtherapie (neoadjuvante Chemotherapie und Operation). An der Studie können 90 Patientinnen und Patienten mit NSCLC im lokal-fortgeschrittenen Stadium III(N2) teilnehmen.
Behandlung in vier Phasen Die Therapie innerhalb der Studie gliedert sich in vier Phasen: 1. Standardtherapie: 3 Zyklen neoadjuvante
Chemotherapie mit Cisplatin und Docetaxel (à je 3 Wochen).
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2021
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Coordinating Investigator: Dr. med. Laetitia Mauti Kantonsspital Winterthur E-Mail: laetitia.mauti@ksw.ch
Clinical Project Manager: Eloïse Kremer SAKK Koordinationszentrum Bern E-Mail: eloise.kremer@sakk.ch
2. Studientherapie: einmalige intravenöse Gabe von Durvalumab und gleichzeitig Beginn der immunmodulierenden Radiotherapie. Die teilnehmenden Patienten werden in drei unterschiedliche RadiotherapieGruppen randomisiert – das Ziel ist, herauszufinden, ob sich die drei verschiedenen Bestrahlungsprotokolle in der Wirksamkeit unterscheiden: a) 20 Bestrahlungen à 2 Gray während 4 Wochen
b) 5 Bestrahlungen à 5 Gray während 1 Woche
c) 3 Bestrahlungen à 8 Gray während 1 Woche
3. Standardtherapie: Tumoroperation. 4. Studientherapie: adjuvante Immunthe-
rapie mit Durvalumab, welches nochmals für 1 Jahr alle 4 Wochen intravenös verabreicht wird (insgesamt 13 Infusionen).
Lebenslange Nachbeobachtung Anschliessend an die Studientherapie folgt die Nachbeobachtungsphase mit regelmässigen Nachkontrollen: I In den ersten 2 Jahren alle 3 Monate, I in den nächsten 3 Jahren alle 6 Monate, I ab dem 6. Jahr nach Therapieabschluss
einmal jährlich (lebenslang).
Studienname: Immune-modulatory radiotherapy to enhance the effects of neoadjuvant
PD-L1 blockade and neoadjuvant chemotherapy in patients with stage III(N2) nonsmall cell lung cancer (NSCLC). A multicenter single-arm phase II trial.
Teilnehmende Zentren: Kantonsspital Aarau Kantonsspital Baden Claraspital Basel Universitätsspital Basel EOC – Istituto Oncologico della Svizzera Italiana Inselspital Bern Kantonsspital Graubünden Hôpital Fribourgeois – Hôpital Cantonal Hôpitaux Universitaires de Genève Kantonsspital St. Gallen Spital STS AG Thun Kantonsspital Winterthur Hirslanden Klinik Zürich UniversitätsSpital Zürich
Kommentar zur Studie von Dr. med. Laetitia Mauti:
Nachdem die Immuntherapie zu einem neuen Therapiestandard beim metastasierten NSCLC geworden ist, haben erste Studien nun auch gezeigt, dass die Immuntherapie die Heilungschancen des lokalisierten NSCLC erhöhen könnte. Langzeitdaten aus diesen Studien fehlen natürlich noch, und es gibt auch noch keine Resultate aus den bereits laufenden randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studien mit neoadjuvanter Immuntherapie. Die hohe Rate an kompletten pathologischen Remissionen (keine vitalen Tumorzellen im Resektionspräparat) oder «Major Pathological Response» (MPR, < 10% vitale Tumorzellen) aus vielen der frühen Studien (eg. NADIM, NEOSTAR…) ist jedoch sehr vielversprechend, und lässt hoffen, dass damit auch eine Verbesserung des rezidivfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens erreicht werden könnte. Auch die Resultate der in der Schweiz entwickelten und bei 68 Patienten durchgeführten Studie SAKK 16/14 sind beachtlich. Sie wurden erstmals am ASCO Kongress 2020 in den Oral Sessions präsentiert, mit einem Update am ESMO 2020 Kongress und am SGHO 2020. Die perioperative Verabreichung des PD-L1-Inhibitors Durvalumab bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen NSCLC zusätzlich zur Standardtherapie mit neoadjuvanter Chemotherapie und nachfolgender Tumoroperation führte zu einer deutlich höheren MPR (60%) und 1-Jahres-EFS-Rate (Event-Free Survival Rate, 73%) im Vergleich zu historischen Daten der SAKK 16/00 Studie (ohne Durvalumab). Die neoadjuvante Immuntherapie ist aber noch kein Therapiestandard und kann ausserhalb von Studien nicht angewendet werden. Die Studie SAKK 16/18 baut auf der vielversprechenden Behandlungsstrategie der Studie SAKK 16/14 auf und ergänzt diese durch eine immunmodulierende Radiotherapie. Der immunstimulierende Effekt der «Abbauprodukte», die entstehen, wenn Tumorzellen bestrahlt werden, wird derzeit in zahlreichen internationalen Studien geprüft, insbesondere im Hinblick auf eine synergistische Wirkung zusammen mit Immuntherapien. Die Studie SAKK 16/18 ist die erste Studie weltweit, die diese Therapiekonzepte in der präoperativen Behandlung des lokalfortgeschrittenen NSCLC vereint und dabei noch einen Schritt weitergeht, indem zusätzlich untersucht wird, ob es ein bevorzugtes Bestrahlungsschema gibt, mit welchem dieser immunstimulierende Effekt am besten erzielt werden kann. Diese wichtige strahlenbiologische Fragestellung wurde bisher noch nicht in einer klinischen Studie untersucht und zeichnet unsere Studie weiter aus. Die Studie beinhaltet zudem wichtige translationale Forschungsprojekte am Tumormaterial sowie an Blut- und Stuhlproben, die im Laufe der Studie abgenommen werden.
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