Transkript
KONGRESSBERICHT
62 nd ASH Annual Meeting and Exposition, 5.– 8. Dezember 2020, virtuell
Chronische myeloische Leukämie
Head-to-head-Vergleiche etablierter und neuer Substanzen
Die therapiefreie Remission (TFR) ist ein neues Therapieziel für P atienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML), welches ein anhaltendes tiefes An sprechen voraussetzt. Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) wurden Studien präsentiert, die etablierte Therapien bezüglich der Effek tivität head-to-head vergleichen sowie eine Studie zum ersten STAMP-Inhibitor bei resistenten CML-Patienten.
Nilotinib und Dasatinib gleich wirksam mit unterschiedlichen Neben wirkungen
Ob Nilotinib oder Dasatinib wirksamer ein tiefes Ansprechen erzielen, war die Fragestellung der japanischen Phase-IIIStudie CML212 (1). Untersucht wurde das kumulative Erreichen einer tiefen molekularen Remission (MR4,5) innerhalb von 18 Monaten bei 454 Patienten mit neu diagnostizierter CML, die randomisiert Nilotinib (300 mg bid) oder Dasatinib (100 mg qd) für insgesamt 36 Monate erhalten konnten. Innerhalb der ITT-Population erreichten unter Nilotinib 33,0% der Patienten versus 30,8% der Patienten unter Dasatinib bis Monat 18 eine MR4,5. Ein vergleichbares Ergebnis wurde mit 33,5 versus 31,5% für Patienten der Per-Protokoll-Population erzielt. 65,6 versus 63,9% der Patienten waren nach 36 Monaten weiterhin unter Studienmedikation. Das progressionsfreie Überleben (PFS) war in beiden Studienarmen mit Raten von 98,8 versus 99,0% nach 36 Mo naten vergleichbar hoch (p = 0,47). Auch die Zeit bis zu einem zytogene tischen oder molekularen Ansprechen war in beiden Studienarmen vergleichbar. Unterschiede wurden bezüglich der Nebenwirkungen beobachtet: Unter Dasatinib wurde häufiger über Neutrope nien, einen niedrigen Hb-Wert, Thrombo zytopenien und Pleuraergüsse berichtet, während unter Nilotinib häufiger erhöhte Werte für Lipase, Bilirubin, AST und ALT beobachtet wurden. Insgesamt traten keine neuen klinisch relevanten Nebenwirkungen auf.
5-Jahres-Daten bestätigen Überlegenheit von Bosutinib gegenüber Imatinib
Die BFORE-Studie, die Bosutinib mit Imatinib verglich, zeigte einen Effektivitätsvorteil für den TKI der zweiten Generation (2). In der offenen, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie erhielten insgesamt 536 neu diagnostizierte Patienten täglich 400 mg Bosutinib oder Imatinib. 86,6% der Patienten im Bosutinib-Arm und 86,2% der Patienten im Imatinib-Arm konnten 5 Jahre lang nachbeobachtet werden. Im Median betrug die Therapiedauer in beiden Studienarmen 55 Monate. 59,7 bzw. 58,1% der Patienten erhielten die Studienmedikation über die kompletten 5 Studienjahre. Der häufigste Grund für eine vorzeitige Beendigung der Therapie waren Nebenwirkungen im Bosutinib-Arm (25,0 vs. 12,5%) und ein suboptimales Ansprechen oder Therapieversagen im Imatinib-Arm (16,2 vs. 4,9%). Ein molekulares Ansprechen kumulierte bis zum 60. Monat häufiger unter Bosutinib versus Imatinib, bei 73,9 versus 64,6% (Major Molecular Response, MMR) bzw. 47,4 versus 36,6% (MR4,5) der Patienten. Zudem wurde ein molekulares Ansprechen unter Bosutinib schneller erreicht (MMR: HR = 1,34; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,10–1,64; MR4,5: HR = 1,41; 95%-KI: 1,09–1,83). Insbesondere Patienten mit einem hohen Sokal-Risiko-Score profitierten stärker von Bosutinib als von Imatinib. Ein MMR zeigten 69,6 versus 50,9% (OR = 2,22), ein MR4 58,9 versus 36,8% (OR = 2,46) und ein MR4,5 46,4 versus 24,6% (OR = 2,66) der Hochrisikopatienten. 32,5 versus 26,5% der Studienteilnehmer zeigten eine zwei Jahre anhaltende MR4. Prädiktiv für das Erreichen der anhaltenden tiefen molekularen Re-
mission war ein ECOG-PS 0 vs. ≥ 0 und eine Zeit bis zu einem BCR-ABL1-Transkriptspiegel ≤ 10 vs. > 10%.
Erster STAMP-Inhibitor ist wirksam und effektiv bei resistenten Patienten
Für CML-Patienten, die von den etablier-
ten TKI nicht ausreichend profitieren,
wurden beim ASH Daten eines neuen
Wirkprinzips präsentiert. Asciminib ist
die erste Substanz aus der Klasse der
STAMP(Specifically Targeting the ABL
Myristoyl Pocket)-Inhibitoren und wurde
in der Phase-III-Studie ASCEMBL versus
Bosutinib untersucht (3). 233 Patienten
mit CML und ≥ 2 TKI-Vortherapien erhiel-
ten 2:1-randomisiert Asciminib (40 mg
bid) oder Bosutinib (500 mg qd). Patien-
ten mit T315I- oder V299L-Mutation waren
von der Studie ausgeschlossen.
Nach 24 Wochen wurde ein MMR bei 25,5
versus 13,2% der Patienten festgestellt.
Die Rate an kompletten zytogenetischen
Remissionen betrug zu dem Zeitpunkt
40,8 versus 24,2%. Eine tiefe molekulare
Remission erreichten 10,8 versus 5,3%
(MR4) bzw. 8,9 versus 1,3% (MR4,5) der Pa-
tienten. Die Therapie mit Asciminib war
insgesamt besser verträglich als Bosuti-
nib. Bei 50,6 versus 60,5% der Patienten
traten Nebenwirkungen von ≥ Grad 3 auf.
Bei 5,8 versus 21,1% der Patienten führ-
ten Nebenwirkungen zum Therapieab-
bruch. Fatale Nebenwirkungen traten bei
1,3% der Patienten in beiden Studien-
armen auf.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Matumura I et al.: Nilotinib vs. dasatinib in achieving
MR 4.5 for newly diagnosed chronic myeloid leukemia: Results of the prospective randomized phase 3 study, JALSG CML212. ASH 2020, Abstr. #45. 2. Brümmendorf TH et al.: Bosutinib versus imatinib for newly diagnosed chronic phase (CP) chronic myeloid leukemia (CML): Final 5-year results from the BFORE trial. ASH 2020, Abstr. #46. 3. Hochhaus A et al.: Efficacy and safety results from ASCEMBL, a multicenter, open-label, phase 3 study of asciminib, a first-in-class STAMP inhibitor, vs bosutinib in patients with chronic myeloid leukemia in chronic phase previously treated with ≥2 tyrosine kinase inhibitors. ASH 2020, Abstr. #LBA4.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2021
31