Transkript
ASCO 2020 Virtual
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
Bronchialkarzinom/NSCLC mit Treibermutation
Tyrosinkinasehemmer für die adjuvante Therapie schon ab Frühstadium
Eines der grössten Highlights am ASCO-Kongress 2020: Der EGFR-Tyrosinkinasehemmer (TKI) Osimertinib – als adjuvante Therapie bei Stadium IB bis IIIA eingesetzt – verlängert statistisch und klinisch signifikant das krankheitsfreie Überleben. Das ergab die randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie ADAURA, welche aufgrund erster positiver Analysen vorzeitig entblindet wurde. Weitere Studien zeigten vielversprechende Optionen für fortgeschrittene Stadien mit TKI, darunter die Kombination mit stereotaktischer Radiotherapie.
Heute wird bei etwa einem Drittel der Lungenkrebspatienten die Diagnose in einem relativ frühen Stadium – I bis IIIA – gestellt, in dem primär ein chirurgisches Vorgehen angezeigt ist. Die adjuvante Chemotherapie bei Resektion im S NSCLC-Stadium IB bis III ist zwar Standard, allerdings sind die Rezidivraten hoch und die Nebenwirkungen häufig.
Ethnie (asiatisch/nicht asiatisch). Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS) in den Stadien II bis IIIA. Sekundäre Endpunkte waren Gesamtüberleben (OS) und Sicherheit; Daten-Cut-off war der 17. Januar 2020. Nach den ersten positiven Resultaten wurde die Studie auf Empfehlung des unabhängigen Datenprüfkomitees vorzeitig entblindet.
ADAURA-Studie: Osimertinib adjuvant ab Stadium IB
Der Tyrosinkinasehemmer (TKI) der dritten Generation, Osimertinib, hat sich als ZNS-wirksam und zudem als deutlich effektiver als ältere TKI bei EGFR-mutierten fortgeschrittenen NSCLC erwiesen, und zwar in der Erstlinientherapie. Die ADAURA-Studie (1) prüfte nun doppelblind Wirksamkeit und Verträglichkeit des TKI versus Plazebo bei Patienten mit NSCLC-Stadium IB bis IIIA nach kompletter Tumorresektion und, sofern indiziert, nach adjuvanter Chemotherapie. Die internationale, randomisierte PhaseIII-Studie schloss 682 Patienten im Performance-Stadium 0 oder 1 und mit primär nicht squamösem NSCLC in den Stadien IB, II oder IIIA und bestätigter EGFR-Mutation (Exon19del/L858R) ein. Die komplette Tumorresektion und die vollständige Erholung nach der Operation, gegebenenfalls postoperativer Chemotherapie, waren Voraussetzung für den Studieneinschluss: Die Patienten erhielten adjuvant im Verhältnis 1:1 Osimertinib (80 mg 1 × täglich) oder Plazebo bis zu 3 Jahre. Stratifiziert wurde nach Stadium, Mutationstyp und
Erste Resultate: Hoch signifikante Verlängerung der krankheitsfreien Zeit Die Patientencharakteristika in beiden Studienarmen waren ausgeglichen: Stadium IB (je 31%), Stadium II/IIIA (je 69%), Frauen/Männer (68/72%), ex19del (55/ 56%), L858R (45/44%). Bei den Patienten in den Stadien II bis IIIA betrug die Hazard Ratio (HR) für DFS 0,17 (95%-KI: 0,12–0,23) unter Osimertinib versus Plazebo. Das 2-Jahres-DFS betrug 90% unter Osimertinib (vs. 44% unter Plazebo). In der Gesamtpopulation waren bei Cutoff 79% krankheitsfrei (DFS-HR: 0,21 [0,16 vs. 0,28]; [196/682 Ereignisse]); die 2-Jahres-DFS-Rate betrug 89% unter Osimertinib (vs. 53% unter Plazebo). Die Daten zum OS waren bei Daten-Cutoff sehr unreif, es gab bis dahin 29/682 Todesfälle (unter Osimertinib n = 9 vs. 20 unter Plazebo). Das Verträglichkeitsprofil entsprach den Erwartungen früherer Studien. Die Studienleiter folgern, dass adjuvantes Osimertininb eine neue Standardstrategie für Patienten mit EGFRmutiertem NSCLC nach kompletter Tumorresektion sein sollte. Zu klären sind aber noch viele Fragen bezüglich des weiteren Krankheits- und Therapieverlaufs.
BLOOM-Studie: Dosiseskalation gegen ZNS-Progression
Eine kleinere Studie an 8 Zentren ging der Frage nach, ob bei Patientinnen mit fortgeschrittenem EGFR-mutiertem NSCLC und Hirnmetastasen respektive leptomeningealer Metastasierung eine Dosiserhöhung von Osimertinib auf das Doppelte (d. h. 160 mg täglich) die Krankheitsprogression verlangsamen kann (2). Die Metastasierung war unter der vorherigen Dosis von 80 mg eingetreten. Die retrospektive Analyse verglich 3 Studiengruppen, bei denen die Osimertinib-Dosis von 80 auf 160 mg gesteigert wurde: Kohorte A (24 Pat.) erhielt keine Chemo- und/oder Strahlentherapie während der Dosiseskalation. Kohorte B (34 Pat.) erhielt die Dosiserhöhung unter einer Chemo- und/oder Strahlentherapie. Kohorte C (11 Pat.) begann die Erstlinientherapie mit der 160-mg-Dosis Osimertinib ohne überschneidende andere Therapien. Untersucht wurde die mediane Dauer der ZNS-Krankheitskontrolle (definiert als Zeitdauer von Beginn der 160-mg-Therapie bis zur Progression oder bis zum Therapieabbruch) im Therapiezeitraum Oktober 2013 bis Januar 2020. Von den gesamthaft 69 Patienten hatten 90% (n = 61) isolierte Hirn-/leptomeningeale Metastasierungen. In Kohorte A betrug die mediane Dauer der ZNS-Krankheitskontrolle 3,8 Monate (95%-KI: 1,7–5,8), bei leptomeningealer Metastasierung 5,8 Monate (1,7–9). In Kohorte B betrug die mediane Dauer 5,8 Monate (3,1–6,5) und in Kohorte C 4,2 Monate (1,6– nicht erreicht). Die Leiter dieser «Real-World-Studie» folgern, dass die Dosiserhöhung auf das Doppelte einen insgesamt bescheidenen Nutzen zur Krankheitskontrolle bei Hirnmetastasierung bringt. Weiter verbesserte Strategien für betroffene Patientinnen sollten vorangebracht werden.
ALTER-L004-Studie mit Anlotinib plus Icotinib
Die kleine multizentrische Einzelarmstudie (3) untersuchte Wirksamkeit und Ver-
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE AUGUST/SEPTEMBER 2020
23
ASCO 2020 Virtual
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
träglichkeit des antiangiogen wirkenden monoklonalen Antikörpers Anlotinib in Kombination mit dem oralen EGFR-TKI Icotinib im prospektiven Design. Im Vorfeld hatte die Kombination ein verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) bei EGFR-mutiertem NSCLC gezeigt. Zwischen Juli 2018 und Dezember 2019 waren 35 nicht vorbehandelte Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem EGFR-mutiertem NSCLC (Stadien IIIB bis IV) eingeschlossen. Primärer Endpunkt war das PFS, zu den sekundären Endpunkten gehörten OS, Gesamtansprechrate (ORR), Krankheitskontrollrate (DCR) und Sicherheit. Erste Ergebnisse beim Daten-Cut-off am 7. Januar 2020: Die mittlere Beobachtungszeit betrug 6,01 Monate, die Daten von 30 Tumorpatienten konnten ausgewertet werden: Die ORR betrug 59% (n = 0 komplettes Ansprechen, 19 = partielles Ansprechen), die DCR betrug 88% (n = 0 komplettes Ansprechen, 19 = partielles Ansprechen, 9 = stabile Krankheit). 26 Patienten hatten sich der Therapie unterzogen, die längste Dauer betrug 14 Zyklen. 10 von 15 Patienten mit Exon19-Deletionen (67%) und 9 von 17 Patienten mit L858R-Mutationen (53%) sprachen auf die Therapie an. 18 Patienten hatten zusätzliche Treibermutationen (PIK3CA oder AKT1) und/oder Tumorsuppressoren (TP53, RB1, PTEN) und sprachen auf die Behandlung an (ORR: 72%). 34 der 35 Patienten beklagten Nebenwirkungen, meist vom Grad 3 (Hypertonie 17%; Hypertriglyzeridämie [z. T. auch Grad 4] 6%, Diarrhö 3% u. a.), bei 3 Patienten war eine Dosissenkung erforderlich. Die Studienleiter verfolgen mit
Spannung den weiteren Verlauf zur späteren Auswertung des PFS und des OS.
SINDAS-Studie: Erstlinien-TKI mit/ohne aggressive lokale Bestrahlung
Diese chinesische, randomisierte, offene Phase-III-Studie untersuchte Wirksamkeit und Sicherheit einer aggressiven (hoch dosierten), lokalen Strahlentherapie, welche mit einer TKI-Erstlinientherapie kombiniert wurde (4). Die Patienten mit EGFR-mutiertem NSCLC (Adenokarzinom), mit Oligometastasierung (bis zu 5 Metastasen, Stadium IV), ECOG-Performance-Status 0 bis 1 hatten zuvor keine Systemtherapie erhalten. 133 Patienten wurden für eine alleinige TKI-Erstlinientherapie (Studienarm A) oder eine stereotaktische Radiotherapie (SBRT) an allen Krankheitslokalisationen plus TKIBehandlung (Studienarm B) randomisiert. Primärer Endpunkt war das PFS, sekundärer Endpunkt das OS.
Radiotherapie plus TKI verlängern PFS und OS signifikant 48,8% (n = 65) befanden sich in Studienarm A, 51,1% (n = 68) in Studienarm B. Nach einem durchschnittlichen Followup von 19,6 Monaten (9,4–41,0) betrug das PFS in Arm A unter alleiniger TKI-Therapie 12,5 Monate, in Arm B 20,2 Monate (HR: 0,6188; 95%-KI: 0,3949– 0,9697). Das mediane OS im Arm A betrug 14,4 Monate, in Arm B dagegen 25,5 Monate (HR: 0,6824; 95%-KI: 0,4654– 1,001). Die Unterschiede waren statistisch signifikant. Ausmass und Stärke der Nebenwirkungen waren in beiden Armen ähnlich, in Arm B sogar etwas verringert (Grad 3 bis 4: Pneumonitis [7,3%
vs. 2,9%], Ösophagitis [4,4% vs. 3,0%]).
Die Studienleiter fordern weitere grosse
Studien zur Bestätigung dieser Ergeb-
nisse und erwarten eine neue Standard-
option in der Erstlinientherapie für diese
NSCLC-Patienten.
n
Bärbel Hirrle
Quelle: ASCO20 Virtual Scientific Program, 29. bis 31. Mai 2020.
Referenzen: 1. Herbst RS et al.: Osimertinib as adjuvant therapy in patients (pts) with stage IB–IIIA EGFR mutation positive (EGFRm) NSCLC after complete tumor resection: ADAURA. ASCO 2020, Abstr. LBA 5 (Plenary Session). 2. Piper-Vallillo A et al.: High-dose osimertinib for CNS progression in EGFR+ non-small cell lung cancer (NSCLC): A multiinstitutional experience. ASCO 2020, Abstr. 9586. 3. Huang D et al.: Study of anlotinib combined with icotinib as the first-line treatment in non-small cell lung cancer (NSCLC) patients harboring activating EGFR mutations (ALTER-L004). ASCO 2020, Abstr. #9573. 4. Wang X et al.: First-line tyrosine kinase inhibitor with or without aggressive upfront local radiation therapy in patients with EGFRm oligometastatic non-small cell lung cancer: Interim results of a randomized phase III, open-label clinical trial (SINDAS). (NCT02893332). ASCO 2020, Abstr. #9508.
Auf einen Blick
EGFR-mutiertes NSCLC
n ADAURA-Studie: Der TKI Osimertinib, adjuvant ab Stadium IB eingesetzt, verlängert signifikant das krankheitsfreie Überleben.
n BLOOM-Studie: Bei Hirnmetastasen respektive leptomeningealer Metastasierung kann Osimertinib 160 mg täglich eine leicht verbesserte Krankheitskontrolle bewirken.
n ALTER-L004-Studie: Der Antikörper Anlotinib plus TKI Icotinib könnten eine neue Option für fortgeschrittene Stadien werden.
n SINDAS-Studie: Eine TKI-Erstlinienbehandlung, kombiniert mit SBRT, zeigte signifikante Vorteile beim PFS und OS bei Oligometastasierung gegenüber alleiniger TKI-Therapie.
24 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE AUGUST/SEPTEMBER 2020