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ASCO 2020 Virtual
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
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0In2t_eTnistievlierte Deprivationstherapien verbessern die Prognose weiter
Die Intensivierung der Androgenrezeptor-(AR-)Deprivationstherapie (ADT) durch AR-gerichtete Substanzen ist bei Patienten mit nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinomen (nmCRPC) eine wirksame Therapiestrategie. Welche Substanz allerdings bei welchen Patienten eingesetzt werden sollte, ist überall nicht klar ersichtlich. Beim ASCO-Kongress 2020 wurden spannende Studien dazu präsentiert, die die Therapieentscheidung aber nicht einfach machen dürften.
Drei Hormontherapien zeigen Überlebensverlängerung versus Plazebo
Die Studien PROSPER, SPARTAN und ARAMIS untersuchten bei nmCRPC-Patienten die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der AR-gerichteten Wirkstoffe Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid. Die Gesamtüberlebensdaten zeigen eine verbesserte Prognose für die behandelten Patienten versus Plazebo.
Studie PROSPER mit Enzalutamid In die 2:1-randomisierte PROSPER-Studie wurden 1401 Patienten mit nmCRPC und einem steigenden PSA-Wert trotz Kastrationstestosteronspiegel (≤ 50 ng/dl) eingeschlossen (1). Einschlusskriterien waren ein PSA ≥ 2 ng/ml und eine PSA-Verdopplungszeit ≤ 10 Monate. Das primäre Studienziel war eine signifikante Verlängerung des metastasenfreien Überlebens (MFS), definiert als Zeit ab der Randomisierung bis zum radiologischen Progress oder dem Versterben innerhalb von 112 Tagen nach Therapieabbruch ohne Hinweis auf einen radiologischen Progress unter Enzalutamid (160 mg/Tag) plus ADT versus Plazebo plus ADT. Die beim ASCO-Kongress 2020 präsentierte finale Analyse des Gesamtüberlebens (OS) zeigte eine statistisch signifikante OS-Verlängerung durch die Therapie mit Enzalutamid, obwohl 65% der Patienten der Plazebogruppe wie auch 33% der Patienten im Enzalutamid-Arm wenigstens eine weitere Therapie nach Beendigung der Studienmedikation erhielten. Im Median lebten die Patienten 67,0 versus 56,3 Monate (HR: 0,73; 95%-KI: 0,61–0,89; p = 0,001). Die
Zeit bis zur ersten auf die Studienmedikation folgende Therapie betrug 66,7 Monate im Enzalutamid-Arm versus 19,1 Monate im Plazeboarm (HR: 0,29; 95%-KI: 0,25–0,34; p < 0,001). Die mediane Dauer der Therapie betrug 33,9 bzw. 14,2 Monate. Studie SPARTAN mit Apalutamid In der Phase-III-Studie SPARTAN wurde der AR-Inhibitor Apalutamid doppelblind und plazebokontrolliert bei Prostatakarzinompatienten mit nmCRPCErkrankung und schnell ansteigendem PSA-Wert geprüft. Auch in der SPARTAN-Studie wurde der primäre Endpunkt, eine Verlängerung des MFS, erreicht, und nun wurden die finalen Ergebnisse bezüglich des OS präsentiert (2). Eingeschlossen waren 1207 Patienten, die im Verhältnis 2:1 randomisiert Apalutamid (240 mg, qd) plus ADT oder Plazebo plus ADT erhielten. Die Studie wurde auf Anraten des Sicherheitskomitees früh entblindet, und 19% der Patienten des Plazeboarms wechselten in den Apalutamid-Arm. Bei Studienauswertung mit einer Nachbeobachtungszeit von 52 Monaten hatten 70% versus 81% der Patienten die Studienmedikation beendet. 46% versus 70% der Patienten erhielten nach Abbruch der Studienmedikation eine weitere potenziell lebensverlängernde Therapie. Ein Krankheitsprogress wurde bei 43% der Patienten im Apalutamid- und bei 60% im Plazeboarm als Ursache für den Therapieabbruch angegeben. Patienten erhielten nach Progress am häufigsten – in 50% respektive 64% der Fälle – Abirateron plus Prednison. Das OS wurde unter Apalutamid um median 14 Monate gegenüber Plazebo, unter Berücksichtigung des Cross-overs um median 21,1 Monate, verlängert. Im Median betrug das OS 73,9 versus 59,9 Monate (HR: 0,79; 95%-KI: 0,65–0,96). Die Zeit bis zum Beginn der ersten nachfolgenden zytotoxischen Chemotherapie wurde signifikant unter Apalutamid verzögert (HR: 0,63; 95%-KI: 0,49–0,81). Die mediane Dauer der Therapie betrug 32,9 versus 11,5 Monate. Studie ARAMIS mit Darolutamid In der doppelblinden, 2:1-randomisierten Phase-III-Studie ARAMIS wurde, ebenfalls mit dem primären Endpunkt MFS, eine HR-gerichtete Therapie mit Darolutamid plus ADT gegen Plazebo plus ADT geprüft (3). Eingeschlossen wurden insgesamt 1509 Patienten mit nmCRPC und einer PSA-Verdopplungszeit ≤ 10 Monate. Auch die ARAMIS-Studie wurde nach den guten Ergebnissen in der ersten Zwischenanalyse frühzeitig entblindet, und 31% der Patienten des Plazeboarms wechselten in den Darolutamid-Arm. Insgesamt erhielten 56% der Patienten des Plazeboarms wenigstens eine nachfolgende Therapie gegenüber 15% im Darolutamid-Arm. Im Ergebnis wurde bezüglich des OS eine Risikoreduktion um 31% beobachtet (HR: 0,69; 95%-KI: 0,53–0,88, p = 0,003). Nach 3 Jahren lebten 83% versus 77% der Studienteilnehmer. Ein signifikanter Vorteil der Darolutamid-Therapie wurde auch für andere Wirksamkeitsendpunkte gezeigt: Die Zeit bis zur Schmerzprogression (HR: 0,65; 95%-KI: 0,53–0,79), die Zeit bis zum ersten Prostatakarzinom-bezogenen invasiven Eingriff (HR: 0,42; 95%-KI: 0,28–0,62) und die Zeit bis zum Beginn der ersten nachfolgenden Antitumortherapie (HR: 0,36; 95%-KI: 0,27–0,48) waren signifikant verlängert (alle p < 0,001). An Nebenwirkungen von Interesse wurde eine leichte bis keine Zunahme gegenüber Plazebo gesehen. Nebenwirkungen traten bei 85,7% versus 79,2% 16 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE AUGUST/SEPTEMBER 2020 ASCO 2020 Virtual Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020 der Patienten beider Studienarme auf, Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 4 bei 26,3% versus 21,7% und klinisch relevante Nebenwirkungen bei 26,1% versus 21,8% der Patienten. Es brachen 8,9% versus 8,7% der Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Neue Strategien für das fortgeschrittene kastrationsresistente Stadium Auch für die Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms wurden Studien zur Therapieoptimierung vorgestellt. Studie LACOG 0415 mit Abirateron/ Prednison versus Apalutamid Einen direkten Vergleich von Abirateronacetat/Prednison (AAP) plus ADT versus Apalutamid (APA) versus die Kombination der beiden Wirkmechanismen untersuchte die brasilianische Phase-II-Studie LACOG 0415 (4). Eingeschlossen wurden 128 Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom und nicht Kastrationstestosteronspiegeln (≥ 230 ng/dl). Der primäre Endpunkt war die Häufigkeit eines PSA-Werts ≤ 0,2 ng/ml in Woche 25. Die Studie war nicht auf einen Vergleich der Studienarme gepowert. Die Studienteilnehmer waren median 70 Jahre alt und wiesen bei Studienbeginn einen medianen PSA-Wert von 22,5 ng/ml sowie einen medianen Testosteronspiegel von 409,2 ng/dl auf. 46,2% der Patienten hatten die Diagnose der metastasierten Erkrankung de novo erhalten. Einen PSA ≤ 0,2 ng/ml in Woche 25 zeigten 75,6% der Patienten unter AAP plus ADT, 60,0% unter APA und 79,5% unter AAP plus APA in der modifizierten ITT-Analyse (schloss nur Patienten mit auswertbaren Daten ein). Damit erreichte nur die alleinige Apalutamid-Therapie den definierten primären Endpunkt nicht. Einen PSA-Abfall um ≥ 50% in Woche 25 erreichten 100% versus 92,5% ver- sus 100% der Patienten, einen Abfall um ≥ 80% erreichten 100% versus 90% versus 97,4% der Patienten. Die Testosteronspiegel fielen im AAP-plus-ADT-Arm durchschnittlich um 97,4% und im AAPplus-APA-Arm um 73,8% ab. Unter alleiniger Gabe von Apalutamid wurde hingegen durchschnittlich ein Anstieg des Testosteronspiegels um 134,3% beobachtet. Nebenwirkungen aller Grade traten bei 93 bis 95% der Patienten auf, Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 4 bei 31% (AAP plus ADT) versus 21,4% (APA) versus 36,4% (AAP plus APA) der Patienten. Studie TheraP mit Lu-PSMA versus Cabazitaxel Eine neue Therapiestrategie ist die Radioligandentherapie. 177Lu-PSMA-617 (LuPSMA) ist ein radiomarkierter PSMAAntagonist, der in der Phase-II-Studie TheraP gegen Cabazitaxel geprüft wurde (5). Die vielversprechenden Ergebnisse stützen die Radioligandentherapie als mögliche effektive und verträgliche Therapieoption bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC). In der australischen Studie TheraP erhielten 200 mit Docetaxel vorbehandelte mCRPC-Patienten LuPSMA oder Cabazitaxel. Primärer Studienendpunkt war das biochemische Ansprechen, definiert als PSA-Reduktion von ≥ 50% ab Studienbeginn. Die Patienten waren im Median 72 Jahre alt und hatten in mehr als 90% der Fälle Enzalutamid oder Abirateron erhalten. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13,3 Monaten zeigten absolut 29% der Patienten unter Lu-PSMA häufiger ein PSA50-Ansprechen, verglichen mit Cabazitaxel (66% vs. 37%; p < 0,0001). Das Risiko für einen PSA-Progress war im Lu-PSMA-Arm um 31% gegenüber Cabazitaxel reduziert (HR: 0,69; 95%-KI: 0,50–0,95; p = 0,02). Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 4 traten bei 35% der Pa- tienten unter Lu-PSMA und bei 54% un- ter Cabazitaxel auf. Unter Lu-PSMA tra- ten häufiger Thrombozytopenien (Grad 1–2: 17%/Grad 3–4: 11%), ein trockener Mund (59%/0%) und trockene Augen (30%/0%) auf, unter Cabazitaxel häufiger Neutropenie (5%/13%), Diarrhö (52%/5%), Dysgeusie (27%/0%) und Neuropathie (26%/1%). n Ine Schmale Quelle: ASCO20 Virtual Scientific Program, 29. bis 31. Mai 2020. Referenzen: 1. Sternberg CN et al.: Updated overall survival results from PROSPER: A phase 3, randomized, double-blind, placebo-controlled study of enzalutamide in men with nonmetastatic castration-resistant prostate cancer. ASCO 2020, Abstr. #5515. 2. Small EJ et al.: Final survival results from SPARTAN, a phase III study of apalutamide versus placebo in patients with nonmetastatic castration-resistant prostate cancer. ASCO 2020, Abstr. #5516. 3. Fizazi K et al.: Overall survival (OS) results of phase III ARAMIS study of darolutamide added to androgen deprivation therapy for non-metastatic castration-resistant prostate cancer. ASCO 2020, Abstr. #5514. 4. Maluf FC et al.: Phase II randomized study of abiraterone acetate plus prednisone (AAP) added to ADT versus apalutamide alone (APA) versus APA plus AAP in patients with advanced prostate cancer with non-castrate testosterone levels (LACOG 0415). ASCO 2020, Abstr. #5505. 5. Hofman M et al.: A randomised phase II trial of 177LuPSMA-617 (Lu-PSMA) theranostic versus cabazitaxel in metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC) progressing after docetaxel: Initial results – TheraP (ANZUP 1603). ASCO 2020, Abstr. #5500. Auf einen Blick n In der Behandlung des nmCRPC zeigen die drei AR-gerichteten Therapien mit Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid signifikante Verlängerungen des Gesamtüberlebens gegenüber Plazebo. n Bei kastrationsresistenter Erkrankung sind die Kombination von Abirateron/Prednison plus ADT oder Abirateron plus Apalutamid mögliche effektive Regime. n Lu-PSMA ist der Vertreter einer potenziell neuen Wirkstoffklasse (Radioligandentherapie) für die Therapie von Patienten mit mCRPC. Nach Docetaxel-Versagen wirkte LuPSMA stärker als Cabazitaxel und mit weniger toxischem Nebenwirkungsprofil. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE AUGUST/SEPTEMBER 2020 17