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ASCO 2020 Virtual
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
0G1a_sLtrinoiienntetistteinl ale Tumoren
0Fü2r_TSiutbegl ruppen neue Therapieoptionen in Sicht
Bei den gastrointestinalen Tumoren stehen insbesondere spezifische Subgruppen im Fokus für neue medikamentöse Optionen. Herausragend waren die Studienresultate für Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom bei Mikrosatelliteninstabilität. Hier könnte auch in der Erstlinie ein neuer Standard definiert werden.
Kolorektalkarzinom: Pembrolizumab bei MSI-H-Patienten
In der Therapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms (mCRC) ist die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren bei Mismatch-Repair-defizienten (MSI-H) Tumoren, eine Tumoreigenschaft, die bei ungefähr 5% aller mCRC-Patienten auftritt, eine effektive Therapieoption. Diese wurde nun durch die Ergebnisse der Phase-III-Studie KEYNOTE-177 mit Pembrolizumab bestätigt (1). Die Studie schloss insgesamt 307 Patienten ein, die randomisiert bis zu 35 Zyklen Pembrolizumab (200 mg, q3w) oder eine Chemotherapie plus ein Biological (Bevacizumab oder Cetuximab) nach Wahl des behandelnden Arztes erhielten. Bei Progress unter dem Kontrollregime war ein Wechsel in den Pembrolizumab-Studienarm erlaubt. Als primäre Endpunkte wurden das progressionsfreie Überleben (PFS) nach RECIST-Kriterien und das Gesamtüberleben (OS) untersucht.
PFS mehr als verdoppelt Im Ergebnis wurde das Risiko für einen Progress mit der Immuntherapie um 40% gegenüber dem Kontrollregime reduziert. Im Median betrug das PFS 16,5 versus 8,2 Monate (HR: 0,60; 95%-KI: 0,45– 0,80; p = 0,0002). Die 12- und 24-Monats-PFS-Raten betrugen 55% (Pembrolizumab) versus 37% (Kontrollregime) respektive 48% versus 19%. Ein Ansprechen zeigten 43,8% der Patienten unter Pembrolizumab und 33,1% unter dem Kontrollregime, mit kompletten Remissionen bei 11,1% versus 3,9% der Patienten. Eine Stabilisierung der Erkrankung wurde zudem bei 20,9% versus 42,2% der Patienten beobachtet. Die Dauer des Ansprechens lag unter dem Kontrollregime bei median 10,6 Monaten und war im Pembrolizumab-Arm noch nicht er-
reicht. Bei 83% der Patienten unter Pembrolizumab und 35% unter dem Kontrollregime hielt die Remission wenigstens 24 Monate an. Therapiebedingte Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 wurden bei 22% der Patienten im Pembrolizumab-Arm sowie bei 66% der Patienten unter der Kontrolltherapie berichtet. Am häufigsten traten unter der Immuntherapie Diarrhö (alle Grade: 25%; Grad ≥ 3: 2%), Fatigue (21%; 2%) und Übelkeit (12%; 0%) auf.
Ösophagogastrisches Adenokarzinom: Perioperativ mit Anti-HER2-Therapie
In der Behandlung des lokal fortgeschrittenen, HER2-positiven Mammakarzinoms ist die doppelte HER2-Rezeptor-gerichtete Therapie mit Trastuzumab (T) und Pertuzumab (P) der neoadjuvante Standard. Die perioperative Therapie mit zusätzlich Trastuzumab und Pertuzumab zum FLOT-Regime (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel) wurde in der AIO-Studie PETRARCA auch bei HER2-positiven Patienten mit resektablen ösophagogastrischem Adenokarzinom untersucht (2). In der randomisierten Phase-II/III-Studie erhielten Patienten 4 Zyklen der Studienmedikation sowohl vor als auch nach Resektion. Primärer Endpunkt war die pathologisch komplette Ansprechrate (pCR). Die Studie wurde während des Phase-II-Teils bei Bekanntgabe der Ergebnisse der JACOB-Studie frühzeitig geschlossen.
PETRARCA-Studie: FLOT + T + P deutlich überlegen Von den in die Studie eingeschlossenen 81 Patienten konnten 93% im FLOT-Arm versus 90% im FLOT + T + P-Arm die vorgesehene neoadjuvante Therapie komplettierten. 63% versus 62% der Patien-
ten begannen die adjuvante Therapie, die in 56% versus 43% der Fälle zu Ende geführt wurde. Bei 32% der Patienten im FLOT-Arm versus 63% im FLOT + T + PArm wurde die Dosis aufgrund von Nebenwirkungen modifiziert. Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 4 traten bei 75% versus 85% der Patienten auf, klinisch relevante Nebenwirkungen bei 58% versus 67% der Patienten. 98% der Patienten beider Studienarme erhielten eine Tumorresektion, 90% versus 93% konnten R0-reseziert werden. Bezüglich der Komplikationsrate (43% vs. 44%) sowie der Mortalität im Krankenhaus (je 1 Patient), innerhalb von 30 Tagen (je 0) oder innerhalb von 60 Tagen (je 1 Patient), wurden keine Unterschiede festgestellt. Ein pathologisches Ansprechen zeigten 12% versus 35% der Patienten, womit eine signifikante Überlegenheit von FLOT + T + P gegenüber dem FLOT-Regime erreicht wurde (p = 0,02). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22 Monaten wurde das mediane krankheitsfreie Überleben (DFS) unter FLOT auf 26 Monate extrapoliert, das mediane DFS war unter FLOT + T + P nicht erreicht (HR: 0,58; 95%-KI: 0,28–1,14; p = 0,14). Für das Gesamtüberleben wurde ein um 44% reduziertes Sterberisiko – ohne Nachweise der statistischen Signifikanz – ermittelt (HR: 0,56; 95%-KI: 0,21–1,47; p = 0,24).
Ösophaguskarzinom: Trastuzumab plus trimodale Therapie
Der Wert einer zusätzlichen perioperativen Trastuzumab-Gabe wurde in der NRG/RTOG-1010-Studie für Patienten mit HER2-überexprimiertem Adenokarzinom des Ösophagus nicht bestätigt. Bei 19 bis 32% der Ösophaguskarzinome wird eine HER2-Überexpression identifiziert. Die multizentrische Phase-III-Studie NRG/RTOG 1010 prüfte nun, ob Trastuzumab zusätzlich zu einer trimodalen Therapie plus Trastuzumab-Erhaltungstherapie einen DFS-Vorteil gegenüber der neoadjuvanten Radiatio und Chemotherapie (Paclitaxel, Carboplatin) ohne Trastuzumab hat. Am ASCO-Kon-
18 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE AUGUST/SEPTEMBER 2020
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gress 2020 wurden die Daten mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren erläutert (3). Insgesamt 203 Patienten erhielten eine perioperative Chemoradiotherapie plus Trastuzumab oder eine neoadjuvante Chemoradiotherapie. Im Ergebnis wurde kein Unterschied durch die zusätzliche Gabe von Trastuzumab bezüglich des krankheitsfreien Überlebens (HR: 0,97; 95%-KI: 0,69–1,36; p = 0,85) oder des OS (HR: 1,01; 95%-KI: 0,69–1,47; p = 0,95) gesehen. Eine komplette pathologische Resektion wurde – ebenfalls vergleichbar – bei 84% der Patienten im Trastuzumab-Arm versus 81% im reinen Chemoradiotherapie-Arm erreicht.
Pankreaskarzinom: Neoadjuvant bei Borderline-Tumoren
Beim Pankreaskarzinom ist eine neoadjuvante Therapie bei Borderline-resektablen Tumoren offensichtlich in Erwägung zu ziehen. In der vierarmigen, prospektiven, randomisierten Phase-II-Studie ESPAC-5F erhielten Patienten mit Borderline-resektablem Pankreaskarzinom entweder direkt eine Operation oder eine neoadjuvante Therapie mit Gemcitabin plus Capecitabin (GEMCAP) oder FOLFIRINOX oder eine Chemoradiotherapie (CRT; 50,4 Gy, Capecitabin). Primär wurden die Rekrutierung und die Resektionsrate evaluiert, sekundär unter anderem das OS (4). Von 88 in die Studie eingeschlossenen Patienten konnten 52 Patienten operiert werden. Die Resektionsrate betrug 62% bei direkter Operation und 55% bei vorheriger neoadjuvanter Behandlung (p = 0,67). R0-Resektionen wurden bei 15% versus 23% der Patienten erreicht (p = 0,72). Das OS war dagegen für Patienten mit neoadjuvanter Therapie signifikant verlängert. Nach 12 Monaten lebten 42% der Patienten ohne versus 77% der Patienten mit neoadjuvanter Therapie (HR: 0,28; 95%-KI; 0,14–0,57; p < 0,001). Im Vergleich der neoadjuvanten Regime betrugen die 12-Monats-
OS-Raten 79% (GEMCAP), 84% (FOLFIRINOX) und 64% (CRT). Eine signifikante Überlegenheit gegenüber der direkten Operation zeigte sich für GEMCAP (HR: 0,32; 95%-KI: 0,12–0,85) und FOLFIRINOX (HR: 0,16; 95%-KI: 0,05–0,56), nicht aber für CRT (HR: 0,41; 95%-KI: 0,15–1,10). Die Therapie mit FOLFIRINOX ging gleichzeitig mit einer höheren Toxizität einher, die aber insgesamt handhabbar war.
Leberzellkarzinom: Modifiziertes Sorafenib-Derivat in der Erstlinie
Mit dem neuen Multikinaseinhibitor Do-
nafenib wurde bei Patienten mit Leber-
zellkarzinom (HCC) eine Verlängerung
des OS bei gleichzeitig besserer Verträg-
lichkeit im Vergleich zu Sorafenib ge-
zeigt. Donafenib könnte daher die opti-
male Erstlinientherapie sein, folgern die
Autoren einer chinesischen Studie (5).
Donafenib ist ein deuteriertes Derivat
von Sorafenib, welches laut einer Phase-
Ib-Studie eine gute Verträglichkeit auf-
weist.
In der Phase-II/III-Studie mit insgesamt
668 Studienteilnehmern wurde Donafe-
nib (0,2 g, bid) randomisiert gegen Sora-
fenib (0,4 g, bid) für die Behandlung des
nicht resezierbaren oder metastasierten
HCC geprüft. Mit einem medianen OS
von 12,1 versus 10,3 Monaten erreichte
die Studie ihren primären Endpunkt
(HR: 0,831; 95%-KI: 0,699–0,988;
p = 0,0363). Bezüglich des PFS (HR: 0,909;
95%-KI: 0,763–1,082) und des Anspre-
chens (ORR: 4,6% vs. 2,7%) wurde kein
signifikanter Unterschied festgestellt.
Nebenwirkungen ≥ Grad 3 wurden im
Donafenib-Arm weniger häufig, vergli-
chen mit Sorafenib, festgestellt (57,4%
vs. 67,5%), ebenso wie therapieassozi-
ierte Nebenwirkungen ≥ Grad 3 (37,5%
vs. 49,7%). Bei 5,7% versus 7,5% der Pa-
tienten führten therapieassoziierte Ne-
benwirkungen zu einem Abbruch der
Studienmedikation.
n
Ine Schmale
Quelle: ASCO20 Virtual Scientific Program, 29. bis 31. Mai 2020.
Referenzen: 1. André T et al.: Pembrolizumab versus chemotherapy for microsatellite instability-high/mismatch repair deficient metastatic colorectal cancer: The phase 3 KEYNOTE-177 study. ASCO 2020, Abstr. #LBA4. 2. Hofheinz RD et al.: Perioperative trastuzumab and pertuzumab in combination with FLOT versus FLOT alone for HER2-positive resectable esophagogastric adenocarcinoma: Final results of the PETRARCA multicenter randomized phase II trial of the AIO. ASCO 2020; Abstr. #4502. 3. Safran HP et al.: Trastuzumab with trimodality treatment for esophageal adenocarcinoma with HER2 overexpression: A multicenter randomized phase III trial, NRG Oncology/RTOG 1010. ASCO 2020, Abstr. #4500. 4. Ghaneh P et al.: ESPAC-5F: Four arm, prospective, multicentre, international randomised phase II trial of immediate surgery compared with neoadjuvant gemcitabine plus capecitabine (GEMCAP) or FOLFIRINOX or chemoradiotherapy (CRT) in patients with borderline resectable pancreatic cancer. ASCO 2020, Abstr. #4505. 5. Bi F et al.: Donafenib versus sorafenib as first-line therapy in advanced hepatocellular carcinoma: An open-label, randomized, multicentre phase II/III trial. ASCO 2020, Abstr. #4506.
Auf einen Blick
n Pembrolizumab zeigte bei mCRC-Patienten mit Mikrosatelliteninstabilität eine signifikante Verlängerung des PFS im Vergleich zur Standardtherapie. Die Remissionen waren andauernder und das Sicherheitsprofil verbessert.
n Beim HER2-positiven ösophagogastrischen Adenokarzinom wurden vielversprechende Ergebnisse bei der zusätzlichen neoadjuvanten Gabe von Trastuzumab plus Pertuzumab zum FLOT-Regime gesehen. Die NRG/ RTOG-1010-Studie fand hingegen für Trastuzumab zu einer neoadjuvanten trimodalen Therapie bei Patienten mit HER2-positivem Ösophaguskarzinom keinen Zugewinn.
n Bei Patienten mit Borderline-resektablem Pankreaskarzinom führte die neoadjuvante Therapie mit Gemcitabin plus Capecitabin oder FOLFIRINOX zu einer signifikanten Verlängerung des OS.
n Bei Patienten mit fortgeschrittenem Leberzellkarzinom ist Donafenib möglicherweise eine wirksamere und verträglichere Erstlinientherapie als Sorafenib.
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