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Die SAKK auf dem ASCO-Kongress 2020 – Virtual
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) präsentierte auf dem diesjährigen virtuellen Jahreskongress der ASCO einige ihrer neuen Studien. Für die Session «Poster Discussion» wurde die Studie SAKK 16/14 präsentiert.
SAKK 16/14: Anti-PD-L1-Inhibitor Durvalumab mit neoadjuvanter Chemotherapie für Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom im Stadium IIIA(N2).
Für Patienten mit resektablem, nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) im Stadium IIIA(N2) ist eine neoadjuvante Chemotherapie mit drei Zyklen Cisplatin und Docetaxel und anschliessender Operation ein akzeptierter Behandlungsstandard, der in den SAKK Studien 16/96 (1, 2) und 16/00 (3) untersucht wurde und zu einem ereignisfreien Überleben (EFS) von 48% nach 1 Jahr und einem Gesamtüberleben von 37% nach 5 Jahren führte (4). In der Studie SAKK 16/14 haben wir den perioperativen Einsatz des Anti-PD-L1Antikörpers Durvalumab zusätzlich zu dieser Standardtherapie untersucht. Durvalumab wurde sequenziell zur Chemotherapie zweimalig vor der Operation und postoperativ während eines Jahres alle 2 Wochen verabreicht.
Einarmige, multizentrische Phase-II-Studie Die Studie SAKK 16/14 ist eine einarmige Phase-II-Studie mit 68 Patienten mit NSCLC im Stadium IIIA(N2) (T1-3 N2 M0). Patienten konnten unabhängig vom histologischen Subtyp sowie unabhängig vom Vorliegen von genomischen Aberrationen oder dem PD-L1- Expressionsstatus eingeschlossen werden. Die neoadjuvante Behandlung bestand aus drei Zyklen Cisplatin (100 mg/m2) und Docetaxel (85 mg/m2) in einem Behandlungsintervall von 3 Wochen, danach folgten zwei Zyklen mit Durvalumab (750 mg) in einem Behandlungsintervall von 2 Wo-
chen. Durvalumab wurde nach der Operation alle 2 Wochen für 1 Jahr weitergeführt. Der primäre Endpunkt der Studie ist das EFS nach 1 Jahr. Die statistische Hypothese ist eine Verbesserung des EFS nach 1 Jahr von 48% – basierend auf der SAKK 16/00 Studie (3) auf 65%.
Resultate Am diesjährigen ASCO-Kongress konnten wir die Resultate der Studie präsentieren. Es wurden zwischen Juni 2016 und Januar 2019 68 Patienten eingeschlossen. Die Daten von 67 Patienten (35 Männer, 32 Frauen) waren auswertbar. Das mittlere Alter lag bei 61 Jahren (41–74 Jahre). 52 Patienten (77,6%) hatten einen WHO-Performance-Status von 0, 95,5% der Patienten waren aktive oder ehemalige Raucher. Bei der Mehrzahl der Tumoren handelte es sich um Adenokarzinome (55,2%), danach folgten Plattenepithelkarzinome (32,8%). Die klinischen Stadien zum Zeitpunkt der Diagnose waren T1, T2 und T3 bei 22,4%, 49,3% bzw. 28,4% der Patienten.
Klinische Ergebnisse Bei 81,1% der Patienten konnte nach neoadjuvanter Vorbehandlung eine Resektion durchgeführt werden. Der Hauptgrund, weswegen Patienten nicht operiert wurden, war ein Tumorprogress (33,3%). Eine Pneumonektomie wurde bei 5 Patienten (9,1%) durchgeführt, bei 43 Patienten (78,2%) wurde eine Lobektomie und
bei 7 Patienten (12,7%) eine Bilobektomie durchgeführt. Das radiologische Ansprechen lag bei 44,8% (95%-Konfidenzintervall (KI): 32,6–57,4) nach neoadjuvanter Chemotherapie und bei 59,7% (95%-KI: 46,4–71,9) nach zusätzlicher neoadjuvanter Immuntherapie. Pathologisch lag die Rate an kompletten Remissionen bei 18,2% (10 Patienten). 33 Patienten (60,0%) hatten eine sehr gute pathologische Remission (major pathological remission), definiert als ≤ 10% vitale Tumorzellen. Ein Downstaging der Lymphknoten konnte bei 37 Patienten (67,3%) erreicht werden. Das EFS nach einem Jahr betrug 73,3% (90%-KI: 62,5–81,4). Das mediane EFS sowie das mediane Gesamtüberleben waren nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten noch nicht erreicht. Ein Patient (1,8%) verstarb innert der ersten 30 Tage nach der Operation aufgrund einer Blutungskomplikation nach der Operation, die höchstwahrscheinlich nicht auf die neoadjuvante Therapie zurückzuführen war. Ein weiterer Patient ist während der Studie aufgrund eines respiratorischen Versagens während der neoadjuvanten Chemotherapie verstorben. Insgesamt kam es bei 59 Patienten (88,1%) zu einer Nebenwirkung Grad 3 bis 4, davon bei 45 Patienten (67,2%) unter der neoadjuvanten Chemotherapie, bei 8 Patienten (12,9%) während der neoadjuvanten Immuntherapie, bei 17 Patienten (29,3%) im Rahmen der Operation und bei 25 Patienten (50,0%) während der adjuvanten Immuntherapie. Zum Zeitpunkt der Analyse nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten erlitten 14 Patienten ein Rezidiv, davon 9 Patienten (64,2%) eine Fernmetastasierung.
26 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE AUGUST/SEPTEMBER 2020
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Bewertung der Studie 16/14 und Lancierung der Studie 16/18 Die Studie beinhaltet eine grosse Zahl an translationalen Forschungsprojekten am entnommenen Tumormaterial vor der Therapie sowie an den Tumorresektaten und an sequenziell entnommenen Blutproben. Hier laufen zurzeit verschiedene Untersuchungen, deren Resultate in den nächsten Monaten verfügbar sein werden. Die Studie SAKK 16/14 ist die bisher grösste klinische Studie zum neoadjuvanten Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren beim resektablen NSCLC im Stadium IIIA(N2). Die Resultate der Studie haben unsere Erwartungen und die statistische Annahme einer Verbesserung des EFS nach 1 Jahr bei Weitem übertroffen. Auch konnten wir eine sehr hohe Rate an pathologischen Remissionen feststellen. Basierend auf den Resultaten der SAKK 16/14 Studie, konnte vor wenigen Wochen die Studie SAKK 16/18 lanciert werden, in welcher zusätzlich zur neoadjuvanten Chemo- und Immuntherapie eine immunstimulierende Bestrahlung untersucht wird. Ziel der Studie ist es, das EFS nach 1 Jahr sowie die Ansprechraten weiter zu verbessern. Für die Bestrahlung werden die Patienten in drei Arme mit unterschiedlichen Schemata der Fraktionierung (3 × 8 Gy, 20 × 2 Gy und 5 × 5 Gy) randomisiert. Hierdurch möchten wir die Wirkungsweise der unterschiedlichen Fraktionierungen auf die Aktivierung des Immunsystems und die Wirksamkeit der Immuntherapie weiter untersuchen.
Abbildung 1: Studiendesign Abbildung 2: Ereignisfreies Überleben
Referenzen 1. Betticher DC, Hsu Schmitz S-FF, Totsch M, et al.: Mediastinal lymph node clearance after docetaxel-cisplatin neoadjuvant chemotherapy is prognostic of survival in patients with stage IIIA pN2 non-small-cell lung cancer: a multicenter phase II trial. J Clin Oncol. 2003; 21(9): 1752–1759. doi:10.1200/JCO.2003.11. 040JCO.2003.11.040 [pii] 2. Betticher DC, Hsu Schmitz S-F, Tötsch M, et al.: Prognostic factors affecting long-term outcomes in patients with resected stage IIIA pN2 non-small-cell lung cancer: 5-year follow-up of a phase II study. Br J Cancer. 2006; 94(8): 1099–1106. doi:10.1038/ sj.bjc.6603075
Abbildung 3: Gesamtüberleben 3. Pless M, Stupp R, Ris H-B, et al.: Induction chemoradiation in stage IIIA/N2 non-small-cell lung cancer: a phase 3 randomised trial. Lancet. 2015; 386(9998): 1049–1056. doi:10.1016/ S0140-6736(15)60294-X
4. Früh M, Betticher DC, Stupp R, et al.: Multimodal Treatment in Operable Stage III NSCLC: A Pooled Analysis on Long-Term Results of Three SAKK trials (SAKK 16/96, 16/00, and 16/01). J Thorac Oncol. 2019; 14(1): 115–123. doi:10.1016/j.jtho. 2018.09.011
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