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Titel
NSCLC – Medikamentöse Therapien bei aktivierenden EGFR-Mutationen
Untertitel
-
Lead
35 bis 40% der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) werden im Stadium IV diagnostiziert. Bei der Mehrzahl der Patienten ist der Therapieanspruch palliativ. Ausnahme sind Patienten im neu definierten Stadium M1b (z.B. mit solitären Knochenmetastasen). In diesem Abschnitt werden zielgerichtete Therapien bei Patienten mit aktivierender Exon-19- oder Exon-21- sowie einigen seltenen (uncommon) EGFR-Mutationen zusammengefasst.
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Autoren
-
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D-A-CH-Leitlinie Onkopedia
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45569
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Übersicht gemäss D-A-CH-Leitlinie Onkopedia

NSCLC: Medikamentöse Therapien bei aktivierenden EGFR-Mutationen

35 bis 40% der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) werden im Stadium IV diagnostiziert. Bei der Mehrzahl der Patienten ist der Therapieanspruch palliativ. Ausnahme sind Patienten im neu definierten Stadium M1b (z.B. mit solitären Knochenmetastasen). In diesem Abschnitt werden zielgerichtete Therapien bei Patienten mit aktivierender Exon-19- oder Exon-21- sowie einigen seltenen (uncommon) EGFR-Mutationen zusammengefasst.

ONKOPEDIA-LEITLINIEN NSCLC (AKTUELLE VERSION OKTOBER 2019)

SZO 2020; 2: 20–21.

Bei EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen liegen die medianen Überlebenszeiten unter heutigen Therapiemöglichkeiten im Bereich von mehreren Jahren. Die palliative, interdisziplinäre Therapie beinhaltet die Behandlung körperlicher und psychischer Beschwerden. Die Therapieindikation richtet sich nach dem Allgemeinzustand, der Vorbehandlung, der Symptomatik, spezifischer Komorbidität und der Patientenpräferenz. Die Auswahl der medikamentösen Therapie wird durch die histologische Klassifikation des Tumors, molekularpathologische Alterationen (molekular stratifizierte Therapie) und den Grad der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen bestimmt.

rapie die Gesamtüberlebenszeit (HR: 0,45). Die Kombination von Erlotinib mit dem Anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab oder dem Anti- VEGFR2-Antikörper Ramucirumab führte zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, jedoch nicht zur Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit (2). Bei Patienten mit einer EGFR-Mutation und nach Ausschöpfen der zielgerichteten Möglichkeiten führte die Kombination von Atezolizumab mit Carboplatin/Paclitaxel/Bevacizumab (ABCP) gegenüber BCP zu einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (HR: 0,59; Median: 3,6 Monate), nicht der Gesamtüberlebenszeit (3).

EGFR-Mutationen
Für die Therapie von Patienten mit aktivierenden EGFR-Mutationen stehen Daten von Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) I der ersten Generation (Erlotinib, Gefitinib), I der zweiten Generation (Afatinib, Dacomitinib) und I der dritten Generation (Osimertinib) zur Verfügung. TKI sind wirksamer als platinhaltige Chemotherapie und mit weniger Nebenwirkungen belastet. Entscheidend für die Wirksamkeit sind der TKI selbst und die Art der Mutation. Die Remissionsraten liegen zwischen 50 und 80%, das mediane progressionsfreie Überleben liegt zwischen 8 und 19 Monaten. Trotz deutlicher Unterschiede gegenüber Chemotherapie und auch untereinander lassen sich in den meisten randomisierten Studien keine Überlebenszeitunterschiede nachweisen. Ein Grund dafür sind Cross-over-Effekte, wenn Patienten im Chemotherapiearm bei Progress eine TKI-Therapie erhalten. Allerdings zeigen Registerdaten zunehmend, dass Patienten mit EGFR-Mutation unter EGFR-TKI-Therapie länger leben als unter Chemotherapie. In einer Auswertung des Netzwerks Genomische Medizin betrug das mediane Überleben unter Therapie mit EGFR-TKI 31,5 Monate (vs. 9,6 Monate unter Chemotherapie; Hazard Ratio [HR]: 0,169). (1). Neuere Studien deuten auf eine mögliche weitere Verbesserung der Prognose durch Kombination von TKI mit anderen Formen der Systemtherapie hin. Sowohl in der japanischen Studie NEJ009 mit 80 Patienten als auch in einer indischen Studie mit 350 Patienten verlängerte die Kombination von Gefitinib mit Carboplatin/Pemetrexed gegenüber der alleinigen Chemothe-

Exon-19-Deletion (del19) Diese Deletionen stellen die häufigste aktivierende EGFRAberration dar. Patienten mit del19 haben die längste Remissionsdauer und die längste Überlebenszeit. Afatinib führte in der Zulassungsstudie gegenüber platinhaltiger Chemotherapie zu einer signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit (HR: 0,55; Median: 12 Monate). In der Subgruppenanalyse einer randomisierten Phase-II-Studie zum Vergleich von Afatinib versus Gefitinib war das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert (HR: 0,73; Median: 0,1 Monate). Gesamtüberlebenszeit und die Rate der Therapieabbrecher waren nicht signifikant unterschiedlich. In der randomisierten FLAURA-Studie führte Osimertinib in der Erstlinientherapie gegenüber Erlotinib oder Gefitinib zu einer deutlichen Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit (HR: 0,46; Median: 18,9 vs. 10,2 Monate). Osimertinib senkt ebenfalls die Rate von ZNS-Progressen (6 vs. 15%). In der randomisierten Studie ARCHER 1050 mit Patienten mit del19 oder L858R führte Dacomitinib in der Erstlinientherapie gegenüber Gefitinib zur Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit (HR: 0,59; Median: 5,5 Monate) und der Gesamtüberlebenszeit (HR: 0,76; Median: 7,3 Monate). Patienten mit Hirnmetastasen waren ausgeschlossen. Allerdings war der Unterschied der Überlebenszeit in der Subgruppe der Patienten mit del19 nicht signifikant (p = 0,49). Daten zum Vergleich gegenüber Osimertinib oder Afatinib liegen nicht vor. Bei Progress unter TKI und Verdacht auf Resistenz sollte der Resistenzmechanismus anhand einer Gewebe-Rebiopsie (bzw.

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durch eine Liquid-Biopsy) untersucht werden, insbesondere mit der Frage nach einer EGFR-T790M-Resistenzmutation. Die Gewebe-Rebiopsie sollte an einer progredienten und für den Patienten relevanten Manifestation durchgeführt werden. Bei negativer Liquid Biopsy sollte eine Gewebeentnahme erfolgen.
L858R-Mutation L858R-Mutationen in Exon 21 sind die zweithäufigste aktivierende EGFR-Aberration. Bei Patienten mit Mutation L858R führen TKI zu Remissionsraten von 40 bis 70% und zur signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens gegenüber platinhaltiger Chemotherapie. Afatinib führte in dieser Subgruppe der Zulassungsstudie gegenüber Chemotherapie nicht zu einer Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit. In der randomisierten FLAURA-Studie führte Osimertinib gegenüber Erlotinib oder Gefitinib zu einer deutlichen Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (HR: 0,51; Median: 4,9 Monate) und zu einer niedrigeren Rate von ZNS-Progressen (6 vs. 15%). Die Daten zur Gesamtüberlebenszeit sind noch unreif. In der randomisierten Studie ARCHER 1050 mit Patienten mit del19 oder L858R führte Dacomitinib in der Erstlinientherapie gegenüber Gefitinib zur Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit (HR: 0,59; Median: 5,5 Monate) und der Gesamtüberlebenszeit (HR: 0,76; Median: 7,3 Monate). Patienten mit Hirnmetastasen waren ausgeschlossen. Allerdings war der Unterschied der Überlebenszeit in der Subgruppe der Patienten mit L858R-Mutation statistisch nicht signifikant (p = 0,08). Daten zum Vergleich gegenüber Osimertinib oder Afatinib liegen nicht vor. Bei Progress unter TKI und Verdacht auf Resistenz sollte der Resistenzmechanismus anhand einer Gewebe-Rebiopsie (bzw. durch eine Liquid-Biopsy) untersucht werden, insbesondere mit der Frage nach einer EGFR-T790M-Resistenzmutation. Die Gewebe-Rebiopsie sollte an einer progredienten und für den Patienten relevanten Manifestation erfolgen.
T790M-Mutation (UC II) Die Mutation T790M in EGFR-Exon 20 tritt in zirka 60% der Fälle von Resistenz unter EGFR-TKI der ersten oder zweiten Generation auf. Deshalb wird bei Progress eine Rebiopsie oder eine Liquid-Biopsy empfohlen. Bei negativer Liquid-Biopsy sollte eine Gewebeentnahme erfolgen. Bei Nachweis einer T790M-Mutation wird die Behandlung mit Osimertinib empfohlen. Die Remissionsraten liegen bei 65 bis 70%, das progressionsfreie Überleben bei 9 bis 11 Monate. Bei Nichtansprechen oder bei Progress unter EGFR-TKI der dritten Generation ist eine platinbasierte Chemotherapie die Therapie der Wahl. Daten zur Kombination mit Bevacizumab und Atezolizumab liegen vor.

Andere TKI-sensitive EGFR-Mutationen (UC I) Bei Patienten mit anderen genetischen EGFR-Aberrationen (uncommon mutations; UC) wird zwischen TKI-sensitiven und resistenten Mutationen unterschieden. Da diese selten sind und häufig auch komplexe Aberrationen vorliegen, sind Einzelfallentscheidungen erforderlich (4). Zu den sensitiven Mutationen gehören: I G719X-Mutation I L861Q-Mutation I S768I-Mutation I A763_Y764insFQEA-Mutation I Exon-19-Insertionen I Exon-18-Insertionen und -Deletionen (indels). Bei diesen Mutationen werden mit TKI vergleichbar hohe Remissionsraten und progressionsfreie Überlebenszeiten wie bei Mutation L858R erreicht. Die meisten Daten für die «uncommon mutations» liegen für Afatinib vor, die FDA hat diesbezüglich die Zulassung von Afatinib erweitert.

Andere TKI-resistente EGFR-Mutationen (UC III)

Auch diese Gruppe ist heterogen. Die häufigsten Aberrationen

in dieser Gruppe der «uncommon mutations» (UC III) sind

Exon-20-Insertionen. Sie werden bei bis zu 12% aller Patienten

mit EGFR-Mutationen gefunden. Bisher wurden über 60 ver-

schiedene Mutationen nachgewiesen, bei einigen handelt es

sich um interne Duplikationen. Die Ansprechraten auf TKI der

ersten und zweiten Generation liegen unter 15%, das mittlere

progressionsfreie Überleben beträgt 2 bis 3 Monate. Bei Pati-

enten mit Exon-20-Insertionen ist die initiale Gabe von EGFR-

TKI nicht indiziert, spezifische Inhibitoren befinden sich in der

klinischen Prüfung. Wenn ein Studieneinschluss nicht möglich

ist, wird eine systemische Therapie wie bei Patienten mit Wild-

typ-Tumoren empfohlen. Einige Subtypen sprechen möglicher-

weise auf neue TKI an.

I

Referenzen: 1. The Clinical Lung Cancer Genome Project (CLCGP) and Network Genomic Medicine (NGM): A genomics-based classification of human lung tumors. Sci Transl Med 2013; 30:209ra153. DOI:10.1126/scitranslmed.3006802 2. Noronha V, Joshi A, Patil VM et al.: Phase III randomized trial comparing gefitinib to gefitinib with pemetrexed-carboplatin chemotherapy in patients with advanced untreated EGFR mutant non-small cell lung cancer (gef vs gef+C). ASCO 2019; Abstract 9001. DOI: https://ascopubs.org/ doi/abs/10.1200/JCO.2019.37.15_suppl.9001 3. Socinski MA, Jotte RM, Cappuzzo F et al.: Atezolizumab for First-Line Treatment of Metastatic Nonsquamous NSCLC. N Engl J Med 2018; 378: 2288–2301. DOI:10.1056/ NEJMoa1716948 4. Russo A, Franchina T, Ricciardi G et al.: Heterogeneous responses to epidermal growth factor receptor (EGFR) tyrosine kinase inhibitors (TKIs) in patients with uncommon EGFR mutations: new insights and future perspectives in this complex clinical scenario. Int J Mol Sci 2019; 220:pii:E1431. DOI:10.3390/ijms20061431

Quelle: *Empfehlungen der Fachgesellschaften DGHO, OeGHO, SSMO, SGH, AIO (Hrsg.): Onkopedia Leitlinie Lungenkarzinom nicht-kleinzellig (NSCLC). Empfehlungen der Fachgesellschaften (D – A – CH) zur Diagnostik und Therapie hämatologischer und onkologischer Erkrankungen. Stand: Oktober 2019. (Auszug, Stadium IV) www. onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-nicht-kleinzellig-nsclc/@@guideline/html/index.html

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