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JOURNAL CLUB
Geschlechtsunterschiede bei NSCLC
Frauen mit Lungenkrebs haben die bessere Prognose
Die Inzidenz von Lungenkrebs bei Frauen steigt seit mehr als 20 Jahren und wird meist darauf zurückgeführt, dass immer mehr Frauen schon im jugendlichen Alter zu rauchen beginnen. Bei der insgesamt sehr hohen lungenkrebsbedingten Mortalität fällt auf, dass erkrankte Frauen tendenziell länger leben als betroffene Männer. Eine nationale Kohortenstudie in Schweden fand dazu kürzlich eine ganze Palette geschlechtsspezifischer Charakteristika und Prognosefaktoren.
Klinische und epidemiologische Studien zeigen, dass Frauen mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) (ca. 85% aller Bronchialkarzinome) häufig länger leben als betroffene Männer, und zwar unabhängig von der geografischen Region und dem histologischen Subtyp (Plattenepithel-/Adenokarzinom). Die Studienärzte wollten herausfinden, welche der bekannten Prognosefaktoren sich geschlechtsspezifisch unterschiedlich verteilen (Charakterisierung, Quantifizierung) und welche Faktoren möglicherweise dazu beitragen. Zu den Prognosefaktoren zählen bekanntlich Krankheitsstadium, Tumorlokalisation, Nodalstadium, Tumorbiologie und molekulare Charakteristika, Zahl und Lokalisation von Metastasen sowie Therapiemanagement – neben Faktoren wie Alter, Raucheranamnese, sozioökonomischer Status, Ethnie, Komorbiditäten respektive Allgemeinzustand.
2002–2016: rund 33 800 NSCLC-Patientendaten analysiert
Eine landesweite, bevölkerungsbasierte Kohortenstudie untersuchte die Daten aller Krankheitsfälle von NSCLC-Plattenepithel- (n = 10 325) und -Adenokarzinomen (n = 23 465) aus dem schwedischen Lungenkrebsregister in den Jahren 2002 bis 2016. Dabei wurden adjustierte «female-to-male»-Hazard-Ratios (aHR) und standardisierte Überlebensproportionen bezüglich bevölkerungs- und anamnestischer Parameter über Computerstatistikmodelle berechnet.
Günstigere Prognosefaktoren bei Diagnose Es zeigte sich, dass die Inzidenz von Adenokarzinomen über die Jahre zu-
nahm, während Plattenepithelkarzinome immer weniger auftraten, und zwar bei beiden Geschlechtern. Verglichen mit den männlichen NSCLCPatienten, waren die Frauen anteilsmässig deutlich jünger, Nicht-/Nieraucher, zum Diagnosezeitpunkt in besserem Allgemeinzustand und besassen eine höhere Schulbildung. Frauen mit Adenokarzinomen hatten weniger Begleiterkrankungen, präsentierten sich bei Diagnose in weniger fortgeschrittenen Stadien und hatten häufiger EGFR-positive Tumoren. Bezüglich diagnostischer und (primär-) therapeutischer Intensität zeigten sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Überlebensunterschiede bei Adenokarzinomen Bei Betrachtung der Mortalität zeigte sich, dass Frauen durchwegs eine bessere Prognose hatten (Ausnahme: Plattenepithelkarzinom Stadium IIIA). Die Geschlechtsunterschiede zeigten sich am ausgeprägtesten bei frühen und lokal fortgeschrittenen Adenokarzinomen mit einer aHR von 0,74 (95%-KI: 0,66–0,82) respektive 0,77 (0,67–0,88) zugunsten der Frauen. Bezüglich EGFR-Mutationsstatus zeigten sich keine deutlichen Überlebensunterschiede bei Männern und Frauen. Insgesamt hatten die Männer konsistent in allen Subgruppen (v. a. Histologie, Stadium und Langzeitverlauf) eine schlechtere Prognose. Am deutlichsten waren Unterschiede beim Überleben zum Zeitpunkt 5 Jahre nach Diagnose bei Adenokarzinomen: Deutlich länger lebten die Frauen mit NSCLC im Frühstadium (IA-IIB) und diejenigen im lokal fortgeschrittenen Stadium (IIIA), verglichen mit den Männern in diesen Stadien.
Schlussfolgerungen
Die Autoren schlussfolgern, dass männliches Geschlecht ein unabhängiger negativer Prognosefaktor bei NSCLC ist. Männer mit Adenokarzinomen haben eine schlechtere Prognose als Frauen, unabhängig vom Krankheitsstadium. Entsprechendes, aber weniger ausgeprägt, gilt für Männer mit Plattenepithelkarzinomen (ausser für das Stadium IIIA). Vermutlich sind Geschlechtsunterschiede in der Tumorbiologie eine Ursache. Unterschiede im Therapiemanagement bei Frauen und Männern in Schweden wurden in der landesweiten Studie nicht gefunden. Wie in früheren Untersuchungen zeigte sich auch hier, dass unter den NSCLCPatienten ein grösserer Anteil Frauen ein Adenokarzinom hatte, Nicht-/Nieraucher und jüngeren Alters war, verglichen mit Männern. Der Überlebensvorteil der Frauen wurde auf diese günstigeren Faktoren zurückgeführt und ebenfalls auf die Beobachtung, dass sie sich häufiger als Männer in früheren Stadien der Krankheit zur Abklärung präsentieren. Vermutlich besteht bei Frauen ein höheres Gesundheitsbewusstsein. Diese Resultate stimmen überein mit der bisher grössten Studie zum Thema auf der Basis von 200 000 Lungenkrebspatienten der US-amerikanischen SEER-Datenbank, welche aber Faktoren wie Allgemeinzustand, Alter, Raucher- und Gesundheitsanamnese nicht einschloss. Genetische Besonderheiten sowie mögliche Einflussfaktoren von Östrogen in der Tumorbiologie bei beiden Geschlechtern sollten künftig ein Forschungsgegenstand auch in Therapiestudien sein, fordern die Autoren. I
Bärbel Hirrle
Quelle: Radkiewicz C, Dickman PW, Johansson AL, Wagenius G.: Sex and survival in non-small cell lung cancer: A nationwide cohort study. PLOS ONE 2019: 1–14. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0219206
32 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2020