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Im Fokus: Immuntherapien in der Hämato-Onkologie
Kardiale Nebenwirkungen der Immun-Checkpoint-Inhibitoren
Risiken, Therapien, Perspektiven
Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) sind ein Durchbruch in der Krebstherapie; allerdings werden zunehmend unerwünschte kardiotoxische Ereignisse festgestellt, die mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität einhergehen. Deshalb sind die regelmässige klinische Beurteilung und Messung von kardialen Laborparametern, das Elektrokardiogramm und die kardiale Bildgebung wichtig, um Komplikationen schnell zu erkennen und zu behandeln.
VALENTINA A. ROSSI, CHRISTIAN M.MATTER
SZO 2020; 1: 16–20.
Valentina A. Rossi Christian M. Matter
Das therapeutische Konzept der ICI beruht darauf, dass die T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen Krebszellen verstärkt wird. So kann sich eine verstärkte Immunaktivierung nicht nur auf Tumorgewebe beschränken, sondern auch auf andere Organe ausbreiten, was zu Kolitis, Pneumonitis, Myokarditis und Thyreoiditis führen kann. Zur Vermeidung schwerer kardialer Komplikationen sind die regelmässige Beurteilung und Messung kardialer Laborparameter (z.B. hs-Troponin, CK und NT-proBNP), ein EKG und kardiales Imaging essenziell. Im Management gibt es jedoch Evidenzlücken, darunter: I Identifizierung von Patienten, welche ein erhöhtes
Risiko für kardiovaskuläre Nebenwirkungen von ICI zeigen I Fehlen einer gezielten Therapie gegen ICI-induzierte Myokarditis.
ABSTRACT
Cardiovascular adverse effects of immune checkpoint inhibitors
Immune checkpoint inhibitors (ICI) represent a breakthrough in anticancer therapy; they amplify T-cell-mediated immune response against cancer cells that have induced immune tolerance. Although their effectiveness against some malignancies has been well established, adverse events are increasingly found. Along these lines, the exaggerated immune reaction may spread to other organs than the tumor causing colitis, pneumonitis and thyroiditis; cardiotoxic effects presenting as myocarditis are relatively rare (1%), but associated with considerable morbidity and mortality. Thus, regular clinical monitoring for cardiovascular symptoms with a combination of blood tests (e.g. hs troponin, CK and NT-proBNP), elcetrocardiogram and if needed cardiovascular imaging is fundamental for a rapid diagnosis and therapy. Gaps in evidence include 1) Tools that allow identification of patients that are at risk for cardiovascular side effects with ICI; 2) Lack of a targeted therapy with minimal side effects of ICI-induced myocarditis. A better understanding of ICI effects and side effects provides the opportunity to improve our understanding of the value of inflammation in cardiovascular disease.
Keywords: Immune checkpoint-inhibitors, cardiovascular adverse effects, myokarditis.
Ein besseres Verständnis der ICI-Therapie und deren Nebenwirkungen wird uns helfen, die Rolle der Entzündung im Rahmen von kardiovaskulären Erkrankungen besser zu verstehen.
Wirkung der Checkpoint-Inhibitoren
Bei T-Zell-vermittelter Immunität setzen verstorbene Krebszellen Neoantigene frei, welche von APC (Antigen Presenting Cells), sowie dentritischen Zellen eingefangen und auf MHC-Molekülen präsentiert werden. Beide CD4+- und CD8+-T-Zellen erkennen die komplexen Neoantigen-MHC I und -MHC II in den Lymphknoten, werden davon aktiviert und greifen direkt die anderen Tumorzellen an. Dieser Prozess kann durch kostimulatorische (CD28) und koinhibitorische Moleküle (PD-1, PD-L1 und CTLA-4) moduliert werden (1, 2). PD-1, PD-L1 und CTLA-4 werden als Immun-Checkpoints bezeichnet und wirken als negative Regulatoren der Immunaktivierung. Ihre Funktion erlaubt Selbsttoleranz oder Immuntoleranz, entsprechend manifestieren Mausmodelle mit Deletion von PD-1 oder CTLA-4 Autoimmunerkrankungen (2–4). PD-1 ist auf T-Zellen exprimiert und aktiviert Killerzellen, B-Zellen, Monozyten und unreife Langerhans-Zellen. PD-1 bindet PD-L1, welche beide auf lymphoiden oder nicht lymphoiden Zellen exprimiert sind, inklusive Kardiomyozyten und Endothelzellen, und PD-L2, welches nur von APC exprimiert wird. Sowohl PD-L1 als auch PD-L2 werden durch Zytokine (wie Interferon, TNF-a und VEGF) hochreguliert. Die Bindung zwischen PD-1 und PD-L1 oder PD-L2 induziert eine Dämpfung von T-Zell-Migration und -Proliferation. CTLA-4 ist ebenfalls ein koinhibitorisches Molekül, welches auf T-Zellen exprimiert wird und über einen ähnlichen Weg die Aktivierung von T-Zellen hemmt (1, 2).
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Tumorzellen können die Transkription von PD-L1 durch eine vermehrte Expression von Zytokinen fördern. Dadurch wird die T-Zell-vermittelte Immunantwort abgeschwächt, sodass Krebszellen nicht mehr vom Immunsystem angegriffen werden und ungehemmt wachsen können (2). Die neuen antitumoralen Medikamente, die als Immun-Checkpoint-Inhibitoren bekannt sind, sind spezifische monoklonale Antikörper gegen CTLA-4 (Ipilimumab), PD-1 (Nivolumab, Pembrolizumab und Cemiplimab) und PD-L1 (Atezolizumab, Avelumab und Durvalumab). Diese Medikamente reaktivieren die Funktion von tumorassoziierten T-Zellen, sodass diese gegen Krebszellen wieder funktionsfähig sind. Dadurch werden weitere Substanzen freigesetzt (z.B. Faktor A, Granzym B und IFN-γ), was schliesslich zum Tumorzelltod und zur Krebsregression führen kann (5).
Kardiotoxizität
Die klinische Evidenz der Kardiotoxizität der ICI-Therapie wurde erstmalig 2016 beschrieben (6). Weitere Evidenz wurde im Rahmen der Pharmakovigilanz von Ipilimumab und Nivolumab gesammelt: 0,09% der Probanden entwickelten eine akute Myokarditis, eine höhere Inzidenz bis 0,27% wurde beobachtet, wenn diese Therapie kombiniert verabreicht wurde (6). Wenn die Diagnose einer ICI-assoziierten Myokarditis gestellt wurde, verliefen bis zu 50% der Fälle tödlich (6). Die aktuellsten Daten zeigen ein bis zu 11-mal höheres Risiko für Myokarditiden bei Patienten unter Therapie mit ICI sowie eine deutlich vermehrte Entwicklung von Vaskulitiden (v.a. Arteriitis temporalis) und Perikarditiden (7). Die reale Inzidenz von ICI-induzierten kardiotoxischen Wirkungen ist jedoch noch unbekannt – auch weil in den USA erst seit wenigen Jahren der hsTnT-Test angewandt und vergütet wird. In den letzten Jahren wurde eine Zunahme der kardiotoxischen Ereignisse beobachtet, welche auf verschiedene Faktoren zurückgeführt wird: Neben einer effektiven höheren Inzidenz kommen ein vermehrter Einsatz von kombinierten Immuntherapien mit mehreren ICI oder eine Kombination von ICI mit andersartiger kardiotoxischer Therapie (wie z.B. VEGF-Tyrosinkinase-Inhibitoren) zur Anwendung. Eine erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich Kardiotoxizität bei behandelnden Onkologen und Kardiologen und eine entsprechend genauere und frühere Diagnose sind ein weiterer Grund (8).
Myokarditiden ICI-assoziierte Myokarditiden können sich klinisch wie eine typische schwere, akute Myokarditis manifestieren, welche sich mit deutlich erhöhten kardialen Biomarkern (Troponin, Kreatininkinase und NTproBNP), EKG-Veränderungen, Einschränkung der linksventrikulären Auswurffraktion und Zeichen einer akuten Herzinsuffizienz bis zum kardiogenen Schock
präsentiert. Die Myokarditis kann jedoch auch atypisch und oligosymptomatisch mit nur leicht erhöhten kardialen Biomarkern und erhaltener Auswurffraktion auftreten (1, 5). In einer Beobachtungstudie hatten bis zu 38% der Patienten mit ICI-assoziierten Myokarditiden mit fulminantem Verlauf eine normale linksventrikuläre Auswurffraktion (6, 9, 10). Hingegen zeigen nicht onkologische Patienten ohne ICI-Therapie mit fulminanter Myokarditis normalerweise Zeichen einer Herzinsuffizienz, zum Teil mit einer eingeschränkten linksventrikulären Auswurffraktion (10–12). Deshalb ist die echokardiografisch nachgewiesene linksventrikuläre Auswurffraktion ein wenig sensitiver Parameter, um die Diagnose einer ICI-assoziierten Myokarditis zu stellen (11). Ein erhöhtes hs-Troponin T hat einen wichtigen diagnostischen und prognostischen Wert (1, 5, 7). Eine Herz-Magnetresonanz-Bildgebung zeigt typischerweise Ödem, Fibrose oder Narbe und ist sensitiver und spezifischer als eine Echokardiografie, vor allem wenn die linksventrikuläre Auswurffraktion erhalten ist. Alternativ kann ein Herz-PET/CT mit 18F-FDG zum Entzündungsnachweis durchgeführt werden (1, 12–14).
Arrhythmien Arrhythmien und Herzleitungsstörungen sind häufige ICI-assoziierte kardiotoxische Nebenwirkungen (1, 5, 12). Im EKG können asymptomatische AVBlockierungen Grad I bis zu höhergradigen AVBlockierungen und Reizleitungsstörungen nachgewiesen werden. Ebenfalls können ventrikuläre Tachyarrhythmien, auch ohne Hinweise auf eine zugrunde liegende generalisierte Myokarditis, auftreten. Diese sind isoliert (d.h. ohne Anstieg von kardialen Biomarkern) selten und möglicherweise als Zeichen der aktivierten systemischen Entzündung zu werten. Die häufigste Arrhythmie ist das Vorhofflimmern, dessen Auftreten ist jedoch vor allem im Alter unspezifisch und wird von vielen anderen systemischen Faktoren beeinflusst. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Vorhofflimmern und einer ICI-Therapie ist somit schwierig herzustellen (12).
Perikarditis Perikarditiden können entweder isoliert oder (meistens mit myokardialer Beteiligung) als Perimyokarditis auftreten, mit oder ohne relevanten Perikarderguss oder sogar mit einer Perikardtamponade (1, 5). Eine ICI-assoziierte Perikarditis manifestiert sich normalerweise mit typischen perikarditischen Schmerzen. Im EKG können eine PR-Senkung sowie verbreitete sattelförmige ST-Hebungen nachgewiesen werden. Laborchemisch fällt ein erhöhtes Troponin bei myokardialer Beteiligung auf. Echokardiografisch zeigt sich meistens ein neuer Perikarderguss, und im Herz-MRI oder Herz-18F-FDG-PET/CT weisen Zeichen auf eine aktive perikardiale Entzündung hin (12–14).
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Abbildung 1: Mittel zur Diagnostik einer ICI-assoziierten myokardialen Schädigung Abkürzungen: TnT = Troponin T; NT-proBNP = N-terminal pro-B-type natriuretic peptide; AVB = atrioventrikulärer Block; ST-T-Veränderungen = Veränderungen der ST-Strecke und/oder T-Welle; LV = linksventrikulär; LVEF = linksventrikuläre Auswurffraktion (ventricular ejection fraction); WBS = Wandbewegungsstörungen; HFpEF = Heart Failure with preserved Ejection Fraction; HFrEF = Heart Failure with reduced Ejection Fraction; RG = Rasselgeräusche.
Tabelle: Risikofaktoren für ICI-assoziierte kardiovaskuläre Nebenwirkungen LVEF= linksventrikuläre Auswurffraktion (left ventricular ejection fraction)
Weitere kardiotoxische Nebenwirkungen Im Rahmen der ICI-assoziierten Kardiotoxizität sind auch Takotsubo-ähnliche Syndrome, Myokardinfarkt und Vasospasmen der Koronarien beschrieben worden, welche vor allem im Rahmen einer ICI-Therapie mit Atezolizumab auftreten können (1, 7). Schwierig, aber wichtig ist, ein erhöhtes Troponin wegen einer myokardialen Schädigung bei Myokarditis von erhöhten kardialen Biomarkern aufgrund eines akuten Koronarsyndroms zu unterscheiden (13, 14). Beim typischen Bild eines akuten Koronarsyndroms kann es ebenfalls schwierig sein zu differenzieren, ob es sich primär um eine atherosklerotische PlaqueRuptur, um eine ICI-assoziierte Vaskulitis der Koronarien oder um eine fokale Myokarditis handelt. Dazu ist es denkbar, dass die ICI-induzierte gesteigerte Entzündung die Plaque-Instabilität und die Endothelerosion begünstigt und so ein akutes Koronarsyndrom auslösen kann.
Diagnose der ICI-assoziierten Myokarditis
Der Goldstandard für die sichere Diagnose einer Myokarditis ist die Endomyokardbiopsie, welche typischerweise ein Infiltrat mit zahlreichen CD4+-, CD8+-T-Zellen sowie CD68+-Makrophagen zeigt (12–14). Wenn eine Endomyokardbiopsie nicht möglich ist, kann eine klinische Diagnose gemäss einem Konsensusvorschlag von Bonaca und Kollegen gestellt werden (5). Die Diagnose einer oligosymptomatischen ICI-assoziierten Myokarditis kann auch anhand der laborchemischen und elektrokardiografischen Befunde sowie einer kardialen Bildgebung gestellt werden (Abbildung 1) (8, 13, 14). Ein kausaler Zusammenhang zwischen Auftreten der Myokarditis und einer vorherigen Therapie mit ICI kann jedoch schwierig sein, sodass meistens eine primäre Einschätzung gemäss zeitlicher Therapieexposition sowie ein Ausschluss anderer Ursachen notwendig sind.
Risiken für Kardiotoxizität – empfohlenes Screening
Einige kardiovaskuläre Risikofaktoren, beispielsweise eine vorbestehende ischämische oder dilatative Kardiomyopathie, sind bisher für eine ICI-assoziierte Kardiotoxizität aufgrund von klinischen Beobachtungsstudien identifiziert worden (siehe Tabelle): Therapieassoziierte Faktoren, wie eine kombinierte Therapie mit mehreren ICI (z.B. Ipilimumab und Nivolumab) oder die Kombination einer Immuntherapie mit kardiotoxischen Chemotherapien, wurden beschrieben. Ebenfalls stellt eine vorbestehende muskuloskeletale periphere Myositis ein erhöhtes Risiko dar, da ein gemeinsamer Immunphänotyp zwischen Herz und Skelettmuskel wahrscheinlich ist. Patienten mit einer skelettalen/peripheren Myositis sollen somit
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auf eine ICI-assoziierte Kardiotoxizität gescreent werden. Auch vorbestehende koronare oder strukturelle Herzkrankheiten mit relevanter myokardialer Schädigung (im Sinne eines Locus minoris resistentiae), virale Myokarditiden, eine Herzinsuffizienz sowie frühere Therapien mit Anthrazyklinen zeigen eine Prädisposition für ICI-assoziierte kardiale Nebenwirkungen. Zudem weisen vorbestehende autoimmune systemische Erkrankungen auf eine erhöhte Prädisposition für autoimmunbedingte Nebenwirkungen hin. Tumorbezogene Faktoren wie die Expression von Herzantigenen in Tumorgeweben oder Herz-TZell-Klone wurden ebenfalls als zusätzliche Risikofaktoren identifiziert, obwohl das im klinischen Alltag schwierig nachzuweisen ist (1). In einer epidemiologischen Studie von Mahmood und Kollegen wurde beobachtet, dass eine Myokarditis mit einer durchschnittlichen Latenz von 34 Tagen nach Beginn einer Therapie mit ICI auftritt und initial häufig oligosymptomatisch verläuft (9). Es ist deshalb sehr wichtig, ein erstes Laborscreening mit hs-Troponin durchzuführen, da ein erhöhtes Troponin bereits nachweisbar sein kann, wenn der Patient noch keine Symptome hat. EKG-Veränderungen treten ebenfalls häufig auf, sind jedoch meistens zu wenig sensitiv und spezifisch, um eine Myokarditis zu diagnostizieren. Da das Alter der onkologischen Patienten aufgrund der verbesserten Überlebensrate deutlich gestiegen ist, soll jeder Patient auf die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren gescreent werden (1, 12). Somit ist eine optimale Einstellung des Blutdrucks (< 130/85 mmHg), des LDL-Cholesterins (im Rahmen der primären Prävention soll das LDL bei < 2,5 mmol/l liegen) und der Glykämie (HbA1c < 7% bei Patienten mit Diabetes mellitus) empfohlen. Zudem soll ein allfälliger Nikotinabusus gestoppt und auf eine reguläre aerobe körperliche Aktivität geachtet werden (12). Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risikoprofil sollen dementsprechend kardiologisch speziell eng betreut und regelmässig reevaluiert werden. Management der ICI-assoziierten Nebenwirkungen Bis heute liegen keine prospektiven oder randomisierten Studien zur Behandlung einer ICI-assoziierten kardialen Nebenwirkung vor. Die enge Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Kardiologen steht jedoch im Vordergrund. Ein Schema bezüglich der Behandlung von ICI-assoziierten kardialen Nebenwirkungen wird in Abbildung 2 vorgeschlagen (12). Die Behandlung der ICI-assoziierten Myokarditis umfasst eine Therapiepause der ICI, Immunsuppression sowie eine Unterstützungstherapie. Als Immunosuppressiva werden bei klinisch relevanter Myokarditis vor allem hoch dosierte Kortikosteroide verabreicht, Abbildung 2: Vorschlag für die klinische Behandlung einer ICI-assoziierten Myokarditis Abkürzungen: TnT = Troponin T; NT-proBNP = N-terminal pro-B-type natriuretic peptide; HFpEF = Heart Failure with preserved Ejection Fraction; LV = linksventrikulär; HFrEF = Heart Failure with reduced Ejection Fraction. deren Dosierung sich je nach Praxis unterscheidet. Die aktuellen Richtlinien der ASCO (American Society of Clinical Oncology) und des NCCN (National Cancer Control Network) empfehlen 1 bis 2 mg/kg Prednison i.v. oder p.o. In refraktären Fällen ist eine Therapie mit Methylprednisolon 500 bis 1000 mg i.v. bis zur klinischen Stabilität empfohlen und danach 1 mg/kg Prednisolon mit progressiver Reduktion über 4 bis 6 Wochen. Sollte der Patient nicht auf Kortikosteroide ansprechen, wird eine Zweitlinientherapie mit Mycophenolat-Mofetil oder bei erhöhten TNF-aSerumspiegeln Infliximab (monoklonarer Anti-TNF-aAntikörper) empfohlen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Infliximab zu einer Verschlechterung einer allfälligen Herzinsuffizienz führen kann; somit ist Infliximab bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Herzinsuffizienz kontraindiziert (15–17). Bei ICI-induzierter Perikarditis sind ein Stopp der ICI-Therapie sowie eine Immunsuppression mit 1 mg/kg Prednison indiziert. Es stehen keine klinischen Daten zur Verfügung, wie lange die Therapie fortgeführt oder wann die Dosis reduziert werden soll. Als zusätzliche Therapien wurden Colchicin und NSAR evaluiert. Bei ICI-assoziierter Vaskulitis soll die ICI-Therapie gestoppt und eine immunsuppressive Therapie etabliert werden, unabhängig vom Zeitpunkt der Biopsie der Arteria temporalis, um das Risiko eines Sehverlusts zu reduzieren. Gemäss den aktuellen Leitlinien für die Behandlung der Arteriitis temporalis sollen bei Sehverlust 500 bis 1000 mg Methylprednisolon täglich i.v. für 3 Tage verabreicht werden, da- SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2020 19 Im Fokus: Immuntherapien in der Hämato-Onkologie nach soll die Therapie auf peroral umgestellt werden. In milderen Fällen ohne Auftritt eines Sehverlustes sollen 40 bis 60 mg Prednison täglich verabreicht werden, und alle 2 Wochen soll die Dosis progressiv reduziert werden (15–17). Eine optimale Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Kardiologen ist jedoch am wichtigsten, um die antitumorale Therapie sowie die oben genannten kardiovaskulären Nebenwirkungen behandeln zu können; deshalb ist eine gute kardioonkologische Betreuung essenziell für ein optimales Überleben und für die Lebensqualität der Patienten. Perspektiven Zurzeit gibt es spannende Perspektiven für Klinik und Forschung im Bereich der Kardioonkologie. Es bestehen noch wichtige Evidenzlücken, welche erst geschlossen werden müssen, um eine standard- mässige Behandlung der kardiovaskulären Neben- wirkungen bei der Therapie mit ICI sicherer zu ma- chen. Dazu gehören eine standardmässige Identifizierung der Patienten, welche ein erhöhtes Ri- siko hierfür haben, sowie eine gezielte Therapie ge- gen ICI-induzierte Myokarditis. Die Identifizierung der immunologischen Pathogenese, die ICI-Wirkung auf das Myokardium stehen im Vordergrund. Die neue klinische Subspezialität der Kardioonkolo- gie und nationale sowie internationale Netzwerke sind notwendig, um eine optimale Risikostratifizie- rung und gezielte Behandlung dieser Patienten zu er- möglichen. I Merkpunkte I Die aktuellen Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren stellen eine Erfolgsgeschichte in der Krebsbehandlung dar, vor allem beim Melanom und Lungenkarzinom. I Die neuen Immuntherapien zeigen zwar seltene, aber klinisch relevante kardiovaskuläre Nebenwirkungen. Eine prompte Identifizierung und schnelle Behandlung sind entscheidend für einen günstigen Verlauf. I Das längere Überleben von Patienten mit Tumoren hat zu einer vermehrten Inzidenz der Herz-Kreislauf-Erkrankungen geführt, sodass eine optimale Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren im Vordergrund steht, um die gesamte Überlebensrate weiter zu verbessern und die Lebensqualität zu fördern. I Eine optimale Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Kardiologen ist essenziell für eine optimale Betreuung der Patienten. Weiter sind nationale sowie internationale kardioonkologische Netzwerke wichtig, um eine optimale Risikostratifizierung und gezielte Behandlung der betroffenen Patienten zu ermöglichen. Dr. med. Valentina A. Rossi (Erstautorin) und Prof. Dr. med. Christian M. Matter (Korrespondenzadresse) E-Mail: Christian.Matter@usz.ch Herzzentrum Universitätsspital Zürich 8091 Zürich Interessenkonflikte: C.M.M. wird vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt (310030_165990 und 320030_189229/1). Quellen: 1. Lyon AR, Yousaf N, Battisti NML, Moslehi J, Larkin J.: Immune checkpoint inhibitors and cardiovascular toxicity. Lancet Oncol. 2018; 19(9): e447–e58. 2. Palucka AK, Coussens LM.: The Basis of Oncoimmunology. Cell. 2016; 164(6): 1233–1247. 3. Heinzerling L, Ott PA, Hodi FS, Husain AN, Tajmir-Riahi A, Tawbi H, et al.: Cardiotoxicity associated with CTLA4 and PD1 blocking immunotherapy. J Immunother Cancer. 2016; 4: 50. 4. Nishimura H, Okazaki T, Tanaka Y, Nakatani K, Hara M, Matsumori A, et al.: Autoimmune dilated cardiomyopathy in PD-1 receptor-deficient mice. Science. 2001; 291(5502): 319–322. 5. Hu JR, Florido R, Lipson EJ, Naidoo J, Ardehali R, Tocchetti CG, et al.: Cardiovascular toxicities associated with immune checkpoint inhibitors. 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