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KONGRESSBERICHT
ASH 2019 – Annual Meeting of the American Society of Hematology, Orlando/Florida, 7. bis 10. Dezember 2019
Multiples Myelom (MM)
Erstmals belegt: Vorteil im Gesamtüberleben für Antikörper in der Erstlinie
Als Late Breaker am ASH-Jahreskongress wurde die Erstanalyse der CANDOR-Studie bei rezidiviertem oder refraktärem Multiplem Myelom (rrMM) präsentiert: Die Studie vergleicht Carfilzomib plus Dexamethason mit oder ohne Daratumumab. Ein Update der ALCYONE-Studie zeigte als erste Studie einen Überlebensvorteil durch die Hinzunahme des CD38-Antikörpers Daratumumab zu Bortezomib, Melphalan und Prednison (D-VMP).
CANDOR-Studie: Progressionsrisiko um 37% reduziert
Saad Usmani aus den USA präsentierte die Erstanalyse der Phase-III-Zulassungsstudie CANDOR zum Vergleich von Carfilzomib plus Dexamethason mit oder ohne Daratumumab (KdD vs. Kd) bei Patienten mit rrMM (1). Der Proteasom-Inhibitor Carfilzomib und der CD38-Antikörper Daratumumab sind zur Mono- und Kombinationstherapie bei Patienten mit rrMM zugelassen. Eingeschlossen wurden 466 rrMM-Patienten im Rezidiv nach 1 bis 3 Vortherapien. Sie erhielten im Verhältnis 2:1 randomisiert entweder KdD (n = 312) oder Kd (n = 154) bis zum Krankheitsprogress. Die wesentlichen Patientenmerkmale waren zwischen beiden Gruppen ausgeglichen. Das mittlere Patientenalter lag bei 64 Jahren, 46% der Patienten hatten 1, die anderen 2 oder 3 Vortherapien erhalten. Etwa 90% der Patienten hatten Bortezomib und etwa 44% Lenalidomid erhalten. Lenalidomid-refraktär war etwa ein Drittel der Patienten.
allein (Gesamtansprechrate [ORR]: 84,3 vs. 74,7%; p = 0,0040; komplettes Ansprechen [CR]: 28,5 vs. 10,4%; sehr gutes partielles Ansprechen [VGPR]: 69,2 vs. 48,7%). Eine MRD-Negativität erreichten 12,5% unter KdD versus 1,3% und Kd (p < 0,0001). Das mediane Gesamtüberleben (OS) war in beiden Armen noch nicht erreicht. Das Sicherheitsprofil von KdD unterschied sich nicht von dem zu erwartenden Profil der jeweiligen Einzelsubstanzen. Im KdD-Arm lag die Rate an Nebenwirkungen Grad ≥ 3 (82,1 vs. 73,9%) und an schwereren Nebenwirkungen (SAE: 56,2 vs. 45,8%) etwas höher. Diese führten aber nicht häufiger zum Therapieabbruch (22,4 vs. 24,8%). In der Studie traten 5 therapieassoziierte Todesfälle auf, alle im KdD-Arm. Insbesondere ist bei diesem Regime auf Infektionen und kardiale Störungen zu achten. Aufgrund dieser Ergebnisse sollte KdD als effektive Therapieoption bei rezidivierten oder refraktären MM-Patienten in Betracht gezogen werden. Eine baldige Zulassung beim rrMM ist zu erwarten. Unter Daratumumab-Zugabe signifikant besseres PFS Nach nur 16,6 Monaten medianer Nachbeobachtung war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) im KdD-Arm signifikant verbessert gegenüber Kd, mit einer Reduktion des Risikos für Krankheitsprogression oder Tod um 37% (nicht erreicht vs. 15,8 Monate; Hazard Ratio [HR]: 0,63; p = 0,0014). Alle vorgegebenen Subgruppen zeigten einen PFS-Vorteil bei der Therapie mit KdD, auch die mit Lenalidomid vorbehandelten (HR: 0,52) und -refraktären Patienten (HR: 0,45). KdD führte zudem zu einem besseren und tieferen Ansprechen als Kd First-line-Therapie: Erste OSDaten der ALCYONE-Studie Mit der ALCYONE-Studie (2) etablierte sich die Viererkombination aus Daratumumab plus Bortezomib, Melphalan und Prednison (D-VMP) in der Erstlinientherapie bei primär nicht transplantierbaren MM-Patienten. Maria-Victoria Mateos aus Spanien präsentierte ein Update der randomisierten Phase-III-Zulassungsstudie, in der nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40,1 Monaten erstmals ein signifikanter OS-Vorteil mit einer Reduktion des Sterberisikos um 40% für D-VMP versus VMP gezeigt werden konnte (HR: 0,60; p = 0,0003). Das medi- ane OS war in beiden Armen noch nicht erreicht. Die 42-Monats-OS-Rate wurde auf 75 versus 62% geschätzt. Insgesamt wurden 706 Patienten (mittleres Alter 71 Jahre, 30% ≥ 75 Jahre) eingeschlossen, die randomisiert entweder mit 9 Zyklen D-VMP, danach folgte eine Daratumumab-Monotherapie (n = 350), oder mit 9 Zyklen VMP (n = 356) behandelt wurden. Primärer Endpunkt war das PFS. Medianes PFS unter Viererkombination nahezu verdoppelt Die signifikante Überlegenheit von D-VMP beim PFS und bei der ORR blieb in der aktualisierten Analyse erhalten: Das mediane PFS war gegenüber VMP weiterhin nahezu verdoppelt (36,4 vs. 19,3 Monate; p < 0,0001), was einer Reduktion des Progressionsrisikos um 58% entspricht (HR: 0,42). Die geschätzte 42Monats-PFS-Rate betrug 48 versus 14%. Die Gesamtansprechrate war in beiden Armen gegenüber der Primäranalyse (medianer Follow-up 16,5 Monate) unverändert und unter D-VMP signifikant höher (90,9 vs. 73,9%; p < 0,0001). Ein CR, sCR( stringentes komplettes Ansprechen) zeigten 46% (vs. 25%) und ein VGPR) 27% (vs. 24%). Bezüglich MRD induzierte D-VMP versus VMP bei signifikant mehr Patienten eine MRD-Negativität (NGS, 10-5), und der Anteil der MRDnegativen Patienten nahm im Therapieverlauf zu: In der Primäranalyse war die MRD-Negativitätsrate unter D-VMP mehr als dreimal so hoch als unter VMP (22 vs. 6%; p < 0,001) und in der aktuellen Analyse viermal höher (28 vs. 7%; p < 0,0001). D-VMP erhöhte auch die Rate anhaltender MRD-Negativität für mindestens 12 Monate signifikant (14 vs. 3%; p < 0,0001). Sowohl das Erreichen der MRD-Negativität (vs. Nichterreichen) als auch das Anhalten ≥ 12 Monate (vs. < 12 Monate) waren in beiden Behandlungsarmen mit einem verlängerten PFS und OS verbunden, so Mateos. Auch das PFS unter der nachfolgenden Therapie (PFS2) war im D-VMP-Arm signifikant verlängert (HR: 0,59; p = 0,0013). Das 42Monats-PFS2 wurde auf 68 versus 50% SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2020 41 KONGRESSBERICHT ASH 2019 – Annual Meeting of the American Society of Hematology, Orlando/Florida, 7. bis 10. Dezember 2019 geschätzt (HR: 0,55; p < 0,0001). Die mediane Zeit bis zur Folgetherapie war unter D-VMP noch nicht erreicht und betrug unter VMP 25 Monate. Es gab keine neuen Sicherheitssignale. Die Rate an Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4 wurde durch die Zugabe von Daratumumab nicht wesentlich erhöht. Unter D-VMP bzw. Daratumumab-Monotherapie ist jedoch auf ein erhöhtes Risiko für Pneumonien (13 vs. 4,2%) und andere Infekte der oberen Atemwege zu achten. Die Inzidenz fataler Nebenwirkungen (Grad 5) betrug 6,9 versus 5,6%. Sekundäre Primärmalignome traten bei 4,9 versus 4,5% auf. Vierfachkombinationen etablieren sich im Transplantsetting Bei transplantierbaren MM-Patienten etabliert sich in der Induktion und Konsolidierung zunehmend eine Behandlung mit einer Quadruplet-Therapie. Dazu präsentierte Peter Voorhees aus den USA aktualisierte Daten der Phase-II-Studie GRIFFIN, in der die Hinzunahme von Daratumumab zur Standardinduktion mit Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (D-RVD) plus DaratumumabLenalidomid-Erhaltung gegenüber RVD plus Lenalidomid-Erhaltung bei 207 transplantierbaren MM-Patienten in der Erstlinie verglichen wird (3). Verlängertes Follow-up: Komplette Remissionsrate weiter steigend Der primäre Endpunkt war das sCR am Ende der Konsolidierung. Nach einem medianen Follow-up von 13,5 Monaten lag das sCR im D-RVD-Arm bei 42,4 ver- sus 32% im RVD-Arm. In der aktuellen Analyse nach einem medianen Follow- up von 22,1 Monaten lag das sCR bei 62,6 versus 45,4%. Ein CR, sCR erreichten 80 vs. 60%. Eine MRD-Negativität zeigten unter D-RVD 51 versus 20,4% unter RVD (p < 0,0001). Das 2-Jahres-PFS lag bei 95,8 versus 89,8%. Im D-RVD-Arm traten häufiger Neutro- penien und Thrombozytopenien der Grade 3 und 4 auf, und es gab auch mehr Infektionen, wobei dies laut Dr. Voorhees vor allem auf eine erhöhte Inzidenz von Grad-1- oder -2-Infektionen der oberen Atemwege zurückzuführen war. Daratu- mumab hatte keinen Einfluss auf die Zeit bis zur Transplantation. Es wurden auch keine wesentlichen Effekte auf die Stammzellmobilisierung oder die häma- topoetische Rekonstitution beobachtet. Zusammenfassend verbesserte die Hin- zunahme von Daratumumab zur Stan- dardinduktion im Transplantsetting die Ansprechtiefe bei insgesamt hervorra- genden PFS-Raten in beiden Armen. Der weitere Follow-up wird zeigen, wie dau- erhaft die MRD-Negativität und das PFS in diesem Setting sind. I Referenzen: 1. Usmani SZ et al.: Carfilzomib, Dexamethasone, and Daratumumab versus Carfilzomib and Dexamethasone for the treatment of patients with relapsed or refractory multiple myeloma: primary analysis results from the randomized, open-label, phase 3 study candor (NCT03158688). ASH 2019, Abstr. #LBA-6. 2. Mateos MV et al.: Daratumumab plus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone versus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone in Patients with transplantineligible newly diagnosed multiple myeloma: overall survival in alcyone. ASH 2019, Abstr. #859. 3. Voorhees P et al.: Depth of response to Daratumumab (DARA), Lenalidomide, Bortezomib, and Dexamethasone (RVd) improves over time in patients (pts) with transplant-eligible newly diagnosed multiple myeloma (NDMM): Griffin Study Update. ASH 2019, Abstr. #691. Auf einen Blick I In der ALCYONE-Studie konnte bei Patienten mit neu diagnostiziertem MM, die für eine Tansplantation ungeeignet waren, (u.a.) eine Verbesserung des Gesamtüberlebens erreicht werden. I Resultat der CANDOR-Studie: Mit der Kombination Carfilzomib/Daratumumab/ Dexamethason steht jetzt eine weitere, hochwirksame Tripelkombination für die Zweitlinientherapie zur Verfügung. I Resultat der GRIFFIN-Studie: Bei transplantierbaren MM-Patienten etabliert sich in der Induktion und Konsolidierung zunehmend eine Behandlung mit einer antikörperbasierten Quadruplet-Therapie. Gerhard Emrich 42 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2020