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KONGRESSBERICHT
SABCS 2019 – San Antonio Breast Cancer Symposium, 10. bis 14. Dezember 2019
HER2-positives Mammakarzinom
Bewährtes in der Adjuvanz, neue Optionen in der Palliativsituation
Beim HER2-positiven Mammakarzinom bewährt sich im Frühstadium die Pertuzumab-Kombination. Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) ist Standard in der Zweitlinientherapie – für die folgenden Therapielinien gibt es noch keine Standards. Das könnte sich schon bald ändern: Beim San Antonio Breast Cancer Symposium wurden zwei Studien mit neuen Therapieoptionen präsentiert, die eine hohe Wirksamkeit bei stark vorbehandelten Patientinnen zeigten, insbesondere auch bei Vorliegen von Hirnmetastasen.
APHINITY-Studie: 6-JahresUpdate in der Adjuvanz
Ein Highlight in der adjuvanten Situation war die zweite Zwischenanalyse der Phase-III-Studie APHINITY, die Frau Prof. Dr. Martine Piccart vom Jules Bordet Institute in Brüssel präsentierte (1). Die laufende Studie prüft die Zugabe von Pertuzumab zu Trastuzumab plus Chemotherapie bei Patientinnen mit operablem HER2-positivem Mammakarzinom im Frühstadium. 2400 Patientinnen wurden in den Pertuzumab-Arm und 2405 in den Plazebo-Arm randomisiert. In der Primäranalyse nach einem medianen Follow-up von 45,4 Monaten hatte sich beim invasiven krankheitsfreien Überleben (iDFS) in der Gesamtpopulation nur ein relativ kleiner, wenn auch statistisch signifikanter Vorteil zugunsten von Pertuzumab gezeigt (94,1 vs. 93,2%; Hazard Ratio [HR]: 0,81; p = 0,045). Dabei profitierten scheinbar vor allem nodalpositive (HR: 0,77) und hormonrezeptornegative Patientinnen (HR: 0,76). Im Update, nach 6 Jahren und 508 iDFSEreignissen, zeigte sich nun, dass die nodalpositive Gruppe auch weiterhin mit einer Differenz von absolut 4,5% profitierte (87,9 vs. 83,4%; HR: 0,72). In der Gesamtpopulation lag das aktualisierte iDFS bei 90,6 vs. 87,8% (HR: 0,76). Der früher beobachtete Unterschied gemäss Hormonrezeptorstatus hat sich unterdessen nivelliert. Im Gesamtüberleben ist bisher noch kein signifikanter Unterschied festzustellen (HR: 0,85).
Fortgeschrittenes HER2-positives Mammakarzinom
Bei einem Progress nach doppelter HER2-Blockade (Pertuzumab plus Trastuzumab) und T-DM1 existieren in den
nachfolgenden Therapielinien gegenwärtig keine klar definierten Standards. Oft werden Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) wie Lapatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin eingesetzt. Allerdings entwickeln bis zu 50% der Patientinnen Hirnmetastasen, für die es nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten gibt.
HER2CLIMB-Studie definiert neue Drittlinientherapie
Eines der Highlights beim SABCS 2019 war deshalb die von Dr. med. Rashmi Murthy vom M.D. Anderson Cancer Center in Houston präsentierte erste Zwischenanalyse der Phase-III-Studie HER2CLIMB mit Tucatinib, einem oralen selektiven HER2-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) der dritten Generation mit minimalem Effekt auf den EGF-Rezeptor und damit einer relativ guten Verträglichkeit. In einer Phase-I-Studie hatte er in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin bei Patientinnen mit metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom ein akzeptables Sicherheitsprofil und eine vielversprechende Antitumoraktivität ergeben, auch bei Patientinnen mit Hirnmetastasen (2). Dies konnte nun im Rahmen der Phase-II-Studie HER2CLIMB mit einer grösseren Patientenzahl bestätigt werden (3, 4). Die 612 Studienteilnehmerinnen hatten ein metastasiertes HER2-positives Mammakarzinom und waren stark vorbehandelt (median 4 Therapielinien, 3 davon in der metastasierten Situation), alle hatten in den Vortherapien bereits Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 erhalten. Bei etwa 48% lagen Hirnmetastasen vor; erstmals in einer randomisierten Studie zum HER2-positiven Mammakarzi-
nom waren nicht nur Patientinnen mit unbehandelten oder behandelten und stabilen Hirnmetastasen eingeschlossen, sondern auch Patientinnen, deren Hirnmetastasen unter aktueller Behandlung progredient, aber nicht unmittelbar therapiebedürftig waren. Die Behandlung erfolgte randomisiert im Verhältnis 2:1 mit I Tucatinib (300 mg zweimal täglich)
plus Trastuzumab und Capecitabin (n = 410) oder I Plazebo plus Trastuzumab und Capecitabin (n = 202). Der mediane Follow-up betrug 14 Monate.
Hoch signifikante Überlebensvorteile Die zusätzliche Gabe von Tucatinib verbesserte signifikant sowohl den primären Endpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS) der ersten 480 eingeschlossenen Patientinnen, als auch alle sekundären Endpunkte, Gesamtüberleben (OS) im Gesamtkollektiv, PFS der Patientinnen mit Hirnmetastasen und objektive Ansprechrate signifikant gegenüber Plazebo. Das Risiko einer Krankheitsprogression oder zu versterben wurde um 46% reduziert (HR: 0,54), also nahezu halbiert. Das Ergebnis war statistisch hoch signifikant (p < 0,00001). Nach einem Jahr waren noch 33,1% gegenüber 12,3% progressionsfrei. Das mediane PFS lag im Tucatinib-Arm bei 7,9 Monaten und im Plazebo-Arm bei 5,6 Monaten, wobei anzumerken ist, dass der absolute (nummerische) PFS-Gewinn bei diesen stark vorbehandelten Patientinnen mit schlechter Prognose eher gering ist. Bei den Patientinnen mit Hirnmetastasen erwies sich Tucatinib ähnlich effektiv. Bei ihnen war das Risiko für Progression oder Tod ebenfalls halbiert (HR: 0,48; p < 0,00001), und das mediane PFS lag im ähnlichen Bereich (7,6 versus 5,4 Monate). Im Tucatinib-Arm waren nach einem Jahr noch 25% der Patientinnen mit Hirnmetastasen ohne Progress gegenüber keiner einzigen im Plazebo-Arm. Im Gesamtkollektiv wurde das mediane OS mit Tucatinib um 4,5 Monate von 17,4
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auf 21,9 Monate verbessert. Das Risiko zu versterben konnte damit um ein Drittel gesenkt werden (HR: 0,66; p = 0,0048). Die 1-Jahres-OS-Rate lag bei 75,5% (versus 62,4%). Alle vordefinierten Subgruppen haben von der zusätzlichen Therapie mit Tucatinib profitiert. Die objektive Ansprechrate wurde nahezu verdoppelt (41 vs. 23%; p = 0,00008).
Meist tolerierbare Nebenwirkungen Die Tucatinib-Kombination wurde insgesamt gut vertragen. Nur 5,7% brachen Tucatinib aufgrund von Nebenwirkungen ab. Durchfall war die häufigste Nebenwirkung mit einem Grad ≥ 3 in beiden Armen (12,9 vs. 8,6%). Eine Durchfallprophylaxe war aber nicht notwendig. Weitere häufigere Nebenwirkungen mit einem Grad ≥ 3 waren Hand-Fuss-Syndrom (13,1 vs. 9,1%), Übelkeit (3,7 vs. 3%), Fatigue (4,7 vs. 4,1%) und Erbrechen (3 vs. 3,6%). Das Hand-Fuss-Syndrom ist eine Nebenwirkung von Capecitabin, deren häufigeres Auftreten im TucatinibArm durch die längere Therapiedauer erklärbar ist (5,8 vs. 4,4 Monate). Nach diesen Ergebnissen hat Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin das Potenzial bei Patientinnen mit HER2-positiver Erkankung, die bereits mit Trastuzumab, Pertuzumab und TDM1 vorbehandelt sind, neuer Therapiestandard zu werden, insbesondere auch bei Vorliegen von Hirnmetastasen.
Neues AntikörperZytostatikum-Konjugat
Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) ist ein neues Antikörper-Zytostatikum-Konjugat, bei dem der HER2-Antikörper Trastuzumab über ein Tetrapeptid als Linker an den Topoisomerase-I-Hemmer Deruxtecan konjugiert ist.
Studie DESTINY-Breast01 Nach einer positiven Phase-I-Studie mit Patientinnen mit fortgeschrittener HER2positiver Erkrankung nach T-DM1 wurde T-DXd im Rahmen des DESTINY-Studienprogramms in der offenen einarmigen Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 weiter evaluiert. Die Ergebnisse stellte Dr. med. Ian Krop vom Dana-Farber Cancer Insti-
tute in Boston jetzt in San Antonio vor: Die Studienkohorte umfasste 184 Patientinnen mit einem metastasierten HER2positiven Mammakarzinom (darunter auch 24 mit behandelten und stabilen Hirnmetastasen), die vielfach vorbehandelt waren, unter anderem mit T-DM1 als Einschlusskriterium. Im Median hatten sie 6 Vortherapien hinter sich (Range: 2–27). Der Grossteil war T-DM1-resistent. T-DXd wurde aus der Dosisfindung heraus in der optimalen Dosis mit 5,4 mg/kg KG gegeben.
Erste sehr gute Resultate – Problem Nebenwirkung Erreicht wurde eine ORR (primärer Endpunkt) von 60,9%, mit 6% kompletten und 54,9% partiellen Remissionen, 36,4% Stabilisierungen und nur 1,6% primären Progressionen. Die klinische Benefitrate mit einer Stabilisierung für ≥ 6 Monate betrug 76,1% und die Krankheitskontrollrate 97,3%. Die mediane Dauer des Ansprechens lag bei 14,8 Monaten, das mediane PFS bei deutlich über einem Jahr (16,4 Monate), auch bei den Patientinnen mit Hirnmetastasen (sogar 18,1 Monate). 43% der Patientinnen wurden zum Zeitpunkt der Analyse weiterhin mit T-DXd behandelt. Auch wenn noch keine Daten zum Gesamtüberleben vorlägen, seien diese Ergebnisse in Anbetracht der späten Behandlungssituation herausragend, so der Referent. Ein Problem ist jedoch die T-DXd-assoziierte interstitielle Lungenerkrankung (ILD), die ein entsprechendes proaktives Management voraussetzt. In der DESTINY-Breast01-Studie waren 25 Patientinnen (13,6%) betroffen, 4 davon mit Todesfolge. Empfohlen wird daher, auf entsprechende Zeichen und Symptome wie Husten oder Atemnot zu achten und gegebenenfalls T-DXd sofort zu stoppen und eine Behandlung mit Steroiden zu initiieren. Abgesehen davon war die Verträglichkeit relativ gut. Behandlungsbedingte Nebenwirkungen mit einem Grad ≥ 3 traten bei 48,4% der Patientinnen auf und führten in 14,7% der Fälle zum Therapieabbruch. Die häufigsten waren Neutropenie (20,7%), Anämie (8,7%) und Übelkeit (7,6%). T-DXd wurde in den USA
bereits zugelassen, mit einem entspre-
chenden Warnhinweis (boxed-warning)
bezüglich der ILD.
I
Gerhard Emrich
Quelle: San Antonio Breast Cancer Symposium, San Antonio/ Texas, 10. bis 14. Dezember 2019.
Referenzen: 1. Piccart M et al.: Interim overall survival analysis of
APHINITY (BIG 4–11): A randomized multicenter, double-blind, placebo-controlled trial comparing chemotherapy plus trastuzumab plus pertuzumab versus chemotherapy plus trastuzumab plus placebo as adjuvant therapy in patients with operable HER2positive early breast cancer. SABCS 2019, abstract GS1-04. 2. Murthy R et al.: Tucatinib with capecitabine and trastuzumab in advanced HER2-positive metastatic breast cancer with and without brain metastases: a non-randomised, open-label, phase 1b study. Lancet Oncol. 2018; 19(7): 880–888. 3. Murthy R et al.: Tucatinib vs placebo, both combined with capecitabine and trastuzumab, for patients with pretreated HER2-positive metastatic breast cancer with and without brain metastases (HER2CLIMB). SABCS 2019, abstract GS1-01. 4. Murthy R et al.: Tucatinib, Trastuzumab, and Capecitabine for HER2-Positive Metastatic Breast Cancer. N Engl J Med. 2019 Dec 27. doi: 10.1056/ NEJMx190039. [Epub ahead of print]. 5. Krop E et al.: (Fam-) trastuzumab deruxtecam (T-Dxd; DS-8201a) in subjects with HER2-positive metastatic breast cancer previously treated with T-DM1: A phase 2, multicenter, open-label study (DESTINYBreast01). SABCS 2019, abstract GS1-03.
Auf einen Blick
I Mit dem 6-Jahres-Update der APHINITYStudie ist nun dokumentiert, dass vor allem die Hochrisikogruppe, definiert als nodalpositiv, von der adjuvanten Zugabe von Pertuzumab zu Trastuzumab plus Chemotherapie profitiert.
I In der HER2CLIMB-Studie verbesserte die Zugabe von Tucatinib zur Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin bei Patientinnen, die bereits mit Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 vortherapiert sind, signifikant das PFS und das OS.
I DESTINY-Breast01-Studie: TrastuzumabDeruxtecan, ein neues Antikörper-Zytostatikum-Konjugat, zeigte lang anhaltende und klinisch relevante Wirksamkeit bei mehrfach vorbehandelten Patientinnen. Eine interstitielle Lungenerkrankung ist bei dieser Therapie eine potenzielle, aber beherrschbare Toxizität.
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