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EDITORIAL
Im Fokus: Palliative Care
W ährend der Begriff Palliative Care häufig mit dem Lebensende und der Vergänglichkeit assoziiert bleibt und als letzte Instanz nach Versagen aller lebensverlängernden Behandlungen gesehen wird, hat in der letzten Dekade ein Paradigmenwechsel stattgefunden.
Vorausschauende Basisangebote: Vorteilhaft für alle Hierbei spielt die frühe Integration von PalliativeCare-Angeboten eine grosse Rolle. Insbesondere in der klinischen Onkologie können und sollen Aspekte der Basic Palliative Care – im Gegensatz zu spezialisierter Palliative Care bei komplexer Symptomlast –
Frühe Integration der Palliative Care
bereits von den primär behandelnden Onkologinnen und Onkologen durchgeführt werden. Eine frühe, vorausschauende Planung erleichtert der Patientin/ dem Patienten und der Ärztin/dem Arzt die Behandlung und reduziert idealerweise, insbesondere im späten Verlauf der Erkrankung, symptomgenerierende und zum Teil kostspielige und wenig wirksame Tumortherapien. Dabei darf auch gehofft und an das Wunder einer Spontanremission geglaubt werden. Es ist jedoch oft hilfreich, im geeigneten Moment auch das «WorstCase-Szenario» zu besprechen. Dieses Spannungsfeld ist eine Herausforderung sowohl für spezialisierte Palliativmediziner als auch für Onkologen und Radioonkologen.
Pharmakologische, radioonkologische, psychologische und soziale Ansätze Bei der Beurteilung der Symptomlast gilt zu beachten, dass insbesondere Schmerz und Leid nicht gemessen, sondern immer erfragt werden müssen. Eine bestmögliche Behandlung von Schmerz umfasst neben pharmakologischen Massnahmen auch nichtpharmakologische Ansätze. Zur umfassenden Be-
handlung von Leiden gehört auch die Berücksichtigung von psychologischen Aspekten, so unter anderem im Rahmen einer «Dignity Therapy»-basierten Mitbetreuung. Andererseits stehen neben den medikamentösen Optionen auch Möglichkeiten der radioonkologischen Strahlentherapie zur Verfügung. Palliative Strahlenkonzepte bei Knochenmetastasen wurden neu auch in das WHO-Stufenschema integriert. Neben Schmerz sollten jedoch, insbesondere in der allgemeinen Palliative Care, auch leisere Symptome wie chronische Nausea und Fatigue gehört werden.
Der Mensch mit der Krankheit im Zentrum Insgesamt stellt Palliative Care mit ihren vielfältigen Facetten der Symptomkontrolle, der Unterstützung in der Entscheidungsfindung, der Einbindung der Angehörigen und der Adressierung sozialer, psychologischer und spiritueller Bedürfnisse eine Disziplin dar, welche nicht nur als begleitende Betreuung durch spezialisierte Ärzte gesehen werden sollte, sondern auch als Kernkompetenz der primär behandelnden Ärzte. In einer umfassenden Behandlung, ob an einem Comprehensive Cancer Center oder in der Praxis, liegt der Fokus weder auf dem Krebs noch auf dem Patienten, sondern auf dem Menschen mit seiner Krankheit.
David Blum und Caroline Hertler Kompetenzzentrum Palliative Care Universitätsspital Zürich
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2019
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