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KONGRESSBERICHT
ESMO 2019 – Jahreskongress der European Society of Medical Oncology, Barcelona, 27. 9. bis 1. 10. 2019
Fortgeschrittenes Lungenkarzinom (NSCLC, SCLC)
Zielgerichtete Behandlungen und auch Immuntherapien bringen verlängerte Remissionen
In der Therapie des NSCLC sind zielgerichtete Therapien für EGFR- und ALK-mutierte Tumoren der Therapiestandard. Liegen keine molekularen Zielstrukturen vor, kann bei einem Teil der Patienten mit Immuntherapien eine lang anhaltende Remission erreicht werden. Beim ESMO-Kongress 2019 wurden wichtige Studienergebnisse zu beiden Therapiestrategien präsentiert. Auch für die Behandlung des kleinzelligen Lungenkarzinoms (SCLC) konnten Fortschritte gezeigt werden.
Signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens mit Osimertinib
Osimertinib (Tagrisso®) ist ein oraler EGFR-gerichteter Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) der dritten Generation, der in der Phase-III-Studie FLAURA einen signifikanten Vorteil bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) gegenüber den EGFR-TKI Gefitinib und Erlotinib zeigte. Beim diesjährigen ESMO-Jahreskongress wurden nun die finalen Ergebnisse für das Gesamtüberleben (OS) präsentiert (1): Die doppelblinde PhaseIII-Studie FLAURA verglich randomisiert die Therapie mit Osimertinib gegenüber Gefitinib oder Erlotinib nach Wahl des Behandlers als EGFR-gerichtetem Komparator. Insgesamt 556 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC und aktivierender EGFR-Mutation erhielten die Studienmedikation. Eingeschlossen waren Patienten, die bis dato keine systemische Antitumortherapie erhalten hatten. Der primäre Endpunkt der Studie, eine signifikante Verlängerung des PFS laut Prüfarztbericht, wurde erreicht. Im Median lebten Patienten unter Osimertinib 18,9 Monate und unter den Kontrolltherapien 10,2 Monate ohne Progress. Das Risiko, einen Progress zu erleiden, wurde durch Osimertinib um 54% signifikant reduziert (HR = 0,46; 95%-KI: 0,37–0,57; p < 0,001). Obwohl 47% der Patienten aus dem Kontrollarm nach Progress in den Osimertinib-Arm wechselten, konnte ein signifikanter OS-Vorteil für Osimertinib gezeigt werden. Patienten im Osimertinib-Arm lebten im Median 38,6 Monate, Patienten im Kontrollarm 31,8 Monate (HR = 0,799; 95%-KI: 0,641–0,997;
p = 0,0462). Nach 12 Monaten betrug die OS-Rate in den beiden Studienarmen 89% versus 83%, nach 24 Monaten 74% versus 59% und nach 36 Monaten 54% versus 44%.
Patienten mit Exon-19-Deletion profitieren besonders Die Subgruppenanalysen zum Gesamtüberleben bestätigen einen OS-Vorteil unter Osimertinib für nahezu alle untersuchten Patientenkohorten. Eurasische Patienten profitierten besonders gut von Osimertinib (HR = 0,542; 95%-KI: 0,378– 0,772), wohingegen für asiatische Patienten in beiden Studienarmen vergleichbare OS-Ergebnisse beobachtet wurden (HR = 0,995; 95%-KI: 0,752–1,319). Ferner profitierten Patienten mit Exon-19-Deletion sehr gut von der Osimertinib-Therapie (HR = 0,679; 95%-KI: 0,509–0,904), Patienten mit L858R-Mutation hingegen schnitten in beiden Therapiearmen vergleichbar ab (HR = 0,996; 95%-KI: 0,708– 1,404). Patienten mit ZNS-Metastasen konnten ebenso wie Patienten ohne Hirnmetastasierung von Osimertinib profitieren (HR = 0,832 bzw. HR = 0,788). Das Sicherheitsprofil von Osimertinib war vorteilhaft und konsistent. Im Median waren die Patienten für 20,7 Monate unter Osimertinib- versus 11,5 Monate unter einer EGFR-TKI-Komparator-Therapie. Trotz der längeren Behandlungszeit traten Nebenwirkungen Grad ≥-3 häufiger im Kontrollarm (29%) als unter Osimertinib (18%) auf.
Ceritinib hochwirksam bei ALK-positiven Patienten mit Hirnmetastasierung
Da Hirnmetastasen bei etwa 30 bis 50%
der ALK-positiven NSCLC-Patienten auftreten und diese Patienten eine schlechte Prognose haben, wurde in der offenen, 5-armigen Phase-II-Studie ASCEND-7 die Antitumoraktivität des ZweitgenerationsALK-Inhibitors Ceritinib (Zykadia®) bei aktiver Hirnmetastasierung untersucht (2). Insgesamt wurden 156 NSCLC-Patienten mit ausschliesslich ALK-positiver Erkrankung in die Studie eingeschlossen und mit Ceritinib behandelt. Entsprechend der Vorbehandlung mit Hirnbestrahlung und/oder ALK-Inhibitor-Therapie wurden die Patienten auf 4 Studienarme aufgeteilt. Im 5. Studienarm wurden Patienten mit leptomenigealer Karzinomatose eingeschlossen. Die Aktivität von Ceritinib wurde über alle Wirksamkeitsendpunkte konsistent mit den Daten zu Patienten mit ALK-positivem NSCLC in anderen Studien (mit/ohne Hirnmetastasierung, mit/ohne vorangegangener Crizotinib-Therapie) gesehen. Das intrakranielle Ansprechen war schnell, häufig und dauerhaft über alle Studienarme. Trotzdem zeigten Patienten, die vor der Studie keinen ALKInhibitoren erhalten hatten, ein höheres intrakranielles Ansprechen. Auch Patienten, die zudem keine Bestrahlung erhalten hatten, hatten die höchsten Ansprechraten (59,1%). Das Sicherheitsprofil war konsistent mit den bestehenden Daten zu Ceritinib. Es wurden keine unerwarteten Nebenwirkungen in der Studie beobachtet.
Nivolumab plus Ipilimumab wirkt unabhängig von PD-L1Status
Nivolumab (Opdivo®) ist beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC bislang als Monotherapie nach vorheriger Chemotherapie zugelassen. Die randomisierte, offene Phase-III-Studie CheckMate 227 zeigte auch einen Überlebensvorteil für Nivolumab in Kombination mit niedrig dosiertem Ipilimumab (Yervoy®) im Vergleich zu einer Chemotherapie (3). In die Studie wurden NSCLC-Patienten im Stadium IV oder mit
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KONGRESSBERICHT
ESMO 2019 – Jahreskongress der European Society of Medical Oncology, Barcelona, 27. 9. bis 1. 10. 2019
Krankheitsrückfall eingeschlossen, die keine vorangegangene systemische Therapie erhalten hatten und keine EGFR-Mutation oder ALK-Alterationen aufwiesen. Im ersten Teil der Studie erhielten 1189 Patienten mit PD-L1-Experssion ≥ 1% (Teil 1a) randomisiert entweder Nivolumab plus Ipilimumab oder Chemotherapie oder eine Nivolumab-Monotherapie. 550 Patienten mit einer PD-L1-Expression < 1% (Teil 1b) wurden mit Nivolumab plus Ipilimumab oder Chemotherapie oder Nivolumab plus Chemotherapie behandelt. Als unabhängige ko-primäre Endpunkte wurden das PFS der Patienten mit hoher Tumormutationslast (TMB ≥10 mut/Mb) sowie das OS von Patienten mit einer PD-L1-Expression ≥ 1% untersucht.
Bei PD-L1-Expression ≥ 1%: Medianes OS von 17,1 Monaten – HR: 0,79 Im Median überlebten die Patienten mit PD-L1-Expression ≥ 1% unter Nivolumab plus Ipilimumab 17,1 Monate versus 14,9 Monate im Chemotherapie-Arm (HR = 0,79; 97,72%-KI: 0,65–0,96; p = 0,007). Nach einem Jahr waren 63% der Patienten im Immuntherapie- und 56% der Patienten im Chemotherapie-Arm am Leben, nach 2 Jahren waren es 40% versus 33% der Patienten. Im MonoNivolumab-Arm betrugen die 1- und 2Jahres-OS-Raten 57% und 36% (medianes OS: 15,7 Monate). Ein Ansprechen wurde bei 35,9% der Patienten im Kombinationsarm, bei 27,5% der Patienten im Nivolumab-Monotherapiearm und bei 30,0% der Patienten im Chemotherapiearm gesehen. Die Rate an Komplettremissionen (CR) war unter den beiden Immuntherapien mit 5,8% und 3,0% höher als unter Chemotherapie (1,8%). Auch die Dauer des Ansprechens war unter den immunonkologischen Regimen deutlich gegenüber der Chemotherapie verlängert. Patienten mit Ansprechen unter Nivolumab plus Ipilimumab zeigten eine mediane Dauer des Ansprechens von 23,2 Monaten, unter Nivolumab von 15,5 Monaten und unter Chemotherapie von 6,2 Monaten. Die 1- und 2-JahresPFS-Raten für alle Patienten mit PD-L1Expression ≥ 1% betrug in den drei Studienarmen 33%, 26% und 19% respektive 22%, 14% und 7%.
Bei PD-L1-Expression < 1%: Medianes OS von 17,2 Monaten – HR: 0,62 Bezüglich der Auswertungen der Patienten mit PD-L1-negativem Status zeigte sich in Teil 1b der CheckMate-227-Studie eine 38%ige Risikoreduktion bei Behandlung mit Nivolumab plus Ipilimumab, verglichen mit Chemotherapie. Im Median lebten die Patienten 17,2 versus 12,2 Monate (HR = 0,62; 95%-KI: 0,48-0,78). Die 1- und 2-Jahres-OS-Rate betrug 60% (vs. 51% und 40% vs. 23%). Das OS im Nivolumab- plus Chemotherapie-Arm betrug median 15,2 Monate mit 59% 1-Jahresund 35% 2-Jahres-OS-Raten. Ein Ansprechen wurde bei 27,3% (CR: 2,1%) der Patienten im Kombinationsarm, bei 37,9% (CR: 1,7%) der Patienten unter Nivolumab plus Chemotherapie sowie bei 23,1% (CR: 1,1%) der Patienten im Chemotherapie-Arm beobachtet. Die Dauer des Ansprechens (DOR) war unter Nivolumab plus Ipilimumab deutlich länger als in den anderen beiden Studienarmen (mediane DOR: 18,0, 8,3 bzw. 4,8 Monate) mit 1- und 2-Jahres-DOR-Raten von 71%, 32% und 25% (bzw. 40%, 16% und 5%).
Kombinationstherapie ist Standard beim kleinzelligen Lungenkarzinom
Die Kombination von Atezolizumab (Tecentriq®) mit Carboplatin und Etoposid wurde von der EMA für die Erstlinientherapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms im fortgeschrittenen Stadium (Extensive Stage Small Cell Lung Cancer, ES-SCLC), basierend auf den Daten der IMpower133-Studie, zugelassen. Beim ESMOKongress 2019 wurden nun aktualisierte OS-Daten für die ITT-Population und die PD-L1-Subgruppen mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22,9 Monaten präsentiert (4). In die plazebokontrollierte, randomisierte Phase-III-Studie IMpower133 wurden 403 therapienaive Patienten eingeschlossen und mit einer Induktionstherapie (Atezolizumab, Carboplatin, Etoposid vs. Plazebo, Carboplatin, Etoposid) über 4 Zyklen und nachfolgender Erhaltungstherapie (Atezolizumab bzw. Plazebo) bis Tumorprogress behandelt.
Frauen und ältere Patienten
profitieren besonders
In der aktualisierten Analyse betrug das
mediane OS für die ITT-Population 12,3
versus 10,3 Monate (HR = 0,76; 95%-KI:
0,60–0,95; p = 0,0154) mit einer 12-Mo-
nats-OS-Rate von 51,9% versus 39% und
einer 18-Monats-OS-Rate von 34,0% ver-
sus 21,0%. Subgruppenanalysen geben
Hinweise darauf, dass möglicherweise
Frauen (HR = 0,64; 95%-KI: 0,43–0,94)
und ältere Patienten (≥ 65 Jahre) (HR =
0,59; 95%-KI: 0,42–0,82) besonders von
der zusätzlichen Atezolizumab-Gabe
profitieren.
I
Ine Schmale Quelle: Jahrestagung der European Society of Medical Oncology (ESMO), 27. Sept. bis 1. Okt. 2019, Barcelona
Referenzen: 1. Ramalingam SS et al.: Osimertinib vs comparator
EGFR-TKI as first-line treatment for EGFRm advanced NSCLC (FLAURA): Final overall survival analysis. ESMO 2019, Abstr. #LBA5_PR. 2. Chow LQM et al.: Results of the ASCEND-7 phase II study evaluating ALK inhibitor ceritinib in patients with ALK+ non-small cell lung cancer (NSCLC) metastatic to the brain. ESMO 2019, Abstr. #1478O. 3. Peters S et al.: Nivolumab + low-dose ipilimumab versus platin-doublet chemotherapy as first-line treatment for advanced non-small cell lung cancer: CheckMate 227 part 1 final analysis. ESMO 2019, Abstr. #LBA4_PR. 4. Reck M et al.: IMpower133: Updated overall survival (OS) analysis of first-line atezolizumab + carboplation + etoposide in extensive-stage SCLC (ES-SCLC). ESMO 2019, #1736O.
Auf einen Blick
I Für Osimertinib, einen oralen EGFRgerichteten TKI der dritten Generation, konnte die Wirksamkeit bei Patienten mit aktivierender EGFR-Mutation durch die finalen Ergebnisse der FLAURA-Studie zum Gesamtüberleben bestätigt werden.
I In der CheckMate-227-Studie wurde mit der Kombination von Nivolumab und Ipilimumab in der Erstlinie bei NSCLC-Patienten eine Verlängerung des Gesamtüberlebens gegenüber Chemotherapie erreicht, unabhängig vom PD-L1-Status.
I Atezolizumab in Kombination mit Chemotherapie in der ersten Therapielinie verlängert das Gesamtüberleben von SCLC-Patienten.
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