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KONGRESSBERICHT
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
Frühes Mammakarzinom
Derzeitige neo-/adjuvante Therapie bleibt vermutlich Standard
Beim Mammakarzinom im kurativen Setting wurden beim ASCO-Kongress einige interessante Updates und weiterführende Analysen aus Phase-III-Studien präsentiert, die vermutlich aber nicht zu unmittelbaren Änderungen der Therapiestandards führen werden. So bleibt beispielsweise auf Basis der KRISTINE-Studie eine Chemotherapie plus duale Blockade mit Trastuzumab/Pertuzumab der neoadjuvante Standard beim HER2-positiven frühen Mammakarzinom.
Chemotherapie erspart werden könnte, resümierte Hurvitz. KRISTINE ist formal zwar eine negative Studie. Sie zeigt aber auch, dass T-DM1 für sich genommen eine sehr wirksame Substanz ist, deren Effekt anscheinend nicht durch eine Kombination mit Pertuzumab weiter gesteigert werden kann.
Beim HER2-positiven frühen Mammakarzinom ist der heutige Standard eine neoadjuvante Chemotherapie plus duale Blockade (Trastuzumab/Pertuzumab), gefolgt von einer adjuvanten (postoperativen) Anti-HER2-Therapie. «Ziel in der Neoadjuvanz ist das Erreichen einer pathologischen Komplettremission (pCR), die für eine sehr gute Prognose spricht und derzeit in 46 bis 62% der Fälle erreicht wird», erklärte Dr. med. Sara Hurvitz, Los Angeles. Dennoch erleiden etwa 15% der Frauen einen Rückfall oder sterben am Brustkrebs. Ausserdem ist die Chemotherapie mit starken Nebenwirkungen behaftet, weshalb mehrere aktuelle Studien der Frage nachgehen, ob eine Deeskalation im Sinne eines Verzichts auf die neoadjuvante Chemotherapie beim HER2-positiven frühen Mammakarzinom möglich ist.
KRISTINE-Studie mit T-DM1 neoadjuvant
Vor diesem Hintergrund präsentierte Dr. Hurvitz die finale Analyse der Phase-IIIStudie KRISTINE mit den Überlebensdaten zum ereignisfreien (EFS) und invasiven krankheitsfreien Überleben (iDFS) (1). Verglichen wurde I der neoadjuvante Standard 6 x TCHP
(= Docetaxel/Carboplatin plus duale Blockade mit Trastuzumab/Pertuzumab) mit I 6 x Trastuzumab-Emtansin plus Pertuzumab (T-DM1/P), gefolgt von 12 weiteren Zyklen dualer Blockade respektive T-DM1/P adjuvant. Im T-DM1/P-Arm konnten Patientinnen mit postoperativem Resttumor optional noch eine adjuvante Chemotherapie erhalten, bei Resttumoren > 1 cm oder positivem Nodalstatus war sie empfohlen.
Insgesamt nahmen 444 Frauen mit operablem, HER2-positivem, lokal fortgeschrittenem (einschl. entzündlichem) Brustkrebs oder mit Tumoren > 2 cm Durchmesser teil, wovon 221 in den Standardarm und 223 in den T-DM1/P-Arm randomisiert wurden.
Neue Analyse: Standardtherapie wird bestätigt Die Ergebnisse der ersten Zwischenanalyse wurden bereits im letzten Jahr publiziert und zeigten eine signifikant höhere pCR-Rate zugunsten der Standardtherapie (56 vs. 44%; p = 0,0155) (2). Damit verfehlte die Studie ihren primären Endpunkt: eine Verbesserung der pCR-Rate um 15% durch T-DM1/P. Mit der aktuellen Analyse wurde neu gezeigt, dass der Standardarm dem T-DM1/ P-Arm auch hinsichtlich des EFS (Zeit ab Randomisierung bis zur dokumentierten Progression, einschl. lokaler Progression) überlegen war (3-Jahres-EFS: 94,2 vs. 85,3%; HR: 2,61), was vor allem daran lag, dass im T-DM1/P-Arm einige Patientinnen die Therapie bereits während der neoadjuvanten Phase, also noch vor der Operation, wegen Lokalrezidiv abgebrochen hatten (6,7 vs. 0%). Dagegen war das iDFS, definiert als die Zeit von der Operation bis zum Progress (betrifft also nur Patientinnen, die auch die neoadjuvante Therapie abgeschlossen hatten), in beiden Armen gleich gut (3-Jahres-iDFS: 93% Standard-Arm vs. 92% T-DM1/PArm; HR: 1,11) – wobei die Raten in der Subgruppe mit erreichter pCR sogar noch höher lagen (97,5 vs. 96,7%; HR: 0,99) und in der Subgruppe ohne pCR niedriger (84,2 vs. 89,4%; HR: 0,94). Damit dürfte es einige Patientinnen in diesem Setting geben, denen eine klassische
Verträglichkeit von T-DM1/P aber deutlich besser Das Nebenwirkungsprofil während der neoadjuvanten Phase war unter T-DM1/P günstiger als unter TCHP, es gab weniger Grad-3/4-Toxizitäten (13 vs. 64%), weniger schwerwiegende Nebenwirkungen (5 vs. 29%) und weniger nebenwirkungsbedingte Therapieabbrüche (3 vs. 8%). Während der gesamten Studiendauer (neoadjuvante und adjuvante Phase) war die Inzidenz der Nebenwirkungen ≥ Grad 3 im T-DM1/P-Arm ebenfalls niedriger als im Standardtherapiearm (31,8 vs. 67,6% bzw. 13,5 vs. 32,4%), die nebenwirkungsbedingte Abbruchrate indes war etwas höher (20,2 vs. 11,0%). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass 50 Patientinnen im TDM1/P-Arm eine adjuvante Chemotherapie erhalten hatten. Die häufigsten Nebenwirkungen ≥ Grad 3, die um mindestens 2% häufiger im TCHP-Arm auftraten, waren in absteigender Häufigkeit Neutropenie (25,1 vs. 3,6%), Diarrhö (15,5 vs. 1,8%), febrile Neutropenie (15,1 vs. 1,8%) und Anämie (11,0 vs. 5,8%). Unter T-DM1/P trat einzig eine periphere Neuropathie etwas häufiger auf (3,1 vs. 0,5%). In gleicher Weise zeigte die Analyse der Patient Reported Outcomes, dass unter T-DM1/P die Lebensqualität, gemessen am QLQ-C30Fragebogen, während der Neoadjuvanz etwas besser war als im TCHP-Arm, sich während der adjuvanten Chemotherapie wie zu erwarten etwas verschlechterte, sich dann aber wieder auf das Ausgangsniveau erholte. Während der adjuvanten Phase war kein wesentlicher Unterschied zur dualen Blockade zu verzeichnen.
30 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2019
KONGRESSBERICHT
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
KATHERINE-Studie mit T-DM1 post-neoadjuvant
Die auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2018 präsentierte erste Zwischenanalyse der randomisierten Phase-III-Studie KATHERINE galt als praxisveränderndes Highlight des Kongresses (3). Verglichen wurde I T-DM1 mit I dem Standard Trastuzumab (jeweils
14 Zyklen) in der Post-Neoadjuvanz bei 1486 Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom, die unter neoadjuvanter Chemotherapie plus Trastuzumab keine pCR erreicht hatten. T-DM1 verbesserte signifikant den primären Endpunkt iDFS um 50%, mit einem 3-Jahres-iDFS von 88,3 vs. 77,0% (HR: 0,50; p < 0,0001) und einem absoluten Vorteil von 11,3%. Ein Vorteil wurde dabei in allen relevanten Subgruppen gesehen. Auch wenn die Daten zum Gesamtüberleben noch abzuwarten sind, wird sich T-DM1 aufgrund dieser Ergebnisse wohl als neuer post-neoadjuvanter Therapiestandard für Non-pCR-Patientinnen mit frühem HER2-positiven Brustkrebs etablieren.
Neu: Detaillierte Analyse zur Verträglichkeit Auf dem ASCO-Kongress wurden jetzt von Prof. Andreas Schneeweiss vom Universitätsklinikum Heidelberg aktuelle Daten der KATHERINE-Studie zu den Patient Reported Outcomes und zur Lebensqualität als Poster vorgestellt (4). Dafür wurden unter Verwendung des Fragebogens EORTC-QLQ-C30 und des spezifischen Brustkrebsmoduls QLQBR23 die multidimensionalen Aspekte der globalen sowie der brustkrebsspezifischen gesundheitsbezogenen Lebensqualität zunächst bei Studienbeginn, dann jeweils vor Therapiebeginn am ersten Tag der Zyklen 5 und 11 respektive bei Therapieabbruch innerhalb von 30 Tagen und schliesslich noch bei den Follow-up-Erhebungen nach 6 und 12 Monaten evaluiert. Mit dem QLQ-C30 mit 30 Fragen wurden 5 Funktionsskalen (physisch, rollenspezifisch, kognitiv, emotio-
nal, sozial), 3 Symptomskalen (Fatigue, Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen) und 6 Einzelsymptome (Dyspnoe, Schlaflosigkeit, Appetitverlust, Obstipation, Diarrhö, Belastung durch finanzielle Probleme) gemessen. Ausgewertet wurden zusätzlich die 23 Fragen des QLQ-BR23 mit 4 Funktionsskalen (Körperbild, sexuelle Funktion, sexueller Genuss, Zukunftsaussichten) und 4 Symptomskalen (Nebenwirkungen der systemischen Behandlung, Brustsymptome, Armsymptome, Belastung durch Haarausfall), wobei eine Verschlechterung um mindestens 10 Punkte auf der jeweiligen Skala (0–100) als klinisch relevant erachtet wurde.
Keine Verschlechterung der Lebensqualität unter T-DM1 Die Lebensqualitätsanalyse zeigte im Vergleich beider Studienarme in allen Subskalen des QLQ-C30 und des QLQBR23 ähnliche mittlere Scores, obwohl T-DM1 mit höheren Nebenwirkungsraten verbunden war (alle Grade: 99 vs. 93%; ≥ Grad 3: 26 vs. 15%). Dies bedeutet, dass T-DM1 die Lebensqualität der Patientinnen trotz höherer Toxizität nicht verschlechtert hat. Zwar zeigten sich anfänglich unter T-DM1 etwas häufiger klinisch relevante Verschlechterungen bei einigen Einzelsymptomen. Dennoch waren in beiden Armen die meisten Verschlechterungen nur leicht, sodass insgesamt
der funktionelle Status und die Lebens-
qualität unter beiden Behandlungen
über den Studienverlauf weitgehend er-
halten blieben. Somit zeigt sich die Gabe
von T-DM1 der Gabe von Trastuzumab
überlegen.
Gemäss dieser Studie wird die Gabe von
T-DM1 als Mittel der Wahl bei HER2-po-
sitivem Mammakarzinom mit residualem
Tumor nach einer neoadjuvanten Che-
motherapie mit dualer HER2-Blockade
empfohlen.
I
Gerhard Emrich
Referenzen: 1. Hurvitz SA et al.: Neoadjuvant trastuzumab (H), per-
tuzumab (P), and chemotherapy versus trastuzumab emtansine (T-DM1) and P in human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-positive breast cancer (BC): Final outcome results from the phase III KRISTINE study. ASCO 2019, Abstract #500. 2. Hurvitz SA et al.: Neoadjuvant trastuzumab, pertuzumab, and chemotherapy versus trastuzumab emtansine plus pertuzumab in patients with HER2-positive breast cancer (KRISTINE): a randomised, open-label, multicentre, phase 3 trial. Lancet Oncol. 2018; 19(1): 115–126. 3. Geyer CE et al.: Phase III study of trastuzumab emtansine (T-DM1) vs trastuzumab as adjuvant therapy in patients with HER2-positive early breast cancer with residual invasive disease after neoadjuvant chemotherapy and HER2-targeted therapy including trastuzumab: Primary results from KATHERINE. SABCS 2018, Abstract #GS1–10. 4. Schneeweiss A et al.: Patient-reported outcomes (PROs) from KATHERINE: A phase III study of adjuvant trastuzumab emtansine (T-DM1) versus trastuzumab (H) in patients (pts) with residual invasive disease after neoadjuvant therapy for HER2-positive breast cancer. ASCO 2019, Abstract #513 (data from poster).
Merkpunkte
I Bei HER2-positivem Mammakarzinom im Stadium II und III hat die neoadjuvante Therapie einen hohen Stellenwert.
I In aktuellen Studienkonzepten wird (u. a.) eine (chemotherapiefreie) Deeskalation der neoadjuvanten Therapie verfolgt.
I In der KRISTINE-Studie war die neoadjuvante Therapie mit T-DM1/Pertuzumab dem Standardregime TCHP hinsichtlich pCR und EFS unterlegen (Cave: 6,7% lokale präoperative Progressionen) – bei jedoch deutlich besserer Verträglichkeit. Dennoch zeigte sich beim iDFS kein Unterschied zwischen den beiden Armen, insbesondere bei den Frauen, die eine pCR erreichten.
I Eine Chemotherapie plus duale Blockade bleibt somit Standard für die neoadjuvante Therapie beim HER2-positiven frühen Mammakarzinom.
I Die PRO-Analyse der KATHERINE-Studie zeigte keinen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der Lebensqualität zwischen post-neoadjuvantem T-DM1 und Trastuzumab bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom, die unter neoadjuvanter Chemotherapie plus Trastuzumab keine pCR erreicht hatten.
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