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KONGRESSBERICHT
15-ICML – International Conference on Malignant Lymphoma, Lugano, 18. bis 22. Juni 2019
Rezidivierte/refraktäre Hodgkin-Lymphome
Antikörper und Checkpoint-Inhibitoren bleiben Standard
Welche Therapie soll nach Versagen der autologen Stammzelltransplantation bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Hodgkin-Lymphom eingesetzt werden? Die Onkologin und Lymphom-Expertin Prof. Ann LaCasce, Boston (USA), erläuterte auf einem Seminar anlässlich der diesjährigen ICML aktuelle Therapiestudien und kommentierte neueste Ansätze.
«Seit den 1940er-Jahren konnten wir in der Behandlung des Hodgkin-Lymphoms bedeutende Fortschritte erreichen», sagte Prof. Ann LaCasce, Boston (USA). Trotzdem würden 10 bis 30% der Patienten eine primär refraktäre Erkrankung oder ein Rezidiv entwickeln. Für transplantierbare Patienten mit einem rezidivierten/ refraktären Hodgkin-Lymphoms (rrHL) stellt die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) seit vielen Jahren die Standardtherapie dar. Die Resultate zweier kleinerer Studien haben dazu geführt, dass sich die ASCT bei dieser Erkrankung etabliert hat. So konnten Schmitz und Kollegen in ihrer Arbeit zeigen, dass nach einer Hochdosis-Chemotherapie und einer ASCT im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie nach drei Jahren ein höherer Anteil an Patienten frei von Therapieversagen war (1). Das Gesamtüberleben (OS) wurde jedoch nicht beeinflusst. Die Referentin wies hier auch auf den prädiktiven Charakter des PET-Befundes vor ASCT hin. «Patienten, die vor der Transplantation PET-negativ waren, wiesen in verschiedenen Studien ein deut-
lich besseres progressionsfreies Überleben (PFS) auf als Patienten, die zum Zeitpunkt der Transplantation PET-positiv waren.»
Brentuximab Vedotin nach Versagen der ASCT
Eine deutliche Verbesserung der Situation der Patienten nach Versagen einer ASCT wurde durch die Einführung des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Brentuximab Vedotin (BV) (Adcetris®) erreicht. Prof. LaCasce präsentierte dazu einige Eckdaten: Younes hatten in ihrer pivotalen Phase-II-Studie nachgewiesen, dass 75% der rrHL-Patienten nach Versagen einer ASCT auf BV ansprachen (2). Bei 34% wurde eine komplette Remission (CR) erreicht. «Die Langzeitbeobachtung liess zudem erkennen, dass einige dieser kompletten Remissionen auch anhaltend waren», so die Referentin. Das 5-JahresOS und das PFS betrugen bei den Patienten, die eine CR erreicht hatten (n = 34) schliesslich 64% (bzw. 52%) (3). Die AETHERA Studie zeigte schliesslich, dass Patienten mit einem hohen Risiko
für ein Rezidiv oder einen Progress nach der ASCT von einer Konsolidierung mit BV profitieren können (4). Das 5-JahresPFS der mit BV behandelten Patienten betrug 59% im Vergleich zu 41% unter Plazebo (Hazard Ratio 0,521; 95%-KI: 0,379–0,717).
Checkpoint-Inhibitoren bei PD-1-Überexpression
Prof. LaCasce erläuterte, dass die Überexpression von PD-1-Liganden zu den Charakteristiken des klassischen HL gehöre. Das führe schliesslich dazu, dass die Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab (Opdiva®) und Pembrolizumab (Keytruda®) auch bei Patienten mit rrHL untersucht würden (5, 6). Die klinischen Studien dazu setzten die Antikörper in unterschiedlich vortherapierten Patientenkohorten ein. Die Referentin fasste die Resultate dieser Arbeiten zusammen: «Nivolumab erreichte in den verschiedenen Kohorten eine Gesamtansprechrate von etwa 70%, die CR-Rate lag zwischen 12 und 29%. Bei Pembrolizumab sieht es ähnlich aus, hier lag die Gesamtansprechrate zwischen 65 und 70%, die CR-Rate bei 20 bis 25%. Grundsätzlich erreichen beide Antikörper eine sehr gute Tumorkontrolle. Im Laufe der Zeit muss jedoch weiterhin mit Rezidiven gerechnet werden.»
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2019
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KONGRESSBERICHT
15-ICML – International Conference on Malignant Lymphoma, Lugano, 18. bis 22. Juni 2019
Kombination mit ASCT
Herrera und Kollegen untersuchten den Einsatz von BV plus Nivolumab bei Patienten im ersten Rezidiv (7). Patienten, die nach der Behandlung mit der Kombination eine CR aufwiesen, erhielten eine ASCT. Bei Patienten ohne CR wurde eine weitere Salvage-Therapie angeschlossen. Die Gesamtansprechrate (ORR) über alle behandelten Patienten betrug schliesslich 82%, die CR-Rate 61%. «Im Vergleich zu den CR-Raten, die mit bestimmten BV-Chemotherapiekombinationen in erstem Rezidiv erreicht werden können, mag dies tief erscheinen», so der Kommentar von Prof. LaCasce. «Schauen wir jedoch die PFS-Kurven an, sind diese beeindruckend.» Das PFS nach 21 Monaten lag bei allen Patienten um 82%. Bei denjenigen, die bereits nach der Behandlung mit BV und Nivolumab eine CR erreicht hatten und transplantiert werden konnten, lag es gar bei 97%.
Neueste Ansätze
Im Weiteren beschrieb LaCasce – als neuen Ansatz in der Behandlung des rrHL – den tetravalenten, bispezifischen Antikörper AFM13. Das Medikament bindet an CD30 auf CD30-positiven Tumorzellen sowie an CD16A auf natürlichen Killer-(NK-)Zellen. Eine Phase-1b-Studie des Antikörpers in Kombination mit Pembrolizumab bei 30 rrHL-Patienten, bei denen andere Therapien versagt hatten, ergab eine im historischen Vergleich positive objektive Ansprechrate (ORR) von 88% und eine CR-Rate von 46% (unab-
Auf einen Blick
I Die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) bleibt Therapiestandard beim rezidivierten/refraktären Hodgkin-Lymphom.
I Brentuximab Vedotin und Checkpoint-Inhibitoren stellen wirksame Optionen bei Rezidiven nach Transplantation dar.
I Mehrere neue Ansätze, darunter der bispezifische Antikörper AFM13 und die Kombination von hypomethylierenden Substanzen mit einem Anti-PD-1-Antikörper, zeigten erste vielversprechende Resultate.
hängiges Assessment), was etwa einer Verdoppelung der CR-Rate für Pembrolizumab allein entspricht (8). Die Behandlung führte hauptsächlich zu Nebenwirkungen nur von Grad 1 und 2, darunter infusionsassoziierte Reaktionen (87% der Patienten), Rash (30%), Übelkeit (23%), Pyrexie (23%) und Durchfall (20%). Ebenfalls ein neuer Therapieansatz stellt der Einsatz von hypomethylierenden Substanzen dar. «Daten weisen darauf hin, dass diese Substanzen zu einer Reaktivierung der T-Zellen beitragen und dass die Kombination einer hypomethylierenden Substanz mit einem PD-1-Blocker eine synergistische Wirkung zeigen könnte.» In einer entsprechenden Studie wurden rrHL-Patienten mit mindestens zwei Vortherapien eingeschlossen (9): AntiPD-1-naive Patienten (Kohorte 1) erhielten alle 3 Wochen entweder eine Monotherapie mit dem PD-1-Blocker Camrelizumab oder aber Decitabin plus Camrelizumab. Bereits mit einem PD-1-Blocker vorbehandelte Patienten (Kohorte 2) erhielten die Kombinationstherapie. Bei den Patienten der Kohorte 1 bewirkte die Kombination signifikant höhere CR-Raten als die Camrelizumab-Monotherapie (71 vs. 32%, p = 0,003). «Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass die Kombination in Kohorte 2 eine beeindruckende Aktivität sowohl hinsichtlich kompletter als auch partieller Remissionen erreicht hat», betonte Dr. LaCasce und zeigte die Daten: 28% mit CR und 24% mit PR. «Nach etwa 2 Jahren waren 89% der Patienten der Kohorte 1 unter Kombinationstherapie sowie 59% der Patienten aus Kohorte 2 noch ohne Progress.» Die Behandlung erwies sich als gut verträglich: Als Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 4 wurden hauptsächlich reversible Leukozytopenien und Thrombozytopenien registriert. Auch weitere Substanzen, darunter Everolimus, Lenalidomid, Panobinostat und Ruxolitinib, wurden in den letzten Jahren beim rrHL untersucht. LaCasce dazu: «Alle diese Substanzen zeigten allein nur eine bescheidene Aktivität. Allerdings könnte ihre Kombination mit anderen Substanzen zu einer Verbesserung der Wirkung führen.»
Fazit
Abschliessend meinte die Onkologin,
dass trotz aller Verbesserungen in der
Therapie bisher keine anhaltende Remis-
sion habe erreicht werden können. Die
allogene Stammzelltransplantation blei-
be in diesem Setting womöglich der ein-
zige kurative Ansatz. Man wisse jedoch,
dass die Gabe eines Checkpoint-Inhibi-
tors vor oder nach einer allogenen Trans-
plantation mit einem signifikant höheren
Risiko für eine Graft-versus-Host-Disease
assoziiert sein könne. Weitere Untersu-
chungen sind nötig, um festlegen zu kön-
nen, wie man die verschiedenen Optio-
nen am besten kombinieren.»
I
Therese Schwender
Quelle: 15th International Conference on Malignant Lymphoma (ICML), 18. bis 22. Juni 2019, Lugano.
Referenzen: 1. Schmitz N et al.: Aggressive conventional chemo-
therapy compared with high-dose chemotherapy with autologous haemopoietic stem-cell transplantation for relapsed chemosensitive Hodgkin’s disease: a randomised trial. Lancet 2002; 359: 2065–2071. 2. Younes A et al.: Results of a pivotal phase II study of brentuximab vedotin for patients with relapsed or refractory Hodgkin’s lymphoma. J Clin Oncol 2012; 30: 2183–2189. 3. Chen R et al.: Five-year survival and durability results of brentuximab vedotin in patients with relapsed or refractory Hodgkin lymphoma. Blood 2016; 128: 1562–1566. 4. Moskowitz CH et al.: Five-year PFS from the AETHERA trial of brentuximab vedotin for Hodgkin lymphoma at high risk of progression or relapse. Blood 2018; 132: 2639–2642. 5. Armand P et al.: Nivolumab for Relapsed/Refractory Classic Hodgkin Lymphoma After Failure of Autologous Hematopoietic Cell Transplantation: Extended Follow-Up of the Multicohort Single-Arm Phase II CheckMate 205 Trial. J Clin Oncol 2018; 36: 1428– 1439. 6. Chen R et al.: Phase II Study of the Efficacy and Safety of Pembrolizumab for Relapsed/Refractory Classic Hodgkin Lymphoma. J Clin Oncol 2017; 35: 2125–2132. 7. Herrera AF et al.: Interim results of brentuximab vedotin in combination with nivolumab in patients with relapsed or refractory Hodgkin lymphoma. Blood 2018; 131: 1183–1194. 8. Ansell SM et al.: Investigating safety and preliminary efficacy of AFM13 plus pembrolizumab in patients with relapsed/refractory Hodgkin Lymphoma after brentuximab vedotin failure. Hematological Oncology 2019; 37(suppl. 2): Abstract 128. 9. Nie J et al.: Addition of Low-Dose Decitabine to Anti-PD-1 Antibody Camrelizumab in Relapsed/ Refractory Classical Hodgkin Lymphoma. J Clin Oncol 2019; 37: 1479–1489.
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