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EHA 2019
Annual Meeting of the European Hematology Association, Amsterdam, 13. bis 16. Juni 2019
Multiples Myelom (MM)
Wachsende Bedeutung der Anti-CD38-Antikörper
Am diesjährigen Jahreskongress der EHA wurden zwei Studien präsentiert, in denen antikörperhaltige Regime überzeugten. In der Studie CASSIOPEIA wurde Daratumumab erfolgreich bei neu diagnostizierten, transplantierbaren Patienten als Induktion und Konsolidierung eingesetzt. Mit der Studie ICARIA-MM wurden positive Resultate der ersten randomisierten Phase-III-Studie mit dem Anti-CD38Antikörper Isatuximab in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason bei rezidivierten/refraktären Patienten vorgestellt.
Im Rahmen des «Presidential Symposium» wurden die besten Abstracts respektive die besten Studien des Kongresses präsentiert. Dazu gehörten die Resultate des ersten Teils der CASSIOPEIA-Studie, vorgestellt von Prof. Philippe Moreau, Nantes/Frankreich.
Studie CASSIOPEIA mit Daratumumab in zwei Teilen
Für den ersten Teil dieser Phase-III-Studie (1) wurden neu diagnostizierte, zur Transplantation geeignete Myelompatienten unter 65 Jahren entweder zur Kombination aus Daratumumab plus Bortezomib/Thalidomid/Dexamethason (D-VTd) oder zu Bortezomib/Thalidomid/Dexamethason (VTd) randomisiert. Zum Hintergrund der Studie erklärte Prof. Moreau: «In vielen Ländern gehört VTd vor und nach einer autologen Stammzelltransplantation zu den Standardtherapien für neu diagnostizierte, transplantierbare Patienten. Bisher liegen uns jedoch keine Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Daratumumab im Kontext einer Transplantation vor.» Aus diesem Grund wird Daratumumab I im ersten Teil der Studie sowohl als In-
duktionstherapie (vier 28-tägige Zyklen) als auch als Konsolidierung (zwei 28-tägige Zyklen) nach der autologen Stammzelltransplantation (ASCT) eingesetzt. Patienten, die nach der Konsolidierung mindestens ein partielles Ansprechen (PR) erreicht haben, werden dann I für den zweiten Teil der Studie im Verhältnis 1:1 zu einer Erhaltungstherapie mit Daratumumab (16 mg i.v. alle 8 Wochen) für maximal 2 Jahre respektive zur Beobachtung randomisiert.
Der primäre Endpunkt der Studie ist ein stringentes komplettes Ansprechen (sCR) nach der Konsolidierung. Zu den sekundären Endpunkten gehören die Rate an Minima-Residual-Disease-(MRD-)negativen Patienten (Flow-Zytometrie, 10–5), die Rate an Patienten mit ≥ CR, das progressionsfreie Überleben (PFS) sowie das Gesamtüberleben (OS) ab der ersten Randomisierung.
Risiko für Progress oder Tod um 53% reduziert «In weniger als 2 Jahren konnten wir 1085 Patienten in die Studie einschliessen», so Prof. Moreau weiter. Die Ausgangskriterien in den beiden Studienarmen waren ausgeglichen. «15% der Patienten wiesen zum Zeitpunkt der Diagnose eine Hochrisikozytogenetik auf», betonte er. Diese war definiert als del17p oder t(4;14). Nach einem medianen Follow-up von 18,8 Monaten zeigte sich, dass 90% der Patienten des D-VTd-Arms und 89% der Patienten des Vergleichsarms transplantiert werden konnten. «85% der Patienten im D-VTd-Arm und 81% der Patienten im VTd-Arm konnten sowohl Induktion als auch Transplantation und Konsolidierung abschliessen. Dies reflektiert die hohe Machbarkeit dieser Strategie», ergänzte Moreau. Nach der Konsolidierung lag der Anteil an Patienten mit ≥ CR im D-VTd-Arm bei 39% und im VTd-Arm bei 26%. Insgesamt hatten 29% der Patienten im Daratumumab-haltigen Arm ein sCR erreicht, während dies im Vergleichsarm auf 20% der Patienten zutraf (Odds Ratio 1,60; 95%-KI: 1,21–2,12; p = 0,001). «Die Beigabe von Daratumumab zu VTd verbes-
serte also die Tiefe des Ansprechens», kommentierte Prof. Moreau und merkte an: «Eine sCR-Rate von 29% mag im Transplantationssetting als nicht sehr hoch erscheinen. Jedoch haben wir eine sehr strikte Definition für das Vorliegen eines stringenten kompletten Ansprechens angewendet.» Die Überlegenheit von D-VTd versus VTd blieb auch in den meisten Subgruppen erhalten, mit Ausnahme der Gruppe der Patienten mit Hochrisikozytogenetik und der Gruppe der Patienten mit ISS-Krankheitsstadium III. Weiter zeigte sich, dass im D-VTdArm signifikant mehr Patienten MRD-negativ waren als im Vergleichsarm (64% vs. 44%, p < 0,0001). Dieser Vorteil blieb in allen Subgruppen erhalten. Nach 18 Monaten betrug das PFS ab der ersten Randomisierung unter D-VTd 93% und unter VTd 85%, was einer Reduktion des Risikos von 53% für Progress oder Tod entspricht (Hazard Ratio [HR] 0,47; 95%-KI: 0,33–0,67; p < 0,0001). «Man könnte einwenden, dass dieses Resultat durch die zweite Randomisierung beeinflusst wird», so Moreau. «Dies trifft jedoch nicht zu, da das mediane Follow-up noch kurz ist und erst wenige Patienten eine Erhaltungstherapie erhalten haben. Zudem haben wir eine entsprechende statistische Methode eingesetzt, um den Einfluss der zweiten Randomisierung zu berücksichtigen.» Der Vorteil bezüglich PFS bei Zugabe von Daratumumab blieb in allen Subgruppen erhalten. Für eine Analyse des OS waren die Daten noch nicht reif genug. Prof. Moreau meinte dazu jedoch: «Trotzdem lässt sich ein Trend für ein besseres Überleben im D-VTd-Arm erkennen. Zudem liegt die Überlebensrate in diesem Arm nach 2 Jahren bei 97%. Das entspricht dem besten bisher im Transplantationssetting erreichten Resultat.» Insgesamt gutes Verträglichkeitsprofil Die Raten nicht hämatologischer Nebenwirkungen (alle Grade sowie Grad 3/4) waren in beiden Behandlungsarmen vergleichbar. Hämatologische Nebenwir- 20 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019 EHA 2019 Annual Meeting of the European Hematology Association, Amsterdam, 13. bis 16. Juni 2019 kungen traten erwartungsgemäss im daratumumabhaltigen Arm häufiger auf, mit einer höheren Rate an Grad-3- bis -4Neutropenien (28% vs. 15%) und Lymphopenien (17% vs. 10%). «Jedoch waren die Raten schwerer Infektionen in beiden Armen mit 22 beziehungsweise 20% praktisch identisch», betonte der Redner und fasste schliesslich zusammen: «Die Behandlung mit D-VTd führte zu einem robusten Benefit für die Patienten, der sowohl statistisch signifikant als auch klinisch von Bedeutung ist. Diese Daten unterstützen deshalb den Einsatz von DVTd als neue Standardtherapie bei neu diagnostizierten, transplantierbaren Myelompatienten.» Die vorgestellten Resultate wurden kurz vor dem Kongress im «Lancet» publiziert (2). Studie ICARIA-MM mit Isatuximab bei rezidivierten/ refraktären Patienten Für Patienten mit einem rezidivierten/refraktären multiplen Myelom (RRMM) besteht weiterhin Bedarf an neuen Behandlungsoptionen. Prof. Paul Richardson, Boston/USA, präsentierte in diesem Zusammenhang die Resultate der ICARIAMM-Studie (3). Es handelt sich um die erste randomisierte Phase-III-Studie, die mit einem Anti-CD38-Antikörper (Isatuximab, Isa) in Kombination mit Pomalidomid (P) und Dexamethason (d) bei RRMM durchgeführt wurde. Ziel der Studie war es, eine Verbesserung im PFS gegenüber Pd zu zeigen. Dafür wurden 307 Patienten mit mindestens 2 Vortherapien (einschliesslich Lenalidomid und eines ProteasomInhibitors, aber therapienaiv gegenüber Pomalidomid), die gegenüber ihrer letzten Therapie refraktär waren, zu Isa-Pd oder Pd randomisiert. Die Patienten im Isa-Pd-Arm (n = 154) erhielten in den ersten 4 Wochen wöchentlich 10 mg/kg Isa i.v., danach alle 2 Wochen. Pomalidomid wurde in der Dosierung von 4 mg p.o. an den Tagen 1 bis 21 eines 28-tägigen Zyklus und Dexamethason in der Dosierung von 40 mg (bzw. 20 mg falls > 75 Jahre) p.o. oder i.v. wöchentlich bis zum Progress oder bis zur inakzeptablen Toxizität gegeben.
Stark vorbehandelte Patienten eingeschlossen Das mediane Alter der eingeschlossenen Patienten betrug 67 Jahre. «Der älteste eingeschlossene Patienten war 86», ergänzte Prof. Richardson. Knapp 11% der Patienten wiesen in ihrer Anamnese eine COPD oder Asthma auf. «Ausserdem lag bei einer beträchtlichen Anzahl der Patienten eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion vor», so der Redner. Knapp 20% der Patienten wiesen eine Hochrisikozytogenetik auf. Median hatten die Studienteilnehmer 3 Vortherapien erhalten, bei einer Spannbreite von 2 bis 11 Vortherapien. «In der Isa-Pd-Gruppe waren 93,5% der Patienten gegenüber Lenalidomid refraktär, und 73,4% waren doppelt refraktär», ergänzte Prof. Richardson.
Signifikanter und klinisch relevanter Vorteil für Isa-Pd Nach einem medianen Follow-up von 11,6 Monaten stellte das unabhängige Review-Komitee (IRC) für den Isa-Pd-Arm ein medianes PFS von 11,5 Monaten gegenüber 6,5 Monaten im Pd-Arm fest (HR: 0,596; p = 0,001). «Ein positiver und konsistenter Effekt auf das PFS liess sich in allen Subgruppen nachweisen, auch bei Patienten mit hohem zytogenetischem Risiko und bei denjenigen, die in der letzten vorangegangenen Therapielinie Lenalidomid erhalten hatten und darauf refraktär waren», so Prof. Richardson. Bei Patienten, die mehr als 3 Vortherapien erhalten hatten, führte Isa-Pd gegenüber Pd zu einem signifikant besseren medianen PFS (9,4 Monate vs. 4,3 Monate, HR: 0,59; 95%-KI: 0,38–0,98; p = 0,0375). Mit 60,4% (vs. 35,3%) lag auch die Gesamtansprechrate (ORR) unter Isa-Pd signifikant höher als unter Pd (p < 0,0001). Eine MRD-Negativität liess sich bei 5,2% der Patienten unter Isa-Pd und bei keinem der Patienten im Vergleichsarm nachweisen (NGS, 10–5). Hinsichtlich OS waren die Daten zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht reif genug. Es zeigte sich jedoch ein Trend zu einem verbesserten Überleben unter IsaPd vs. Pd (HR: 0,687; 95%-KI: 0,461–1,023; p = 0,0631), mit einer 1-Jahres-OS-Rate von 72% unter Isa-Pd (vs. 63% unter Pd). Die mediane Zeit bis zur nächsten Thera-
pie ist im Isa-Pd-Arm noch nicht erreicht (vs. 9,1 Monate unter Pd). Die Evaluation der Nierenfunktion ergab ausserdem, dass Isa-Pd, verglichen mit Pd, bei einer grösseren Anzahl der Patienten zu einem kompletten und anhaltenden renalen Ansprechen führte.
Lebensqualität erhalten
Nebenwirkungen ≥ Grad 3 wurden bei 86,8% der Patienten unter Isa-Pd und bei 70,5% unter Pd registriert. Zu einem nebenwirkungsbedingten Abbruch der Therapie kam es bei 7,2% der Isa-Pd-Patienten und bei 12,8% der Pd-Patienten. «Trotz der höheren Rate an Nebenwirkungen kam es in der Isa-Pd-Gruppe demnach nicht zu mehr Therapieabbrüchen als in der Vergleichsgruppe», veranschaulichte Prof. Richardson. Insgesamt zeige Isa-Pd ein kontrollierbares Nebenwirkungsprofil, fand er. Zum Schluss kam Prof. Richardson auf die Lebensqualität der Patienten während der Behandlung zu sprechen. «Hier zeigte sich für beide Gruppen eine ver-
Auf einen Blick
I Im ersten Teil der Phase-III-Studie CASSIOPEIA erhielten neu diagnostizierte, transplantierbare Myelompatienten als Induktion und Konsolidierung entweder Daratumumab plus Bortezomib/Thalidomid/Dexamethason (D-VTd) oder VTd (1, 2).
I D-VTd führte zu höheren Ansprechraten, einschliesslich höherer Raten eines stringenten kompletten Ansprechens, einer höheren Anzahl an MRD-negativen Patienten und zu einer Reduktion des Risikos von 53% für Progress oder Tod.
I Diese Daten unterstützen deshalb den Einsatz von D-VTd als neue Standardtherapie bei neu diagnostizierten, transplantierbaren Myelompatienten.
I In der Studie ICARIA-MM wurde bei rezidivierten/refraktären Myelompatienten (RRMM) Isatuximab plus Pomalidomid und Dexamethason (Isa-Pd) mit Pd verglichen (3).
I Isa-Pd führte dabei im Vergleich zu Pd zu einem signifikant besseren PFS, einer signifikant besseren ORR sowie einer signifikant längeren Zeit bis zur nächsten Behandlung.
I Die Nebenwirkungen erwiesen sich als kontrollierbar, und die Lebensqualität der Patienten blieb erhalten.
I Damit stellt Isa-Pd eine neue wichtige Option im Management von RRMM-Patienten dar.
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gleichbare Lebensqualität, die auch über die Zeit erhalten blieb.» Er fasste schliesslich zusammen: «ICARIA-MM stellt die erste randomisierte Phase-III-Studie dar, die für die Zugabe eines Antikörpers zu Pd bei Patienten mit einem rezidivierten/refraktären Myelom einen signifikanten PFS-Benefit zeigen konnte. Das in der Isa-Pd-Gruppe er-
reichte PFS ist das längste bisher in die-
ser Patientenpopulation beobachtete
PFS. Damit stellt diese Kombination eine
neue wichtige Option im Management
von RRMM-Patienten dar.»
I
Therese Schwender
Referenzen: 1. Moreau P et al.: Phase 3 randomized study of daratumumab + Bortezomib/Thalidomide/Dexamethasone (D-VTd) versus VTd
in transplant-eligible newly diagnosed multiple myeloma: part 1 CASSIOPEIA results. EHA 2019, Abstract #S145. 2. Moreau P et al.: Bortezomib, thalidomide, and dexamethasone with or without daratumumab before and after autologous stem-cell transplantation for newly diagnosed multiple myeloma (CASSIOPEIA): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet. 2019 Jun 3. pii: S0140-6736(19)31240-1. [Epub ahead of print]. 3. Attal M et al.: A Phase 3 Randomized, Open-Label, Multicentre Study of Isatuximab, Pomalidomide, and Low-Dose Dexamethasone vs Pomalidomide and Low-Dose Dexamethasone in Relapsed/Refractory Multiple Myeloma (RRMM). EHA 2019, Abstract #S824.
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