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SOHC 2019
2nd Swiss Oncology & Hematology Congress, Zürich, 26. bis 28. Juni 2019
Erhaltungstherapie des Ovarialkarzinoms
PARP-Inhibitoren gewinnen an Bedeutung in der Erhaltungstherapie
Um Frauen mit unheilbarem Ovarialkarzinom ein möglichst langes und beschwerde- der klinischen Entscheidungsfindung in
freies Leben zu ermöglichen, ist eine Erhaltungstherapie unumgänglich – darüber sind sich Prof. Cristiana Sessa, Istituto Oncologico della Svizzera Italiana (IOS), Bellinzona, PD Dr. Christian Kurzeder, Gynäkologisches Tumorzentrum, Univer-
den Hintergrund gerückt, so Kurzeder. Eine weitere «mutige» Studie sei zudem die laufende Phase-III-PRIMA-Studie (Clinical Trials.gov. NCT02655016). Diese
sitätsspital Basel, und Prof. Jalid Sehouli, Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für untersucht die Wirksamkeit von Nirapa-
onkologische Chirurgie, Charité Berlin, einig. Am diesjährigen SOHC diskutierten
rib als Erstlinien-Erhaltungstherapie nach
sie in diesem Zusammenhang die zunehmende Bedeutung von PARP-Inhibitoren.
platinbasierter Chemotherapie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarial-
karzinom, die zu einem grossen Teil
Etwa 80% der an einem Ovarialkarzinom Rahmen eines Tesaro-Lunchsymposiums keine BRCA-Mutation aufweisen. Mittler-
im Stadium II–IV erkrankten Frauen erlei- deshalb die randomisierte, doppel- weile wurde der primäre Studienend-
den ein Rezidiv (1). Ob es so weit kommt, blinde, plazebokontrollierte Phase-III- punkt einer signifikanten Verbesserung
hängt stark davon ab, ob die Tumorlast Studie ENGOT-OV16/NOVA, in der von des PFS unabhängig vom Biomarkersta-
nach der primären Therapie einen be- den 553 eingeschlossenen Patientinnen tus der Frauen erreicht (5).
stimmten Schwellenwert überschreitet. mit Platin-sensitivem (Krankheitsprogres- Bei BRCA-mutiertem, fortgeschrittenem
Das Ziel der Erhaltungstherapie ist des- sion > 6 Monate nach der letzten Be- Ovarialkarzinom konnte zuvor bereits in
halb, die Tumorlast möglichst gering zu handlung) Ovarialkarzinom, Eileiterkarzi- der Phase-III-Studie SOLO-1 ein verlän-
halten und so die Zeitdauer bis zur Pro- nom oder primärem Peritonealkarzinom gertes PFS unter Olaparib im Vergleich
gression zu verlängern. Dabei gilt es, po- mit überwiegend hochgradig seröser zu Plazebo in der Erstlinien-Erhal-
tenziell negative Effekte der Behandlung Histologie nur gut ein Drittel (203 Frauen) tungstherapie nach platinbasierter Che-
auf die Lebensqualität zu minimieren. Als eine BRCA-Keimbahnmutation hatten. In motherapie beobachtet werden (6).
äusserst wirksame, spezifische und gut dieser Studie verlängerte der PARP-Inhi-
verträgliche Option in der Erhaltungstherapie ist die Familie der PARP-Inhibitoren auf dem Vormarsch. Um hier bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, ist ein perso-
bitor Niraparib das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant – und zwar unabhängig vom BRCA-Mutationsstatus (siehe Tabelle) (2). Eine Analyse weiterer
Individuelle Dosisanpassungen
verbessern die Verträglichkeit
bei gleicher Wirksamkeit Aufgrund der meist langen Krankheits-
nalisiertes Therapiemanagement essen- genetischer Untergruppen ergab, dass geschichte der Patientinnen ist laut Se-
ziell.
sogar Patientinnen ohne Defizienz der houli ein gutes Nebenwirkungsmanage-
homologen Rekombination (HRD-nega- ment während der Erhaltungstherapie
PARP-Inhibitor-Einsatz unabhängig
vom BRCA-Mutationsstatus Die beiden PARP-Inhibitoren Niraparib
tiv), die allgemein für das schlechteste Therapieansprechen bekannt sind, unter Niraparib eine Verlängerung des PFS er-
wichtig. Entscheidend für die Patientinnen seien hier vor allem nicht hämatologische Nebenwirkungen wie beispiels-
und Olaparib können das progressions- reichten (2). Im Licht dieser Studien- weise Nausea. Dass diese nicht immer in
freie Überleben (PFS) bei platinsensiti- ergebnisse sei die genetische Testung bei den Griff zu kriegen seien, darauf müsse
vem, rezidiviertem Ovarialkarzinom nach-
weislich signifikant verlängern (2, 3). Dass
die Wahrscheinlichkeit, von einer Olapa-
rib-Behandlung profitieren zu können,
bei Vorhandensein einer BRCA-Mutation
am höchsten ist, suggerierte eine retro-
spektive, vorgeplante Analyse der ran-
domisierten, doppelblinden, plazebo-
kontrollierten Phase-II-Studie Study 19
mit 265 Patientinnen mit platinsensiti-
vem, rezidiviertem, hochgradig serösem
Ovarialkarzinom und mindestens zwei
vorgängigen platinbasierten Behandlungslinien und Ansprechen auf die letzte platinbasierte Behandlung (4).
Tabelle: Medianes progressionsfreies Überleben unter Niraparib im Vergleich zu Plazebo. gBRCA: BRCA-Keimbahnmutation; non-gBRCA: keine BRCA-Keimbahnmutation; HRD: Defizienz der homologen Rekombination; sBRCA: somatische BRCA-Mutation; BRCA wt: Wildtyp-BRCA. Zeitangaben in Monaten
Als «mutig» bezeichnete Kurzeder im (adapt. nach [2]).
28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019
SOHC 2019
2nd Swiss Oncology & Hematology Congress, Zürich, 26. bis 28. Juni 2019
man die Patientin zu Beginn einer Therapie vorbereiten. Dies könne zu einer besseren Akzeptanz beitragen. Hämatologische Nebenwirkungen einer Niraparib-Behandlung können hingegen durch Dosisanpassungen gut gehandhabt werden. Laut Sehouli könne zum Beispiel eine Thrombozytopenie vierten Grades, die klinisch relevant sein könnte, fast eliminiert werden. In der ENGOT-OV16/NOVA Studie trat eine Thrombozytopenie dritten oder vierten Grades meist nur zu Beginn der Therapie auf (mediane Zeit zum Ausbruch: 23 Tage) und war durch individuelle Dosisanpassungen gut handhabbar (mediane Zeit zur Auflösung: 10 Tage), ohne dabei dem positiven Effekt auf PFS und Gesamtüberleben (OS) entgegenzuwirken (2, 7). Als Prädiktoren für die Entwicklung einer Thrombozytopenie dritten/ vierten Grades wurden ein Körpergewicht < 77 kg und eine Thrombozytenzahl < 150 000 /μl identifiziert (7). Diese Beob- achtungen haben dazu geführt, dass Swissmedic eine individuell angepasste Startdosierung für Niraparib empfiehlt (täglich 200 mg, bei ≥ 77 kg und einer Thrombozytenzahl ≥ 150 000/µl: täglich 300 mg) (8). Die aussergewöhnlich gute Bioverfügbarkeit von Niraparib ermögliche Dosisreduktionen, ohne dass man einen Wirkverlust befürchten müsse, schlussfolgerten Sehouli und Sessa. Die Zukunft der PARP-Inhibitoren In einem abschliessenden Ausblick auf die Therapieentwicklungen betonte Sessa, dass die richtige Sequenz und die Kombination verschiedener Behandlungen hier entscheidend für das Outcome seien. Um das grosse Potenzial der PARP-Inhibitoren diesbezüglich zukünftig voll ausnutzen zu können, untersuchen aktuelle Studien ihren Einsatz unter anderem in Kombination mit Angiogenesehemmern und Immuntherapie. Die ersten Ergebnisse lassen auf eine vielver- sprechende Zukunft der PARP-Inhibito- ren in der Erhaltungstherapie bei Ovari- alkarzinom hoffen. I Jennifer Keim Referenzen: 1. Hanker LC et al.: The impact of second to sixth line therapy on survival of relapsed ovarian cancer after primary taxane/platinum-based therapy. Ann Oncol 2012; 23(10): 2605–2612. 2. Mirza MR et al.: Niraparib maintenance therapy in platinumsensitive, recurrent ovarian cancer. N Engl J Med 2016; 375(22): 2154–2164. 3. Ledermann J et al.: Olaparib maintenance therapy in platinum-sensitive relapsed ovarian cancer. N Engl J Med 2012; 366(15): 1382–1392. 4. Ledermann J et al.: Olaparib maintenance therapy in patients with platinum-sensitive relapsed serous ovarian cancer: a preplanned retrospective analysis of outcomes by BRCA status in a randomised phase 2 trial. Lancet Oncol 2014; 15(8): 852–861. 5. Pressemitteilung: GSK announces positive headline results in Phase 3 PRIMA study of ZEJULA (niraparib) for patients with ovarian cancer in the first line maintenance setting. 15. Juli, 2019. 6. Moore K et al.: Maintenance olaparib in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer. N Engl J Med 2018; 379(26): 2495–2505. 7. Berek JS et al.: Safety and dose modification for patients receiving niraparib. Ann Oncol 2018; 29(8): 1784–1792. 8. www.swissmedicinfo.ch SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019 29