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EHA 2019
Annual Meeting of the European Hematology Association, Amsterdam, 13. bis 16. Juni 2019
Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
Kombination Venetoclax-Obinutuzumab zeigt überlegene Wirksamkeit
Grosse Beachtung fanden am EHA-Kongress die Resultate der CLL14-Studie, welche bei älteren Patienten mit Komorbiditäten die zeitlich befristete Erstlinientherapie mit Venetoclax und Obinutuzumab im Vergleich zu Chlorambucil-Obinutuzumab untersuchte. In verschiedenen Endpunkten erwies sich die neue Kombination als überlegen. Sehr interessant war ferner die RESONATE-2-Studie mit Ibrutinib, welche das bisher längste Follow-up einer BTK-Inhibitor-Erstlinientherapie mit deutlichen Überlebensvorteilen zeigte.
«Wie wir alle wissen, ist der Grossteil der CLL-Patienten über 70 Jahre alt und weist klinisch relevante Komorbiditäten auf», eröffnete Dr. med. Kerstin Fischer, Köln, die Präsentation der Resultate der CLL14-Studie (1). Sie erinnerte auch daran, dass solche «unfitten» Patienten in der Regel mit einer zeitlich begrenzten Chemoimmuntherapie oder einer kontinuierlichen, zeitlich unbefristeten gezielten Therapie behandelt werden. «Die CLL14-Studie haben wir gestartet, um eine gezielte Therapie mit einer fixen Dauer zu untersuchen. Insbesondere wollten wir dabei anstelle eine Chemotherapie Venetoclax einsetzen, da präklinische Modelle einen eindrücklichen additiven Effekt gezeigt hatten, wenn Obinutuzumab mit Venetoclax kombiniert wird», ergänzte Dr. Fischer.
CLL14-Studie: Venetoclax-Obinutuzumab vs. Chlorambucil-Obinutuzumab
Im Rahmen der Phase-III-Studie erhielten bisher unbehandelte CLL-Patienten mit Komorbiditäten (Score auf der Cumulative Illness Rating Scale [CIRS] ≥ 6 oder Creatinin-Clearance [CrCl] < 70 ml/min) entweder 6 Zyklen Venetoclax-Obinutuzumab und danach 6 Zyklen VenetoclaxMonotherapie oder 6 Zyklen Chlorambucil-Obinutuzumab und danach 6 Zyklen einer Chlorambucil-Monotherapie. Die Studie erlaubte keinen Cross-over. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS, investigator-assessed). Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Ansprechrate, die minimale Residualerkrankung (MRD) und das Gesamtüberleben (OS).
Die Intention-to-Treat-(ITT-)Population umfasste schliesslich pro Studienarm 216 Patienten in einem medianen Alter von 72 (Venetoclax-Obinutuzumab) beziehungsweise 71 Jahren (Chlorambucil-Obinutuzumab). Der mediane CIRS-Score lag bei 9 respektive 8 und die mediane CrCl bei 65,2 ml/min respektive 67,5 ml/min. «Rund 60% der Patienten waren nicht IGHV-mutiert, 12% wiesen eine PT53-Deletion und/oder -Mutation auf und rund 8% eine Deletion 17p», so Fischer zu den Patientencharakteristiken.
Signifikant besseres PFS Bei einem medianen Follow-up von 28 Monaten lag sowohl die Gesamtansprechrate (ORR) als auch die Rate an Patienten mit komplettem Ansprechen (CR) im Studienarm signifikant höher als unter Chlorambucil-Obinutuzumab (ORR: 85% vs. 71%; p = 0,0007. CR: 50% vs. 23%; p < 0,0001). Ausserdem erreichte Venetoclax-Obinutuzumab auch ein signifikant besseres PFS als Chlorambucil-Obinutuzumab (HR: 0,35; 95-KI: 0,23–0,53; p < 0,001). «In beiden Gruppen ist das mediane PFS noch nicht erreicht», betonte Dr. Fischer. Das 2-Jahres-PFS betrug 88% im Venetoclax-ObinutuzumabArm und 64% im Vergleichsarm. Die Rednerin ergänzte: «Interessanterweise zeigte sich der PFS-Benefit von Venetoclax und Obinutuzumab auch in allen relevanten Subgruppen.» Hinsichtlich OS konnte bisher kein Unterschied festgestellt werden. «Allerdings ist das Follow-up ja noch kurz. Es könnte also einfach noch zu früh sein, um einen Unterschied erkennen zu können», meinte Dr. Fischer.
Signifikant mehr MRD-negative Patienten Im Weiteren erwiesen sich in der Gruppe mit Venetoclax-Obinutuzumab sowohl im Blut als auch im Knochenmark signifikant mehr Patienten als MRD-negativ als im Vergleichsarm (Tabelle). «Bei den meisten mit Venetoclax und Obinutuzumab behandelten Patienten blieb die MRDNegativität auch nach Abschluss der Behandlung erhalten», so Dr. Fischer. Eine zusätzliche Bestimmung der Rate MRDnegativern Patienten mittels Next-Generation-Sequencing (10–6 im Blut 3 Monate nach Therapieabschluss) ergab einen Anteil von 42% im Venetoclax-Obinutuzumab-Arm im Vergleich zu 7% unter Chlorambucil-Obinutuzumab. Zu den in der Studie aufgetretenen Nebenwirkungen sagte Dr. Fischer: «Die toxischen Effekte wiesen in beiden Therapiearmen einen ähnlichen Schweregrad auf. Als häufigste Nebenwirkung vom Grad 3 oder 4 wurde eine Neutropenie beobachtet. Ein Tumorlysesyndrom trat nur sehr selten auf.» Die Rate an Nebenwirkungen vom Grad 5 war im Venetoclax-Arm höher als im Vergleichsarm (8% vs. 4%, nicht signifikante Differenz). Abschliessend meinte Dr. Fischer: «Der zeitlich begrenzte Einsatz der Kombination aus Venetoclax und Obinutuzumab kann bei älteren CLL-Patienten mit Komorbiditäten als sicher angesehen werden. Im Vergleich zu ChlorambucilObinutuzumab erreichen wir damit überlegene Resultate hinsichtlich Ansprechen und progressionsfreien Überlebens – auch in relevanten Subgruppen. Obwohl es sich um eine zeitlich befristete Therapie handelte, führte sie zur bisher höchsten Rate einer MRD-Negativität, die in einer randomisierten, prospektiven Studie beobachtet werden konnte.»
RESONATE-2-Studie mit Ibrutinib
In Amsterdam wurden im Weiteren Langzeitdaten zum Brutons-Tyrosinkinase(BTK-)Hemmer Ibrutinib vorgestellt (2). «Weil Ibrutinib als kontinuierliche Thera-
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Tabelle:
Minimale Residualerkrankung (< 10–4, mittels ASO-PCR 3 Monate nach Therapieabschluss) (1)
Anzahl Patienten Blut
I MRD-negativ I MRD-negativ in komplettem Ansprechen Knochenmark I MRD-negativ I MRD-negativ in komplettem Ansprechen
VenetoclaxObinutuzumab 216
ChlorambucilObinutuzumab 216
p-Wert
76% 35% < 0,001 42% 14% < 0,001
57% 17% < 0,001 34% 11% < 0,001
pie gegeben wird, ist es von entscheidender Bedeutung, Langzeitdaten zu seiner Wirksamkeit und Sicherheit zu sammeln», meinte Dr. med. Alessandra Tedeschi, Mailand (I). Die präsentierten Resultate beziehen sich auf die RESONATE-2-Studie. Darin wurden ältere Patienten (≥ 65 Jahre, ohne del17p) mit einer bisher unbehandelten CLL oder einem kleinzelligen lymphozytischen Lymphom (SLL) entweder zu Ibrutinib (420 mg pro Tag, kontinuierlich bis zum Progress oder inakzeptabler Toxizität) oder zu Chlorambucil (0,5–0,8 mg/kg an den Tagen 1 und 15 eines 28-tägigen Zyklus, für bis zu 12 Zyklen) randomisiert. Zu den Endpunkten der Studie gehörten das PFS, das OS, die ORR und die Sicherheit.
Längstes Follow-up einer BTK-Inhibitor-Erstlinientherapie Die neueste Analyse umfasst ein medianes Follow-up von bis zu 5,5 Jahren (0,7 bis 66 Monate). Insgesamt 58% der ursprünglich zu Ibrutinib randomisierten Patienten (n = 136) wurden weiterhin mit Ibrutinib behandelt. Der häufigste Grund für einen Therapieabbruch waren Nebenwirkungen (21%). Allerdings: «Nur bei 8 Patienten unter Ibrutinib, dies entspricht 6%, kam es während der Therapie zu einem Progress», ergänzte Dr. Tedeschi. Hinsichtlich PFS zeigte die Analyse einen anhal-
tenden Vorteil von Ibrutinib gegenüber Chlorambucil. Das geschätzte PFS nach 60 Monaten lag bei 70% für Ibrutinib und bei 12% für Chlorambucil (HR: 0,146; 95%-KI: 0,098–0,218). Der PFS-Vorteil von Ibrutinib gegenüber Chlorambucil blieb unabhängig von Alter, Geschlecht, ECOG-PS-Status, RAI-Stadium und Tumorbulk erhalten. Auch Hochrisikopatienten (TP53-Mutation, del(11q)- und/ oder IGHV-unmutiert) profitierten vom BTK-Inhibitor.
Geschätztes 5-Jahres-OS bei 83% (vs. 68%) Die ORR, einschliesslich eines partiellen Ansprechens mit Lymphozytose, betrug 92%. Die Rate eines kompletten Ansprechens (CR/CRi) stieg im Lauf der Zeit bis auf 30% an. «In der primären Analyse, nach 18 Monaten, hatte sie noch 10% betragen», rief die Rednerin in Erinnerung. Und schliesslich blieb auch der Vorteil hinsichtlich OS erhalten. Das geschätzte 5-Jahres-OS lag unter Ibrutinib bei 83%, im Vergleich zu 68% unter Chlorambucil (HR: 0,450; 95%-KI: 0,266–0,761). Unter Behandlung mit Ibrutinib wurden als häufigste Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 registriert: Neutropenie (13%), Pneumonie (12%), Hypertonie (8%), Anämie (7%), Hyponatriämie (6%), Vorhofflimmern und Katarakt (je 5%). Die Rate der meisten Ereignisse nahm im Laufe der Zeit ab.
«Dieses längste bisher verfügbare Follow-up zu einer BTK-Inhibitor-Erstlinientherapie bei CLL/SLL bestätigt den anhaltenden Nutzen einer Ibrutinib-Monotherapie in Bezug auf PFS und OS, auch bei Patienten mit Hochrisikoprofilen. Bei einem Follow-up von bis zu 66 Monaten blieben mit 58% mehr als die Hälfte der Patienten bei einer kontinuierlichen Therapie mit Ibrutinib. Es zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale», so das Fazit von Dr. Tedeschi.
Phase-I-Studie: Car-T-ZellTherapie bei rezidivierten/ refraktären Patienten
Dr. med. Tanya Siddiqi, Duarte (USA), stellte Resultate der Phase-I-Studie mit Lisocaptagene Maraleucel (Liso-cel) bei rezidivierten/refraktären CLL/SLL-Patienten vor (n = 23) (3). Liso-cel zeigte bei den stark vorbehandelten Patienten (alle hatten Ibrutinib erhalten und über 50% auch Venetoclax) eine vielversprechende klinische Aktivität bei einem handhabbaren Nebenwirkungsprofil. Bei einem medianen Follow-up von 9 Monaten hatte die Behandlung zu einer hohen Rate an anhaltendem Ansprechen geführt (höchste ORR 82% und CR/CRi 46%). Bei 75% der Patienten konnte im Blut keine minimale Residualerkrankung (10–4, Flowzytometrie) mehr nachgewiesen werden (Knochenmark: 65%, mittels NGS). Zurzeit werden Patienten für eine entsprechende Phase-II-Studie rekrutiert. I
Therese Schwender
Referenzen: 1. Fischer K et al.: Fixed-duration Venetoclax plus Obinutuzumab improves progression-free survival and minimal residual disease negativity in patients with previously untreated CLL and comorbidities. EHA 2019, Abstract #S149. 2. Tedeschi A et al.: Five-Year Follow-Up of Patients receiving Ibrutinib for First-Line Treatment of Chronic Lymphocytic Leukemia. EHA 2019, Abstract #S107. 3. Siddiqi T et al.: TRANSCEND CLL 004: minimal residual disease negative responses after lisocabtagene maraleucel (lisocel) in patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia or small lymphocytic lymphoma. EHA 2019, Abstract #S109.
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