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ASCO 2019
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
Fortgeschrittenes Mammakarzinom
Immuntherapie, CDK4/6- und HER2-Inhibitoren mit signifikanten Überlebensvorteilen
Highlight beim Mammakarzinom war die Analyse des Gesamtüberlebens (OS) in der MONALEESA-7-Studie: Erstmals konnte in einer Phase-III-Studie bei prämenopausalen Frauen mit hormonrezeptorpositiven (HR+) Tumoren durch die Zugabe des CDK4/6-Hemmers Ribociclib zur endokrinen Erstlinientherapie eine signifikante Verbesserung des OS erzielt werden. Neue Ergebnisse unter Immuntherapie mit Atezolizumab bei triplenegativem Brustkrebs (TNBC) und unter Neratinib bei HER2-positiven Tumoren versprechen Änderungen der klinischen Praxis.
Bei jüngeren Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom nimmt die Erkrankung oft einen aggressiveren Verlauf. Dennoch seien prämenopausale Frauen in Studien unterrepräsentiert, erklärte die Studienleiterin Prof. Sara Hurvitz, Los Angeles/USA, auf dem diesjährigen ASCO.
MONALEESA-7-Studie mit Ribociclib-Zugabe
Es handelt sich hier um die erste PhaseIII-Studie mit einem CDK4/6-Inhibitor bei ausschliesslich prä-/perimenopausalen Frauen mit HR+/HER2-negativem fortgeschrittenem Mammakarzinom (1, 2). Eingeschlossen wurden 672 Patientinnen im Alter zwischen 28 und 58 Jahren, von denen randomisiert 335 Frauen mit Ribociclib (600 mg/Tag für 3 Wochen, dann 1 Woche Pause) und 337 Patientinnen mit Plazebo jeweils in Kombination mit endokriner Therapie (GnRH-Analogon plus Tamoxifen oder plus Aromatasehemmer Letrozol oder Anastrozol) behandelt wurden. Die Patientinnen durften zuvor keine endokrine Therapie und maximal eine Chemotherapielinie für das metastasierte Stadium erhalten haben. Eine vorherige adjuvante oder neoadjuvante endokrine Therapie hatten rund 40% der Patientinnen, und 14% hatten eine Chemotherapie in der Metastasierung erhalten. Die Analyse des primären Endpunkts PFS, die bereits beim SABCS 2017 vorgestellt und im «Lancet Oncology» publiziert wurde, zeigte nach median 26,4 Monaten Nachbeobachtungszeit einen signifikanten PFS-Vorteil zugunsten von Ribociclib (23,8 vs. 13,0 Monate; HR: 0,55; p < 0,0001) (3, 4).
Neue Analyse nach median 3 Jahren: 30% Risikoreduktion für Tod Die aktuelle Analyse des hierarchisch getesteten sekundären Endpunkts OS erfolgte nach weiteren 15 Monaten (mediane Nachbeobachtungszeit: 34,6 Monate) und basiert auf 192 Todesfällen, 83 im Ribociclib- und 109 im Plazebo-Arm. Die mediane Behandlungsdauer betrug etwa 2 Jahre mit Ribociclib und 1 Jahr mit Plazebo. Zum Zeitpunkt der Analyse standen noch 35% der Patientinnen unter Ribociclib-Therapie. Die Zugabe von Ribociclib senkte das relative Risiko für Tod signifikant um 29% im Vergleich zur alleinigen endokrinen Therapie (HR: 0,71; p = 0,00973), wobei das mediane OS unter Ribociclib noch nicht erreicht war und unter Plazebo bei 40,9 Monaten lag. In einer «Landmarkanalyse» nach 42 Monaten waren im Ribociclib-Arm noch 70,2% (vs. 46,0%) am Leben. Aufgrund der bereits erreichten Signifikanz wird es keine dritte (finale) Analyse mehr geben. Laut Protokoll wäre diese nach 252 Todesfällen vorgesehen gewesen. In der Subgruppe mit Aromatasehemmern als endokrinem Kombinationspartner zeigte sich ein ähnlicher OS-Vorteil wie in der Gesamtkohorte – mit einer 30%igen relativen Risikoreduktion für Tod (HR: 0,699) und 42-Monats-OS-Raten von 69,7% (vs. 43%). Insgesamt schienen alle untersuchten Subgruppen von der Zugabe des CDK4/6-Inhibitors zu profitieren. Allerdings waren die jeweiligen Fallzahlen bei insgesamt 192 Todesfällen zu klein, um eine aussagekräftige Subgruppenanalyse durchführen zu können, so die Studienleiterin.
Weiterer klinisch relevanter sekundärer Endpunkt war die Zeit bis zur nächsten Chemotherapie nach Behandlung mit Ribociclib: Diese war signifikant länger als nach Plazebo («nicht erreicht» vs. 32,3 Monate; HR: 0,596). Das PFS2 (definiert als Zeit zwischen Randomisierung und Progress unter der vom Behandler gewählten Folgetherapie oder Tod) war ebenfalls signifikant länger («nicht erreicht» vs. 32,3 Monate; HR: 0,692). Folgetherapien kamen in balanciertem Verhältnis zum Einsatz, am häufigsten eine alleinige Chemotherapie (etwa 25%), vor alleiniger endokriner Therapie (etwa 21%). Einen weiteren CDK4/6-Inhibitor erhielten im Ribociclib-Arm 10% und im Plazebo-Arm 19% der Patientinnen. Mit längerer Nachbeobachtungszeit wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Der Referent der Studie Dr. Angelo Di Leo, Prato/Italien, wertete aufgrund dieser Ergebnisse die Kombinationstherapie mit Ribociclib in Kombination mit endokriner Therapie als neuen Erstlinienstandard bei prämenopausalen Frauen mit metastasiertem, hormonabhängigem Mammakarzinom.
IMpassion130-Studie: Update zur Immuntherapie mit Atezolizumab
Beim fortgeschrittenen tripelnegativen Brustkrebs (TNBC) wurde mit Spannung die aktualisierte OS-Analyse der IMpassion130-Studie zum Erstlinieneinsatz des PD-L1-Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab in Kombination mit Chemotherapie (nab-Paclitaxel) erwartet (5). In der Phase-III-Studie erhielten 902 TNBC-Patientinnen im metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Stadium eine Chemotherapie mit nab-Paclitaxel und randomisiert zusätzlich entweder Atezolizumab (n = 451) oder Plazebo (n = 451). Beim ESMO-Kongress 2018 konnte bereits in der ersten Zwischenanalyse (medianer Follow-up: 12,9 Monate) für die PD-L1IC-positive Subgruppe (≥ 1% PD-L1-positive Immunzellen; n = 369; 41% der Stu-
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dienpopulation) ein klinisch relevanter OS-Vorteil von 9,5 Monaten zugunsten der Immuntherapie gezeigt werden (medianes OS: 25 vs. 15,5 Monate; HR: 0,62). Die PD-L1-IC-negative Gruppe profitierte dagegen nicht von der zusätzlichen Checkpointblockade. Im aktuellen Update mit weiteren 5,1 Monaten (medianer Follow-up: 18 Monate; 80% der für die Endauswertung geforderten Todesfälle: 255 vs. 279 Ereignisse) betrug der OS-Unterschied in der PD-L1-IC-positiven Gruppe immerhin noch 7 Monate (25 vs. 18 Monate; HR 0,71). Nach 2 Jahren waren noch über die Hälfte der mit Atezolizumab behandelten PD-L1-IC-positiven Patientinnen am Leben (51 vs. 37%). Da sich in der Gesamtkohorte kein signifikanter OS-Vorteil ergab (HR: 0,86; p = 0,077), durfte aufgrund des hierarchischen statistischen Aufbaus in der PD-L1IC-positiven Gruppe keine formale OS-Auswertung durchgeführt werden. Dennoch zeigen die Kaplan-Meier-Kurven der PD-L1-positiven Patientinnen einen klinisch relevanten Unterschied.
OS-Vorteil und weitreichende Lebensqualität werden bestätigt Beim diesjährigen ASCO wurden zur IMpassion130-Studie noch zwei Analysen präsentiert – darunter ein Update zur Sicherheit (medianer Follow-up 15,6 Monate) (6) sowie erstmals eine Auswertung zu den «patient-reported outcomes» (PRO) (7). Die neue Sicherheitsanalyse zeigte keine kumulativen oder neuen bisher unbekannten (bzw. späten) Toxizitäten im Zusammenhang mit der Kombination. Bei den immunvermittelten Nebenwirkungen wurde ein leichter Anstieg von 42 auf 58% beobachtet. Diese waren aber in den meisten Fällen nur vom Grad 1 bis 2 und betrafen vor allem die Haut (Rash: 34 vs. 25%) und die Schilddrüse (Hypothyreoidismus: 18 vs. 5%), seltener Lunge (Pneumonitis: 4 vs. 0%), Leber (Hepatitis: jeweils 2%) oder Darm (Colitis: jeweils 1%). Schwerere behandlungsbedürftige immunvermittelte Nebenwirkungen (Grad 3–4) waren relativ selten und stiegen nur gering von 3 auf 7% an. Für die PRO-Analyse dokumentierten die Patientinnen ihre Lebensqualität mithilfe des Fragebogens EORTC-QLQ-C30 und QLQ-BR23. Die Auswertung zeigte
in beiden Studienarmen keine relevante Verschlechterung der Lebensqualität gegenüber der Baseline. Der signifikante Zugewinn an Lebenszeit durch die Erweiterung der Chemotherapie um Atezolizumab war also nicht mit einer beeinträchtigten Lebensqualität der Patientinnen verbunden. Zusammenfassend war IMpassion130 die erste positive Phase-III-Studie zur Immuntherapie beim metastasierten TNBC und die erste Studie, in der die 2-JahresMarke beim OS in dieser Indikation überschritten wurde. Damit wird sich die Erstlinientherapie mit Atezolizumab plus nab-Paclitaxel nach der Zulassung in Europa schnell zum neuen Standard für diese Patientinnen etablieren, so die Referenten. Es profitieren aber nur Patientinnen mit mindestens 1%iger PD-L1-Expression auf den Immunzellen. Die PD-L1-IC-Testung ist daher essenziell, um diese Population, die etwa 40% aller metastasierten TNBC ausmachen, in der klinischen Praxis zu identifizieren. In den USA erfolgte die FDA-Zulassung bereits im März 2019 bei metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem TNBC; die Zulassung in Europa wird für den Spätsommer 2019 erwartet.
Phase-III-Studie NALA mit Neratinib
Klinisch relevant beim HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom sind die Ergebnisse der Phase-III-Studie NALA , welche Neratinib plus Capecitabin mit dem aktuellen Standard Lapatinib plus Capecitabin bei Patientinnen vergleicht, die bereits zwei oder mehr gegen HER2 gerichtete Therapien erhalten haben (8).
PFS mehr als verdoppelt 621 Patientinnen wurden randomisiert, 307 in den Neratinib-Arm und 314 in den Lapatinib-Arm, wobei auch Patientinnen mit asymptomatischen oder stabilen Hirnmetastasen teilnehmen konnten. Die Therapie mit Neratinib plus Capecitabin zeigte ein signifikant besseres PFS (zentrale Beurteilung) im Vergleich zu Lapatinib plus Capecitabin (HR: 0,76; p = 0,0059) mit PFS-Raten von 29% versus 15% nach 12 Monaten und 16% versus 7% nach 18 Monaten. Zudem zeichnete sich bereits ein Trend zum verbesserten
OS ab (HR: 0,88; p = 0,2086). Ein klinisch interessantes Ergebnis in der Subgruppe mit Hirnmetastasen war, dass insgesamt weniger Patientinnen im Neratinib-Arm eine Intervention bei symptomatischen Hirnmetastasen benötigten als im Lapatinib-Arm (22,8 vs. 29,2%; p = 0,043), was darauf hinweist, dass Neratinib die ZNSKrankheitsprogression verzögern kann. Demnach scheint der irreversible panHER-Inhibitor Neratinib der effektivere HER2-Inhibitor zu sein und dürfte auch eine bessere ZNS-Gängigkeit aufweisen als der reversible duale EGFR/HER2-Inhibitor Lapatinib. Es gab keine neuen Sicherheitssignale. Eine Neratinib-induzierte Diarrhö vom Grad 3 war mit 24% relativ häufig und führte in 2,6% der Fälle zum Therapieabbruch. Neratinib ist zurzeit beim HER2-positiven frühen Mammakarzinom zur erweiterten adjuvanten Therapie nach Trastuzumab in den USA und Europa (EU) zugelassen. Ein Antrag auf Zulassungserweiterung für die metastasierte Situation ist auf Basis dieser Ergebnisse zu erwarten. I
Gerhard Emrich
Auf einen Blick
I Die MONALEESA-7-Studie mit Ribociclib zeigt als erste Phase-III-Studie einen OS-Vorteil für einen CDK4/6-Inhibitor bei prämenopausalen Frauen mit HR-positivem metastasiertem Mammakarzinom.
I Die 2. Analyse des OS der IMpassion130Studie mit Atezolizumab zeigt weiter in der PD-L1-IC-positiven Gruppe einen deutlichen Überlebensvorteil beim metastasierten/lokal fortgeschrittenen TNBC.
I Die NALA-Studie mit Neratinib + Capecitabin verbessert signifikant das PFS gegenüber Lapatinib + Capecitabin bei vorbehandelten Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom. Ein gewisses Problem ist die hohe Rate an Grad-3-Diarrhö.
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55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019 Referenzen: 1. Hurvitz SA et al.: Phase III MONALEESA-7 trial of premenopausal patients with HR+/HER2? advanced breast cancer (ABC) treated with endocrine therapy ± ribociclib: Overall survival (OS) results. ASCO 2019, Abstract # LBA 1008. 2. Im SA et al.: Overall Survival with Ribociclib plus Endocrine Therapy in Breast Cancer. N Engl J Med. 2019 Jun 4. doi: 10.1056/NEJMoa1903765. (Epub ahead of print). 3. Tripathy D et al.: First-line ribociclib vs placebo with goserelin and tamoxifen or a non-steroidal aromatase inhibitor in premenopausal women with hormone receptor-positive, HER2-negative advanced breast cancer: Results from the randomized phase III MONALEESA-7 trial. SABCS 2017, # GS2-05. 4. Tripathy D et al.: Ribociclib plus endocrine therapy for premenopausal women with hormone-receptor-positive, advanced breast cancer (MONALEESA-7): a randomised phase 3 trial. Lancet Oncol. 2018 Jul; 19(7): 904–915. 5. Schmid P et al.: IMpassion130: updated overall survival (OS) from a global, randomized, double-blind, placebo-controlled, Phase III study of atezolizumab (atezo) + nab-paclitaxel (nP) in previously untreated locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer (mTNBC). ASCO 2019,# 1003. 6. Schneeweiss A et al.: IMpassion130: Expanded safety analysis from a P3 study of atezolizumab (A) + nab-paclitaxel (nP) in patients (pts) with treatment (tx)-naïve, locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer (mTNBC). ASCO 2019, Abstract #1068 & poster #149. 7. Adams S et al.: Patient-reported outcomes (PROs) from the phase III IMpassion130 trial of atezolizumab (atezo) plus nabpaclitaxel (nP) in metastatic triple-negative breast cancer (mTNBC). ASCO 2019, Abstract #1067 & poster #148. 8. Saura C et al.: Neratinib + capecitabine versus lapatinib + capecitabine in patients with HER2+ metastatic breast cancer previously treated with ≥ 2 HER2-directed regimens: Findings from the multinational, randomized, phase III NALA trial. ASCO 2019, Abstract #1002.
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