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ASCO 2019
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
Metastasiertes Nierenzellkarzinom (mRCC)
Immunonkologische Kombinationen erobern die Erstlinientherapie
Nach der Ära der Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) haben sich nun auch die Checkpoint-Inhibitoren in der Erstlinientherapie des mRCC etabliert. Beim ASCO-Kongress 2019 standen interessante Updates und Subgruppenanalysen aus den praxisverändernden Immuntherapiestudien der vergangenen Monate im Vordergrund, die ein weiteres «Feintuning» der Therapie ermöglichen, insbesondere bei Intermediär- und Hochrisikopatienten.
Die in Europa inzwischen zugelassene Immunkombination von Nivolumab und Ipilimumab gilt als Erstlinienstandard bei Intermediär- und Hochrisikopatienten (Tabelle). Die Kombination aus Checkpoint-Inhibitor und VEGF-TKI wird voraussichtlich noch in diesem Jahr als weitere Option verfügbar sein.
JAVELIN-Renal-101-Studie mit Avelumab plus Axitinib
Die Phase-III-Studie JAVELIN Renal 101 verglich die Kombination Avelumab (PDL1-Antikörper) plus Axitinib (VEGFR-TKI) gegen Sunitinib in der Erstlinientherapie bei 886 Patienten mit fortgeschrittenem RCC, unter ihnen etwa 80% Intermediärund Hochrisikopatienten. 442 Patienten erhielten die Kombination Avelumab/ Axitinib und 444 Sunitinib. Koprimäre Endpunkte waren PFS und OS in der PD-L1-positiven Gruppe (≥ 1% der Immunzellen), die 63% der gesamten Studienpopulation ausmachte. Die ersten Ergebnisse der Studie wurden am ESMO-Kongress 2018 präsentiert (1): Die Kombination zeigte ein signifikant verbessertes PFS gegenüber Sunitinib sowohl in der PD-L1-positiven Gruppe (13,8 vs. 7,2 Monate; Hazard Ratio [HR]: 0,61; p < 0,0001) als auch in der gesamten Studienpopulation (13,8 vs. 8,4 Monate; HR: 0,69; p = 0,0001). Die Ansprechraten lagen in der PD-L1-positiven Gruppe bei 55% versus 26%, die Rate der Komplettremissionen war mit 4% (vs. 2%) in der PD-L1-positiven Gruppe aber eher enttäuschend. In der gesamten Studienpopulation lag das Ansprechen bei 51% (vs. 26%), mit 3% (vs. 2%) Komplettremissionen. Die Daten zum OS sind noch abzuwarten.
Zwei aussagekräftige Gensignaturen identifiziert JAVELIN Renal 101 ist die erste positive Phase-III-Studie, in der eine CheckpointInhibitor-TKI-Kombination gegen eine TKI-Monotherapie in der Erstlinie beim fortgeschrittenen RCC verglichen wurde. Im Rahmen der Studie wurden verschiedene potenziell prädiktive Biomarker untersucht und nun auf dem ASCO-Kongress 2019 vorgestellt (2): Insbesondere konnten 2 genetische Signaturen, darunter die in der Studie entwickelte 26-Gene-JAVELIN-Renal-101Signatur, identifiziert werden, die das Ansprechen auf eine rein antiangiogene Therapie respektive auf eine Checkpoint-Inhibitor-basierte Therapie vorhersagen können. Patienten mit einer hohen Immun-Gen-Signatur im Tumor zeigten unter der Checkpoint-InhibitorTKI-Kombination ein signifikant längeres PFS als Patienten mit niedriger ImmunGen-Signatur (15,2 vs. 9,8 Monate; HR: 0,60; p = 0,002). Dies konnte anschliessend auch mit einem unabhängigen Datensatz der einarmigen JAVELINRenal-100-Studie verifiziert werden (3). Im Sunitinib-Arm zeigte sich unter Anwendung der Immunsignatur kein Unterschied zwischen Patienten mit hoher oder niedriger Immunsignatur (medianes PFS: 8,3 vs. 9,0 Monate; HR: 0,89; p = 0,40). Es konnte aber auch bestätigt werden, dass Patienten mit hoher gegenüber niedriger Angiogenesesignatur signifikant von einer TKI-Monotherapie mit Sunitinib profitierten. In Bezug auf PD-L1-Status und T-EffektorSignatur zeigte sich, dass Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren besonders gut auf die Checkpoint-Inhibitor-TKI-Kombination ansprachen (medianes PFS:
13,3 Monate), aber schlecht auf die TKIMonotherapie (medianes PFS: 8,2 Monate). Zwischen PD-L1-positiven und PD-L1-negativen Tumoren zeigte sich im Ansprechen auf Avelumab/Axitinib kein signifikanter Unterschied (medianes PFS: 13,3 vs. 12,5 Monate; p = 0,47). Tumoren, die viele CD8-positive Zellen exprimieren, sprachen ebenfalls gut auf die Checkpoint-Inhibitor-TKI-Kombination, aber schlecht auf die TKI-Monotherapie an.
KEYNOTE-426 mit Pembrolizumab und Axitinib
In der Phase-III-Studie KEYNOTE-426 zeigte die Kombinationstherapie mit Pembrolizumab und Axitinib nach einem medianen Follow-up von 12,8 Monaten eine signifikante Verbesserung der 12Monats-OS-Rate (89,9 vs. 78,3%; HR: 0,53; p < 0,0001), des PFS (15,1 vs. 11,1 Monate; HR: 0,69; p < 0,001) und der Ansprechrate (59,3 vs. 35,7%; p < 0,001) gegenüber Sunitinib in der Erstlinientherapie des mRCC. Der Vorteil der Kombination erstreckte sich konsistent über alle IMDC-Risikogruppen und war unabhängig von der PD-L1-Expression. Die Ergebnisse der ersten Zwischenanalyse wurden im Februar dieses Jahres beim ASCO-GU-Kongress in San Francisco vorgestellt (4).
Neue Subgruppenanalysen präsentiert Beim ASCO-Kongress 2019 wurden neue Subgruppenanalysen der Intermediärund Hochrisikopatienten, der Patienten mit sarkomatoiden Tumoren sowie eine Analyse der ITT-Population hinsichtlich der maximalen Tumorgrössenänderung nach RECIST v1.1 gezeigt (5). 592 der 861 Studienpatienten (69%) waren Intermediär- und Hochrisikopatienten nach IMDC-Kriterien, 294 im Pembrolizumab/Axitinib-Arm und 298 im Sunitinib-Arm. Diese Patienten schienen besonders gut von der Checkpoint-Inhibitor-TKI-Kombination zu profitieren: Die Ansprechrate lag bei 55,8% (vs. 29,5%),
8 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019
ASCO 2019
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
Tabelle:
Kurz informiert: IMDC-Risikogruppen beim RCC (adaptiert nach [10])
IMDCRisikofaktoren*
1) KPS < 80% 2) Zeit zwischen Diagnose und
Beginn Systemtherapie < 12 Monate 3) Hämoglobin unterhalb des unteren Normwertes 4) Kalzium (korrigierter Wert) > 2,5 mmol/l (> 10 mg/dl) 5) Neutrophile > Normwert 6) Thrombozyten > Normwert
IMDCRisikogruppen Therapie 0 Risikofaktoren = günstiges Risikoprofil
Medianes OS unter Anti-VEGFTherapie 43,2 Monate
1–2 Risikofaktoren =
22,5 Monate
intermediäres Risikoprofil
3–6 Risikofaktoren =
7,8 Monate
ungünstiges Risikoprofil
OS-Raten nach 2 Jahren 63–81%
40–50%
9–14%
* Jedem Risikofaktor wird ein Punkt gegeben, der IDMC-Score fasst dies zusammen. IMDC = International Metastatic Renal Cell Carcinoma Database Consortium; OS = Overall Survival
mit 4,8 (vs. 0,7%) Komplettremissionen. Nach 12 Monaten betrug das mediane PFS 12,6 gegenüber 8,2 Monaten (HR: 0,67), und die OS-Rate lag bei 87,3 versus 71,3% (HR: 0,52). Die Subgruppe mit sarkomatoiden mRCC umfasste 105 Patienten, 51 im Pembrolizumab/Axitinib-Arm und 54 im Sunitinib-Arm. Auch diese Patienten profitierten signifikant von der CheckpointInhibitor/TKI-Kombi bezüglich OS (HR: 0,58), PFS (HR: 0,54) und Ansprechen (58,8 vs. 31,5%). Besonders beachtlich war hier die hohe Rate an Komplettremissionen (13 vs. 2%). Insgesamt sprachen in der gesamten Studienpopulation (ITT) die Patienten im Pembrolizumab/Axitinib-Arm im Vergleich zum Sunitinib-Arm deutlich besser an im Sinne einer maximalen Verkleinerung der Zielläsionen: Eine Komplettremission erreichten 9% (vs. 3%). Eine Verkleinerung der Zielläsionen um mindestens 30%, 60% und 80% erreichten 77% (vs. 50%), 42% (vs. 16%) und 17% (vs. 6%) der Patienten (verblindete unabhängige zentrale Bewertung).
Sarkomatoides mRCC mit Ipilimumab und Nivolumab
Bei Intermediär- und Hochrisikopatienten mit mRCC gilt derzeit die Kombination aus Nivolumab (PD1-Antikörper) und Ipilimumab (CTLA4-Antikörper) als Erstlinienstandard. In der randomisierten Phase-III-Studie von Motzer (6) reduzierte die Kombination verglichen mit Sunitinib das Sterberisiko signifikant um
37% (p < 0,0001). Die ORR war ebenfalls signifikant verbessert (42 vs. 27%; p < 0,001) – mit einer Rate an Komplettremissionen von 9 versus 1,2% unter Sunitinib. Subgruppenanalyse: signifikant verbessertes Überleben Auch in dieser Studie schienen Intermediär- und Hochrisikopatienten mit sarkomatoiden mRCC, die bekanntlich eine schlechte Prognose haben, besonders gut von der Immunkombination zu profitieren, wie eine als Poster präsentierte Subgruppenanalyse aus der Studie CheckMate-214 zeigte (7). Insgesamt hatten 842 Patienten ein sarkomatoid differenziertes mRCC, unter ihnen 112 Intermediär- und Hochrisikopatienten. Bei ihnen zeigte sich nach einem MindestFollow-up von 30 Monaten unter Ipilimumab/Nivolumab (n = 60) im Vergleich zu Sunitinib (n = 52) ein signifikant verlängertes OS (31,2 vs. 13,6 Monate; HR: 0,55; p < 0,001), PFS (8,4 vs. 4,9 Monate; HR: 0,61; p < 0,001) und Ansprechen (56,7 vs. 19,2%). Bemerkenswert war vor allem die hohe Rate an Komplettremissionen von 18,3% (vs. 0% unter Sunitinib). Die PFS- und OS-Raten betrugen nach 12 Monaten: I PFS: 40% (vs. 18%), OS: 80% (vs. 56%) nach 24 Monaten: I PFS: 0% (vs. 16%), OS: 58% (vs. 35%) nach 30 Monaten: I PFS: 36% (vs. 13%), OS: 53% (vs. 29%). Etwa die Hälfte der sarkomatoiden Tumoren war PD-L1-positiv, fast doppelt so viele wie in der Gesamtpopulation. Dennoch war der OS-Vorteil mit Ipilimumab/Nivolumab vom PD-L1-Status unabhängig. Ipilimumab/Nivolumab bei Hirnmetastasen sicher und aktiv In den meisten klinischen RCC-Studien wurden bisher Patienten mit Hirnmetastasen von der Teilnahme ausgeschlossen. Mit der CheckMate-920-Studie (8) konnte nun erstmals der sichere Einsatz der Kombination Ipilimumab/Nivolumab bei Patienten mit asymptomatischen Hirnmetastasen eines mRCC jeglicher Tumorhistologie gezeigt werden. CheckMate-920 ist eine laufende, offene Phase-III/IV-Studie, in der die Sicherheit und Wirksamkeit der Kombination als Erstlinienbehandlung in 4 verschiedenen mRCC-Kohorten mit hohem Bedarf an neuen effektiven Therapien geprüft werden. Darunter findet sich die genannte Kohorte von 28 Patienten mit Hirnmetastasen und gutem Allgemeinzustand (Karnofsky ≥ 70%), die mit 4 Zyklen Ipilimumab/Nivolumab und anschliessend mit Nivolumab-Erhaltungstherapie bis zur Krankheitsprogression oder inakzeptablen Toxizität oder für maximal 2 Jahre behandelt wurden. Zwischenanalyse mit akzeptierter Toxizität Beim ASCO-Kongress 2019 wurden als Poster die Daten einer Zwischenanalyse mit einem Mindest-Follow-up von 6½ Monaten präsentiert. Das Toxizitätsprofil war akzeptabel und entsprach dem, was bisher bekannt war. Immunmediierte Nebenwirkungen von Grad 3 bis 4 traten bei 6 Patienten auf, jeweils ein Fall von Diarrhö, Kolitis, diabetischer Ketoazidose, immunvermittelter Hepatitis, Hypophysitis und Hautausschlag. Es gab keine Grad-5-Ereignisse. Bei einer objektiven Ansprechrate von 29% lag das mediane PFS bei 9 Monaten, das mediane OS wurde noch nicht erreicht. CARMENA-Studie zu Nephrektomie plus Sunitinib Bekanntlich war im letzten Jahr die französische Phase-III-Studie CARMENA (9) der grosse «game changer» hinsichtlich SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019 9 ASCO 2019 55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019 der zytoreduktiven Nephrektomie beim mRCC. Nachdem sich in dieser Studie eine Nichtunterlegenheit (primärer Endpunkt) – wenn nicht sogar eine Überlegenheit – der alleinigen Therapie mit Sunitinib (n = 224) gegenüber der zytoreduktiven Nephrektomie, danach folgt Sunitinib, (n = 224) gezeigt hat, empfiehlt sich die Nephrektomie, die in den letzten 20 Jahren zur Standardtherapie beim mRCC gehörte, nicht mehr bei Patienten, die eine systemische Therapie benötigen. Dennoch blieb die Frage offen, ob es nicht doch Patienten gibt, insbesondere in der intermediären Risikogruppe, die doch von der Nephrektomie profitieren könnten. Patienten mit intermediärem Risiko profitieren doch Ein Update der Studie (10) zeigte nun, dass Patienten mit intermediärem Risiko (gemäss IMDC- oder MSKCC-Score) mit nur einem Risikofaktor (OS: 31,4 vs. 25,2 Monate; HR: 1,29) sowie Patienten mit reiner Lungenmetastasierung (OS: 44 vs. 31,5 Monate) im Vergleich zur Gesamt- population doch von einer zytoredukti- ven Nephrektomie, danach folgt Suniti- nib, signifikant profitieren können. Patienten, die erst nach Sunitinib-Gabe eine sekundäre zytoreduktive Nephrek- tomie erhalten hatten, hatten ebenfalls ein sehr langes medianes Gesamtüber- leben (48,5 vs. 15,7 Monate ohne OP; HR: 0,34). Damit könnte eine Wait-and-see- Strategie bei Patienten mit gutem An- sprechen auf die systemische Therapie in ausgewählten Fällen eine sinnvolle Stra- tegie sein. I Gerhard Emrich Referenzen: 1. Motzer RJ et al.: JAVELIN Renal 101: A randomized, phase III study of avelumab + axitinib vs sunitinib as first-line treatment of advanced renal cell carcinoma (aRCC). ESMO 2018, Abstract #LBA6_PR. 2. Choueiri TK et al.: Biomarker analyses from JAVELIN Renal 101: Avelumab + axitinib (A+Ax) versus sunitinib (S) in advanced renal cell carcinoma (aRCC). ASCO 2019, Abstract #101. 3. Choueiri TK et al.: Preliminary results for avelumab plus axitinib as first-line therapy in patients with advanced clear-cell renal-cell carcinoma (JAVELIN Renal 100): an open-label, dosefinding and dose-expansion, phase 1b trial. Lancet Oncol. 2018; 19(4): 451–460. 4. Powles T et al.: Pembrolizumab plus axitinib vs sunitinib as first-line therapy for advanced renal cell carcinoma: KEYNOTE426. ASCO-GU 2019; Abstract #543. 5. Rini BI et al.: Pembrolizumab (pembro) plus axitinib (axi) versus sunitinib as first-line therapy for metastatic renal cell carcinoma (mRCC): Outcomes in the combined IMDC intermediate/poor risk and sarcomatoid subgroups of the phase 3 KEYNOTE-426 study. ASCO 2019, Abstract #4500. 6. Motzer RJ et al.: Nivolumab plus Ipilimumab versus Sunitinib in Advanced Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2018; 378(14): 1277–1290. 7. McDermott DF et al.: CheckMate 214 post-hoc analyses of nivolumab plus ipilimumab or sunitinib in IMDC intermediate/ poor-risk patients with previously untreated advanced renal cell carcinoma with sarcomatoid features. ASCO 2019, Abstract & Poster #4513. 8. Emamekhoo H et al.: Safety and efficacy of nivolumab plus ipilimumab (NIVO + IPI) in patients with advanced renal cell carcinoma (aRCC) with brain metastases: Interim analysis of CheckMate 920. ASCO 2019, Abstract #4517 & Poster #343. 9. Mejean A et al.: Sunitinib Alone or after Nephrectomy in Metastatic Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2018; 379(5): 417–427. 10. Mejean A et al.: Cytoreductive nephrectomy (CN) in metastatic renal cancer (mRCC): Update on Carmena trial with focus on intermediate IMDC-risk population. ASCO 2019, Abstract #4508. 10 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019