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ASCO 2019
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
Malignes Melanom
Aktuelle Erkenntnisse in der Behandlung der metastasierten Erkrankung
Beim ASCO konnten auch in diesem Jahr wichtige Erkenntnisse zum malignen
linie für Patienten mit asymptomati-
Melanom in einer «Oral Session» zusammengetragen werden. Fortschritte für Patienten mit Hirnmetastasen waren ebenso Thema wie Langzeitdaten von Kombinationstherapien und die Einordnung der verfügbaren Therapieoptionen.
schen Hirnmetastasen. Aufgrund dieser guten Ergebnisse wurde die Studie um 18 Patienten mit symptomatischer Erkrankung erweitert.
Mit einer noch sehr kurzen Nachbeob-
Hirnmetastasen sind häufig die Ursache von Zielläsionen 15 mm. 9% der Patien- achtungszeit von median 5,2 Monaten
für das Versterben aufgrund eines Mela- ten hatten im Vorfeld der Studie eine Be- wurden Hinweise auf eine Effektivität von
noms. Es wird erwartet, dass die Hälfte strahlung erhalten.
Nivolumab plus Ipilimumab gesehen.
der Patienten mit metastasierter Erkran-
Das Sicherheitsprofil war in der asympto-
kung während ihrer Krebserkrankung 75% überleben 18 Monate
matischen und der symptomatischen Ko-
Hirnmetastasen entwickeln.
Ein Ansprechen der intrakraniellen Meta- horte vergleichbar mit jenem von Patien-
Immuntherapie als Erstlinienstandard auch bei Hirnmetastasierung
stasen wurde bei 54% der Patienten beobachtet, davon ein komplettes respektive partielles Ansprechen bei 29% (bzw. 26%) der Patienten. Zudem erreichten
ten ohne Hirnmetastasierung.
Was bringt Ganzhirnbestrahlung?
Eine effektive Therapie bei Hirnmetasta- 4% der Patienten eine stabile Erkran- In einer Phase-III-Studie wurde unter-
sierung scheint die Immuntherapie zu kung ≥ 6 Monate. Die mediane Dauer sucht, ob die adjuvante Ganzhirn-
sein. Für Patienten mit asymptomati- des Ansprechens war zur Zeit der Aus- bestrahlung (WBRT) nach lokaler Thera-
schen Hirnmetastasen wurde die Im- wertung, mit einer Nachbeobachtungs- pie bei 1 bis 3 Hirnmetastasen den
muntherapie bereits als verträgliche und zeit von median 20,6 Monaten, noch Krankheitsprogress gegenüber der Be-
effektive Option für die erste Therapieli- nicht erreicht. 87% der Patienten ver- obachtung verbessern kann (2). Insge-
nie nachgewiesen.
blieben noch in Remission. Auch der samt 215 Melanompatienten mit 1 bis
Median bezüglich des progressions- 3 Hirnmetastasen im MRT, die eine
CheckMate-204-Studie
mit Nivolumab plus Ipilimumab Bei der diesjährigen Jahresversammlung
freien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) war noch nicht erreicht. Nach 6 Monaten betrug die
Operation mit oder ohne systemische Therapie erhielten, wurden randomisiert. Die Einschlusskriterien setzten einen Se-
der ASCO bestätigen aktualisierte Ergeb- intrakraniale PFS-Rate 63% und die OS- rum-Laktase-Dehydrogenase-Wert LDH
nisse der CheckMate-204-Studie die Si- Rate 93%. Nach 12 Monaten lebten < 2 × ULN (= «upper limit than normal») cherheit und Wirksamkeit von Nivolumab noch 82% und nach 18 Monaten 75% und einen ECOG-PS 0 bis 2 voraus. Der plus Ipilimumab bei Melanompatienten der Patienten. Damit bestätigen diese primäre Endpunkt war die intrakranielle mit asymptomatischer Hirnmetastasie- Ergebnisse den Einsatz von Nivolumab Kontrolle, bezogen auf eine neue Läsion rung und eine mögliche Wirksamkeit bei plus Ipilimumab in der ersten Therapie- in einem Abstand von > 1 cm zu den
Patienten mit symptomatischer Hirnme-
tastasierung (1). Patienten mit ≥ 1 messbaren, nicht be-
Tabelle: Wirksamkeitsparameter im Deutschen ADOReg-Melanomregister für diverse Therapieoptionen nach
strahlten Hirnmetastasen (0,5–3,0 cm) Versagen eine PD-1-Antikörper-Monotherapie
oder mit stereotaktischer Bestrahlung bei ≤ 3 Hirnmetastasen wurden in die Studie eingeschlossen. Primärer Endpunkt war die intrakraniale Krankheitskontrollrate, welche die kompletten und partiellen Remissionen sowie eine stabile Erkrankung
(mod. nach [3])
Medianes Follow-up Objektive Remissionen
Ipilimumab
(n = 47)
30 Monate 2 (4,2%)
Ipilimumab/ Nivolumab (n = 77)
19 Monate 15 (19,5%)*
BRAF-/MEKHemmer Re-Challenge (n = 18) 26 Monate 4 (22,2%)*
Andere, vor allem Chemotherapien (n = 58)
22 Monate 7 (12,1%)
für ≥ 6 Monate einschloss. Die Kohorte
Krankheitskontrollrate
9 (17,0%)
34 (44,2%)**
9 (50,0%)
14 (24,4%)
der asymptomatischen Patienten umfasste 101 Patienten im Alter von median 59 Jahren. Bei 41% der Studienteilnehmer wurde zu Studienbeginn ein erhöhter LDH-Spiegel festgestellt. Bei 78% der Patienten lagen 1 bis 2 Zielläsionen vor, bei 22% ≥ 3 Läsionen. Im Median betrug die Summe der intrakraniellen Durchmesser
Toxizität Grad III/IV oder Therapieabbruch Medianes PFS 12-Monats-PFS-Rate Medianes OS 12-Monats-OS-Rate 18-Monats-OS-Rate
17 (36,2%) 2,6 Monate 13,3% 9,2 Monate 43,0% 30,7%
26 (33,8) 3,4 Monate 26,2% 15,6 Monate 52,6% 44,7%
* p < 0,05; ** p < 0,01 (im Vergleich zu Ipilimumab) 3 (16,7%) 3,6 Monate 18,8% 11,7 Monate 50,0% 25,9% 6 (10,4%) 2,9 Monate 11,3% 10,1 Monate 45,2% 28,2% 16 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019 ASCO 2019 55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019 initialen Metastasen nach 12 Monaten. In die Auswertung gingen 100 Patienten mit Ganzhirnbestrahlungstherapie (WBRT) versus 108 Patienten unter Beobachtung ein. 4 Jahre Follow-up: keine signifikanten Verbesserungen Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 48 Monaten hatten 97% der Patienten die WBRT beendet, und es waren keine klinisch relevanten Nebenwirkungen durch die Radiatio aufgetreten. An akuten Toxizitäten von Grad 1 bis 2 traten unter WBRT signifikant häufiger Fatigue (68,2% vs. 28,1%), Übelkeit (33% vs. 15,7%), Alopezie (62,4% vs. 4,4%) und Dermatitis (11,8% vs. 0%) auf. In der Langzeitbeobachtung wurde bezüglich des Sicherheitsprofils kein Unterschied beobachtet. Ebenfalls wurde kein signifikanter Unterschied bezüglich des primären Endpunkts festgestellt. Nach 12 Monaten zeigten 42% unter WBRT und 50,5% der Patienten unter Beobachtung ein intrakranielles Versagen aufgrund neuer Läsionen (Hazard Ratio [HR] = 1,28; p = 0,16). Ein lokales Versagen bezüglich der initialen intrakraniellen Läsionen wurde bei 20% (WBRT) versus 33,6% (Beobachtung) gesehen (HR = 1,63; p = 0,05). Die Zeit bis zur Verschlechterung des Allgemeinzustands (p = 0,32) und das Gesamtüberleben (12-Monats-OS: 58,4% vs. 54%; p = 0,89) waren in beiden Studienarmen vergleichbar. Salvage-Therapie nach PD-1-Inhibitor-Versagen Welche Optionen nach Versagen der Therapie mit einem PD-1-Inhibitor bestehen, war Gegenstand einer Untersuchung des Deutschen ADOReg-Melanom-Registers (3). Das Register schliesst mehr als 4200 Melanomfälle ein, unter ihnen 200 Patienten mit metastasiertem Melanom im Stadium IV oder nicht resezierbarem Stadium III, die nach einer Anti-PD-1-Monotherapie ein Fortschreiten der Krankheit zeigten. Es wurden Patienten in die Auswertung eingeschlossen, die keine vorhergehende Ipilimumab-Therapie erhalten hatten, wohl aber mit einer BRAF/MEK-InhibitorKombination behandelt wurden, sofern eine BRAF-positive Erkrankung vorlag. In der Studie erhielten: I 47 Patienten nach Progress eine Ipilimumab-Monotherapie; I 77 Patienten eine Nivolumab-plus Ipilimumab-Kombinationstherapie; I 18 Patienten erneut die BRAF/MEKInhibitor-Behandlung und I 58 Patienten andere Regime, hauptsächlich Chemotherapien. Unter Kombination hohe Remissionsraten Die Ipilimumab-Monotherapie zeigte nur eine geringe Aktivität nach vorangegangener PD-L1-Monotherapie, aber Ipilimumab in Kombination mit Nivolumab zeigte hohe Remissionsraten sowie ein länger anhaltendes PFS und OS als andere Therapien. Details sind in der Tabelle aufgeführt. Patienten mit BRAFMutationen, die bereits eine BRAF/MEKInhibitor-Kombination erhalten hatten, konnten von dem wiederholten Einsatz profitieren. Die konventionelle Chemotherapie wird in der Praxis offensichtlich häufig weiterhin angewendet, obwohl mit dieser Option keine befriedigenden Ergebnisse erreicht werden. Bei Patienten mit NRAS oder c-KIT-Mutationen wurden mitunter Erfolge mit den Tyronsinkinasehemmern beobachtet. COMBI-d- und COMBI-vStudie: Langzeitdaten mit BRAF/MEK-Blockade Für die Erstlinientherapie mit der BRAF/MEK-Blockade bei Patienten mit BRAF-mutiertem Melanom wurden beim ASCO die gepoolten 5-Jahres-Daten der COMBI-d- und der COMBI-v-Studie präsentiert (4). Insgesamt wurden 563 Patienten in die Dabrafenib-plus-TrametinibArme der beiden Studien eingeschlossen. Langzeitüberleben: LDH-Spiegel ist prognostisch Nach 5 Jahren waren noch 19% (95%-KI: 15–22) der Patienten ohne Progress, und es lag ein medianes PFS von 11,1 Monaten vor (95%-KI: 9,5–12,8). Patienten mit einem Serum-Laktase-Dehydrogenase(LDH-)Spiegel ≤ ULN (= «upper limit than normal») zeigten ein 5-Jahres-PFS von 25%, Patienten mit einem LDH-Spiegel > ULN ein solches von 8%. Bei Progress nach der anti-BRAF/MEKTherapie erhielten 53% der Patienten
eine weitere Anti-Tumor-Therapie, davon 66% eine Immuntherapie. Die Gesamtüberlebensrate betrug nach 5 Jahren 34% (95%-KI: 30–38%) mit einem Median von 25,9 Monaten (95%-KI: 22,6–31,5). Unterschieden nach LDH-Spiegeln wurde eine 5-Jahres-OS-Rate von 43% (≤ ULN) respektive 16% (> ULN) beobachtet. 19% der Patienten unter BRAF/MEK-Blockade erreichten eine Komplettremission als bestes Ansprechen. Von diesen Patienten überlebten 49% 5 Jahre ohne Progress, aber nur 16% der Patienten mit partieller Remission.
FDA-Studie: Tiefe des Ansprechens ist mit Gesamtüberleben assoziiert
Auch eine retrospektive Analyse der
Food & Drug Administation (FDA) an-
hand der Daten eingereichter Melanom-
studien bestätigte das Erreichen eines
tiefen Ansprechens als Surrogat für ein
verlängertes PFS und OS, unabhängig
vom Typ der Therapie (5).
Insgesamt wurden die Daten ausgewer-
tet von 4278 Melanompatienten im Sta-
dium III (6%) und IV (93%), die keine vor-
gängige Therapie erhalten hatten. 68%
der Patienten wiesen eine BRAF-Muta-
tion auf. Mit einer Chemotherapie wur-
den 500 Patienten, mit einem TKI 2297
Patienten und mit einer Immuntherapie
1481 Patienten behandelt.
Ein tiefes Ansprechen (> 75%) war mit ho-
hen Gesamtüberlebensraten nach 24 Mo-
naten unter der Immun- und der TKI-
Therapie assoziiert. Die Immuntherapie
zeigte zudem ein Plateau beim Überleben
für Patienten mit einer Ansprechtiefe von
wenigstens 50% – im Gegensatz zu Pati-
enten, die eine TKI-Therapie erhalten hat-
ten. Die Assoziation der verlängerten Zeit
bis zu einem Ereignis mit der grösseren
Ansprechtiefe weist darauf hin, dass die
maximale Tumorreduktion das wesentli-
che Therapieziel sein sollte.
Die Analyse der Ansprechtiefe könnte,
so das Fazit der FDA-Studienleiter, zu
einer genaueren Prädiktion des klini-
schen Therapieerfolgs für neue Thera-
pien und Kombinationen in der Behand-
lung des metastasierten Melanoms
führen.
I
Ine Schmale
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019
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ASCO 2019
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019 Referenzen: 1. Tawbi HAH et al.: Efficacy and safety of the combination of nivolumab plus ipilimumab in patients with symptomatic melanoma brain metastases (CheckMate 204). ASCO 2019, Abstr. #9501. 2. Fogarty G et al.: Phase 3 international trial of adjuvant whole brain radiotherapy (WBRT) or observation following local treatment of 1-3 melanoma brain metastases. ASCO 2019, Abstr. #9500. 3. Weichenthal M et al.: Salvage therapy after failure from antiPD-1 single agent treatment: A study by the German ADOReg melanoma registry. ASCO 2019, Abstr. #9505. 4. Nathan PD et al.: Five-year analysis on the long-term effects of dabrafenib plus trametinib in patients with BRAF V600-mutant unresectable or metastatic melanoma. ASCO 2019, Abstr. #9507. 5. Osgood C et al.: FDA analysis of depth of response (DpR) and survival across 10 randomized controlled trials in patients with previously untreated unresectable or metastatic melanoma (UMM) by therapy type. ASCO 2019, Abstr. #9508.
18 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2019