Transkript
Update kurz gefasst – seltene Tumoren
Ungewöhnliche Brusttumoren:
Phylloides-Tumoren
Phylloides-Tumoren, früher auch Cystosarcoma phyllodes genannt, sind seltene fibroepitheliale Neoplasien, die sich vorwiegend in der weiblichen Brust manifestieren, insgesamt aber nur etwa 0,3 bis 1% aller Brusttumoren ausmachen. Das Tumorgewebe setzt sich aus Stroma- und epithelialen Komponenten zusammen. Als Vorläuferläsion wird das Fibroadenom diskutiert, welches sich nicht nur in eine epitheliale Richtung (Carcinoma-in-situ, CIS), sondern auch zu einem Stromatumor entwickeln kann.
SILVIA HOFER, BEATA BODE
SZO 2019; 2: 28–30.
Silvia Hofer Beata Bode
Typischerweise werden Phylloides-Tumoren (PT) bei Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren entdeckt. Gelegentlich treten sie bei Kindern und Jugendlichen als diagnostische Herausforderung auf und müssen von Traumata oder Infekten (Abszessen) abgegrenzt werden.
Klinik und Differenzialdiagnostik
Klinisch zeigen diese Tumoren ein unterschiedliches, häufig sehr rasantes Wachstum. Sie können sich bläulich verfärben, sind gelegentlich überwärmt, können auf Berührung empfindlich reagieren oder verursachen spontan Schmerzen. Unbehandelt können sie aufbrechen oder bluten (Abbildung 1). Bildgebend ist die Differenzialdiagnose wegen fehlender typischer Kriterien breit und reicht von diversen benignen bis zu malignen Prozessen. Im Ultraschall kann ein PT nicht zweifelsfrei von einem Abszess oder einer anderen Neoplasie unterschieden werden. Am ehesten werden PT bildgebend mit Fibroadenomen verwechselt, wobei die Wachstumsdynamik den Verdacht auf ein PT lenken sollte (Abbildung 2) (1). Diese fibroepithelialen Neoplasien können auch ausserhalb der Brust entstehen, beispielsweise im Urogenitaltrakt, und kommen auch bei Männern vor (2).
ABSTRACT
Phyllodes tumors
Phyllodes tumors (PT) are rare fibroepithelial lesions most commonly located in the breast. They are classified into benign, borderline and malignant, based on histologic characteristics, including degree of stromal cellularity, stromal atypia, mitoses, stromal overgrowth and invasive growth. The NCCN (National Comprehensive Cancer Network) guidelines are based on several retrospective studies and recommend wide excision with the intention of obtaining margins of 1 cm or more for each PT grade. There is still controversy on the role of postoperative radiation therapy – however, it can be considered in cases with a high risk of local recurrence.
Keywords: Phyllodes tumor, histopathology, treatment recommendation.
WHO-Klassifikation und Ausbreitung
Gemäss WHO werden PT der Brust aufgrund histomorphologischer Merkmale hauptsächlich in drei Subgruppen eingeteilt. Dabei machen die benignen PT mit 35 bis 64% den Hauptanteil aus, der Rest verteilt sich etwa hälftig auf Borderline- und maligne PT (3). Folgende Kriterien definieren die drei Malignitätsgrade: I Zelldichte des Stromas I Ausmass der Zellatypien der Stromazellen, deren
Mitoserate, Nachweis heterologer Elemente I invasives Wachstum (Abbildung 3). Das klinische Verhalten von PT ist schwierig vorauszusehen und korreliert nicht immer mit dem histologischen Grad. Grund dafür ist eine ausgesprochene intratumorale Heterogenität. Für das lokale Rückfallrisiko ist der Befall des Resektionsrandes hauptverantwortlich. Grosse maligne PT und PT mit heterologen Elementen, gelegentlich auch Borderline-PT, haben ein hämatogenes Metastasierungspotenzial von bis zu 20%. Hauptmetastasenorte sind Lunge und Knochen, aber auch der Gastrointestinaltrakt, die Leber, die Nieren, die Schilddrüse und die Haut, seltener auch Nebennieren, Ovarien oder das Gehirn.
Therapieempfehlungen und Rückfallraten
Die NCCN-Guidelines (National Comprehensive Cancer Network, https://www.nccn.org) empfehlen eine weite Exzision aller PT (unabhängig vom Subtyp) mit freien Rändern von ≥ 1 cm – ohne axilläres Staging beim Befall der Brust. Diese Empfehlung basiert auf retrospektiven Studien. Die lokale Rückfallrate scheint neben dem Befall des Resektionsrandes auch mit dem Malignitätsgrad/Subtyp des PT zu korrelieren. Die WHO beziffert die Rückfallrate für alle Malignitätsgrade mit zirka 21%; für benigne PT liegt sie bei 10 bis 17%, für Borderline-Tumoren bei 14 bis 25% und für maligne Varianten bei bis zu 23 bis 30%.
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Eine kürzlich publizierte Metaanalyse (4), welche 54 Studien mit 9234 individuellen Patientenfällen berücksichtigt, berichtet über 8% Rückfälle bei benignen, 13% bei Borderline- und 18% bei malignen PT-Varianten. Die von der WHO beschriebenen Risikofaktoren konnten in dieser Metaanalyse bestätigt werden. Das Alter der Betroffenen und die Tumorgrösse waren in dieser Metaanalyse nicht prognostisch für ein Lokalrezidiv. Hingegen waren eine brusterhaltende Operation oder positive Resektionsränder bei malignen PT mit einem höheren Risiko für ein Lokalrezidiv behaftet. Bei der malignen Form eines PT wird deshalb eine Mastektomie empfohlen. Bei den wenigen beschriebenen Fällen mit einem PT ausserhalb der Brust scheinen die prognostischen Faktoren ähnlich zu sein.
Postoperatives Vorgehen Das postoperative Management bei tumorfreien Resektionsrändern bleibt kontrovers. Es gibt keine Level-I-Daten, die eine postoperative Radiotherapie oder Chemotherapie bei malignen PT und negativen Resektionsrändern stützen. Auch gibt es wenig zuverlässige Daten bei malignen PT über den Verlauf bei brusterhaltender Operation und adjuvanter Radiotherapie im Vergleich zur Mastektomie. In den Fällen, in denen ein potenzielles Rezidiv mit Morbidität verbunden ist (z.B. Thoraxwandbefall nach Mastektomie), kann eine Radiotherapie nach Sarkomprotokollen sinnvoll sein. Anhand einer grösseren Serie von 362 Borderlineund malignen PT wurden mittels Multivariatanalyse folgende unabhängige Risikofaktoren für ein Lokalrezidiv erhoben: I brusterhaltende Operation I Tumorgrösse > 5 cm I positive Resektionsränder (5). Bei Vorliegen solcher Risikofaktoren kann deshalb eine zusätzliche Lokaltherapie erwogen werden. Allerdings scheint sowohl nach Mastektomie als auch nach brusterhaltender Operation eine Radiotherapie keinen Einfluss auf das krebsspezifische Überleben zu haben (6).
Abbildung 1: A. 42-jährige Patientin mit rasch progredientem Tumor in der rechten Brust (innerhalb von 6 Monaten vom erbsengrossen zum aktuellen Befund). B. Abladat rechte Mamma: maligner Phylloides-Tumor (PT), Durchmesser: 25 cm, auf dem Boden eines benignen/Borderline-PT, Haut mit Ulzeration und subepithelialen zystischen Einblutungen. Abbildung 2: T2-gewichtete MR-Aufnahme eines bioptisch gesicherten Phylloides-Tumors. Ovaläre heterogene Läsion (4 × 3 × 2,6 cm bei 1 Uhr links), multiple Zysten beidseits.
Rezidiv: Verläufe bei Metastasen Nach Auftreten von Fernmetastasen kann es zu fulminanten Verläufen kommen. Das Überleben wird in retrospektiven Serien mit weniger als 2 Jahren angegeben. Bei zwei unserer Patientinnen (46- und 42-jährig) traten 2 Jahre nach Diagnosestellung eines malignen PT Lungen- und ossäre Metastasen und kurze Zeit später auch Hirnmetastasen auf, welche leider bei beiden trotz multimodaler Therapie zum Tod führten. Bei einer weiteren 49-jährige Patientin mit einem 4,9 cm grossen malignen PT traten 5 Jahre nach Lokaltherapie (Mastektomie und Radiotherapie) bis zu 13 cm grosse Lungen- und Hautmetastasen auf. Trotz Pneumonektomie und Radiotherapie verstarb die
Abbildung 3: Histologisches Spektrum der Phylloides-Tumoren (PT): A. Benigner PT mit benignen epithelialen Drüsen (Stern) und zellarmem Stroma ohne Pleomorphie und ohne Mitosen. B. Borderline-PT mit mässig zelldichtem Stroma mit einigen Mitosefiguren (roter Pfeil) in der Umgebung von gutartigen Drüsen (Stern). C. Maligner PT mit sehr prominenter, zelldichter, atypischer Stromakomponente mit vermehrt Mitosefiguren (rote Pfeile) und geringem Drüsenanteil (Stern. Jeweils H&E-Färbung. Vergrösserung 200×).
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Patientin 4 Monate später an einem fulminanten Progress mit Leber-, Knochen- und Weichteilmetastasen. Die bei Weichteilsarkomen üblicherweise verwendeten Chemotherapeutika – Adriamycin, Ifosfamide, Etoposide oder Cisplatin – sind bei PTs meist nur kurzfristig erfolgreich, ihre Rolle bleibt letztlich unklar. Mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) werden behandelbare Targets gesucht, unter anderen sind Gen-Amplifikationen im EGFR und IGF1R beschrieben, auch aktivierende Hotspot-Mutationen im FGFR1 und Mutationen in den PIK3CA-, MED12- und BRAF-V600E-Genen (7, 8). Bei unserer 42-jährigen Patientin konnte mittels NGS eine Deletion der Exone 2 bis 7 des EGFR-Gens mit einem aberranten Transkript nachgewiesen werden, welches zu einer Liganden-unabhängigen, konstitutiven Aktivierung des EGF-Rezeptors führte. Die pathologische und therapeutische Bedeutung solcher genetischer Alterationen bei PT bleibt zu erforschen.
Zusammenfassung
Die beste Therapieoption für alle Typen der MammaPT bleibt vorläufig die Chirurgie mit genügend grossem Sicherheitsabstand. Das setzt eine prätherapeutische Diagnose voraus, am besten mit einer Stanzbiopsie. Bei tumorfreien Resektionsrändern liegt bei Patientinnen mit benignen PT das krankheitsfreie 10-Jahres-Überleben bei 99%. Maligne PT der Brust, die nicht sicher weit im Gesunden reseziert werden können, sollten dagegen einer Mastekto-
mie zugeführt werden. Damit scheint ein krankheits-
spezifisches Überleben nach 10 Jahren von rund
90% erreichbar (9).
I
Dr. med. Silvia Hofer (Korrespondenzadresse) Medizinische Onkologie Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16 E-Mail: silvia.hofer@luks.ch
Prof. Dr. med. Beata Bode Pathologie Universitätsspital Zürich 8091 Zürich
Interessenkonflikte: keine.
Quellen: 1. Gatta G, Iaselli F, Parlato V, et al.: Differential diagnosis between fibroadenoma, giant fibroadenoma and phyllodes tumour: sonographic features and core needle biopsy. Radiol Med. 2011; 116: 905–918. 2. Tchrakian N, Bowne E, Shanks JH and Crowther S.: Phyllodes tumour of the urinary bladder: a report of a unique case. Histopathology 2018 Jan; 72(2): 356–358. 3. Tan PH, Tse G, Lee A, Simpson JF, Hanby AM.: Fibroepithelial tumours. In: Lakhani SR, Ellis IO, Schnitt SJ, Tan PH, van deVijver MJ.: WHO classification of tumours of the breast. 2012; IARC Lyon: 142–145. 4. Lu Y, Chen Y, Zhu L et al.: Local Recurrence of Benign, Borderline, and Malignant Phyllodes Tumors of the Breast: A Systematic Review and Meta-analysis. Ann Surg Oncol 2019; 26(5): 1263–1275. 5. Choi N, Kim K, Shin KH et al.: Malignant and borderline phylloides tumors of the breast: a multicenter study of 362 patients (KROG 16-08). Breast Cancer Research Treatm 2018; 171: 335–433. 6. Kim YJ, Kim K.: Radiation therapy for malignant phyllodes tumor of the breast: An analysis of SEER data. Breast Edinb Scotl. 2017; 32: 26–32. 7. Cani AK, Hovelson DH, McDaniel AS et al.: Next-gen sequencing exposes frequent MED12 mutations and actionable therapeutic targets in phyllodes tumors. Mol Cancer Res. 2015; 13: 613–619. 8. Liu S-Y, Joseph NM, Ravindranathan A et al.: Genomic profiling of malignant phyllodes tumors reveals aberrations in FGFR1 and PI-3kinase/RAS signaling pathways and provides insights into intratumoral heterogeneity. Mod Pathol. 2016; 29: 1012–1027. 9. Co M, Chen C, Tsang JY et al.: Mammary phyllodes tumour: a 15-year multicentre clinical review. J Clin Pathol 2018; 71: 493–497.
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