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Im Fokus: Multiples Myelom und maligne Lymphome
Medikamentöse Therapie des multiplen Myeloms beim älteren Patienten
Angepasste Therapiestrategien
Das multiple Myelom (MM) ist typischerweise eine Erkrankung der älteren Bevölkerung; gemäss SEERDatenbank beträgt das mediane Alter bei Diagnosestellung 69 Jahre. 30 bis 40% der Patienten sind bei Diagnosestellung sogar über 75 Jahre alt. Die mit dem Alter verbundene Vulnerabilität und die Ko-Morbiditäten gilt es in den Therapieentscheid mit einfliessen zu lassen.
Donat Dürr Daniel Reding
DONAT DÜRR, DANIEL REDING
SZO 2019; 2: 10–13.
Dank dem Einsatz von Proteasom-Inhibitoren, Imiden und Antikörpern konnte die Prognose von Patienten mit einem MM in den letzten Jahren deutlich verbessert werden. Leider profitierten ältere Patienten davon aber deutlich weniger (1). Bekannt ist, dass die Vulnerabilität von älteren Patienten mit einer erhöhten therapiebedingten Toxizität und einer erhöhten Rate an Therapieabbrüchen einhergeht. Dies könnte das schlechtere Outcome der älteren Patienten erklären. Ältere Patienten bedürfen deshalb einer an ihre Vulnerabilität angepassten Therapie.
Die Gruppe der «älteren Patienten»
Eine klare Definition, ab wann ein Patient mit einem MM als «älter» bezeichnet wird, existiert unserem Wissen nach nicht in der Literatur. Normalerweise versteht man darunter primär Patienten über 65 Jahre, welche nicht mehr für eine autologe Stammzelltransplantation qualifizieren. Diese Gruppe ist in sich aber sehr heterogen: vom «topfitten» 70-Jährigen ohne Begleiterkrankung, welcher jeden Tag eine Stunde joggen geht, bis zum 95-Jährigen, welcher zahlreiche Begleiterkrankungen aufweist und im Alltag grösstenteils auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Chronologisches Alter und Performance-Status – wie in den meisten Studien angewandt – scheinen diese Heterogenität nur schlecht zu beschreiben. Sie wird durch die relevanten Ko-Morbiditäten sowie die psychosozialen Gegebenheiten mitbeeinflusst und ist primär im Rahmen unterschiedlicher Ressourcen und Begleiterkrankungen zu sehen. Die englische Sprache verwendet in diesem Kontext das Wort «Frailty» (Deutsch: Gebrechlichkeit). Frailty erklärt, weshalb gewisse ältere Patienten nicht wie jüngere von einer Tripelerstlinientherapie profitieren, sondern lediglich mit einer Zweiertherapie behandelt werden sollten. In der Studie von V. Magarotto wurden MM-Patienten mit einem medianen Alter von 74 Jahren in die drei Arme RD, CPR und MPR randomisiert. Das Hinzufügen der Alkylanzien Cyclophosphamid und Melphalan brachte in dieser älteren Studienpopulation keinen Überlebensvorteil (2). Die Upfront-Studie, welche das Überleben von älteren Patienten (medianes Alter 73 Jahre) unter drei Bortezomid-haltigen Therapien (VD, VTD und VMP) verglich, konnte ebenfalls keinen Überlebensvorteil durch das Hinzufügen von Melphalan oder Thalidomid zu Bortezomid/
ABSTRACT Multiple Myeloma in the elderly patients Multiple Myeloma is a disease of elderly patients. However, the group of elderly patients is quite heterogeneous with respect to comorbidities, frailty index and performance status. Three important scores have been developed during the last few years in order to adapt the antimyeloma therapy. We are convinced that they should be used more often by the community. This would reduce the toxicity and costs; maybe it would also have a positive impact on the prognosis of these patients. Keywords: multiple myeloma, elderly patients, frailty index.
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Abkürzungen der Therapieprotokolle (jeweils Substanzbezeichnungen): RD: Lenalidomid + Dexamethason CPR: Cyclophosphamid + Prednison + Lenalidomid MPR: Melphalan + Prednison + Lenalidomid VD: Bortezomib + Dexamethason VTD: Bortezomib + Thalidomid + Dexamethason VMP: Bortezomid + Melphalan + Prednison RVD: Lenalidomid + Bortezomid + Dexamethason RVD lite: 15 mg Lenalidomid, Bortezomid wöchentlich und Dexamethason D: Daratumumab PD: Pomalidomid + Dexamethason CD: Cyclophosphamid + Dexamethason
Im Fokus: Multiples Myelom und maligne Lymphome
Tabelle 1:
Definition des «Frailty-Status» und adaptierte Therapieziele bei älteren MM-Patienten
(adaptierte Version nach [11])
International-Myeloma-Working-Group (IMWG-)Frailty-Index: «fit» 0 IMWG-Frailty-Index-Punkte
CCI ≥ 2: 1 IADL < 5: 1 ADL < 4: 1 Alter 76–80: 1; > 80: 2 Revised-Myeloma-Comorbidity-Index (R-MCI) «fit» 0–3 R-MCI-Punkte Alter: 60–69: 1; ≥ 70: 2 Performance-Status (KPS): 80–90%: 2, < 70%: 3 Nierenfunktion: eGFR < 60: 1 Lungenfunktion: (moderat/schlecht): 1 Frailty: moderat oder schlecht: 1 ± Zytogenetik: ungünstig: 1 Mayo-Frailty-Index Stadium I (Stage I) 0 Mayo-Frailty-Index-Punkte
Alter ≥ 70: 1 Performance-Status (ECOG) ≥ 2: 1 NT-proBNG ≥ 300 ng/L: 1
«intermediate» 1 IMWG-Frailty-Index-Punkt
«intermediate» 4–6 R-MCI-Punkte
Stadium II/III (Stage II/III) 1 (Stage II) Mayo-Frailty-Index-Punkt 2 (Stage III) Mayo-Frailty-Index-Punkte
«frail» 2–5 IMWG-Frailty-Index-Punkte
«frail» 7–9 R-MCI-Punkte
Stadium IV (Stage IV) 3 Mayo-Frailty-Index-Punkte
Steroide zeigen (3). Hingegen zeigte das VTD-Regime mehr Toxizität als VD oder VMP. Es liegt deshalb auf der Hand, dass ältere Patienten nicht einheitlich behandelt werden sollten. Vielmehr sollte die Therapieintensität nicht nur an myelomspezifische Faktoren angepasst werden, sondern auch an die Begleiterkrankungen, den PerformanceStatus und die psychosoziale Gesundheit (4). Idealerweise werden diese Patienten deshalb vor Therapiebeginn von einem Geriater beurteilt. Da ein solches Vorgehen aber sehr viele personelle Ressourcen bindet, wurden in den letzten Jahren von mehreren Gruppen Scores ausgearbeitet, welche einfach und rasch anwendbar sind.
Scores zur Steuerung der Therapieintensität
In der aktuellen Literatur finden sich hauptsächlich drei Scores, welche zur Steuerung der Therapie von älteren Patienten mit MM angewendet werden sollten: der International-Myeloma-Working-Group-Index, der Revised-Comorbidity-Index und der MayoFrailty-Staging-Index (Tabelle 1).
I Beim International-Myeloma-Working-Group (IMWG-)Frailty-Index handelt es sich um einen 2015 entwickelten und prospektiv untersuchten Score (5). Er setzt sich zusammen aus Alter, Begleiterkrankungen (Comorbidity-Index and Score of
Charlson et al.), Messung der Selbstversorgung (Katz Basic Activities of Daily Living) und Angaben bezüglich der Selbstständigkeit (Instrumental Activities of Daily Living Scale). Der Score ist im Netz unter http://www.myelomafrailtyscorecalculator.net/ Geriatric.aspx frei abrufbar und unterteilt die Patienten in drei Gruppen: «fit», «intermediate» und «frail». Es konnte gezeigt werden, dass dieser Score bezüglich Überleben prognostisch ist und mit dem Risiko eines toxizitätsbedingten Therapieabbruchs korreliert. I Der Revised-Myeloma-Comorbidity-Index (R-MCI) wurde in Deutschland entwickelt. Er setzt sich aus den Faktoren Alter, Karnofsky-Index, Gebrechlichkeit, Nieren- und Lungenfunktion sowie Zytogenetik zusammen. Auch er wurde prospektiv validiert und unterteilt die Patienten ebenfalls in die drei prognostisch unterschiedlichen Gruppen «fit», «intermediate» und «frail» (6). (http://www. myelomacomorbidityindex.org). I Der Mayo-Frailty-Index enthält die Faktoren Alter und ECOG-Performance-Status. Zusätzlich wird noch der Laborparameter NT-proBNP hinzugefügt. Anhand dieser drei Faktoren lassen sich die Patienten ebenfalls in drei prognostisch unterschiedliche Gruppen unterteilen: «Stage I» (0 Mayo-Frailty-Index-Punkte), «Stage II/III» (1 oder 2 Mayo-Frailty-Index-Punkte) und «Stage IV» (3 Mayo-Frailty-Index-Punkte) (7).
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Tabelle 2:
Vorgeschlagene «frailty-adjustierte» Dosisreduktionen bei Myelompatienten unter Standardmedikation und neuen Therapien
(adaptiert nach [11])
Risikofaktoren Alter > 75 J. + Komorbiditäten (Lunge, Niere, Herz, Leber) bzw. in Korrelation mit IMWG-Frailty-Index und/oder R-MCI zur Anpassung der Anti-MM-Therapie
IMWG-Frailty-Index R-MCI Dosislevel Therapiedosen Prednison
Dexamethason Melphalan Thalidomid Lenalidomid Pomalidomid Bortezomid
Carfilzomid
«fit» 0 1–3 0 Level 0 2 mg/kg Tage 1–4 (4–6-Wochen-Zyklus) 60 mg/m2 Tage 1–4 (6-Wochen-Zyklus) 40 mg/Tag Tage 1, 8, 15, 22 (28-Tage-Zyklus) 0,25 mg/kg Tage 1–4 (4–6-Wochen-Zyklus) 100 (–200) mg/Tag 25 mg Tage 1–21 (28-Tage-Zyklus) 4 mg Tage 1–21 (28-Tage-Zyklus) 1,3 mg/m2 2 x wöchentlich Tage 1, 4, 8, 11 alle 3 Wochen 20 mg/m2 Tage 1, 2, 8, 9, 15, 16 Zyklus 1 27 mg/m2 Zyklus 2, alle 4 Wochen
Ixazomib Daratumumab
Elotuzumab Panobinostat
4 mg Tage 1, 8, 15 alle 4 Wochen 16 mg/kg Zyklus 1–8 wöchentlich, Zyklus 9–24: Tage 1 + 15, ab Zyklus 24 alle 4 Wochen 10 mg/kg Tage 1, 8, 15, 22 Zyklus 1+2 Tage 1, 15 Zyklus 3 20 mg Tage 1, 3, 5, 8, 10, 12 alle 4 Wochen
«intermediate» 1 4–6 –1 Level –1 1 mg/kg Tage 1–4 (4–6-Wochen-Zyklus) 30 mg/m2 Tage 1–4 (6-Wochen-Zyklus) 20 mg/Tag Tage 1, 8, 15, 22 (28-Tage-Zyklus) 0,18 mg/kg Tage 1–4 (4–6-Wochen-Zyklus) 50 (–100) mg/Tag 15 mg Tage 1–21 (28-Tage-Zyklus) 3 mg Tage 1–21 (28-Tage-Zyklus) 1,3 mg/m2 1 x wöchentlich Tage 1, 8, 15, 22 alle 5 Wochen 20 mg/m2 Zyklus 1 27 mg/m2 Zyklus 2 Tage 1, 8, 15 1 x wöchentlich, alle 4 Wochen 3 mg Tage 1, 8, 15 alle 4 Wochen 16 mg/kg Zyklus 1–8 wöchentlich, Zyklus 9–24: Tage 1 + 15, ab Zyklus 24 alle 4 Wochen 10 mg/kg Tage 1, 8, 15, 22 Zyklus 1+2 Tage 1, 15 Zyklus 3 15 mg Tage 1, 3, 5, 8, 10, 12 alle 4 Wochen
«frail» ≥2 7–9 –2 Level –2 0,5 mg/kg Tage 1–4 (4–6-Wochen-Zyklus) 15 mg/m2 Tage 1–4 (6-Wochen-Zyklus) 10 mg/Tag Tage 1, 8, 15, 22 (28-Tage-Zyklus) 0,13 mg/kg Tage 1–4 (4–6-Wochen-Zyklus) Bis 50 mg/Tag 10 mg Tage 1–21 (28-Tage-Zyklus) 2 mg Tage 1–21 (28-Tage-Zyklus) 1,0 mg/m2 1 x wöchentlich Tage 1, 8, 15, 22 alle 5 Wochen 20 mg/m2 Tage 1, 8, 15 1 x wöchentlich, alle 4 (5) Wochen
2,3 mg Tage 1, 8, 15 alle 4 Wochen 16 mg/kg Zyklus 1–8 wöchentlich, Zyklus 9–24: Tage 1 + 15, ab Zyklus 24 alle 4 Wochen 10 mg/kg Tage 1, 8, 15, 22 Zyklus 1+2 Tage 1, 15 Zyklus 3 10 mg Tage 1, 3, 5, 8, 10, 12 alle 4 Wochen
Alle drei Scores unterteilen die Patienten in «fit», «intermediate» und «frail». Patienten mit dem Status «fit» sollen eine Dreifachtherapie erhalten, solche mit dem Status «intermediate» entweder eine Dreifachtherapie in reduzierter Dosis oder eine Doppeltherapie in voller Dosis, während solche mit dem Status «frail» lediglich mit einer Doublette in reduzierter Dosis oder allenfalls mit einer «best supportiv therapy» behandelt werden sollten. Bezüglich Dosisreduktionsempfehlungen verweisen wir gern auf die Vorschläge des European Myeloma Network (Tabelle 2). Das oben geschilderte Vorgehen erlaubt, die beste Balance zwischen Effizienz und Toxizität zu finden.
Erstlinientherapie bei älteren Patienten
Das Spektrum möglicher Erstlinientherapien bei älteren Patienten ist sehr breit. Es umfasst Therapien wie RVD, RVD «lite» (= 15 mg Lenalidomid, Bortezomid wöchentlich, Dexamethason), VMP, RD wie auch Daratumumab-VMP und Daratumumab-RD. Frailty-Score, psychosoziale Aspekte (wie Selbstständigkeit des Patienten), Begleiterkrankungen und prognostische Faktoren des MM geben letztlich den Ausschlag, welches Protokoll zur Anwendung kommt. Liegt beispielsweise eine schwere Niereninsuffizienz vor, erscheinen Bortezomid-haltige Pro-
tokolle attraktiv; bei bereits bestehender Polyneuropathie wird hingegen ein Lenalidomid-basiertes Schema vorgezogen. Auch psychosoziale Faktoren wie beginnende demenzielle Entwicklung oder Visusverlust sind in den Entscheid einzubeziehen. Sie sprechen eher für ein durch das Pflegepersonal kontrolliertes Protokoll (Bortezomid s.c. wöchentlich in Kombination mit Dexamethason). Die Kombinationstherapien D-VMP und D-RD, die Daratumumab enthalten, wurden am ASH-Jahreskongress 2017 respektive am ASH-Kongress 2018 präsentiert. Durch das Hinzufügen von Daratumumb, einem CD38-Antikörper, konnte das Risiko von Progression/Tod um 50% beziehungsweise 44% reduziert werden, was aus unserer Sicht sehr effektive Werte sind. Die Kombination VMP mit Daratumumab war aber leider bei 41,6% der Studienpatienten mit einer schwerwiegenden Nebenwirkung verbunden; im klinischen Alltag wird dieser Wert wahrscheinlich höher zu liegen kommen, insbesondere wenn man bedenkt, dass lediglich 30% der Alcyone-Studienpatienten älter als 75 Jahre waren. In der MAIA-Studie (RD +/– Daratumumab) waren hingegen 44% der Patienten über 75 Jahre alt. Diese Kombination scheint daher eher eine Option für ältere und vulnerable Patienten zu sein. Wie die drei oben aufgeführ-
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ten Scores hinsichtlich der Kombinationstherapien, die Daratumumab enthalten, angewandt werden sollen, ist zurzeit aber noch unklar. Zu hoffen ist, dass die Studiendaten unter Anwendung dieses Scores nun retrospektiv analysiert werden.
Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT)
Während bei Patienten jünger als 60 bis 65 Jahre primär eine Hochdosistherapie mit ASCT anzustreben ist, wird dieser Entscheid bei Patienten zwischen 60 und 70 Jahren auf individueller Basis gefällt. Eine retrospektive Studie aus Deutschland zeigt, dass eine ASCT selbst bei Patienten im Alter von 70 bis 79 Jahren durchführbar ist, wenn auch nur bei einem sehr tiefen Prozentsatz (8). Eine Melphalan-Dosis von 140 mg/m2 im Vergleich zu 200 mg/m2 scheint die Prognose nicht wesentlich zu beeinträchtigen (9), wobei es sich hier um retrospektiv erhobene Daten handelt. Palumbo und Kollegen konnten bei Patienten im Alter von 65 bis 70 Jahren zeigen, dass eine ASCT mit Melphalan 100 mg ein besseres Gesamtüberleben aufweist als die kontinuierliche perorale Gabe von Melphalan (10). Diese Daten sollten uns ermuntern, selbst bei Patienten, welche über 65 Jahre alt sind, eine Hochdosistherapie zu erwägen, sofern sie wirklich «fit» sind.
Zweitlinientherapie
Während in der Erstlinientherapie Studien speziell für ältere Patienten durchgeführt wurden, fehlen uns leider entsprechende Studien für die Zweitlinienbehandlung. Zweitlinienstudien wie ASPIRE, ENDEVOR, CASTOR und POLLUX schlossen Patienten mit einem medianen Alter von 64 bis 65 Jahren ein; bei den Studien ELOQUENT 2 und 3 waren die Probanden ein wenig älter (medianes Alter 67–69 Jahre). Es fehlen uns deshalb verlässliche Empfehlungen bezüglich der optimalen Zweitlinientherapie bei älteren Patienten. In dieser Situation empfiehlt es sich, die gleichen Beurteilungen wie für die Erstlinientherapie vorzunehmen. Da die Patienten mit einer Zweitlinientherapie im Allgemeinen bereits mehr durch die Krankheit gezeichnet und die Knochenmarkreserven eingeschränkter sind, tendieren wir persönlich eher zu einer Zweier- (RD, PD, CD, VD) als zu einer Dreierkombination oder – sofern man ein antikörperbasiertes Schema (Daratumumab oder Elotuzumab) wählt – zu einer klaren Dosisreduktion hinsichtlich der anderen beiden Substanzen. Entschliesst man sich zum Einsatz von Carfilzomid, sollten die Patienten mit einer vorbestehenden Herzerkrankung eine gute medikamentöse Einstellung vor Therapiestart erhalten.
Ausblick
Die von den Experten auf dem Gebiet der Hämato-
onkologie ausgearbeiteten Scores sollten vermehrt
publik gemacht werden. So werden sie von den be-
handelnden Onkologen und Hämatologen in Zu-
kunft auch vermehrt angewandt. Wir sind davon
überzeugt, dass deren konsequente Umsetzung zu
einer Reduktion der Toxizität führt. Dies könnte even-
tuell sogar zu einer Verbesserung der Prognose der
Patienten führen. Sicherlich käme es aber zu einer
Senkung der Behandlungskosten.
Im Weiteren ist zu fordern, dass vermehrt prospek-
tive, randomisierte Studien mit dem Fokus auf ältere
Patienten durchgeführt werden – handelt es sich
beim MM doch mehrheitlich um eine Erkrankung von
älteren Menschen. Den Schwerpunkt dieser Studien
würden wir auf die Zweitlinientherapie legen. Wün-
schenswert wäre ebenfalls, wenn im Rahmen dieser
Studien die neu etablierten Scores prospektiv zur An-
wendung kämen.
I
Dr. med. Daniel Reding Leiter Tumorzentrum ZGKS Zuger Kantonsspital Landhausstrasse 11 6340 Baar
Dr. med. Donat Dürr (Korrespondenzadresse) Leiter Tumorzentrum ZGKS Zuger Kantonsspital Landhausstrasse 11 6340 Baar E-Mail: donat.duerr@zgks.ch
Interessenkonflikte: Daniel Reding erhielt finanzielle Unterstützung von Abbvie für die Teilnahme am ASH-Kongress 2017. Donat Dürr erhielt finanzielle Unterstützung von Celgene für die Teilnahme an den ASH-Kongressen 2016 und 2018.
Quellen: 1. Palumbo et al.: Blood 2011: 4519–4529. 2. Magarotto V et al.: Blood 2016: 1102–1108. 3. Niesvizky R et al.: JCO 2015: 3921–3929. 4. Wildes T M et al.: J. Geriatric Oncol 2017: 1–7. 5. Palumbo A et al.: Blood 2015; 2068–2074. 6. Engelhardt M et al.: Hematologica 2016: 1110–1119. 7. Milani P et al.: Am J Heamtol 2016: 1129–1134. 8. Merz M et al.: Eur J Cancer 2016: 1–8. 9. Auner HW et al.: Haemotology 2018: 514–521. 10. Palumbo A et al.: Blood 2004: 3052–3057. 11. Larocca A et al.: Leukemia 2018; 32: 1697–1712.
Merkpunkte
I Ältere, an einem multiplen Myelom erkrankte Patienten stellen eine sehr heterogene Gruppe dar.
I Die Myelomtherapie sollte deshalb individuell an die Vulnerabilität des jeweiligen Patienten angepasst werden.
I In den letzten Jahren wurden drei prognostische Scores zur Steuerung der Therapieintensität ausgearbeitet.
I Deren konsequente Anwendung führt zu einer Reduktion der Toxizität und der Kosten und könnte allenfalls einen positiven Einfluss auf die Prognose haben.
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