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KONGRESSBERICHT
ELCC 2019 – European Lung Cancer Congress, Genf, 10. bis 13. April 2019
Fortgeschrittene NSCLC mit Treibermutation
Heutige Optionen bei ALK- und ROS-positiven Karzinomen im Stadium IV
Auf einer Educational Session während des diesjährigen ELCC erläuterten europäi- dann mit Crizotinib und erreichte ein me-
sche Opinion-Leader den Stand derzeitiger Therapieoptionen bei nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCLC) mit Treibermutationen («oncogen-driven»). Bezüglich der ALK- und der ROS-positiven NSCLC resümierte und kommentierte
dianes PDF unter Alectinib von 34,8 Monaten (vs. 10,9 Monate) und eine ORR von 82,9% (vs. 75,5%). Die Phase-III-Studie ALTO-1L (6) verglich
Dr. med. Thomas Newsom-Davis, London, neuere Studienresultate im Hinblick auf Brigatinib mit Crizotinib, hier wurde das
die aktuelle ESMO-Guideline (1), das auch im Vergleich zur amerikanischen NCCN- mediane PFS unter Brigatinib «nicht er-
Guideline.
reicht» (unter Crizotinib betrug das mPFS 9,8 Monate), es wurde eine HR von 0,49
Dr. Newsom-Davis berichtete in seinem ritinib von 16,6 Monaten (vs. 8,1 Monate) ermittelt. Die ORR betrug 71% (vs. 60%).
Vortrag über die letztjährigen Entwicklun- und einer Gesamtansprechrate (ORR) (siehe auch Kasten 1).
gen nach Zulassung von Crizotinib von 72,5% (vs. 26,7%).
Zur Wirkung bei Hirnmetastasen: In der
(Xalkori®) als erstem ALK-Hemmer bei Die ALEX-Studie (5) verglich Alectinib ALEX-Studie betrug die HR bezüglich
fortgeschrittenem NSCLC mit ALK-Trans-
lokation (Anaplastic-Lymphoma-Kinasepositiv; «ALK-positiv»). Crizotinib dient in den Studien ab 2015 als Referenztherapie für ALK-Hemmer der zweiten Gene-
Kasten 1:
ALTA-1L: Brigatinib versus Crizotinib – erste Interimsanalyse bei ALK-positiven Tumoren
ration – Ceritinib (Zykladia®), Alectinib
Raffaele Califano berichtete über die ersten Ergebnisse der ALTA-1L-Studie* bei nicht TKI-vorbehandelten
(Alecensa®), Brigatinib (u.a. in der EU be-
Patienten mit ALK-positivem NSCLC. Bei einigen (29 bzw. 30%) Patienten bestanden asymptomatische
reits zugelassen unter dem Handelsnamen Alunbrig®) und künftig Loratinib (CHMP-Zulassungsempfehlung).
ZNS-Metastasen. In der offenen Multizenterstudie wurden die Patienten im Verhältnis 1:1 (Brigatinib/ Crizotinib) randomisiert, es wurden insgesamt 275 Patienten eingeschlossen (n = 137/138). Beim Cut-off am 19. Februar 2018 betrug der mediane Follow-up 11,0/9,3 Monate, das PFS erreichte 99 Monate. Brigatinib traf den vorbestimmten primären Endpunkt für eine statistisch signifikante Überlegenheit ge-
Erst- und Next-GenerationsTKI bei ALK-positivem NSCLC
In der PROFILE-1014-Studie (2) hatte sich
genüber Crizotinib: Das PFS, verblindet durch ein unabhängiges Komitee bestimmt, war verdoppelt (HR: 0,49; 95%-KI: 0,33–0,74), so die Zahlen von Califano am ELCC. Das PFS unter Brigatinib wurde «nicht erreicht», unter Crizotinib betrug es 9,8 Monate. Zu den Nebenwirkungen ≥ Grad 3 gehörten unter Brigatinib erhöhte Blutkreatinphosphokinase (16,2%),
gezeigt, dass Crizotinib gegenüber der und -lipase (13,2%) sowie unter Crizotinib erhöhte Alanin-Aminotransferase (9,5%) und Aspartat-Amino-
Chemotherapie in der Erstlinie ein verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS 10,9 vs. 7 Monate; HR: 0,45) bewirkte, aber nach 5 Monaten kein verän-
transferase (5,8%) und -lipase (5,1%). Die Therapieabbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen betrug
11,8% (vs. 8,8%).
hir
* Califano R et al.: 106O – Brigatinib (BRG) vs crizotinib (CRZ) in the phase III ALTA-1L trial. ELCC #106O bzw. (6).
dertes Gesamtüberleben (OS) zeigte.
Ein Update 2018 (3) ergab dann, dass das
OS verlängert wird, wenn nach Chemotherapie der ALK-TKI eingesetzt wird
Kasten 2:
PROFILE-1001: Aktuelle OS-Daten unter Crizotinib bei ROS1-positiven Tumoren
(Cross-over); das längste OS hatten mit Crizotinib behandelte Patienten, die ei-
In der laufenden Phase-I-Studie hatte Crizotinib bei einer ersten Analyse ein deutliches Therapieansprechen bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC mit ROS1-Translokation gezeigt. Es zeigte sich eine ORR von
nen weiteren ALK-TKI erhielten.
72% und ein schnelles und anhaltendes Ansprechen (mediane Dauer 18 Monate), was bereits 2014 von AT
In den letzten Jahren zeigte sich unter Behandlung mit den neueren ALK-TKI Ceritinib, Alectinib und Brigatinib gegenüber Crizotinib ein verlängertes PFS bei besserer Verträglichkeit. Wesentlich ist dabei auch, dass die drei neuen Sub-
Shaw konnte (NEJM 2014; 371: 1961). Alice Shaw präsentierte am ELCC 2019 die Überlebens- und die aktualisierten Sicherheitsdaten nach mehr als 3 Jahren zusätzlichem Follow-up*: Zwischen Oktober 2010 und Juni 2018 wurden 53 Patienten mit Crizotinib behandelt, die mittlere Therapiedauer betrug 22 Monate. Zum Zeitpunkt des Daten-Cut-offs am 30. Juni 2018 waren 12 (22,6%) Patienten noch in Behandlung. Es kam zu 26 Todesfällen (49,1%) in einem medianen Follow-up-Zeitraum von 63 Monaten. Das mittlere OS betrug 51 Monate (95%-KI: 29–NR), und die Wahrscheinlichkeiten des Überlebens betrugen 78,8%
stanzen eine ZNS-Wirkung entfalten nach 12 Monaten, 67,0% nach 24 Monaten und 50,7% nach 48 Monaten.
(wichtig aufgrund der häufigen Hirnmetastasen bei NSCLC im Stadium IV). Die ASCEND-4-Studie (4) verglich Ceritinib mit Chemotherapie und kam zu einem verdoppelten medianen PFS für Ce-
Auch in diesem Langzeitverlauf wurden keine neuen Toxizitäten beobachtet. Es kam auch nicht zu vermehr-
ten Therapieabbrüchen.
hir
* Shaw A et al.: Crizotinib in advanced ROS1-rearranged non-small cell lung cancer (NSCLC): Overall survival (OS) and updated safety from PROFILE 1001. ELCC 2019; #107O.
34 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2019
KONGRESSBERICHT
ELCC 2019 – European Lung Cancer Congress, Genf, 10. bis 13. April 2019
NSCLC im Stadium IV mit Treibermutation – positiv im Molekulartest für ALK, BRAF, EGFR, ROS1
(adaptiert nach Planchard D et al.; 2018)
ALK-Translokation BRAF-V600-Mutation
EGFR-Mutation
ROS1-Translokation
Crizotinib (I, A, MCBS 4) Alectinib (I, A, MCBS 4) Ceritinib (I, B, MCBS 4)
Brigatinib (I, B)
Dabrafenib/Trametinib (III, A, MCBS 2)
Gefitinib (I, A) Erlotinib (I, A) +/– Bevacizumab (II, B, MCBS 3) Afatinib (I, A) Dacomitinib (I, A) Osimertinib (I, A, MCBS 4) Gefitinib/Carboplatin/Pemetrexed (I, A)
Crizotinib (III, A, MCBS 3)
des intrakranialen PFS 0,40, in der ALTO1L-Studie sogar 0,27.
Zweitlinientherapien und Sequenzen
Nach Oligoprogression empfiehlt die ESMO-Guideline Lokaltherapie und die Fortsetzung der TKI-Behandlung. Bei Krankheitsprogession (systemic progression) werden nach Crizotinib-Gabe in der Erstlinie entweder Ceritinib oder Alectinib empfohlen. Sofern bereits in der Erstlinie ein Zweitgenerations-ALK-TKI verabreicht wurde, empfiehlt die ESMO Brigatinib oder Lorlatinib (auch wenn noch nicht zugelassen). Die amerikanische NCCN sieht in ihrer neuesten Empfehlung (Januar 2019) für die Erstlinientherapie bereits Alectinib vor und in der Zweitlinie bei Krankheitsprogression bei einer einzelnen Metastase (isolated lesion) die Therapiefortsetzung plus Lokaltherapie und bei multiplen Metastasen die Gabe von Lorlatinib oder Chemotherapie. Zu klären bleibt die Frage: Was folgt nach einem ALK-TKI der zweiten Generation: Brigatinib oder Lorlatinib? Der Drittgenerations-TKI Lorlatinib wies in einer Phase-II-Studie (7) bei seinem primären Endpunkt, Gesamt- und intrakraniales Ansprechen (ORR bzw. intrakraniale ORR), deutliche Wirksamkeit mit einer ORR zwischen 31 und 47% (je nach Vortherapie) und eine intrakraniale ORR von 63% auf.
Therapie bei ROS-1-Translokation
Dr. Newsom-Davis ging weiter auf Behandlungsoptionen bei fortgeschrittenem NSCLC mit ROS1-Translokation (c-ros oncogene 1) ein. Bei dieser seltenen Treibermutation geben die europäischen und amerikanischen Guidelines ähnliche Empfehlungen: In der Erstlinie werden Crizotinib oder Ceritinib empfohlen. Für die Zweitlinie, sofern noch kein TKI gegeben wurde, wird Crizotinib (ggf. Ceritinib von NCCN) empfohlen, bei vorgängiger TKI-Gabe die Chemotherapie. Die NCCN empfiehlt bereits alternativ Lorlatinib. Bei kleinen Patientenzahlen hatten vier Studien (PROFILE-1001, ACSE, EUROS-3, Wu X et al.) mit Crizotinib (Studien in Phase I, II bzw. im retrospektiven Design) mediane PFS zwischen 5,5 und 19,2 Monaten und mediane OS von 17,2 bis «nicht erreicht» (in 3 Studien) ergeben. Entsprechende Resultate ergab eine kleine Studie unter Ceritinib mit einem medianen OS von 24 Monaten (siehe Kasten 2).
Hat die Immuntherapie hier einen Platz?
Prof. Julien Mazières, Toulouse/Frankreich, erläuterte die Rolle von Checkpoint-Inhibitoren bei fortgeschrittenen NSCLC mit Treibermutationen. Bei ALKund ROS1-positiven Tumoren zeigten bisherige Studien kein Ansprechen einer Monotherapie – dies betraf sowohl die
Gabe (von Nivolumab) vor der TKI-Erst-
linien- als auch die Gabe nach der TKI-
Zweitlinientherapie (u.a. [8]). Die Kombi-
nation verschiedener ALK-TKI mit Im-
muntherapien bei TKI-naiven Patienten
brachte dagegen teilweise hohe ORR
bis 86%, dies in kleinen Studien (unter
Alectinib/AtezColizumab; Lorlatinib/Avelu-
mab).
Insgesamt wird aber derzeit noch keine
Empfehlung für eine Immuntherapie bei
ALK- oder ROS1-positivem fortgeschrit-
tenem NSCLC gegeben.
I
Bärbel Hirrle
Quelle: «NSCLC Stage IV oncogenic addicted disease», Educational Session, ELCC, Genf, 10. April 2019. Vortrag Dr. med. Thomas Newsom-Davis: «Current treatment algorithms for ALK+ and ROS1+ patients».
Referenzen: 1. Planchard D. et al.: Metastatic non-small cell lung cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Annals Oncol, Published: 30. Januar 2019. Aktualisierte Version: https://doi.org/10.1093/annonc/mdy474 (korr./ergänzte Version). Erstpublikation: Annals Oncol 2018; 29 (4): 192–237.
Studien: 2. Solomon B et al.; NEJM 2014; 371: 2167. 3 Solomon BJ et al.; JCO 2018; 36: 2251. 4. Soria JC et al.; Lancet 2017; 389: 917. 5. Peters S et al.; NEJM 2017; 377: 829. 6. Camidge DR et al.; NEJM 2018; 379: 2027. 7. Solomon BJ et al.; Lancet Oncol 2018; 19: 1654. 8. Pan X et al.; ELCC 2019; Poster #139P.
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