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KONGRESSBERICHT
ASH 2018 – Annual Meeting of the American Society of Hematology, San Diego, 1. bis 4. Dezember 2018
Chronische lymphatische Leukämie
Brutonkinase- und BCL2-Inhibitoren verbessern die Prognose
Ibrutinib und Venetoclax haben sich in der Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) als effektive Substanzen erwiesen, die im Vergleich zu den Standardregimen verbesserte Wirksamkeitsergebnisse vorweisen können, wie bei der Jahrestagung ASH in San Diego erneut gezeigt wurde. Eine Kombination der beiden Wirkstoffe könnte weitere Vorteile bringen.
Ibrutinib plus Rituximab verlängern OS gegenüber FCR
Die Kombination Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR) ist der Therapiestandard für junge Patienten mit neu diagnostizierter CLL. In einer Phase-IIIStudie der ECOG-ACRIN-Cancer-Research-Group erhielten insgesamt 529 Patienten im Verhältnis 2:1 randomisiert Ibrutinib plus Rituximab (IR) oder FCR bis zum Krankheitsprogress (1). Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 33,6 Monaten war das Risiko für einen Progress im experimentellen Studienarm der ITT-Population gegenüber dem Standard um 65% reduziert (Hazard Ratio, HR = 0,35; 95%-KI: 0,22–0,50; p < 0,0001). In einer Subgruppenanalyse wurde der Therapievorteil von Ibrutinib plus Rituximab für alle untersuchten Patientengruppen gezeigt. Das Risiko der nicht IGHV-mutierten Patientenkohorte wurde um 74% (HR = 0,26; 95%-KI: 0,14–0,50; p < 0,00001), das der IGHVmutierten Kohorte um 56% (HR = 0,44; 95%-KI: 0,14–1,36; p = 0,07) gesenkt. Der PFS-Vorteil übertrug sich in eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) mit einer Reduktion des Risikos zu versterben um 83% für die ITT-Population (HR = 0,17; 95%-KI: 0,05–0,54; p < 0,0003) und um 87% für Patienten, die wenigstens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten (HR = 0,13; 95%-KI: 0,03–0,46; p < 0,0001). Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 wurden für 58,5% der Patienten im IR-Arm und 72,1% der Patienten im FCRArm berichtet.
Progressionsrisiko bei älteren Patienten durch Ibrutinib reduziert
Als Standardtherapien für ältere CLL-Patienten werden unter anderem Chlorambucil plus Obinutuzumab und Bendamustin plus Rituximab verwendet. In der Studie A041202 der Alliance-NorthAmerican-Intergroup wurde Ibrutinib als Monotherapie sowie in Kombination mit Rituximab (IR) gegen den Standard Bendamustin plus Rituximab (BR) bei zuvor unbehandelten CLL-Patienten geprüft (2). Es wurden insgesamt 644 Patienten in die Studie eingeschlossen, und 547 Patienten wurden im Verhältnis 1:1:1 in die drei Studienarme randomisiert. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Das Risiko für ein Krankheitsfortschreiten war im Ibrutinib-Monotherapiearm um 61% und im Ibrutinib/ Rituximab-Arm um 62% gegenüber BR reduziert (HR = 0,39; 95%-KI: 0,26–0,58; p < 0,001 bzw. HR = 0,38; 95%-KI: 0,25–0,59; p < 0,001). Die Hinzunahme von Rituximab zu Ibrutinib verlängerte das PFS nicht (HR = 1,00; 95%-KI: 0,62–1,62; p = 0,49). Es sprachen 93% der Patienten unter Ibrutinib, 94% unter IR und 81% der Patienten im BR-Arm auf die Studienmedikation an. Ein komplettes Ansprechen erreichten 7%, 12% und 26% der Patienten. Nach 9 Monaten wurde bei 1%, 4% und 8% der Patienten MRD-Negativität festgestellt. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 38 Monaten unterschied sich das OS zwischen den Studienarmen nicht.
Gesamtüberlebensvorteil mit Venetoclax plus Rituximab im Rezidiv
Bei Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL wurden in der MURANO-
Studie Venetoclax mit einer festgelegten Therapiedauer von maximal 2 Jahren plus Rituximab (VenR) gegen Bendamustin plus Rituximab (BR) über 6 Zyklen verglichen. Die primäre Analyse der MURANO-Studie mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23,8 Monaten bestätigte einen signifikanten Vorteil von VenR gegenüber BR bezüglich des primären Endpunkts, dem PFS (HR = 0,17; p < 0,001). Beim ASH 2018 wurden nun aktualisierte Ergebnisse nach abgeschlossener Therapie aller Studienteilnehmer präsentiert (3). Insgesamt wurden in der Phase-III-Studie 389 Patienten randomisiert mit VenR oder BR behandelt. Patienten im venetoclaxhaltigen Studienarm waren median 24,4 Monate unter Medikation, Patienten im BR-Arm 5,5 Monate. 130 von 194 Patienten komplettierten die 2-jährige VenR-Therapie ohne Tumorprogress, und 154 von 195 Patienten erhielten die geplanten 6 Zyklen BR. Das Erreichen des primären Endpunkts konnte mit nunmehr median 36,0 Monaten Nachbeobachtungszeit bestätigt werden: Das mediane PFS war im VenR-Arm weiterhin nicht erreicht und betrug unter BR 17,0 Monate. Nach 3 Jahren waren 71,4% versus 15,2% der Patienten ohne Progress (HR = 0,16; 95%-KI: 0,12–0,23). Der Vorteil von Venetoclax gegenüber Bendamustin wurde über alle prädefinierten Subgruppen gesehen. Auch bezüglich des OS wurde eine klinisch relevante Verlängerung nachgewiesen: Die 3-Jahres-OS-Rate betrug 87,9% versus 79,5% (HR = 0,50; 95%-KI: 0,30–0,85). Der Überlebensvorteil wurde erreicht, obwohl die meisten Patienten nach Progress unter BR eine weitere aktive Therapie erhielten, davon die Hälfte Ibrutinib und 8% Venetoclax.
Kombinierte VenetoclaxIbrutinib-Therapie bei Hochrisikofaktoren
Ibrutinib und Venetoclax unterscheiden sich nicht nur im Wirkmechanismus, sondern auch bezüglich des Nebenwirkungsprofils, wodurch sie möglicher-
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2019
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KONGRESSBERICHT
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Immuntherapien für CLL-Patienten mit Richter-Transformation
Für CLL-Patienten mit Richter-Transformation gibt es derzeit keine Standardbehandlung, und betroffene Patienten überleben im Durchschnitt weniger als 12 Monate. Da bei der CLL häufig eine Dysfunktion des Immunsystems vorliegt, wird die PD-1-Checkpoint-Blockade in diversen Studien für Patienten mit Richter-Transformation untersucht.
In einer Phase-II-Studie erhielten 24 Patienten mit DLBCL-Richter-Transformation nach einem Zyklus Nivolu-
mab die Kombination von Nivolumab plus Ibrutinib (1). Die Patienten waren median 64,5 Jahre alt und
hatten durchschnittlich 3 vorherige Therapien erhalten. Bei 10 der Patienten (42%) wurde unter der Studi-
enmedikation ein Ansprechen gesehen, davon wiesen 8 Patienten ein komplettes metabolisches Anspre-
chen und 2 Patienten ein partielles metabolisches Ansprechen auf. 4 Patienten konnten bei Ansprechen
einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden, 4 weitere Patienten erhielten eine allogene
Stammzelltransplantation nach nachfolgender Salvage-Therapie. Die mediane Dauer des Ansprechens war
zur Zeit der Auswertung noch nicht erreicht. Bei Zensur der allogenen Stammzelltransplantation betrug die
mediane Dauer des Ansprechens 9,3 Monate. Das Gesamtüberleben betrug im Median 13,8 Monate. Die
kombinierte Therapie wurde gut vertragen.
Mit der Triplet-Kombination des PI3K-Inhibitosr Umbralisib, des Anti-CD20-Antikörpers Ublituximab und
des PD-1-Inhibitors Pembrolizumab wurden beim ASH 2018 von einer Phase-I/II-Studie vielversprechende
Ergebnisse für die Behandlung von BTKi-refraktären CLL-Patienten (n = 10) und Patienten mit Richter-Trans-
formation (n = 4) berichtet (2). Ein Ansprechen wurde bei 9 der CLL-Patienten (90%) und bei 2 der Patien-
ten mit Richter-Transformation (50%), in beiden Fällen Komplettremissionen, gesehen. Immunvermittelte
Nebenwirkungen traten nicht häufiger auf, als mit Umbralisib oder Pembrolizumab als Monotherapien er-
wartet worden wäre.
Ine Schmale
Referenzen: 1. Jain N et al.: A phase II trial of nivolumab combined with ibrutinib for patients with Richter transformation. ASH 2018, Abstr. #296. 2. Mato A et al.: Phase I/II study of umbralisib (TGR-1202) in combination with ublituximab (TG-1101) and pembrolizumab in patients
with relapsed/refractory CLL and Richter s transformation. ASH 2018, Abstr. #297.
weise eine gute Kombination für die Behandlung der CLL sein könnten. In einer wissenschaftlich initiierten Phase-II-Studie wurden therapienaive Patienten mit CLL oder SLL (kleinzelliges lymphozytisches Lymphom) und wenigstens einem der Hochrisikofaktoren 17p-Deletion oder TP53-Mutation, 11q-Deletion, nicht mutiertes IGHV und Alter ≥ 65 Jahre mit 3 Zyklen Ibrutinib, und danach 24 Zyklen
Ibrutinib plus Venetoclax behandelt (4). Primärer Endpunkt war die Rate der Komplettremissionen. Zwischen Juli 2016 und Juni 2018 wurden 80 Patienten eingeschlossen, von denen 75 Patienten die Kombinationstherapie begannen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,8 Monaten waren alle Patienten ohne Progress und am Leben. Mit der initialen Ibrutinib-Monotherapie
senkte sich die TLS-Risiko-Kategorie bei
80% der Patienten mit hohem und 48%
der Patienten mit mittlerem Risiko. Die
Tiefe des Ansprechens verbesserte sich
im Laufe der Therapie. Nach 12 Monaten
der Kombinationstherapie zeigten 88%
der Patienten ein komplettes Anspre-
chen und 61% MRD-Negativität, nach 18
Monaten waren es 96% mit Komplettre-
mission und 69% MRD-negative Patien-
ten. Die Kombination wurde insgesamt
gut vertragen. Die Ibrutinib-Dosis wurde
bei 44% der Patienten hauptsächlich we-
gen Vorhofflimmern, Neutropenie, Rash
und Bluthochdruck reduziert, Venetoclax
bei 24% der Patienten, insbesondere
aufgrund von Neutropenien. 6 Patienten
brachen Ibrutinib aufgrund von Neben-
wirkungen ab und erhielten Venetoclax
als Monotherapie weiter.
I
Ine Schmale
Referenzen: 1. Shanafelt TD et al.: A randomized phase III study of ibrutinib (PCI-32765)-based therapy vs. standard fludarabine, cyclophosphamide, and rituximab (FCR) chemoimmunotherapy in untreated younger patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL): A trial of the ECOG-ACRIN cancer research group (E1912). ASH 2018, Abstr. #LBA-4. 2. Woyach JA et al.: Ibrutinib alone or in combination with rituximab produces superior progression free survival (PFS) compared with bendamustine plus rituximab in untreated older patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL): Results of Alliance North American Intergroup study A041202. ASH 2018, Abstr. #6. 3. Seymour J et al.: MURANO trial establishes feasibility of time-limited venetoclax-rituximab (VenR) combination therapy in relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2018, Abstr. #184. 4. Jain N et al.: Combined ibrutinib and venetoclax in patients with treatment-naive high-risk chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2018, Abstr. #186.
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