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KONGRESSBERICHT
ASH 2018 – Annual Meeting of the American Society of Hematology, San Diego, 1. bis 4. Dezember 2018
Multiples Myelom
Good News mit Immuntherapien und Proteasomhemmer
An der 60. Jahrestagung der ASH gibt es mehrere gute Neuigkeiten für Patienten mit multiplem Myelom (MM): Der CD38-gerichtete Antikörper Daratumumab konnte in zwei Phase-III-Studien die Prognose von transplantationsungeeigneten Patienten mit neu diagnostiziertem MM bei Zugabe zu Standardregimen verbessern. Die Erhaltungstherapie mit dem Proteasom-Inhibitor Ixazomib verlängerte nach Stammzelltransplantation die Zeit bis zum Rezidiv. Der Immunmodulator Pomalidomid ist auch bei lenalidomidvorbehandelten Patienten wirksam.
Daratumumab optimiert lenalidomidhaltige Doublette
Die randomisierte Phase-III-Studie MAIA untersuchte Daratumumab zusätzlich zu Lenalidomid plus Dexamethason (D-Rd vs. Rd) bei insgesamt 737 Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (NDMM), welche sich für eine Stammzelltransplantation nicht eigneten. In der Late-Breaking-Abstract-Sitzung wurden die Ergebnisse einer präspezifizierten Interimsanalyse präsentiert (1): Die Patienten waren im Median 73 Jahre alt, wobei 35% der Patienten zwischen 70 und < 75 Jahren sowie 44% der Patienten ≥ 75 Jahre alt waren. 14% der Patienten wiesen ein hohes zytogenetisches Risiko auf. Die mediane Zeit unter Studienmedikation betrug in den beiden Studienarmen 25,3 Monate (D-Rd) versus 21,3 Monate (Rd). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS), der primäre Studienendpunkt der MAIAStudie, im experimentellen Arm noch nicht erreicht und betrug 31,9 Monate unter Rd. Nach 30 Monaten waren 71% versus 56% der Patienten ohne Progress (Hazard-Ratio, HR = 0,56; 95%-KI: 0,43–0,73; p < 0,0001). Der Therapievorteil durch die zusätzliche Daratumumabgabe wurde für alle präspezifizierten Subgruppen bestätigt. 93% versus 81% der Studienteilnehmer sprachen auf die jeweilige Studienmedikation an. Wenigstens eine Komplettremission (≥ CR) zeigten 48% versus 25% der Patienten, wenigstens eine sehr gute partielle Remission (≥ VGPR) 79% versus 53% der Patienten. Mit einer Sensitivität von 10-5 wurde eine negative minimale Resterkrankung (MRD) bei 24% der Pati-
enten im D-Rd-Arm und 7% im Rd-Arm festgestellt. Mit den MAIA-Studiendaten konnte zudem bestätigt werden, dass Patienten, die eine MRD-Negativität erreichen, ungeachtet der Studienmedikation ein längeres PFS aufweisen.
Wirksamkeit von VMP wird durch Daratumumab verbessert
Die Phase-III-Studie ALCYONE untersuchte die zusätzliche Gabe von Daratumumab zu Bortezomib, Melphalan und Prednison (D-VMP vs. VMP) bei transplantationsungeeigneten Patienten mit NDMM (2). 706 Patienten erhielten randomisiert 9 Zyklen VMP oder 9 Zyklen D-VMP gefolgt von einer DaratumumabMonotherapie. Primärer Studienendpunkt war das PFS. Die Patienten waren im Durchschnitt 71 Jahre alt, mit einem Anteil von 60 bis 63% im Alter von 65 bis 74 Jahren und 30% im Alter ≥ 75 Jahre. Ein Viertel der Patienten wies einen ECOG-Performance Status (PS) von 2 auf. Mit einer Nachbeobachtungszeit von median 27,8 Monaten hatten alle Patienten die Phase mit 9 Zyklen der VMP-haltigen Therapie komplettiert oder die Therapie abgebrochen. 56% der Patienten im D-VMP-Studienarm waren noch unter Daratumumab-Monotherapie. Das mediane PFS war im D-VMP-Arm noch nicht erreicht und betrug 19,1 Monate im VMP-Arm. Nach 24 Monaten waren 63% versus 36% und nach 30 Monaten 60% versus 28% der Patienten ohne Krankheitsprogress (HR = 0,43; 95%-KI: 0,35–0,54; p < 0,0001). Auch Patienten ≥ 75 Jahre profitierten mit einer 49%igen Risikoreduktion für einen Progress (HR = 0,51; 95%-KI: 0,34–0,75). 91% der
Patienten sprachen auf D-VMP und 74% auf VMP an. Ein komplettes Ansprechen zeigten 45% versus 25% der Patienten beider Studienarme, wenigstens ein ≥ VGPR 73% versus 50% der Patienten. Die mediane Dauer des Ansprechens war zum Zeitpunkt der Auswertung im DVMP-Arm noch nicht erreicht und betrug 21,1 Monate im VMP-Arm. Auch das PFS unter der nachfolgenden Therapie (PFS2), welches als Surrogatparameter für das Gesamtüberleben (OS) verstanden wird, war für Patienten des D-VMPArms signifikant gegenüber Patienten des VMP-Arms verlängert (HR = 0,59; 95%-KI: 0,43–0,82; p = 0,0013). MRD-Negativität erreichten mit 27% versus 7% häufiger Patienten unter D-VMP als unter VMP (p < 0,0001).
Erhaltungstherapie mit Ixazomib verzögert Progress
Das Rezidiv nach einer Stammzelltransplantation ist beim multiplen Myelom ein bisher nicht vermeidbares Ereignis. Durch eine Erhaltungstherapie kann die Zeit bis zum Krankheitsprogress aber verzögert werden, wie bereits für Lenalidomid gezeigt wurde. Die Phase-III-Studie TOURMALINE-MM3 untersuchte die Erhaltungstherapie mit dem Proteasominhibitor Ixazomib. Die beim «ASH 2018» präsentierten Daten weisen auf die Möglichkeit einer oralen, wöchentlich einzunehmenden, verträglichen und wirksamen Therapie hin (3). 656 Patienten erhielten nach Stammzelltransplantation im Verhältnis 3:2 randomisiert Ixazomib oder Plazebo. Die Behandlung erfolgte für einen Zeitraum von maximal 26 Zyklen. Das PFS, primärer Studienendpunkt, wurde durch die IxazomibErhaltungstherapie von median 21,3 auf 26,5 Monate signifikant verlängert (HR = 0,72; 95%-KI: 0,58–0,89; p = 0,002). In Subgruppenanalysen wurde der Therapieerfolg unabhängig vom Alter, dem ISSStadium und dem zytogenetischen Risiko bestätigt. Das mediane OS war mit insgesamt 14% berichteten Todesfällen – nach median 31 Monaten Nachbeobachtungszeit – in keinem der beiden Studi-
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KONGRESSBERICHT
ASH 2018 – Annual Meeting of the American Society of Hematology, San Diego, 1. bis 4. Dezember 2018
Fokus auf ältere Myelompatienten
Das Alter ist bei Myelompatienten ein Risikofaktor, der die Prognose, möglicherweise aufgrund erhöhten Auftretens von Nebenwirkungen und damit einhergehenden Therapieabbrüchen, verschlechtert. Lenalidomid plus Dexamethason (Rd) gehört in der Myelombehandlung zu den effektiven Standardtherapien. In der RV-MM-PI-0752-Studie wurde untersucht, ob bei älteren, «mittel-fitten» Patienten (IMWG-Score 1) eine RdInduktion über 9 Zyklen, gefolgt von einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie (Rd-R), die Wirksamkeit der kontinuierlichen Rd-Therapie bei verringerter Toxizität erhält. 199 neu diagnostizierte Myelompatienten wurden rekrutiert. Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (EFS), wobei das Auftreten einer hämatologischen Grad-4-Toxizität, einer nicht hämatologischen Grad-3- bis -4-Toxizität oder des Krankheitsprogresses sowie das Abbrechen der Lenalidomid-Therapie und des Versterben jedweder Ursache als Ereignis definiert waren. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 25 Monaten betrug das EFS median 9,3 Monate im Rd-RArm versus 6,6 Monate im Rd-Arm (HR = 0,72; 95%-KI: 0,52–0,99; p = 0,044). Nach 20 Monaten lebten 43% versus 42% ohne Progress und die Gesamtüberlebensrate betrug 84% versus 79%. 19% der Patienten im Rd-R-Arm versus 23% im Rd-Arm brachen Lenalidomid aufgrund von Nebenwirkungen ab, 33% vs. 43% der Patienten reduzierten die Lenalidomid-Dosis aufgrund von Nebenwirkungen. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Wirksamkeit der beiden Regime vergleichbar ist, aber Rd-R ein potenziell besseres Verträglichkeitsprofil aufweist.
Referenz: Larocca A et al.: Efficacy and feasibility of dose/schedule-adjusted Rd-R vs. continuous Rd in elderly and intermediate-fit newly diagnosed multiple myeloma patients: RV-MM-PI-0752 phase III randomized study. ASH 2018, Abstr. #305.
Mit einer Hazard-Ratio von 0,55 bezie-
hungsweise 0,54 nach median 16,4 Mo-
naten Nachbeobachtungszeit wurde
kein Unterschied im Vorteil der pomali-
domidhaltigen Therapie bezüglich des
PFS bei Patienten mit lenalidomid
refraktärer oder nicht refraktärer Erkran-
kung festgestellt. Die Ansprechrate war
im pomalidomidhaltigen Studienarm ge-
genüber dem Vd-Arm bezüglich beider
Patientenkohorten signifikant erhöht
(85,9% vs. 50,8%; p < 0,001 bzw. 95,7%
vs. 60,0%; p < 0,001). In beiden Kohorten
war die Dauer der Behandlung unter PVd
länger als unter Vd.
Lenalidomidrefraktäre Patienten erhiel-
ten PVd über median 9,7 Monate (vs. 6,1
Monate Vd) und nicht refraktäre Patien-
ten über median 13,6 Monate (vs. 6,6
Monate)
I
enarme erreicht. Eine Vertiefung der Remission von einer VGPR zu einer CR oder von einer partiellen Remission (PR) zu einer VGPR wurde in 46% der Fälle unter Ixazomib und 32% im Plazebo-Arm berichtet. Der Vorteil der Erhaltungstherapie wurde unabhängig vom MRD-Status bei Studieneinschluss gesehen. 12% versus 7% der Patienten wurden unter Behandlung mit Ixazomib respektive Plazebo MRD-negativ.
Pomalidomid ist bei lenalidomidrefraktären Patienten effektiv
OPTIMISMM ist die erste Phase-III-Studie, die ein pomalidomidhaltiges Regime bei Patienten mit rezidiviertem oder refrak-
tärem multiplem Myelom (RRMM) mit 1 bis 3 vorangegangen Therapielinien und davon ≥ 2 lenalidomidhaltigen Regimen untersucht. Die Ergebnisse bestätigen PVd als effektive und sichere Therapie für Patienten, für die Lenalidomid keine Therapieoption mehr ist, inklusive lenalidomidrefraktäre Patienten nach nur einer Therapielinie. 559 Studienteilnehmer erhielten randomisiert Pomalidomid plus Bortezomib/Dexamethason (PVd) oder alleiniges Vd bis Tumorprogress oder nicht akzeptable Toxizität. Beim «ASH 2018» wurden Ergebnisse einer Subgruppenanalyse der 226 Patienten präsentiert, die vor Applikation der Studienmedikation nur eine Therapielinie erhalten hatten (4). Von diesen Patienten waren 129 Patienten lenalidomidrefraktär.
Ine Schmale
Referenzen: 1. Facon T et al.: Phase 3 randomized study of daratumumab plus lenalidomide and dexamethasone (D-Rd) versus lenalidomide and dexamethasone (Rd) in patients with newly diagnosed multiple myeloma ineligible for transplant (MAIA). ASH 2018, Abstr. #LBA-2. 2. Dimopoulos M et al.: One-year update of a phase 3 randomized study of daratumumab plus bortezomib, melphalan, and prednisone (D-VMP) versus bortezomib, melphalan, and prednisone (VMP) in patients with transplant-ineligible newly diagnosed multiple myeloma (NDMM): ALCYONE. ASH 2018, Abstr. #156. 3. Dimopoulos M et al.: Maintenance therapy with the oral proteasome inhibitor ixazomib significantly prolongs progression-free survival (PFS) following autologous stem cell transplantation (ASCT) in patients with newly diagnosed multiple myeloma: Phase 3 Tourmaline-MM3 trial. ASH 2018, Abstr. #301. 4. Dimopoulos M et al.: Pomalidomide + bortezomib + lowdose dexamethasone vs bortezomib + low-dose dexamethasone as second-line treatment in patients with lenalidomide-pretreated multiple myeloma: A subgroup analysis of the phase 3 optimismm trial. ASH 2018, Abstr. #3278.
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