Transkript
NEUE THERAPIEN – MEDIENROUNDTABLE
Entwicklung neuer Onkologika
Biosimilars – ein Beitrag zur Kostenersparnis oder nur Konkurrenzkampf?
Vor dem Hintergrund hoher Kosten der häufig eingesetzten biologischen Medikamente (Biologicals) wird nach Ablauf ihres Patentschutzes auf die Entwicklung, Zulassung und den Einsatz von Biosimilars grosse Hoffnungen gesetzt. In der Pipeline bei uns sind einige Biosimilars für den Einsatz in der Onkologie, welche in der EU und den USA bereits zugelassen sind. Bisher wird beobachtet, dass erste zugelassene Biosimiliars in der Schweiz noch zurückhaltend verordnet werden.
Diskussionen zum Einsatz von Biosimilars laufen derzeit auf verschiedenen Seiten, darunter bei den Herstellern/Vertreibern von Biosimilars, den Herstellern der biologischen Referenzpräparate, welche Umsatzeinbussen befürchten, Gesundheitsund Zulassungsbehörden sowie Versicherungen, die Kostenersparnis sehen. Hintergrund ist, dass der Patentschutz mehrerer gentechnisch sehr aufwendig hergestellter Biologicals – in der Onkologie zum Beispiel Rituximab, Trastuzumab, Bevacizumab – in den nächsten Jahren abläuft und erforderliche Therapien mit den sogenannten Biosimilars erfolgen könnten. Die Kosten der Letzteren wären deutlich niedriger als die Originalprodukte. Biosimilars haben im Gegensatz zu Generika aber ein hochkomplexes Zulassungsverfahren zu durchlaufen, bei dem die gleiche pharmazeutische Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wie das zugelassene Referenzprodukt nachgewiesen werden muss. Auf einem Medienroundtable (gesponsert über Sandoz Pharmaceuticals und Helsana Versicherung) wurde über die aufwendigen Zulassungsverfahren für Biosimilars informiert (1). Die Krankenversicherung sieht ein Einsparpotenzial von rund 20 Prozent durch Einsatz von Biosimilars gegenüber den Referenzprodukten und hinterfragt die derzeitige Verordnungspraxis. In der Schweiz bereits zugelassene Biosimilars sind zum Beispiel Epoetin alpha, Filgastrim, Somatropin (2).
Biologicals und Biosimilars
Biopharmaka (auch als Biologika und Biologicals bezeichnet) werden mit grossem Aufwand der Biotechnologie und
gentechnisch veränderten Organismen hergestellt. Produziert werden Proteine (darunter monoklonale Antikörper) zum Einsatz in Diagnostik und Therapie, zum Beispiel in der Rheumatologie und Onkologie. Sie gehören zu den wachsenden Geschäftsfeldern der Pharmaindustrie und sind im Gesundheitswesen sehr kostspielig. Wie Rheumatologe Dr. med. Jan Triebel aus Zürich auf dem Medienroundtable in Zürich (1) erklärte, begann der breite klinische Einsatz der Biologicals, obwohl seit etwa 20 Jahren verfügbar, ab zirka 2007. Mit dem Patentablauf einiger Biologicals werden erste Vertreter von Biosimilars seit 2015 vergleichbar kostensparend eingesetzt. In der EU sind mehrere Biosimilars zugelassen (z.B. Infliximab zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen; Rituximab, Trastuzumab, Bevacizumab bei einigen Malignomen) (2), in der Schweiz einzelne (s.o.); weitere Zulassungen werden in diesem Jahr erwartet.
Aufwendiges Zulassungsverfahren auch für Biosimilars
Biosimilars können im Gegensatz zu Generika nie völlig identisch zum Originalwirkstoff, sondern dem Original nur ähnlich («similar») sein. Ihre Herstellung ist wesentlich aufwendiger als bei Generika, denn biologisch produzierte Arzneimittel unterliegen einer produktionsbedingten Variabilität, die aber in engen Grenzen liegt und streng überwacht wird. Der für ein Biosimilar zulässige Variabilitätsbereich ist derselbe wie zwischen den Chargen des Referenzprodukts. Bevor ein Biosimilar für den Markt zugelassen wird, durchläuft es ein streng reguliertes Zulassungsverfahren. Um die Vergleich-
barkeit mit dem Referenzprodukt sicherzustellen, hat die europäische Zulassungsbehörde EMA bereits 2005 ein eigenständiges Zulassungsverfahren für Biosimilars etabliert, an dem sich die Swissmedic orientiert (Abbildung). Ausgangspunkt des Verfahrens bilden umfangreiche und detaillierte analytische Charakterisierungen von Referenzprodukt und Biosimilar hinsichtlich ihrer physikochemischen und biologischen Eigenschaften. Sichergestellt werden muss, dass das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil vergleichbar ist. Nur wenn das Biosimilar eine hochgradige strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit zu seinem Referenzpräparat hat und die pharmakokinetischen und -dynamischen Daten stimmen, werden klinische Studien in einer sensitiven Indikation durchgeführt. Unter einer sensitiven Indikation versteht man die therapeutische Anwendung in einer Erkrankung, bei der die Wirksamkeit und Sicherheit eindeutig und mit möglichst grossem Effekt nachgewiesen werden kann. Wenn vergleichbare Daten dazu vorliegen, können diese Daten auf andere Indikationen extrapoliert werden. Dabei entscheidet die Zulassungsbehörde eigenständig, ob eine klinische Phase-III-Studie für die Zulassung eines Biosimilars bei einer bestimmten Indikation erforderlich ist oder ob Daten wissenschaftlich extrapoliert werden können (vgl. Wegleitung der Swissmedic zur Zulassung von Biosimilars: 3). Zudem unterliegen Biosimilars der Überwachung bezüglich potenzieller Arzneimittelnebenwirkungen. Wie Dr. Triebel erklärte, empfehlen Rheumatologen der EULAR in der jüngsten Aktualisierung ihrer Richtlinien zur rheumatoiden Arthritis, gut untersuchte Biosimilars und Biologika als therapeutisch gleichwertig einzusetzen (1).
Ärzte haben die Verschreibungsverantwortung
Weder die europäische Zulassungsbehörde EMA noch die Swissmedic for-
32 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2019
NEUE THERAPIEN – MEDIENROUNDTABLE
dern aber für die Zulassung eine Beweisführung für die Austauschbarkeit von Referenzpräparat und Biosimilar. Die Verantwortung für die Verschreibung liegt bei der Ärztin/dem Arzt im Hinblick auf die klinische Beurteilung respektive der für das Produkt vorliegenden Evidenz. In einem Beitrag des Verbandes der forschenden pharmazeutischen Industrie Interpharma in der Schweizerischen Ärztezeitung (2015) wird betont, dass ein unkontrollierter Produktwechsel (Switch) oder eine automatische Substitution vermieden werden sollte (2). Zur Sicherung der Rückverfolgbarkeit und eindeutigen Identifizierbarkeit sind Biosimilars daher mit Handelsnamen (nicht mit dem Substanznamen) zu verschreiben (2). Die forschende pharmazeutische Industrie bekennt sich in einem Positionspapier zu einem transparenten Zugang zu den qualitativ hochwertigen, sicheren und im Vergleich zum Original kostengünstigeren Biosimilars.
Gibt das Schweizer Gesundheitswesen zu wenige Anreize?
Dennoch ist die Frage berechtigt, inwieweit das Gesundheitswesen bei sehr kostenintensiven Behandlungen (v.a. Onkologie) entlastet werden könnte, wenn in begründeten Fällen breiter als bisher Biosimilars (statt dem Referenzpräparat) eingesetzt werden könnten. Im Helsana-Arzneimittelreport für die Schweiz 2017 (4) wird beschrieben, dass man mit konsequentem Einsatz von Biosimilars im Jahr 2016 (in dem noch relativ wenige Biosimilars in der Schweiz zugelassen waren) 35 Millionen Franken hätte einsparen können. Mit dem Patentablauf häufig verordneter Immunsuppressiva
Klinische Wirksamkeit und Sicherheit
Pharmakokinetik/ Pharmakodynamik Präklinische Studien
Extrapolation
Biologische und physikochemische Charakterisierung
Z U L A S S U N G
Streng reguliertes Zulassungsverfahren der Biosimilars (5)
und Krebsmedikamente werde sich das jährliche Sparpotenzial deutlich erhöhen, zumal der Biologikamarkt weiterhin ein starkes Wachstum verzeichne. Von den 14 derzeit teuersten Medikamenten in der Medizin sind die Hälfte Biologicals (4). Martina Weiss, Bereichsleiterin «Verhandlung und Vergütung Medikamente» bei Helsana Versicherungen, erläuterte auf der Zürcher Presseveranstaltung, dass in der Schweiz die zugelassenen Biosimilars bisher nur zögerlich verordnet würden, ganz im Gegensatz zu europäischen Nachbarländern und vor allem Norwegen. Anscheinend gäbe es bei uns zu wenig Anreize für wirtschaftliches Verschreiben. Zur Realisierung des Einsparpotenzials durch Biosimilars sei eine ergebnisoffene Diskussion über neue Finanzierungsmodelle erforderlich (z.B. ein stärker greifender Selbstbehalt bzw. eine Steuerungsmöglichkeit wie bei Hausarztmodellen), meinte sie. Damit in der Schweiz mit Biosimilars Kos-
ten gespart werden können, brauche es
zum Beispiel einen Preiswettbewerb für
alle substituierbaren patentabgelau-
fenen Medikamente. «Wenn bei den
patentabgelaufenen Arzneimitteln nicht
gespart wird, dann können wir uns Inno-
vationen bald nicht mehr leisten!», so
ihre Position.
I
Bärbel Hirrle
Quellen/Referenzen: 1. «Biosimilars – ein Meilenstein zur Kostenkontrolle im Schweizer Gesundheitssystem?» Medienorientierung Zürich, Oktober 2018 (Ko-Sponsoring Sandoz Pharmaceuticals, Helsana Versicherung); organisiert von Pressedienst Medizin, Gesundheit & Wissenschaft, Küssnacht am Rigi. 2. Zelenko O (Issue Management Interpharma): Biosimilars – der Arzt entscheidet. Schweizerische Ärztezeitung 2015: 96(7): 217–219. 3. https://www.swissmedic.ch/dam/swissmedic/de/dokumente/ zulassung/zl/zl101_00 _003d_wlverwaltungsverordnunganleitungzulassungaehnliche.pdf.download.pdf/ZL1 01_00_003d_WL%20 Zulassung%20Biosimilar.pdf 4. Schneider R et al.: Helsana-Arzneimittelreport für die Schweiz 2017; unter: www.helsana.ch/docs/arzneimittelreport2017.pdf bzw. Dokumentation der Medienorientierung. 5. EMA/EC. Biosimilars in the EU: Information guide for healthcare professionals; abrufbar unter: http://www.ema.europa.eu/ docs/en_GB/document_library/Leaflet/2017/05/WC500226648.pdf
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2019
33