Transkript
Serie Supportivtherapien
Yoga bei Brustkrebspatientinnen
Eine wirksame komplementärmedizinische Behandlungsmethode
Yoga ist eine komplementärtherapeutische Mind-Body-Methode, die während einer Brustkrebserkrankung behandlungsbegleitend eingesetzt werden kann. Dadurch lassen sich Behandlungsnebenwirkungen wie Fatigue, Angst, Depression und Stress nachweislich verringern. Yoga praktizierende Patientinnen berichten von einem verbesserten allgemeinen Gesundheitszustand und mehr Lebensqualität.
GERDA IMHOF
Yoga ist eine aus Indien stammende Übungspraxis, deren Wurzeln gemäss heutigen Erkenntnissen bis etwa 1500 v. Chr. zurückreichen. Ähnlich wie in buddhistischen Lehren ging es auch im Yoga ursprünglich in erster Linie darum, Wege und Methoden zu finden, mit denen das Leid im menschlichen Leben transformiert und überwunden werden kann.
Yoga: von der indischen Heilslehre zur modernen Mind-Body-Methode
Während das Übungsrepertoire des Yoga zu Beginn ausschliesslich aus Konzentrationsund Meditationstechniken bestand, kamen im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Körper-, Atem- und Entspannungsübungen hinzu. Durch einen regen Austausch zwischen Kulturen im Osten und Westen ist es bei uns in den letzten Jahrzehnten zu einem regelrechten Yoga-Boom gekommen. Zweifelsohne ist die Welt des Yoga dabei nicht nur für Laien beinahe unüberschaubar geworden, manche Entwicklungen bieten mittlerweile berechtigten Anlass zur Sorge. Dessen ungeachtet geriet jedoch die wohltuende und gesundheitsfördernde Wirkung des Yoga zunehmend in den Fokus von in Gesundheitsberufen tätigen Personen, und es kam zur Entwicklung verschiedener yogatherapeutischer Methoden im Rahmen der Mind-Body-Medicine. Damit wird Yoga weltweit von namhaften Kliniken als unterstützende Behandlungsmethode bei verschiede-
nen Krankheitsbildern – darunter bei (Brust-) Krebs – erfolgreich eingesetzt. Auch im Brustzentrum des Luzerner Kantonsspitals setzen wir Yoga therapieunterstützend ein. Seit Oktober 2016 haben Brustkrebspatientinnen hier die Wahl zwischen einem wöchentlich stattfindenden Yogagruppenkurs à 75 Minuten oder Yogaeinzellektionen.
Das sagt die Forschung Bezüglich der Wirksamkeit von Yoga bei Brustkrebs liegen über 100 empirische Studien vor allem aus den USA, aus Kanada und Deutschland vor. Auch wenn die Vergleichbarkeit der verschiedenen Studien insgesamt wegen unterschiedlicher Studienmethoden sehr schwierig ist und weitere Untersuchungen zur Validierung bisheriger Erhebungen erforderlich sind, deuten die gewonnenen Forschungsergebnisse darauf hin, dass durch eine regelmässige Yogapraxis bei Brustkrebs insbesondere Behandlungsnebenwirkungen wie Fatigue deutlich verringert werden. Zudem können die Patientinnen von erheblichen Verbesserungen im psychosozialen Bereich, insbesondere bei Angst, Depression und Stress, profitieren. In der Tabelle sind diese aufgelistet.
Das sagen direkt Betroffene Patientinnen der Frauenklinik Luzern, die während ihrer Brustkrebserkrankung regelmässig Yoga praktizieren, berichten von folgenden positiven Auswirkungen: I weniger Müdigkeit/Fatigue, mehr Ener-
gie/Vitalität
I verbessertes Verhältnis zum eigenen Körper, besseres Körpergefühl
I positive Gedanken, grösseres Vertrauen/ bessere Zuversicht, dass die Krankheit überwunden werden kann
I mehr Stabilität, Standfestigkeit und Selbstvertrauen
I Abnahme des psychischen Drucks, Rückkehr von innerer Ruhe und Kraft, Linderung von Ängsten, Zurückfinden zur inneren Mitte
I erleichterter Umgang mit Schmerzen I beweglich bleiben, weniger muskuläre
Verspannungen I verbesserter Lymphfluss (bei Ödemen).
Besonders positiv erleben die Patientinnen am Yogakurs: I einfache, den individuellen Bedürfnissen
angepasste Körperübungen («Asanas») I Entspannungsübungen («Yoga Nidra») I Atemübungen («Pranayama») I Austausch/Unterstützung/Solidarität der
Gruppe I Übungen für zu Hause/für den Alltag.
Unterstützung der Selbstheilungskräfte Ein wesentlicher Vorteil der Methode Yoga im Vergleich zu anderen, eher «monozentrischen» Trainingsformen liegt in der Kombination von Atmung, Bewegung, Entspannung und Meditation/Konzentration. Verschiedene einfache und ressourcenorientierte Übungen ermöglichen es, auf das vegetative Nervensystem einzuwirken (Aktivierung des Parasympathikus), und unterstützen damit die Selbstheilungskräfte. Die angebotenen Übungen sind niederschwellig und können ohne grosses Equipment jederzeit und überall durchgeführt werden. Die positiven Auswirkungen einer Yogastunde sind in der Regel auch für totale Laien ohne «Bewegungshintergrund» bereits nach einer einzigen Lektion überraschend direkt erfahrbar. Im Gegensatz zu den mittlerweile allgegenwärtigen Bildern von durchtrainierten Yogamodels ist Yoga nicht nur für junge, fitte und bewegliche Personen geeignet, sondern kann von beinahe jeder Person, alters-,
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kultur-, konfessions- und religionsunabhängig, praktiziert werden. Inwiefern eine Yogalektion auch eine spirituelle Dimension umfasst, hängt von der jeweiligen Kursleitung ab. Generell sollten spirituelle Aspekte in einem Yogakurs für Brustkrebspatientinnen jedoch immer als offenes Angebot und nicht als fixes Glaubenssystem formuliert werden. Die Erfahrung, selbstwirksam etwas für die eigene Gesundheit tun zu können, führt bei vielen Patientinnen auch zu langfristigen Lebensstilveränderungen – hin zu einer bewussteren und gesünderen Lebensgestaltung.
Herausforderungen Obwohl die Evidenz der Wirksamkeit von Yoga bei Brustkrebs jährlich wächst und Yogalehrende seit einigen Jahren sogar eine eidgenössische Fachprüfung mit dem Titel «eidg. dipl. Komplementärtherapeut/in Methode Yogatherapie» ablegen können, wird die Methode Yoga/Yogatherapie von Schweizer Krankenkassen in der Grundversicherung nach wie vor nicht anerkannt. Auch im Rahmen einer Zusatzversicherung wird – wenn überhaupt – meist nur ein Teil der Kurskosten zurückerstattet. Die Kosten eines Yogakurses sind im Vergleich zu den sonstigen Behandlungskosten im Rahmen einer (Brust-) Krebserkrankung zwar äusserst gering, aber für die – während einer Krebserkrankung meist arbeitsunfähigen – Patientinnen trotzdem oftmals noch zu hoch. In Luzern können sich Patientinnen, deren Krankenkasse keinen Kostenbeitrag für die Yogakurse leistet, für eine Rückerstattung neuerdings an die Krebsliga Zentralschweiz wenden. Eine weitere Herausforderung besteht darin, Patientinnen über das Yogaangebot zu informieren. Aus verschiedenen Gründen (Zeitknappheit, Skepsis etc.) steht die Information über komplementärtherapeutische Angebote bei vielen ÄrztInnen eher auf den hinteren Plätzen ihrer Prioritätenliste. Es drängt sich daher auf, vermehrt auch mit anderen Fachpersonen, wie beispielsweise Breast Care Nurses, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass Patientinnen verlässlich über komplementärmedizinische Möglichkeiten wie Yoga informiert werden.
Ausblick Abschliessend ist es wichtig anzumerken, dass die erwähnten positiven Auswirkungen einer regelmässigen Yogapraxis nur bei korrekter Ausführung der Übungen erlebt wer-
Yoga bei Brustkrebspatientinnen hilft bei der Aktivierung der Selbstheilungskräfte.
Tabelle:
Exemplarische Auflistung von Forschungsergebnissen zu «Yoga bei Brustkrebs» aus zwei empirischen Untersuchungen (1, 4), einem Review (2) und einer Metaanalyse (3) im Zeitraum von 2012 bis 2014
Veränderungen durch eine regelmässige Yogapraxis während oder direkt nach der Brustkrebserkrankung im Vergleich mit Kontrollgruppen, die kein Yoga praktizierten: ■ verbesserter allgemeiner Gesundheitszustand, höhere Lebensqualität, mehr Vitalität (1, 2, 4) ■ deutliche Reduktion der Erschöpfungssymptomatik («Fatigue») (1, 2, 4) ■ Reduktion von Depression (Erhöhung von Serotonin, GABA sowie weiterer Hormone und Neuro-
transmitter) (2, 3, 4) ■ Abnahme von Ängsten (1, 2, 3) ■ Stressreduktion (Verringerung des Kortisollevels) (1) ■ verbesserte Schlafqualität (1, 2, 4) ■ leichtere Bewältigung des Alltags / der Alltagsaktivitäten (1) ■ Entzündungshemmung (Reduktion proinflammatorischer Zytokine, i.e. IL-6, TNF-α und IL-1β) (4) ■ weniger Schmerzen oder erleichterter Umgang mit Schmerzen (1) ■ erleichtertes «Annehmen/Akzeptieren-Können» der Krankheitserfahrung (1) ■ weniger Erbrechen und Übelkeit (1).
den können. Die Fachkompetenz und Erfahrung der Kursleitung ist daher entscheidend für den Behandlungserfolg der Methode Yoga. Eine qualitativ hochwertige, vierjährige Ausbildung, wie sie beispielsweise von Ausbildungsinstitutionen des Berufsverbands Yoga Schweiz (www.yoga.ch) angeboten wird, zeichnet kompetente Yogalehrende aus. Trotz des aktuellen Hypes steckt die Anwendung von Yoga im Bereich der Mind-BodyMedicine nach wie vor in den Kinderschuhen. Die bisherigen Forschungsergebnisse sowie die zahlreichen positiven Rückmeldungen von Krebspatientinnen des Brustzentrums Luzern zeigen jedoch das grosse Potenzial dieser Methode und stimmen optimistisch, dass in den nächsten Jahren weitere Kliniken
Yoga in ihr komplementärtherapeutisches
Programm aufnehmen werden.
I
Gerda Imhof Dipl. Yogalehrerin YCH Yogagemeinschaft Luzern Hirschengraben 13a 6003 Luzern E-Mail: info@gerdaimhof.ch Internet: gerdaimhof.ch
Quellen: 1. Chandwani K et al.: Randomized, Controlled Trial of Yoga in Women with Breast Cancer Undergoing Radiotherapy. J Clin Oncol 2014; 32 (10): 1058–1065. 2. Cramer H et al.: Yoga for improving health-related quality of life, mental health and cancer-related symptoms in women diagnosed with breast cancer (Review) In: Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, No. 1. 3. Cramer H et al.: Yoga for breast cancer patients and survivors: a systematic review and meta-analysis. In: BMC Cancer 2012, 12: 412. 4. Kiecolt-Glaser J: Yoga’s Impact on Inflammation, Mood, and Fatigue in Breast Cancer Survivors: A Randomized Controlled Trial. J Clin Oncol 2014; 32; 32 (10): 1040–1049.
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