Transkript
Im Fokus: Mammakarzinom
Brustkrebs bei Männern
Epidemiologie, Pathologie, Risikofaktoren, Therapie
Bei Männern mit Problemen der Brustdrüsen liegt der Gedanke an Brustkrebs zunächst fern. Wegen der vergleichbar geringen Zahl Betroffener wurde der Forschung dazu keine Priorität eingeräumt, und die Erfahrungen zu Diagnostik und Therapie bei Frauen wurden auf Männer übertragen. Der Artikel fasst neuere Erkenntnisse analog zur aktuellen Guideline (3) und zum Review (4) zusammen und resümiert klinische Studien, die auf dem ESMO-Kongress 2018 kürzlich vorgestellt wurden.
BÄRBEL HIRRLE
SZO 2018; 5: 20–23.
Bärbel Hirrle
Häufig verkannt, aber: Brustkrebs bei Männern macht fast 1 Prozent aller Brustkrebsfälle jährlich aus. Für Frauen in der Schweiz wird heute von jährlich rund 6000, für Männer von 50 Neuerkrankungen ausgegangen (1). In Deutschland erkranken jährlich 600 bis 700 Männer an Brustkrebs (2). Klinische Studien zur Diagnostik und Therapie beziehen sich fast ausschliesslich auf Frauen mit Brustkrebs, die Daten daraus werden meist für betroffene Männer extrapoliert. Wegen der relativen Seltenheit wird die Krankheit bei Männern häufig erst in späteren Stadien erkannt.
Epidemiologie: Männer erkranken im Schnitt deutlich später
Insgesamt wird von einer rohen Erkrankungsrate von 1,5/100 000 Männer (altersstandardisiert von 1/100 000) in Deutschland, der Schweiz und Österreich ausgegangen (3). Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 67 Jahren; dabei liegt der Gipfel der Neuerkrankungen bei den 60- bis 84-jährigen Männern. Bis zum Alter von 84 Jahren wurde eine kumulative Erkrankungsrate von 8/100 000 berechnet (3). Das mediane Sterbealter liegt bei 73 Jahren (Zahlen für Deutschland 2009–2013). Beim Vergleich zu Brustkrebs bei Frauen
Merkpunkte
I Das Mammakarzinom bei Männern ist eine seltene Erkrankung.
I Eine genetische Prädisposition liegt bei etwa 25% der Erkrankten vor, am häufigsten
sind BRCA2-Mutationen, die CHEK2*1100delC-Mutation und das Klinefelter-Syndrom.
I Histologisch dominiert das invasive duktale Karzinom.
I Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms bei Frauen werden meist auf die
Situation der Männer übertragen. Die Prognose wird vor allem vom Stadium bei Erst-
diagnose und von der Biologie der Erkrankung bestimmt.
I Der Therapieanspruch ist kurativ im lokal begrenzten, im lokal fortgeschrittenen und
im lokal rezidivierten Stadium. Nach Operation und Bestrahlung schliesst sich meist
eine adjuvante endokrine Therapie mit Tamoxifen an (ggf. auch eine Chemo- und/oder
eine Anti-HER2-Therapie).
I Im Stadium der Fernmetastasierung ist der Therapieanspruch palliativ mit dem Ziel
der Linderung von Symptomen und der Verlängerung der Überlebenszeit.
I Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in Deutschland bei 74%, sie ist damit niedriger als
bei Frauen mit Mammakarzinom.
(3)
unterscheidet sich damit das Erkrankungsalter der Männer erheblich; der Erkrankungsgipfel (Diagnosen) der Frauen liegt bei 65 bis 69 Jahren (und fällt danach leicht ab), bei Männern liegt der Gipfel zwischen 80 und 84 Jahren (Berechnungen für 2013) (3).
Pathogenese und Risikofaktoren
Wie kann es sein, dass Männer mit ihrer anderen Anatomie und ihrem anderen Hormonstatus als Frauen ebenfalls an Brustkrebs, scheinbar gleicher Pathogenese, erkranken? Basis der Krankheitsentwicklung ist das rudimentäre Vorhandensein von Brustgewebe beim Mann (2); allerdings ist die Ätiologie des männlichen Mammakarzinoms nicht geklärt. Neuere Forschungsbestrebungen versuchen, biologische Unterschiede der Tumoren, klinische Unterschiede, die Prognose und spezifische Therapieansätze zu eruieren. Eine mögliche Rolle in der Pathogenese spielt die Verschiebung des Androgen-/Östrogen-Verhältnisses mit erhöhtem Östrogen-Spiegel (3, 5). Eine assoziierte Gynäkomastie, ein Hypogonadismus, eine chronische Leberinsuffizienz sowie ein KlinefelterSyndrom können an der Pathogenese beteiligt sein. In einer Studie des schwedischen Krebsregisters zeigte sich, dass Männer mit Klinefelter-Syndrom ein doppeltes Risiko für Brustkrebs haben (5). Die Rolle des Androgenrezeptors ist derzeit unklar (4). Etwa ein Sechstel der an Brustkrebs erkrankten Männer hat eine genetische Prädisposition für ein Mammakarzinom, am häufigsten liegen BRCA2- und BRCA1-Mutationen, die CHEK2*1100delC oder das Klinefelter-Syndrom vor. Die Rollen weiterer involvierter Gene respektive Genmutationen, darunter CHEK2 (cell-cycle checkpoint-kinase), PALB2 (partner and localizer of BRCA2) und PTEN (Phosphatase und TensinHomolog) sind derzeit Forschungsgegenstand (5). Zu den erworbenen Risikofaktoren gehören starkes Übergewicht, lokale Strahlenexposition und hoher Alkoholkonsum (Liste der wichtigsten Risikofaktoren, s. Tabelle 1) (3, 5).
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Im Fokus: Mammakarzinom
Histologisch dominiert das invasive duktale «nonspecial-type»-(NST-)Karzinom.
Symptome
Wie bei Frauen fehlen auch bei erkrankten Männern in frühen Stadien die Allgemeinsymptome. Die schmerzlose Knotenbildung in der Brust, am häufigsten retroareolär, ist dominierend. Weiterhin können Hautveränderungen über dem Tumor und Veränderungen der Mamille mit Einziehung, Ulzeration oder Sekretion auf den Tumor hinweisen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Brustkrebs und der häufig auftretenden Brustschwellung beim Mann (Gynäkomastie), welche aber mit Brustkrebs assoziiert sein kann (5). Eine Biopsie ist für die präoperative Diagnose obligat (2).
Diagnostik
Wie bei Frauen sind die sorgfältige Anamnese und die komplette körperliche Untersuchung die Grundlagen rationeller Diagnostik. Der erste Schritt ist die Bestätigung der klinischen und/oder der bildgebenden Verdachtsdiagnose. Bei palpablem Tumor in der Brust, vergrösserten axillären Lymphknoten oder verdächtigen Hautveränderungen der Brust (Ulzeration, Sekretion, peau d’orange) empfehlen sich Mammografie und Mammasonografie mit Beurteilung der regionären Lymphknoten und präoperativer histologischer Bestätigung. Nach Diagnose richtet sich die Ausbreitungsdiagnostik nach den Richtlinien, die für Frauen gelten. Eine genetische Beratung ist grundsätzlich sinnvoll; allerdings divergieren die Empfehlungen von Land zu Land (z.B. USA: immer empfohlen; Schweiz: nur bei positiver Familienanamnese) (5). Standard zur Evaluation axillärer Lymphknoten bei cN0-Status ist die Sentinellymphknoten-Technik mit gezielter Entfernung und Untersuchung von 1 bis 3 Lymphknoten. Retrospektive Studien deuten darauf hin, dass die Sentinellymphknoten-Technik bei Männern ähnlich effektiv wie bei Frauen ist. Bei negativem Sentinellymphknoten ist eine Axilladissektion nicht indiziert. Das Vorgehen bei befallenen Lymphknoten unterscheidet sich nicht vom Vorgehen bei der Frau.
Prognostische Faktoren
In gewissen vergleichenden Untersuchungen ist die stadienabhängige Prognose bei Männern schlechter als bei Frauen mit Brustkrebs. Dabei ist noch das meist höhere Erkrankungsalter der Männer mit Komorbiditäten unberücksichtigt. So beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate des Mammakarzinoms bei Männern im Stadium I 78% (bei Frauen: 96%), im Stadium II 68% (Frauen: 84%), im Stadium III 39% (52%) und im Stadium IV 14% (24%) (3). Einige Untersuchungen wiesen nach, dass die therapeutische Versorgung auch in den westlichen hoch-
Tabelle 1:
Als Risikofaktoren für Brustkrebs bei Männern wurden identifiziert (3, 5):
Demografisch – fortgeschrittenes Lebensalter
Genetisch – Klinefelter-Syndrom (47, XXY): etwa 20- bis 60-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegen-
über der Normalbevölkerung (mittleres Erkrankungsalter 58 Jahre) – BRCA2-Mutation: etwa 80-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der Normalbevöl-
kerung (mittleres Erkrankungsalter 55–60 Jahre) – BRCA1-Mutation: etwas erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung,
möglicherweise erhöhtes Risiko für bestimmte Mutationen – CHEK2-Mutation del1100C: etwa 10-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der
Normalbevölkerung, Nord-Süd-Gefälle in Europa – positive Familienanamnese: etwa 2,5-fach erhöhtes Risiko
Hormonal – erhöhtes Serumöstradiol
Erworben – Kryptorchismus – Zustand nach Orchitis/Epididymitis – Adipositas, hoher Body-Mass-Index – Gynäkomastie
Toxisch – Strahlenexposition der Brustwand
entwickelten Ländern bei Männern qualitativ noch ungünstiger als bei Frauen ist (4). Beispielsweise zeigte sich in diesen älteren Studien, dass nur 77% der Männer mit östrogenrezeptorpositiven (ER-)Tumoren eine endokrine Therapie erhielten, obwohl fast alle Tumoren ER-positiv waren. In diesem Zusammenhang ist die neuere Studie von Cardoso interessant (4; «International Male BC Program»), eine retrospektive Fallanalyse in einem 20-Jahr-Zeitraum (1990–2010) an 93 Zentren in 9 Ländern. Von den anfangs 1822 eingeschlossenen Teilnehmern wurden schliesslich die Daten von 1483 Patienten (mittleres Alter: 68,4 Jahre) zentral ausgewertet; 63,5% der Teilnehmer wurden zwischen 2001 und 2010 therapiert. Bei den 1054 Patienten mit M0-Erkrankung waren 56,2% nodalnegativ (N0); 48,5% hatten T1-Tumoren. 4% erhielten eine brusterhaltende Chirurgie, 18% eine Sentinellymphknoten-Biopsie, 50% eine adjuvante Radiotherapie. 29,8% wurden (neo-)adjuvant chemotherapeutisch, 76,8% adjuvant endokrin behandelt, meist mit Tamoxifen (88,4%). In dieser Studie waren 99,3% ER-positiv, 81,9% progesteronrezeptor-(PR-)positiv und 96,9% androgenrezeptor-(AR-)positiv. 61,1% zeigten eine niedrige Ki67Expression, 41,9% waren Luminal-A-Tumoren, 48,6% Luminal-B-Tumoren/HER2-negativ, 8,7% HER2-positiv und 0,3% triple-negativ. Während der insgesamt 8,2 Jahre langen Nachbeobachtungszeit zeigte sich im Zeitverlauf eine signifikante Verbesserung der brustkrebsbezogenen und alterskorrigierten Mortalität. Das bessere Gesamtüberleben und rezidivfreie Überleben hatten jüngere Patienten (unter 50 J.) und diejenigen mit ER-, PR- und AR-hochpositiven Tumoren (4). Auf dem «ESMO 2018» in München wurde unter anderem die französische Studie von Sirieix (National Multicenter Observational ESME Program) mit insgesamt 16 701 Patienten, unter ihnen 149 Männer mit
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metastasiertem Brustkrebs, vorgestellt (s.u.). Hier ergab sich, dass die Prognose inzwischen etwa gleich wie bei Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom ist. Allerdings werden Studien zur Tumorbiologie bei männlichem Brustkrebs gefordert, um weitere Informationen für verbesserte Therapien im metastasierten Setting gewinnen zu können.
Therapie
Chirurgie und Strahlentherapie Die Therapie des männlichen Mammakarzinoms erfolgt wie bei der Frau mit Resektion, Bestrahlung und Pharmakotherapie. Bevorzugte Operationstechnik ist die modifizierte radikale Mastektomie; unter geeigneten anatomischen Bedingungen kann brusterhaltend operiert werden. Hinterfragt wird aber, ob nicht voreilig radikal operiert wird, bei T1N0-Tumoren beispielsweise besteht hierzu meist keine Indikation (5). Eine Registerstudie ergab, dass gerade 18% der Männer in diesem Stadium brusterhaltend operiert wurden (5). Zum Thema Chirurgie wird auf dem Artikel von Prof. Dubsky in dieser Ausgabe hingewiesen. Bezüglich adjuvanter Bestrahlung bei Mastektomie im Stadium III besteht nach einer retrospektiven Analyse ein signifikant besseres Überleben als für Männer ohne Bestrahlung, in den Stadien I und II zeigte sich kein prognostischer Unterschied (3).
Adjuvante endokrine Therapie und Chemotherapie Mehr als 90% der Mammakarzinome des Mannes exprimieren Östrogen- und/oder Progesteronrezeptoren. Die Kriterien für die Diagnose eines endokrin sensitiven Karzinoms sind bei den beiden Geschlechtern gleich; aber anders als bei der Frau mit Brustkrebs hat sich Tamoxifen als endokrine Standardtherapie bisher durchgesetzt. Der Einsatz von Aromatasehemmern zeigte bei Männern eine signifikant schlechtere Prognose (3). Studien ergaben, dass diese Substanzen als Monotherapie bei Männern deutlich weniger stark die Östrogenspiegel senken als bei Frauen (5). Die adjuvante Standardtherapie mit Tamoxifen bei hormonrezeptorpositivem Brustkrebs bei Männern soll 5 bis 10 Jahre dauern, wobei die Dauer wie bei den Frauen je nach Risikoprofil und Schwere der Nebenwirkungen individuell angepasst werden soll (5). Die für Tamoxifen typischen Nebenwirkungen mit reduzierter Libido, Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen und das erhöhte Risiko für Thromboembolie treten auch bei Männern auf. Bei kombinierter chemoendokriner Therapie sollte die endokrine Behandlung erst nach Abschluss der Chemotherapie begonnen werden (3, 5). Der adjuvante Einsatz von GnRH-Analoga und Aromatasehemmern wird derzeit in klinischen Studien geprüft (6, 7).
Therapie beim metastasierten Karzinom Auch in der Behandlung beim metastasierten Brustkrebs bei Männern wird von Studien mit Frauen extrapoliert. Beim ER-positiven Karzinom steht Tamoxifen an erster Stelle, auch die Hormonablation (Orchiektomie, LHRH-Agonisten) sowie Aromatasehemmer oder auch der Rezeptor-«Down-Regulator» Fulvestrant (3). Die Indikationen zur Chemotherapie ebenso wie zum Einsatz von HER2-gerichteten Therapien sind gleich wie bei Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom.
ESMO-Jahrestagung 2018 Drei interessante Studien bei männlichem Brustkrebs wurden kürzlich beim «ESMO 2018» vorgestellt:
Epidemiological Strategy and Medical Economics Program Bei der multizentrischen Beobachtungsstudie von Sirieix in Frankreich (6) handelte sich um die bisher grösste Studie unter klinischen Alltagsbedingungen («real life study») bei Männern mit metastasiertem Brustkrebs. Die Studienärzte entnahmen die Daten von 18 nationalen Krebszentren und verglichen Therapie und Outcome mit denen bei Frauen. Von insgesamt 16 701 PatientInnen mit neu diagnostiziertem metastasiertem Brustkrebs (Therapie zwischen 2008 und 2014) waren 149 Männer mit metastasiertem Brustkrebs, sie waren im Schnitt um rund 8 Jahre älter als die Frauen (median 68,1 vs. 60,6 J.). 78,4% hatten HR-positive/HER2-negative Tumoren, versus 65,6% der Frauen. Die Therapien waren ähnlich wie bei den Frauen: Knapp die Hälfte mit HR-positiven/HER2-negativen Brusttumoren (42,9%) erhielten als Ersttherapie Hormontherapien (Tamoxifen: 20/45; Aromatasehemmer plus LHRH-Analoga (18/45) oder andere Therapien (7/45). Das mediane PFS betrug (ohne statistisch signifikanten Unterschied der Hormontherapien) 9,8 Monate versus 13,0 Monate bei Frauen im gleichen Alter, Histologie und Grad, Metastasenlokalisation und adjuvanter Therapie. 27,6% der Männer mit HRpositiven/HER2-negativen Tumoren wurden in erster Linie chemotherapeutisch behandelt; das mediane PFS war in dieser Gruppe ähnlich wie das der gleich behandelten Frauen (6,9 vs. 6,3 Monate; HazardRatio: 1,24). Das Gesamtüberleben im Gesamtkollektiv betrug 41,8 Monate bei Männern versus 34,9 Monate bei den Frauen (6).
MALE-GBG54-Studie Die randomisierte, prospektive, multizentrische MALEGBG54-Studie verglich die Wirksamkeit und Sicherheit endokriner Therapien bei Männern mit Brustkrebs – Tamoxifen mit/ohne GnRH-Analogon (GnRHa) versus Aromatasehemmer plus GnRHa (7). Die deutsche Phase-II-Studie randomisierte 55 Män-
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ner (Zeitraum 2012–2017) und untersuchte in Arm A Tamoxifen (oral, 20 mg täglich), in Arm B Tamoxifen + GnRHa (subkutan) und in Arm C Exemestan (oral 25 mg täglich) + GnRHa (subkutan) für die Dauer von 6 Monaten im (neo-)adjuvanten oder metastasierten Setting. Primärer Endpunkt war die Suppression der Estradiol-(E2-)Spiegel nach 3 Monaten. Zu den sekundären Endpunkten gehörte die E2-Suppression nach 6 Monaten; ferner wurde die Lebensqualität via Fragebogen ermittelt. Die Daten von 46 Männern (mittleres Alter: 62 Jahre) waren schliesslich vollständig auswertbar: Hier zeigte sich, dass die medianen E2-Spiegel unter TamoxifenMonotherapie nach 3 Monaten um 67% anstiegen und nach 6 Monaten um 41%. In Arm B fand dagegen eine mediane E2-Reduktion nach 3 Monaten von 85% und nach 6 Monaten von 59% statt. Im Arm C betrug die Senkung der mittleren E2-Spiegel 73% nach 3 Monaten und 63% nach 6 Monaten. Es zeigte sich also, dass die Zugabe von GnRHa zusätzlich zu Tamoxifen oder Aromatasehemmer die E2-Spiegel senkt. Allerdings waren die Nebenwirkungen unter den GnRHa-Kombinationen deutlich höher als unter der Tamoxifen-Monotherapie, insbesondere die erektile Funktion war stark reduziert. Die klinische Bedeutung dieses Befundes ist unklar; gegenwärtig lässt sich noch keine Konsequenz für die klinische Praxis bei Männern mit Brustkrebs ziehen.
CDK4/6-Hemmer Ribociclib plus Letrozol Bei Resistenz gegenüber endokrinen Therapien respektive zur Verlängerung der Hormonsensitivität besteht auch bei Männern mit metastasiertem Brustkrebs ein Bedarf an weiteren Therapieoptionen. Die Behandlung mit dem zyklinabhängigen Kinase-4und -6-(CDK4/6-)Hemmer Ribociclib zuzüglich zum Aromatasehemmer Letrozol hatte bei Frauen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem, fortgeschrittenem Brustkrebs in der Studie MONALEESA-2 ein signifikant verlängertes PFS gegenüber Plazebo/ Letrozol gezeigt. Die internationale, offene Phase-IIIb-Studie CompLEEment-1 von Claudio Zamagni (8) sollte prüfen, ob die bei Frauen mit fortgeschrittenem/metastasiertem Brustkrebs zugelassene Erstlinientherapie (Ribociclib+Letrozol) auch bei Männern wirksam und verträglich ist. In die Studie waren neben Frauen auch Männer mit fortgeschrittenem Brustkrebs (HR-positiv, HER2-negativ) ohne vorherige endokrine Erstlinientherapie eingeschlossen. Männer sowie prämenopausale Frauen erhielten zu Ribociclib+Letrozol begleitend Goserelin. Die geplante erste Interimsanalyse fand rund 15 Monaten nach der ersten PatientInnenkonsultation statt. Von den 1008 PatientInnen, die in einer ersten (ca. 2-monatigen) Nachbeobachtungszeit eingeschlossen waren, waren 20 Männer. Bei einem medianen Alter
Netzwerk «Männer mit Brustkrebs»
Angesichts der niedrigen Betroffenenzahl wird männlicher Brustkrebs zu wenig erforscht. Es gibt kaum wissenschaftlich fundierte Patienteninformationen, und auch die Möglichkeiten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und so gegenseitige Unterstützung zu erfahren, sind sehr gering. Das Netzwerk soll betroffenen Männern und ihren Angehörigen eine Anlaufstelle bieten und zugleich die Interessenvertretung vorantreiben. Auch für «Professionals» hochinteressant! Netzwerk Männer mit Brustkrebs e. V. Höhenstrasse 4, D-75196 Remchingen Internet: https://www.brustkrebs-beim-mann.de E-Mail: kontakt@brustkrebs-beim-mann.de
von 63,5 Jahren und einem ECOG-Performance-Status ≤ 1, hatten 45% ein fortgeschrittenes Stadium (IV) bei Diagnose. Die meisten Metastasen befanden sich in der Lunge (75,0%), in Lymphknoten (40,0%) und Leber (20%). Häufigste Nebenwirkungen waren Hitzewallungen (30%), Neutropenie (20%), Obstipation (20%). Unerwünschte Arzneiwirkungen von Grad 3 und höher waren bei den Männern Neutropenie (4 Pat., 20,0%), erhöhte Alaninaminotransferase (2 Pat., 10,0%), erhöhte Aspartataminotransferase (1 Pat. 5,0%). Eine QT-Verlängerung war häufig (3 Pat.; 15%). Eine Dosisreduktion oder Therapieunterbrechung wegen Nebenwirkungen war bei 35% der Männer erforderlich; 2 Männer brachen die Therapie deswegen ab. Die vorläufigen Ergebnisse zeigten, dass die Sicherheit und Verträglichkeit unter der Erstlinientherapie mit Ribociclib+Letrozol+Goserelin bei Männern mit Brustkrebs vergleichbar sind mit den zuvor berichteten Resultaten bei Frauen. Gegenüber der MONALEESA-2-Studie war die Prävalenz der Neutropenie bei Männern allerdings niedriger. Weitere Analysen und Untersuchungen, ob ein geschlechtsspezifischer Effekt vorliegt, werden mit Spannung erwartet.
Schlussbemerkung
Männer, die an Brustkrebs erkranken, wenden sich für
Diagnostik und Therapie am besten an ein zertifizier-
tes Brustzentrum. Selbsthilfegruppen, speziell auf
Männer mit Brustkrebs zugeschnitten, existieren in
der Schweiz bisher kaum; in Deutschland besteht ein
Netzwerk für betroffene Patienten (s. Kasten), wel-
ches Betroffenen Hilfen bieten kann (2).
I
Bärbel Hirrle Medizinjournalistin und Redaktorin E-Mail: hirrle@rosenfluh.ch
Interessenkonflikte: keine.
Quellen: 1. Krebsliga Schweiz: Krebs-Neuerkrankungen und Krebs-Todesfälle in der Schweiz (gerundete Zahlen) 2010-2014. Krebs in der Schweiz. Oktober 2017. 2. ONKO-Internetportal – krebsgesellschaft.de/onko newsletter@krebsgesellschaft.de August 2018. 3. Wörmann B, Aebi St, Balic A et al.: Mammakarzinom des Mannes (ICD10: C50.9). Guideline. Stand August 2016 (aktuell gültige Version). https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mammakarzinom-des-mannes/@@view/html/index.html 4. Cardoso F, Bartlett JMS, Slaets L, van Deurzen CHM, van Leeuwen-Stok E, Porter P, et al.: Characterization of male breast cancer: results of the EORTC 10085/TBCRC/BIG/NABCG International Male Breast Cancer Program. Ann Oncol 2018; 29(2): 405–417. 5. Giordano S H: Breast Cancer in Men. N Engl J Med 2018; 378:2311-2320. DOI: 10.1056/NEJMra1707939 6. Sirieix J et al.: Management and outcome of metastatic breast cancer in men in the national multicenter observational ESME program. ESMO-Jahrestagung 2018, abstract 294PD_PR. 7. Reinisch M et al.: Final analysis of the Male-GBG54 study: A prospective, randomised multi-centre phase II study evaluating endocrine treatment with either tamoxifen ± gonadotropin releasing hormone analogue (GnRHa) or an aromatase inhibitor + GnRHa in male breast cancer patients. ESMO-Jahrestagung 2018; Abstract 273PD_PR. 8. Zamagni C et al.: 293PD_PR – Ribociclib (RIBO) + letrozole (LET) in male patients (pts) with hormone receptor-positive (HR+), human epidermal growth factor receptor-2-negative (HER2–) advanced breast cancer (ABC) and no prior endocrine therapy (ET) for ABC: Preliminary subgroup results from the phase 3b CompLEEment-1 trial. ESMO-Jahrestagung 2018; Abstract 293PD_PR / sowie Mediendokumentation.
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