Transkript
EDITORIAL
Im Fokus: Malignome bei jungen Erwachsenen
S ie sind jung, sollen und wollen mitten im Leben stehen – etwa als Studierende, als junge Berufstätige mit ersten Erfolgen, als frischgebackene Familienmütter oder -väter; so will es der Lebensplan. Eine Krebsdiagnose beim jungen Menschen ist einschneidend, und manchmal ist die Prognose infaust. Inzwischen lässt sich mit heutigen Therapien viel erreichen, so sind es doch rund 80% der Kinder und Jugendlichen mit Krebs, bei denen eine Heilung oder Langzeitremission gelingt. In dieser Ausgabe werden vier Themen reflektiert, die besonders bei jungen Menschen mit oder nach ausgestandenem hämatologischem oder solidem Malignom relevant sind.
Herausforderung junge Krebspatienten
ALL bei jungen Hochrisikopatienten Die Autorengruppe um die Hämatologin Dr. med. Sabine Blum vom CHUV in Lausanne erläutert derzeit verfügbare und erwartete Immuntherapien, die bereits in der Rezidiv- oder refraktären Situation vor allem bei den meist jungen ALL-Patienten eingesetzt werden. Hoffnung auf ein weiter verbessertes Überleben dank diesen weniger toxischen Immuntherapien besteht insbesondere, wenn diese Strategien schon in der Erstlinientherapie eingesetzt werden könnten. Zum anderen wird ein Feld neuer Begleitwirkungen geöffnet, darunter neurologische Komplikationen, deren zugrunde liegende Mechanismen erst noch verstanden werden müssen.
Die Kehrseite der oftmals kurativen Radiotherapie Der Einsatz der modernen Strahlentherapie hat das Überleben gerade junger Tumorpatienten verlängert und Akuttoxizitäten gesenkt. Allerdings rücken bei der anwachsenden Zahl der Langzeitüberlebenden, «Survivors» genannt, Spätfolgen wie Zweittumoren in den Vordergrund. Die Radioonkologen Dr. med. Galina Fischer und PD Dr. med. Paul Martin Putora aus St. Gallen erklären heutige Erkenntnisse zum Risiko strahleninduzierter Sekundärmalignome und betonen, dass vielfach Daten zum Langzeitverlauf der Survivors fehlen oder ausstehen, insbesondere, was die modernen Techniken betrifft.
Fertilität und adäquate Nachsorge garantieren Wer als junger Mensch von seinem Krebsleiden geheilt wurde, möchte zu gegebener Zeit oftmals seinen Wunsch nach Familienbildung realisieren. Dass Fertilitätserhalt grundsätzlich möglich ist, aber vor einer Krebstherapie besprochen werden soll und mit geeigneten Techniken erreicht werden kann, beschreibt Prof. Jürgen Weiss aus Luzern. Er erfährt in seiner Praxis immer wieder, dass die Nachfrage nach Fertilitätserhalt bei Tumorpatienten steigt, aber viele Betroffene vor Einleitung der Therapien ungenügend oder gar nicht informiert werden, was einen zusätzlichen Leidensdruck auslöst. Wie die Sicherung der Lebensqualität und des Langzeitüberlebens nach überstandener Krebserkrankung gewährleistet werden kann, erläutert das Team um Dr. Gisela Michel aus Luzern. Die Autorinnen stellen ein risikobasiertes Nachsorgemodell vor, in dem je nach Risiko für Spätfolgen einer Krebserkrankung respektive der Therapie entweder Onkologen selbst oder/und auch die HausärztInnen ein entsprechendes Nachsorgeprogramm übernehmen. Ein individueller «Survivor-Passport» könne für alle Beteiligten sehr sinnvoll sein, so die Einschätzung.
Last, but not least ... ... sei der Aufruf einer 35-jährigen Patientin Aufmerksamkeit geschenkt, die vor 8 Jahren (!) die Diagnose Pankreaskarzinom erhielt und durch glückliche Konstellationen sich heute ihrer Familie mit kleiner Tochter widmen kann. Sie möchte Kontakt zu gleichaltrigen Müttern oder Vätern mit Krebs und sich austauschen. Eine Selbsthilfegruppe unter Gleichaltrigen wäre schön! (Angaben s. Seite 34). Allen eine anregende Lektüre!
Bärbel Hirrle
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2018
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