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JOURNAL CLUB
Metastasiertes Pankreaskarzinom
Liposomales Irinotecan plus 5-FU/LV zeigt deutliche Überlebensvorteile
In der Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms zeigt sich Neues: Erstmals ist nun eine Zweitlinientherapie nach Gemcitabin-basierter Behandlung zugelassen (1)*: In Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin (LV) wurde mit liposomalem Irinotecan (Onivyde®) ein signifikant erhöhtes Gesamtüberleben sowie ebensolche Verbesserungen der Ansprechrate und des progressionsfreien Überlebens erreicht. Dies zeigte die multizentrische, offene, randomisierte Phase-III-Studie NAPOLI-1 mit über 400 Patienten (2).
Ein duktales Adenokarzinom des Pankreas wird in der Regel sehr spät diagnostiziert, wenn eine kurative Resektion unmöglich ist und wegen bestehender Metastasen eine sehr schlechte Prognose besteht. Nur rund 1–2% der Patienten leben 5 Jahre nach der Diagnose (2). Die Therapiemöglichkeiten bei diesem Malignom sind sehr beschränkt: Seit zirka zwei Jahrzehnten gilt die Gemcitabin-basierte Chemotherapie als Standard bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Pankreaskarzinom. Neuere Optionen in der ersten Linie gibt es mit Regimen aus FOLFIRINOX (5-FU/LV + Irinotecan + Oxaliplatin) oder aus Albumin-gebundenem Paclitaxel in Kombination mit Gemcitabin, welche verlängerte Überlebenszeiten bewirken (3, 4).
Neue Formulierung mit vielversprechendem Wirkprofil
Erstmals wurde nun als Zweitlinientherapie nach Versagen einer Gemcitabin-basierten Therapie ein liposomales Irinotecan kombiniert mit 5-Fluorouracil und Leucovorin eingesetzt (2, 5). Die Wirkung von konventionellem Irinotecan wurde in einigen Studien beim metastasierten Pankreaskarzinom auch für eine Zweitlinientherapie untersucht, aber führte zu widersprüchlichen Ergebnissen. Konven-
* Zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas in Kombination mit 5-Fluorouracil und Leucovorin bei Krankheitsprogression nach einer Gemcitabin-basierten Therapie Quelle: Onivyde® Fachinformation, Stand Juli 2017. www.swissmedicinfo.ch ** Liposomales Irinotecan (Onivyde®) als Monotherapie ist nicht zugelassen.
tionelles Irinotecan ist nicht zugelassen nach Gemcitabin-basierter Therapie. (6, 7). Liposomales Irinotecan enthält eine verringerte Irinotecan-Dosis; der Wirkstoff ist in liposomalen Nanopartikeln eingekapselt (0,86 mg freies Irinotecan-Sucrosofat-Salz in pegylierter liposomaler Formulierung ist äquivalent zu 1 mg Irinotecan). Damit bleibt der Wirkstoff sowie sein aktiver Metabolit SN-38 länger im Blutkreislauf als das freie, ungebundene Irinotecan, und die Exposition des Tumorgewebes mit Irinotecan wird verbessert. Experimentell wurden 5,6-fach höhere SN-38-Spiegel im Tumorgewebe gefunden (vgl. Kasten). Eine Phase-II-Studie von Ko et al. an 40 vortherapierten Patienten mit metastasiertem duktalem Adenokarzinom des Pankreas führte unter der Dosis von 120 mg/m2 alle drei Wochen zu einem medianen Gesamtüberleben von 5,2 Monaten und einem 1-Jahres-Überleben von 25% bei kontrollierbaren Nebenwirkungen (8)**. Aufgrund der ermutigenden Resultate wurde die Phase-III-Studie NAPOLI-1 konzipiert, um die Wirkung des liposomalen Irinotecan allein und in Kombination mit 5-FU und LV sowie im Vergleich mit einer Standardtherapie (5-FU/LV), bei Gemcitabin-vorbehandelten Patienten zu untersuchen (2).
Zulassungsstudie NAPOLI-1 in drei Armen
Die Phase-III-Studie erfolgte im offenen, randomisierten Design an 76 Zentren in 14 Ländern weltweit. Die ausgewählten Patienten mit metastasiertem Adenokar-
zinom des Pankreas waren nach einer Gemcitabin-basierten Therapie progredient und wurden randomisiert für einen der folgenden Therapiearme: I A: Liposomales Irinotecan (120 mg/m2,
alle 3 Wochen = äquivalent zu 100 mg/m2 Irinotecan)** I B: 5-FU/LV I C: Liposomales Irinotecan (80 mg/m2 = äquivalent zu 70 mg/m2 Irinotecan) plus 5-FU/LV, alle 2 Wochen (Arm 3 wurde später hinzugefügt). Stratifiziert wurde nach Basisalbuminspiegeln (≥ 40 g/l vs. < 40 g/l), Karnofsky Performance Status (70 und 80 vs. ≥ 90) sowie Ethnie (weiss vs. ostasiatisch vs. andere). Die Patienten wurden bis zur Krankheitsprogression oder nicht akzeptierter Toxizität behandelt. Während der Therapie erfolgten zu Beginn sowie alle 6 Wochen bildgebende Untersuchungen sowie speziell Messungen der Menge des Carbohydratantigens 19-9 (CA19-9) als Tumormarker. In gleichen Abständen wurde auch die Lebensqualität bestimmt. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS) in der Intention-to-treat-Population (2).
Um 45% verlängertes medianes OS im Studienarm 417 Patienten wurden zwischen Januar 2012 und September 2013 zu einem der drei Therapiearme randomisiert (A: n = 151; B: n = 149; C: n = 117). Nach 313 Todesfällen (cut-off 14. Februar 2014) betrug: I das mediane OS unter liposomalem
Irinotecan plus 5-FU/LV (Arm C) 6,1 Monate (95%-KI: 4,8–8,9) versus 4,2 Monate (3,3–5,3) unter 5-FU/LV (Arm B). Die Hazard Ratio (HR) betrug 0,67 (95%-KI: 0,49–0,92; p = 0,012). In den Armen A und B unterschied sich das OS fast nicht (4,9 vs. 4,2 Monate; HR: 0,99). I Das mediane PFS in Arm C betrug 3,1 Monate und war damit mehr als verdoppelt im Vergleich zu den 1,5 Monaten im Arm B (HR, nicht stratifiziert:
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0,56; 0,41–0,75). Bei den Patienten unter liposomalem Irinotecan in Monotherapie betrug das PFS 2,7 Monate.** I Die mediane Zeit bis zum Therapieversagen betrug unter liposomalem Irinotecan/5-FU/LV-Kombination 2,3 Monate versus 1,4 Monate unter alleiniger 5-FU/LV (HR: 0,60); zwischen den Armen A und B zeigte sich kaum ein Unterschied (1,7 vs. 1,4 Mo). I Ein objektives Ansprechen*** erreichten 16% der Patienten unter liposomalem Irinotecan/5-FU/LV gegenüber nur 1% im Studienarm B. 6% unter der liposomalen Irinotecan-Monotherapie sprachen an. 29% der Patienten im Arm C hatten ein CA19-9-Ansprechen (vs. nur 9% im Arm B). I Die Grad-3- und -4-Nebenwirkungen, welche am häufigsten bei den 117 Patienten im Therapiearm C (liposomales Irinotecan plus 5-FU/LV) auftraten, waren Neutropenie (27%), Diarrhö (13%), Erbrechen (11%) und Fatigue (14%). Die Nebenwirkungen waren medikamentös beherrschbar. Die Lebensqualität wurde aufrechterhalten (2).
Schlussfolgerungen
Die insgesamt signifikant verbesserten Ergebnisse hinsichtlich OS und PFS sowie die Ansprechraten unter der liposomalen Irinotecan-Kombination sind für eine Zweitlinientherapie beim Pankreaskarzinom beachtlich, ebenso die Reduktion des Tumormarkers CA19-9. Die Analyse zeigte einen klinischen Nutzen der Kombination insbesondere bei Patienten mit ungünstigen prognostischen Faktoren. Künftige Studien müssen diese Beobachtung allerdings noch stützen. Es wird sich zeigen, ob die liposomale Irinotecan-Kombination neuer Standard in der Zweitlinientherapie des metastasier-
Liposomales Irinotecan und konventionnelles (nicht-liposomales) Irinotecan im Vergleich (adaptiert nach 11)
Vorteile der nal-IRI-Verkapselung: Verlängerte Exposition im Plasma
Verlängerte Exposition im Tumor
Benötigte (verringerte) Dosis für eine ähnliche SN-38-Exposition im Plasma und im Tumor Gesteigerte Hemmung des Tumorwachstums in Tiermodellen
Konventionnelles IRI Irinotecan und SN-38-Plasmaspiegel sind bis zu 8 Stunden im Blutkreislauf > 90% des Irinotecans bleiben bis zu 24 Stunden im Tumorgewebe. SN-38 befindet sich bis zu 48 Stunden im Tumorgewebe 50 mg/kg
Liposomales IRI Irinotecan und SN-38 bleiben > 50 Stunden im Blutkreislauf
Verlängerte SN-38-Exposition über der Wirkungsschwelle für bis zu 168 Stunden
10 mg/kg
ca. 40%
ca. 110%
Hinweis: Die klinische Relevanz dieser Daten aus Tiermodellen wurde bisher am Menschen nicht nachgewiesen.
ten Pankreaskarzinoms werden kann, so
die Autoren und weitere Experten. Die
aktuelle ESMO-Leitlinie und die amerika-
nische NCCN-Guideline zur Behandlung
des metastasierten Pankreaskarzinoms
empfehlen bereits die Anwendung des
liposomalen Irinotecans in der Zweitlinie
(5, 9, 10).
I
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Onivyde® Fachinformation Stand Juli 2017.
www.swissmedicinfo.ch 2. Wang-Gillam A, et al.: Nanoliposomal irinotecan
with fluorouracil and folinic acid in metastatic pancreas cancer after previous gemcitabine-based therapy (NAPOLY-1): a global, randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2016, 387: 545–557. 3. Conroy T, et al.: FOLFIRINOX versus Gemcitabine for Metastatic Pancreatic Cancer. N Engl J Med 2011; 364: 1817–1825. 4. Von Hoff DD, et al.: Increased Survival in Pancreatic Cancer with nab-Paclitaxel plus Gemcitabine. N Engl J Med 2013; 369: 1691–1703. 5. Hirrle B: Pankreaskarzinom: Erste Zweitlinientherapie als neue Option. SZO 2017; 5: 35–36. 6. Oettle H, et al.: Second-Line Oxaliplatin, Folinic Acid, and Fluorouracil Versus Folinic Acid and Fluorouracil Alone for Gemcitabine-Refractory Pancreatic Cancer: Outcomes From the CONKO-003 Trial. J Clin Oncol 2014; 32: 2423–2429.
7. Gill S, et al.: PANCREOX: A Randomized Phase III Study of 5-Fluorouracil/Leucovorin With or Without Oxaliplatin for Second-Line Advanced Pancreatic Cancer in Patients Who Have Received Gemcitabine-Based Chemotherapy. J Clin Oncol 2016; 34: 3914–3920.
8. Ko AH, et al.: A multinational phase 2 study of nanoliposomal irinotecan sucrosofate (PEP02, MM-398) for patients with gemcitabine-refractory metastatic pancreatic cancer. Br J Cancer. 2013; 109(4): 920–925.
9. Ducreux M, et al.: Cancer of the pancreas: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2015 Sep; 26 Suppl 5: v5668 – und e-Update 2017 http://www.esmo.org/ Guidelines/Gastrointestinal-Cancers/Cancer-of-thePancreas/eUpdate-Treatment-Recommendations
10. Tempero MA, et al.: Pancreatic Adenocarcinoma, Version 2.2017, NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. J Natl Compr Canc Netw 2017; 15(8): 1028–1061 – und e-Update 2017 https:// www.nccn.org/
11. Kalra AV, et al.: Preclinical Activity of Nanoliposomal Irinotecan Is Governed by Tumor Deposition and Intratumor Prodrug Conversion. Cancer Res 2014; 74: 7003–7013.
*** Objektives Ansprechen (ORR) definiert nach RECIST 1.1: ORR = partielles Ansprechen (PR) + komplettes Ansprechen (CR)
Mit freundlicher Unterstützung von Shire Switzerland GmbH.
C-APROM/CH//0154
Kurzfachinformation: Onivyde® Wirkstoff: Irinotecanhydrochlorid-Trihydrat. Indikation/Anwendung: Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas in Kombination mit 5-Fluorouracil und Leucovorin bei Krankheitsprogression nach einer Gemcitabin-basierten Therapie. Dosierung/Anwendung: Onivyde® (liposomales Irinotecan) entspricht nicht den nicht-liposomalen Irinotecan-Formulierungen. Die unterschiedlichen Formulierungen sollten nicht gegeneinander ausgetauscht werden. Die empfohlene Dosis von Onivyde® ist 80 mg/m2 intravenös über 90 Minuten, gefolgt von Leucovorin (LV) 400 mg/m2 intravenös über 30 Minuten und danach 5-Fluroruracil (5-FU) 2400 mg/m2 intravenös über 46 Stunden in Abständen von 2 Wochen. Onivyde® darf nicht als Monotherapie verabreicht werden. Kontraindikationen: Stillen und schwere Überempfindlichkeit gegenüber Irinotecan oder einen der Hilfsstoffe in der Vorgeschichte. Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Unter der Behandlung mit Onivyde®+5-FU/LV wurde schwere lebensbedrohende Neutropenie beobachtet. Das grosse Blutbild sollte während der Behandlung überwacht werden und die Patienten sollten über das Risiko einer Neutropenie, neutropenischem Fieber oder Sepsis informiert werden. Unerwünschte Wirkungen: Die häufigsten Nebenwirkungen von Onivyde®+5-FU/LV waren: Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, Appetitmangel, Neutropenie, Ermüdung, Asthenie, Anämie, Stomatitis und Fieber. Interaktionen: Die Informationen zu den Arzneimittelwechselwirkungen mit Onivyde® beruhen auf der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur zu nicht-liposomalem Irinotecan. Schwangerschaft & Stillzeit: Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und 1 Monat nach der Behandlung mit Onivyde® eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Männer sollten während und 4 Monate nach der Behandlung mit Onivyde® Kondome benutzen. Zulassungsnummer: 65994 (Swissmedic). Zulassungsinhaberin: Shire Switzerland GmbH, Zug. Packungen: Onivyde® 50 mg/10 ml: 1 Durchstechflasche. Abgabekategorie: A. Stand der Information: Juli 2017. Ausführliche Informationen sind der vollständigen Fachinformation zu entnehmen: www.swissmedicinfo.ch
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