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Kongressbericht
ASCO 2017 – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 2. bis 6. Juni 2017
Metastasiertes Melanom
Kombinierte Immun-Checkpoint-Hemmung ist effektiv bei Hirnmetastasen
ZNS-Metastasen entwickeln sich gehäuft bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom; die betroffenen Patienten haben eine schlechte Prognose infolge mangelnder Therapiemöglichkeiten. Jetzt hat die Immuntherapie mit Ipilimumab und Nivolumab in zwei Studien eine markante klinische Wirkung gezeigt, sodass sich eine neue Upfront-Therapie bei dieser Indikation etablieren könnte.
Die Immuntherapie hat beim fortgeschrittenen Melanom die Behandlung mit ihren durchschlagenden Erfolgen revolutioniert. Dennoch: Bei Hirnmetastasen bleiben die neuen Substanzen weitgehend unerforscht, da klinische Studien mit Immuntherapien diese Kondition meist ausschliessen. Zwei klinische Studien dazu wurden kürzlich auf der ASCOJahrestagung vorgestellt.
CheckMate 204 mit Ipilimumab/Nivolumab
Hussein Abdul-Hassan Tawbi vom Anderson Cancer Center, Houston/Texas, stellte die CheckMate-204-Studie (1) auf der Melanoma Oral Abstract Session vor, welche die Wirksamkeit und Sicherheit der doppelten Immun-Checkpoint-Hemmung bei Patienten mit hirnmetastasiertem Melanom an mehreren Zentren in den USA untersuchte. Die multizentrische, prospektive PhaseII-Studie schloss Melanompatienten mit mindestens einer Hirnmetastase von 0,5 bis 3,0 cm Umfang ein. Ausgeschlossen wurden jene mit symptomatischer Erkrankung, Gesamthirnstrahlentherapie, vorheriger Immuntherapie, leptomenigealer Krankheit und Steroidanwendung über mehr als 10 Tage. Dagegen war vorherig eine stereotaktische Radiotherapie wie auch eine BRAF-/MEK-Hemmer-Gabe erlaubt. Die Patienten erhielten Nivolumab (1 mg/kg KG) in Kombination mit Ipilimumab (3 mg/kg KG) alle 3 Wochen für 4 Zyklen und im Anschluss Nivolumab (3 mg/kg KG) alle 2 Wochen bis zur Krankheitsprogression oder zu nicht tolerierter Toxizität. Die Erkrankten konnten ebenso eine stereotaktische Strahlentherapie erhalten, sofern bestimmbare Hirn-
läsionen blieben. Primärer Endpunkt war die intrakraniale klinische Benefitrate, die sich aus kompletter Ansprechrate plus partieller Ansprechrate plus Krankheitsstabilisierung über mehr als 6 Monate zusammensetzte.
Rund 60% erreichten den primären Endpunkt: ORR bei 55% Dr. Tawbi erläuterte die Resultate zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von 75 (von insgesamt 90) Patienten, die zum Cut-off-Zeitpunkt, März 2017, ermittelt werden konnten: Nach mittlerem Followup von 9,2 Monaten hatte mehr als ein Drittel aller Patienten (35%) alle 4 Zyklen der Kombinationstherapie erhalten, 56% erhielten die Nivolumab-Erhaltungstherapie. Die intrakraniale objektive Ansprechrate (IC-ORR) betrug 55%; 21% der Patienten erlebten ein komplettes Ansprechen. Bei Einschluss der Patienten mit Krankheitsstabilisierung konnte der primäre Endpunkt bei 60% aller Patienten erreicht werden. 65% der Patienten blieben progressionsfrei bezüglich ihrer intrakranialen Erkrankung, dies über mindestens 6 Monate; das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) konnte noch nicht ermittelt werden. Daneben zeigte sich ein ausgeprägtes extrakraniales Ansprechen (EC-ORR) (49%). Das Sicherheitsprofil der Nivolumab/Ipilimumab-Kombination blieb konsistent zu früheren Studien mit Melanompatienten ohne Hirnmetastasen. 52% der Studienteilnehmer hatten Grad-3- und -4-Nebenwirkungen; 31% brachen die Behandlung aufgrund der Nebenwirkungen ab, 1 Patient starb an therapiebedingter Myokarditis. Häufigste ZNS-bezogene Begleitwirkung war Kopfschmerz; zudem kam es
zu Hirnödemen, intrakranialer Blutung und peripherer Neuropathie bei jeweils 1%. Dr. Tawbi und seine Kollegen bewerten das Studienergebnis als sehr vielversprechend. «Die Nivolumab/IpilimumabKombination zeigt eine deutliche klinische Wirkung bei unbehandelten Melanompatienten mit Hirnmetastasen. Wir denken, das Regime könnte eine neue UpfrontTherapieoption werden», so sein Fazit.
Die Anti-PD1-BrainCollaboration-(ABC-)Studie
Die zweite Studie bei Melanompatienten mit Hirnmetastasen präsentierte Georgina V. Long, Sydney/Australien. Die offene Phase-II-Studie (2) schloss Patienten ein, die bisher keine Immuntherapie (anti-PD1-/PD-L1-/PD-L2-/CTLA4-Behandlung) erhalten hatten und asymptomatisch bezüglich ihrer Gehirnmetastasen waren. Eine vorherige BRAF-/MEK-Hemmer-Therapie war erlaubt. Die Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von drei Therapieregimen in drei Patientenkohorten: L Kohorte A: Nivolumab 1 mg/kg KG +
Ipilimumab 3 mg/kg (Q3W x 4), danach Nivolumab 3 mg/kg KG (Q2W) (Erhaltungstherapie) – also das gleiche Regime wie in der Check-Mate204-Studie L Kohorte B: Nivolumab 3 mg/kg KG (Q2W) L Kohorte C: Nivolumab 3 mg/kg KG (Q2W). Die Patienten der Kohorte C wiesen Hirnmetastasen auf, welche auf eine vorherige Lokaltherapie nicht angesprochen hatten und/oder neurologische Symptome zeigten und/oder eine leptomenigeale Erkrankung hatten. Primärer Endpunkt war die beste IC-ORR nach Woche 12. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die beste EC-ORR, das Gesamtansprechen (OR), das intrakraniale und das extrakraniale PFS, das Gesamt-PFS, das Gesamtüberleben sowie die Sicherheit.
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Kongressbericht
ASCO 2017 – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 2. bis 6. Juni 2017
Auswertung nach 1,5 Jahren: ORR bei 42% Dr. Long präsentierte die Resultate von 67 der 76 Patienten (mittleres Alter 66 J.; 77% Männer), deren Daten auswertbar waren, nach einer mittleren Beobachtungszeit von 16,4 Monaten. Die besten Resultate mit günstigem Ansprechen auf Nivolumab und Ipilimumab hatten die Patienten mit asymptomatischen Hirnmetastasen, die noch keine lokale Behandlung erhalten hatten: In der Kohorte A unter der Kombination erreichte die IC-ORR 42%, die EC-ORR 48%, und das intrakraniale PFS über 6 Monate betrug 46%. In Kohorte B unter der NivolumabMonotherapie waren die Raten abgemildert (IC-ORR: 20%, EC-ORR: 30%, intrakraniales PFS über 6 Monate: 28%). Interessant war, so Long, dass eine verbesserte Wirkung vor allem bei den Patienten beobachtet wurde, die zuvor
noch keine Krankheitsprogression unter BRAF- oder MEK-Hemmer-Therapie erhalten hatten. Dies könne als Hinweis dafür gesehen werden, in welcher Sequenz die zielgerichteten Substanzen und Immuntherapien künftig eingesetzt werden könnten. In der Kohorte A erreichte die Hälfte der nicht vorbehandelten Patienten eine IC-ORR, aber nur 16% der mit einem BRAF-/MEK-Hemmer vorbehandelten Patienten. Die 16 lokal vorbehandelten Patienten und jene mit leptomenigealem Melanom sprachen schlecht auf die Nivolumab-Monotherapie an (IC-ORR nur 6%; EC-ORR 25%; intrakraniales PFS über 6 Monate 13%). Wie in der CheckMate-204-Studie wurde keine unerwartete Toxizität beobachtet; insgesamt waren die (neurologischen) Nebenwirkungen gering (nur 6% der Patienten [n = 4] waren betroffen). Sowohl die Leiterin der ABC-Studie als
auch das Diskussionsteam beider Studien beurteilen die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab als hochaktiv bei Hirnmetastasen infolge eines Melanoms. Die vorliegenden Daten lieferten bereits ausreichende Hinweise für eine neue Option in der Upfront-Therapie bei asymptomatischen ZNS-Metastasen. L
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Tawbi HA et al.: Efficacy and safety of nivolumab (NI-
VO) plus ipilimumab (IPI) in patients with melanoma (MEL) metastatic to the brain: Results of the phase II study CheckMate 204. ASCO Annual Meeting 2017; #9507 – aktualisierte Resultate: ASCO Daily News 5. Juni 2017. 2. Long GV.: A randomized phase II study of nivolumab or nivolumab combined with ipilimumab in patients (pts) with melanoma brain metastases (mets): The Anti-PD1 Brain Collaboration (ABC). ASCO Annual Meeting 2017; #9508. – aktualisierte Resultate: ASCO Daily News, 5. Juni 2017.
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