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Kongressbericht
International Conference on Malignant Lymphoma (ICML), Lugano, 14. bis 17. Juni 2017
Follikuläres Lymphom
Einsatz der klassischenTherapien wird «verfeinert»
Obwohl die Immuntherapien im Programm der diesjährigen International Conference on Malignant Lymphoma (ICML) einen prominenten Platz einnahmen, wurden auch zu den «klassischen» Therapien mehrere spannende Arbeiten vorgetragen, darunter zur Langzeiterhaltungstherapie mit Rituximab. Neue Daten zur Erstlinientherapie mit Obinutuzumab (plus Chemotherapie) bei Non-Hodgkin-Lymphomen zeigten dagegen dessen Überlegenheit gegenüber Rituximab.
«Etwa 20% der Patienten mit einem follikulären Lymphom weisen ein Ann-ArborStadium I oder II auf», erklärte Prof. Michael MacManus, Melbourne/Australien. Diese Lymphome seien ausserordentlich radiosensitiv. «Eine anhaltende lokale Krankheitskontrolle kann bereits mit einer tief dosierten Strahlentherapie erreicht werden», meinte er. Allerdings komme es bei gut der Hälfte der Patienten zu einem Rezidiv, meist ausserhalb des Bestrahlungsfelds. «Diese Patienten sterben schliesslich an ihrem Lymphom», so MacManus. In der von ihm während der Session «Klassische Therapien beim follikulären Lymphom» präsentierten Arbeit wurde untersucht, ob durch eine zusätzliche systemische Therapie nach der Bestrahlung das progressionsfreie Überleben (PFS) von Patienten mit einem follikulären Lymphom (FL) im Stadium I bis II verbessert werden kann (1).
Besseres PFS bei zusätzlich systemischer Therapie
Dazu wurden zwischen Februar 2000 und Juli 2012 insgesamt 150 Patienten rekrutiert und im Verhältnis 1:1 in zwei Arme randomisiert. Bei den 75 Patienten in Arm A wurde das betroffene Gebiet mit 30 Gy (± 6 Gy) bestrahlt (involved field radiation therapy, IFRT). Patienten in Arm B erhielten ebenfalls eine IFRT mit 30 Gy (± 6 Gy), danach 6 Zyklen CVP (Cyclophosphamid, Vincristin, Prednison, n = 44). Patienten, die ab 2006 in diesen Arm eingeschlossen wurden, erhielten zusätzlich noch Rituximab (R-CVP, n = 31). Das Resultat: Die Patienten in Arm B wiesen ein signifikant besseres PFS im Vergleich zu den Patienten in Arm A auf (HR: 0,57; 0,34–0,95; p = 0,033). Nach 10 Jahren lag das PFS in Arm B bei 58% und
in Arm A bei 41%. Im Gesamtüberleben (OS) zeigt sich bis jetzt kein signifikanter Unterschied. «Dazu benötigen wir ein längeres Follow-up», so MacManus. Die systemische Therapie trug am meisten zur akuten Toxizität der Behandlung bei. «Die Nebenwirkungen waren jedoch in einem akzeptablen Rahmen», ergänzte der Referent. Zusammenfassend meinte er schliesslich: «Vielleicht sollten wir die Kombination einer IFRT mit einer systemischen Therapie bei jüngeren, fitten Patienten mit einem FL-Stadium I bis II als Standard ansehen.»
12-Jahres-Daten zur Rituximab-Erhaltungstherapie nach ASCT
In der gleichen Session präsentierte Dr. med. Ruth Pettengell, London/GB, die Resultate der EBMT-Lym1-Studie (2). In diese 1999 gestartete Langzeitstudie wurden 280 Patienten mit einem Rezidiv ihres FL nach einem kompletten oder sehr guten Ansprechen auf eine Chemotherapie eingeschlossen. Für alle Patienten war eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT) geplant. Patienten der Gruppe A erhielten ein In-vivoPurging mit 375 mg/m2 Rituximab (RP), einmal wöchentlich für 4 Wochen und eine Rituximab-Erhaltungstherapie (RM; 375 mg/m2, einmal alle 2 Monate, total 4 Infusionen). Gruppe B erhielt RP, wurde aber nach der Transplantation nur beobachtet. In der Gruppe C wurde lediglich eine RM durchgeführt, und die Patienten der Gruppe D schliesslich erhielten gar kein Rituximab. Bezüglich Patientencharakteristiken bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Insgesamt 40% der Patienten hatten zwei und 60%
drei Vortherapien erhalten. «Das mediane Follow-up der Studie beträgt mittlerweile 12 Jahre», so Pettengell. Von 203 Patienten, die eine ASCT erhalten haben, sind 68 am Leben und in Remission. Wie es sich zeigte, ist die Erhaltungstherapie RM (mit oder ohne RP) mit einem signifikant besseren 10-Jahres-PFS assoziiert. «In der Intention-to-treat-Population beträgt das 10-Jahres-PFS der Patienten mit Rituximab-Purging und Erhaltungstherapie 58%, dasjenige der Patienten ohne Rituximab dagegen lediglich 33%», erläuterte die Rednerin. Das 10-Jahres-OS unterscheidet sich zwischen den Gruppen nicht signifikant. «Dies reflektiert wohl den Erfolg der Salvage-Therapien bei den Rituximabnaiven Patienten mit einem Rezidiv nach ASCT», ergänzte Pettengell. Sie kam zum Schluss: «Der positive Effekt einer Rituximab-Erhaltungstherapie nach ASCT auf das progressionsfreie Überleben bleibt auch noch nach 12 Jahren erhalten. Diese Therapie trägt zur ASCT-vermittelten Eradikation der Erkrankung bei.»
Langzeitresultate der Studie FOLL05
Die von der Fondazione Italiana Linfomi bei Patienten mit fortgeschrittenem FL durchgeführte Studie FOLL05 widmete sich der Frage, welches Chemotherapieregime in der ersten Therapielinie der am besten geeignete Kombinationspartner für Rituximab darstellt (3). Verglichen wurden R-CVP, R-CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison) und R-FM (Fludarabin, Mitoxantron). Die initialen Resultate dieser Studie – mit einem medianen Follow-up von 34 Monaten – zeigten, dass R-CHOP und R-FM bezüglich Zeit bis zum Therapieversagen (TTF) und bezüglich PFS der Kombination R-CVP überlegen waren. R-CHOP wies dabei im Vergleich zu R-FM ein besseres Risiko-Nutzen-Profil auf. Prof. Stefano Luminari, Reggio Emilia/ Italien, stellte in Lugano nun die Langzeitresultate dieser Studie vor (4). Das Update umfasste ein medianes Followup von 84 Monaten. Die aktuellen Daten vermochten die Ergebnisse der initialen
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Analyse zu bestätigen. «Insgesamt kann gesagt werden, dass eine Immunchemotherapie bei Patienten mit einem fortgeschrittenen FL mit einem Gesamtüberleben von 83% nach 8 Jahren zu einem ausgezeichneten Ergebnis führt», erklärte Luminari. «Das längere Follow-up hat uns aber auch gezeigt, dass R-FM mit einem höheren nicht lymphomassoziierten Mortalitätsrisiko einhergeht als R-CVP.» Mit R-CVP behandelte Patienten erreichten zwar ein vergleichbar gutes OS wie die mit R-CHOP behandelten, wiesen jedoch ein höheres Progressionsrisiko auf (27%) und benötigten häufiger Salvage-Therapien. «Wenn es unser Ziel ist, die Aktivität der Behandlung zu maximieren und die Chancen für eine anhaltende Krankheitskontrolle zu erhöhen, dann stellt R-CHOP die zu bevorzugende Option dar», schloss Luminari.
Aktuelle Daten zur ObinutuzumabErstlinientherapie
In der Phase-III-Studie GALLIUM wurde bei therapienaiven Patienten mit NonHodgkin-Lymphomen eine ObinutuzumabChemotherapie, der sich eine Obinutuzumab-Erhaltungstherapie (G-Chemo) anschloss, mit einer Rituximab-Chemothe-
rapie/Erhaltungstherapie (R-Chemo) verglichen (5). Die Studie schloss auch 1202 Patienten mit einem fortgeschrittenen FL ein. Nach einem medianen Follow-up von 34,5 Monaten hatte G-Chemo im Vergleich zu R-Chemo eine 34%ige Reduktion des Risikos für Progression oder Tod erreicht (HR: 0,66; p = 0,001). Das 3Jahres-PFS betrug 80% für G-Chemo versus 73% für R-Chemo. Die Häufigkeit einiger Nebenwirkungen, zum Beispiel infusionsassoziierte Reaktionen, war in der G-Chemo-Gruppe höher. Hiddemann und Kollegen untersuchten, ob das PFS in den beiden Gruppen durch die zusammen mit dem Antikörper eingesetzte Chemotherapie (CHOP, CVP oder Bendamustin) beeinflusst wird (6). Nach einem medianen Follow-up von 41,1 Monaten erwies sich G-Chemo gegenüber R-Chemo nach wie vor als überlegen (HR: 0,68; p = 0,0016), unabhängig vom verwendeten Chemotherapieregime. Bezüglich Verträglichkeit zeigte sich, dass schwere Nebenwirkungen unter G-Chemo häufiger auftraten als unter R-Chemo, dies unabhängig vom eingesetzten Chemotherapieregime. Die Raten nebenwirkungsbedingter Therapieabbrüche und tödlicher Nebenwirkungen waren dagegen vergleichbar.
Die Analyse von Trotman und Kollegen
ergab schliesslich, dass die Rate eines
kompletten Ansprechens (CR) im PET-CT
am Ende der Induktion im G-Chemo-
Arm höher lag (71,4%) als im Vergleichs-
arm (59,7%) (7). Zudem erwies sich eine
komplette Remission (CR) im PET zu die-
sem Zeitpunkt (vs. keine CR) als hoch prä-
diktiv für das PFS und das OS.
L
Therese Schwender
Quellen: 1. MacManus MP et al.: CVP or R-CVP given after involved-
field radiotherapy improves progression free survival in stage I-II follicular lymphoma: Results of an international randomized trial. ICML 2017, Abstract #12. 2. Pettengell R et al.: Durable benefit of rituximab maintenance post-autograft in patients with relapsed follicular lymphoma: 12-year follow-up of the EBMT lymphoma working party Lym1 trial. ICML 2017, Abstract #14. 3. Luminari S et al.: Long term results of the FOLL05 randomized study comparing R-CVP with R-CHOP and R-FM as first line in patients with advanced stage follicular lymphoma. A FIL study. ICML 2017, Abstract #15. 4. Federico M et al.: R-CVP versus R-CHOP versus R-FM for the initial treatment of patients with advanced-stage follicular lymphoma: results of the FOLL05 trial conducted by the Fondazione Italiana Linfomi. J Clin Oncol 2013; 31: 1506–1513. 5. Marcus RE et al.: Obinutuzumab-based induction and maintenance prolongs progression-free survival (PFS) in patients with previously untreated follicular lymphoma: primary results of the randomized phase 3 GALLIUM study. Blood 2016; 128: 126. 6. Hiddemann W et al.: Immunochemotherapy with obinutuzumab or rituximab in previously untreated follicular lymphoma in the randomized phase III GALLIUM study: analysis by chemotherapy regimen. ICML 2017, Abstract #107. 7. Trotman J et al.: Prognostic value of PET-CT after first-line immunochemotherapy for follicular lymphoma in the Phase III GALLIUM study. ICML 2017, Abstract #21.
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