Transkript
EDITORIAL
Im Fokus: Urogenitale maligne Tumoren
D ie aktuelle Ausgabe der Schweizer Zeitschrift für Onkologie legt den Fokus auf die urologisch-onkologischen Themen Harnblasen-, Prostata- und Nierenzellkarzinom. Die innovative, zunehmende Forschungsaktivität der letzten Jahre lieferte erstaunliche Erkenntnisse, die sowohl die herkömmlichen diagnostischen Prozesse als auch die Therapielandschaft veränderten. Erfreulicherweise übersetzten sich diese Bemühungen teilweise auch in eine deutliche Verlängerung des Überlebens und in eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität.
Immuntherapien nun auch bei urogenitalen Malignomen Die Übersichtsartikel in dieser Ausgabe fassen insbesondere die Studienresultate zusammen, die tumorgerichtete medikamentöse Therapien untersuchten.
Veränderte Prozesse in Diagnostik
und Therapiesequenz
Sie setzen die neuen Ergebnisse in den Kontext der leitliniengerechten Standardbehandlungen und geben Ausblick auf zukünftige Systemtherapien. Die Immunonkologie, die bereits bei der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom und Bronchuskarzinom beachtliche Erfolge erzielte, rückt auch in der Behandlung der Malignome aus dem Urogenitaltrakt in den Fokus. Bei der Zweitlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms wurde Nivolumab, ein Antikörper gegen PD-1, unlängst zugelassen. Beim metastasierten Urothelkarzinom liegen zum jetzigen Zeitpunkt vielversprechende Resultate für die Zweitlinienbehandlung mit mehreren Antikörpern gegen PD-1 und PD-L1 vor. Bislang fehlen bei den immunologischen Interventionen der Malignome im Urogenitaltrakt Langzeitdaten weitgehend. Die unerwünschten immunvermittelten Kollateralwirkungen sind kritisch zu sehen, auch wenn das Toxizitätsprofil im Kontrast zu herkömmlichen zytostatischen Behandlungen verlockend erscheint.
tiert, ob eine tumorgerichtete Therapie angeboten werden kann, als mit den Fragen nach der richtigen Wahl der Therapie und der Behandlungsabfolge. Da vermehrt auch multimodale Therapieansätze zum Einsatz gelangen, gewinnt die interdisziplinäre Falldiskussion erheblich an Bedeutung. Die Bestrebungen nach prognostischen und prädiktiven Parametern zur Patientenselektion und Planung der Therapiesequenz lieferten bislang nicht konklusive Resultate. So bleibt die bewährte klinische Beurteilung nach wie vor das einzige Mittel in der individuellen Entscheidungsfindung. Insbesondere die Faktoren Komorbidität und Polypharmazie sind bei der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Urothel- und Prostatakarzinomen zu berücksichtigen, da es sich meistens um ältere Mitmenschen handelt. Nebst der Aussicht auf zahlreiche Erkenntnisse hinsichtlich molekulargenetischer Eigenschaften der Tumore und damit verbundener Behandlungskonzepte ist zu wünschen, dass künftige Studien die Patientenselektion, die optimale Therapiesequenz, die längerfristige Lebensqualität sowie auch übergeordnete gesundheitsökonomische Aspekte mitberücksichtigen.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich eine anregende, aufschlussreiche Lektüre!
Therapieabfolge nach interdisziplinärer
Falldiskussion Wir sehen uns heutzutage im Kontext dieser For-
schungsergebnisse weniger mit der Frage konfron-
Dr. med. Beat Müller Leitender Arzt Med. Onkologie Tumorzentrum Luzerner Kantonsspital
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2017
1