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Kongressbericht
The San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Dezember 2016
Mammakarzinom
Adjuvante und neoadjuvanteTherapien im Fokus
Prognostische Tests und neue Substanzklassen bei verschiedenen Tumoreigenschaften standen im Zentrum der beim SABCS präsentierten Studien: Die Therapie bei Brustkrebs im Frühstadium wirft weiterhin spannende Fragen in der klinischen Praxis auf.
Welche prognostischen Tests helfen am besten weiter?
Viele Brustkrebspatientinnen möchten eine Chemotherapie gerne vermeiden. Welche Tests bei der Entscheidung helfen, wurde in San Antonio, Texas diskutiert. Unter Verwendung der Daten der TransATAC-Studie (818 postmenopausale Patientinnen, ER+, keine Chemotherapie, 10 Jahre Follow-up) konnte die Wertigkeit der verschiedenen prognostischen Tests (Oncotype DX®, Nanostring®, Mammaprint®, Prosigna® und EpiClin®) bezüglich Rückfallrate verglichen werden (1). Während einige Tests ausschliesslich genomische Signaturen verwenden, kombinieren andere genomische Signaturen im Kontext mit der Tumorbiologie (Tumorgrössen, Nodalstatus, Tumorgrading). Resultat: Für nodalnegative Tumore sind alle Tests gemäss statistischer Analyse ähnlich valabel, das heisst, alle Tests können mehr oder weniger Low-Risk-Patientinnen auch hinsichtlich späterer Rückfälle (in den folgenden 5–10 Jahren) identifizieren. Hingegen scheinen bei nodalpositiven Tumoren die Tests von Prosigna® (ROR) und EndoPredict® (EpiClin) diejenigen zu sein, welche eine genauere Vorhersage ermöglichen. Susan Hilsenback vom Baylor College of Medicine, USA, hat schliesslich die Testresultate kommentiert. Demnach scheint die Risikovorhersage für die erste Dekade der adjuvanten Therapie durch Kombination von genomischer Signatur und klinischem Status sowie Grading vorteilhaft. Da die alleinige genomische Signa-
ER+ = Östrogenrezeptor-positiv PR+ = Progesteronrezeptor-positiv HR = Hazard Ratio DFS = disease free survival; krankheitsfreies Überleben
tur somit gewissermassen «verwaschen» wird, sind die optimistischen Daten bezüglich EpiClin und ROR-Score hierzu in Relation zu stellen.
Wie lange die adjuvante endokrine Therapie ausweiten?
Eine erweiterte Hormontherapie über die Dauer von 5 Jahren hinaus kann Brustkrebspatientinnen vor Rezidiven schützen: Die bereits am ASCO 2016 vorgestellte MA.17R-Studie ergab einen kleinen Vorteil bei «extended endocrine therapy»Letrozolgabe. Auch die NSABP-B-42Studie hatte mit fortgesetzter Gabe des eingesetzten Aromatasehemmers einen positiven Trend bezüglich krankheitsfreien Überlebens zeigen können. Allerdings erhöhte sich die Rate arteriell thrombotischer Ereignisse, weshalb das Risikoprofil allenfalls sorgfältig abgewogen werden sollte.
DATA- und IDEAL-Studien Die auf dem SABACS 2016 vorgestellte dänische DATA-Studie (2) mit 1912 postmenopausalen Frauen mit frühem Mammakarzinom randomisierte nach 2 bis 3 Jahren Tamoxifeneinnahme die adjuvante endokrine Therapie mit Anastrozol für weitere 3 versus 6 Jahre. 67% der Patientinnen waren nodalpositiv, nur 2% HER2-positiv. Die Studie zeigte, dass die Gruppe der nodalpositiven Patientinnen sowie jene mit Östrogenrezeptor (ER+)- und Progesteronrezeptor-positiven (PR+)-Tumoren von der verlängerten Therapie profitierten. Das adaptierte krankheitsfreie Überleben (DFS) nach 5 Jahren betrug 75,9% in der 3-Jahres-Gruppe und 86% in der Gruppe, die 6 Jahre lang Anastrozol erhalten hatte (HR = 0,58; 95%-KI:
0,39–0,89; p = 0,01]). Für die 1117 nodalpositiven Patientinnen ergab sich gegenüber den nodalnegativen ein klarer Vorteil (HR = 0,72; 95%-KI: 0,52–1,00) bezüglich des DFS. Bei Patientinnen mit gleichzeitiger ER+- und PR+-Expression (n = 1264) ergab sich eine HR von 0,70 (95%-KI: 0,53–0,92). Auf die gesamte Studienpopulation bezogen, zeigten sich jedoch im Hinblick auf das DFS und auf das Gesamtüberleben keine signifikanten Unterschiede. Somit wurde das primäre und sekundäre Ziel dieser Studie nicht erreicht. Auch die beim SABCS präsentierte IDEAL-Studie (3) ergab keinen Unterschied bezüglich der Dauer (3 vs. 5 Jahre) der erweiterten adjuvanten Therapie mit einem Aromatasehemmer. Zusammenfassend wurde betont, dass späte Rückfälle Realität seien, wobei initiales Stadium und Tumorgrading hierfür die wichtigsten prognostischen Faktoren sind. Genomische Signaturen enthalten wichtige zusätzliche Informationen. Wegen der hohen Rate an muskuloskelettalen und weiteren Langzeitnebenwirkungen sollte man präferenziell Brustkrebspatientinnen in höheren Krankheitsstadien oder mit gewichtigen Risikofaktoren zur erweiterten Antihormontherapie raten. Eine Adjuvanz für einen Zeitraum länger als 10 Jahre ist derzeit bei keiner Patientengruppe indiziert (3).
Welchen Stellenwert werden CDK4/6- und PI3KInhibitoren erlangen?
Verschiedene internationale Studien haben gezeigt, dass CDK4/6-Inhibitoren eine sichere Therapieoption bei metastasiertem Brustkrebs sind. In der Neoadjuvanz mit CDK4/6-Inhibitoren wird nebst erfreulichem Ansprechen dieser Substanzen häufig von einer begleitenden Immun-Zell-Infiltration im Tumorgewebe berichtet (4). Bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs im Frühstadium (z.B. in der IBCSG-49-14-PENELOPE-PhaseIII-Studie) wird untersucht, ob diese Substanzen in Kombination mit endokriner
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Therapie zusätzlich das Rückfallrisiko vermindern können. Erhöhte Aufmerksamkeit verlangt die häufig beobachte Neutropenie unter Einnahme von CDK4/6-Inhibitoren. Voraussichtlich wird diese Substanzklasse auch in der Therapie von HER2-positiven Brusttumoren ein «neues Kapitel» eröffnen können. Zudem gibt es aufgrund eines retrospektiven zentralen Reviews der PALOMA-2Studie (vorgestellt beim ESMO 2016) Hypothesen generierende Hinweise dafür, dass Palbociclib auch bei ER-negativen Tumoren effektiv sein könnte (5). Auch PI3K-Inhibitoren erwiesen sich beim hormonrezeptorpositiven, HER2negativen Mammakarzinom als wirksam, haben aber aufgrund der hohen Rate an kognitiven Beeinträchtigungen nicht gänzlich überzeugt.
Welche neuen Optionen in der Neoadjuvanz?
Neue Ergebnisse der ADAPT-Studie zur neoadjuvanten Brustkrebstherapie wurden anhand von Subanalysen am SABCS präsentiert. Bei HER2+/hormonrezeptorpositiven (HR+) Brustkrebspatientinnen wurde eine neoadjuvante T-DM1-Therapie (Trastuzumab-Zytotoxin-Konjugat; Kadcyla®) mit und ohne endokrine Therapie versus Trastuzumab (Herceptin®) plus endokrine Therapie verglichen. Dabei zeigte sich: Unter Verwendung von T-DM1 kann den Patientinnen unter Umständen eine begleitende Antihormontherapie erspart werden (6). Hormonrezeptorpositive Patientinnen benötigen wahrscheinlich eine längere neoadjuvante Therapie als diejenigen mit HER2+/ER-negativen Tumoren. Patientinnen mit pathologischer Resterkrankung nach neoadjuvanter Chemotherapie tragen ein erhöhtes Risiko für Rückfälle. Sogenannte postneoadjuvante Therapien könnten hier weitere Behandlungsoptionen bieten. Auf dem Prüfstand hat sich hierbei Capecitabin (CREATE-X-Studie) bei Patientinnen mit einem HER2-negativen Brustkrebs bewährt. Die Dosierungen waren relativ hoch und werden angesichts der vorwiegend asiatischen Population mit Vorbehalt wahrgenommen. Auch die SAKK-22-00-Studie konnte in dieser Situation einen Vorteil durch me-
tronomische Endoxan/Methotrexat-Gabe (während eines Jahres) aufzeigen. Allerdings wurde die Studie zu einem Zeitpunkt aufgegleist, als noch die wenigsten Frauen beispielsweise Taxane adjuvant erhielten. Des Weiteren wurde eine «neoadjuvante Version» der TAILOR-X-Studie präsentiert. Waren die Scores < 11 im prognostischen Test, erfolgte lediglich eine endokrine Therapie; Patientinnen mit Scores > 25 erhielten zusätzlich Chemotherapie. Lag der ermittelte Score zwischen 11 und 25, wurde zwischen Chemotherapie und lediglich endokriner Therapie randomisiert. Outcomeparameter waren eine erhöhte klinische und pathologische Remissionsrate sowie die erfolgreiche brusterhaltende Operation (7). Die provokativen Daten müssen aber erst in weiteren Studien bestätigt werden. Hingegen konnte der Stellenwert von albumingebundenem Paclitaxel (nab-Paclitaxel; Abaraxane®) in der neoadjuvanten Therapiesituation untermauert werden (8). Nebst dem Vorteil einer kurzen Infusionszeit, geringer Prämedikation und hoher Bioverfügbarkeit im Tumor existiert gemäss Metaanalyse eine beachtlich hohe klinische Wirksamkeit. Die pathologische Komplettremissionsrate (ypT0/is ypN0) betrug 41% bei triplenegativen Brustkrebs- und 54% bei HER2positiven Patientinnen. Ob auch im neoadjuvanten Setting nur die triplenegativen Tumore mit BRCA1/2-Germline-Mutation besser auf Carboplatin als auf Docetaxel reagieren, ist noch nicht vollständig geklärt (9).
PARP-Hemmer bei BRCA-1/ -2-mutierten Brusttumoren
Sicher scheint jedoch der zunehmende Einfluss neuer, vorwiegend mit triplenegativem Brustkrebs assoziierten Mutationsspektren (beispielsweise BRD1 PALB2, RAD51D) auf künftige Therapieoptionen (10). PARP-Inhibitoren können zur Behandlung von triplenegativen Brusttumoren eingesetzt werden. Indikativ (aber eher enttäuschend) waren hierfür Ergebnisse der randomisierten BROCADE-Studie mit Veliparib und Carboplatin/Paclitaxel bei Frauen mit BRCA1/-2-mutierten Brusttumoren (11). Die Ansprechrate war in der Studiengruppe erkennbar erhöht und mit einem Trend
zugunsten des progressionsfreien Intervalls assoziiert. Gleichwohl wird für BRCA-mutierte Patientinnen die zielgerichtete platinhaltige Chemotherapie zunehmend bestätigt.
Managements der Nebenwirkungen auf dem Prüfstand
Am SABCS 2016 wurde eine neue Me-
thode vorgestellt – das «Scalp-Cooling»,
eine professionell durchgeführte Kopf-
hautkühlung. Dadurch wird die Blutzirku-
lation verringert, und weniger Wirkstoffe
gelangen an die Haarfollikel, womit der
Haarausfall während der Chemotherapie
weitgehend vermieden wird, was die Le-
bensqualität der Patientinnen verbes-
sern kann. Der erwünschte Effekt zeigte
sich besonders bei taxanhaltigen Regi-
mes (Ergebnis bis zu 60% Haarerhalt),
weniger unter Verabreichung von anthra-
zyklinhaltiger Chemotherapie. Allgemei-
ne Sicherheitsbedenken hinsichtlich ei-
nes vermehrten Auftretens von Kopf-
hautmetastasen oder anderen schwer-
wiegenden Nebenwirkungen ergaben
sich gemäss Autoren der Studie (wie
auch in einer «Machbarkeitsstudie» des
Brust-Zentrums Zürich und gemäss pu-
blizierter Literatur) erfreulicherweise
nicht (12, 13).
Eine negative Studie war leider die
SWOG-1202-Studie, welche darauf ziel-
te, die Nebenwirkungen von Aromatase-
hemmern zu reduzieren. Eingesetzt wur-
de das Antidepressivum Duloxetin (Cym-
balta®) versus Plazebo zur Reduktion
typischer Nebenwirkungen wie trockene
(Mund-)Schleimhäute, Kopfschmerzen
und Übelkeit. Duloxetin brachte nur ei-
nen kurzzeitigen Vorteil.
Schliesslich wurden Studien vorgestellt,
welche die Vorteile einer zeitnahen Er-
fassung von Symptomen mittels elektro-
nischer und patientenbezogener Syste-
me (APP) während einer adjuvant syste-
mischen oder operativen Therapie
aufzeigen konnten (14, 15).
L
Prof. Dr. med. Andreas Trojan OnkoZentrum Zürich 8038 Zürich E-Mail: Trojan@1st.ch
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The San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Dezember 2016 Quellenhinweise: (ausführliche Liste über den Autor). 1. Sestak I et al.: SABCS 2016: Abstract S6-05. 2. Tjan-Heijnen et al.: SABCS 2016: Abstract S1–03. 3. Gnant M. SABCS 2016: Abstract S1–06. 4. Hurvitz S et al.: SABCS 2016: Abstract S4–06. 5. Finn, R. (ESMO 2016, October). LBA15. 6. Gluz O et al.: SABCS 2016: Abstract P1-09-05. 7. Bear HD et al.: SABCS 2016: Abstractr P2-10-04. 8. Zong Y et al.: SABCS 2016. Abstract P5-16-29. 9. Tutt A et al.: SABCS 2016: Abstract S6–01. 10. Couch FJ. AACR Investigator Award; SABCS 2016:
Abstract S2–01. 11. Han HS et al.: SABCS 2016: Abstract S2–05. 12. Nangia JR et al.: SABCS 2016: Abstract S5–02. 13. Trojan A et al.: InFo ONKOLOGIE & HÄMATOLO-
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