Transkript
Kongressbericht
58th Annual Meeting & Exposition der American Society of Hematology (ASH), San Diego/USA, 3. bis 6. Dezember 2016
Multiples Myelom (MM)
Erhaltung und Konsolidierung nach ASCT sowie neue Dreierkombinationen im Fokus
Beim ASH-Kongress 2016 wurden die Ergebnisse verschiedener Studien präsentiert, die eine Optimierung der Konsolidierung und der Erhaltung nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT) im Fokus hatten und für eine Intensivierung der Konsolidierung mit Carfilzomib und eine verlängerte Lenalidomid-Erhaltung plädieren. Im rezidivierten Setting sind Venetoclax und Daratumumab vielversprechende Optionen.
Bei transplantationsgeeigneten Patienten mit neu multiplem Myelom (MM) hat sich die Hochdosistherapie mit ASCT als Therapiestandard etabliert. Zur Induktion und Konsolidierung werden Triplettherapien mit Proteasominhibitoren, IMiD und Dexamethason eingesetzt. Die Lenalidomid-Erhaltungstherapie kann die Dauer des Ansprechens weiter verlängern.
Phase-III-Studie STaMINA mit Lenalidomid
Als Late-Breaking-Abstract 1 präsentierte Edward Stadtmauer, Philadelphia/ USA, die Ergebnisse der dreiarmigen, randomisierten, prospektiven Phase-IIIStudie STaMINA (1). Mit dieser Studie wurde gezeigt, dass bei MM-Patienten nach ASCT eine intensivierte Konsolidierung oder eine zweite ASCT mit nachfolgender Lenalidomid-Erhaltungstherapie nicht bedeutend wirksamer ist als die direkte Konsolidierung mit Lenalidomid (Revlimid®). Die Studienteilnehmer erhielten entweder direkt eine dreijährige Konsolidierung mit Lenalidomid oder 4 Zyklen Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (RVD), gefolgt von der Lenalidomid-Erhaltungstherapie oder eine zweite ASCT mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) nach 38 Monaten ab Randomisierung. Die PFS-Rate nach 38 Monaten betrug 56,5% bei Patienten mit 2 ASCT, 56,7% bei Patienten im RVD-Arm und 52,2% bei Patienten mit direkter Lenalidomid-Konsolidierung. Während die PFS-Rate bei Myelompatienten mit Standardrisiko mit
56–61% vergleichbar war, profitierten Hochrisikopatienten im RVD-Arm (48,3%) möglicherweise besser als Patienten im Lenalidomid-Arm (40,2%) und im 2 x ASCT-Arm (42,2%) von der Therapie. Betrachtete man nur Patienten, die gemäss Protokoll behandelt wurden, so waren die Konsolidierung mit RVD (57,8%) und die zweifache ASCT (61,8%) der alleinigen Lenalidomid-Erhaltungstherapie (52,2%) bezüglich der PFS-Rate nach 38 Monaten möglicherweise überlegen. Die Gesamtüberlebens-(OS-)Rate der ITT-Population betrug 82,0%, 85,7% respektive 83,4% und bei Hochrisikopatienten 79,6%, 77,5% respektive 79,5%. Eine erste sekundäre maligne Erkrankung wurde innerhalb der ersten 38 Monate bei 5,9%, 6,0% und 4,0% der Patienten beobachtet. Insgesamt lassen die Ergebnisse nicht auf einen bedeutsamen PFSVorteil für die Konsolidierung mit RVD oder einer zweiten ASCT gegenüber einer verlängerten Lenalidomid-Erhaltungstherapie schliessen, so Stadtmauer.
Myeloma-XI-Studie: Patienten profitieren von langer Erhaltungstherapie
Auch in der Myeloma-XI-Studie stand die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach ASCT, in diesem Fall über eine verlängerte Therapiedauer, auf dem Prüfstand. Graham H. Jackson, Newcastle upon Tyne/Grossbritannien, und Kollegen untersuchten die Effektivität und die Sicherheit der Lenalidomid-Erhaltungstherapie, wenn sie bis zum Krankheitsprogress gegeben wird (2). Die multizentrische, offene, randomisierte Phase-III-Studie schloss neu diagnosti-
zierte Patienten mit symptomatischem multiplem Myelom ein. Insgesamt erhielten 1551 Patienten 3 Monate nach ASCT oder bei Erreichen einer maximalen Remission Lenalidomid (10 mg d1-21, q4w), oder sie wurden beobachtet. Das mediane PFS betrug 36 Monate im Lenalidomid-Arm versus 18 Monate im Beobachtungsarm (HR = 0,45; p < 0,0001). Bei transplantationsgeeigneten Patienten wurde das mediane PFS mit Lenalidomid-Erhaltung von 28 auf 50 Monate verlängert (HR = 0,47; p < 0,0001), bei transplantationsungeeigneten Patienten von 11 auf 24 Monate (HR = 0,42; p < 0,0001). Der PFS-Vorteil zeigte sich für alle untersuchten Subgruppen. Bei Patienten, die die Therapie aus anderen Gründen (als Krankheitsprogression bzw. Tod) abbrachen, war der längere Verbleib auf der Erhaltungstherapie mit einem reduzierten Rezidivrisiko verbunden. Therapieintensivierung mit KRd-Regime Um die Remissionen zu vertiefen und das Überleben zu verlängern, untersuchte die Studiengruppe Intergroupe Francophone du Myélome die Therapieintensivierung mit einem verlängerten KRd-(Carfilzomib/Kyprolis®, Lenalidomid, Dexamethason-)Regime (3). In der Phase-IIStudie erhielten 46 Patienten 8 Zyklen KRd als Induktion (plus ASCT) und 8 Zyklen KRd als Konsolidierung, gefolgt von einer einjährigen Lenalidomid-Erhaltungstherapie. 57% der ITT-Population erreichten eine stringente komplette Remission (sCR), 61% wenigstens eine komplette Remission (CR) und 85% wenigstens eine sehr gute partielle Remission (VGPR). Mit einer medianen Nachbeobachtung von 23,6 Monaten waren 2 Patienten verstorben, einer während der ASCT und einer während der Nachbeobachtung. 3 Patienten hatten einen Progress der Erkrankung, einer vor der ASCT und 2 während der Erhaltungstherapie. Zur Zeit der Auswertung war das mediane PFS 38 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2017 Kongressbericht 58th Annual Meeting & Exposition der American Society of Hematology (ASH), San Diego/USA, 3. bis 6. Dezember 2016 noch nicht erreicht, und das ermittelte 2Jahres-PFS lag bei 91%. An klinisch relevanten Nebenwirkungen waren bei 26% der Patienten Infektionen, bei 19,5% Störungen im Stützapparat und bei 17% kardiovaskuläre Probleme aufgetreten. Verglichen mit dem bortezomibhaltigen RVd-Regime war die Effektivität von KRd mit wenigstens einer VGPR bei 78% der Patienten besser (vs. 50%), so das Fazit der Wissenschaftler, allerdings konnten 4 Patienten aufgrund von Nebenwirkungen der Induktionstherapie nicht transplantiert werden. Zudem müssten die Mechanismen der kardiovaskulären Ereignisse untersucht werden. Effektive Kombination mit Venetoclax und Bortezomib Die synergistische Kombination von Venetoclax und Bortezomib (Velcade®) könnte laut einer Phase-Ib-Studie eine effektive und gut verträgliche Option beim rezidivierten und/oder refraktären multiplen Myelom sein (4). In der offenen Dosis-Eskalationsstudie erhielten 66 Patienten 1,3 mg/m2 Bortezomib, 20 mg Dexamethason und 50–1200 mg Venetoclax (ab Zyklus 12 in Monotherapie). Die Patienten waren im Median 64 Jahre alt und hatten durchschnittlich 3 vorangegangene Therapielinien erhalten. An zytogenetischen Aberrationen zeigten 23% der Patienten eine 17p-Deletion, 45% eine 13q-Deletion und 45% waren hyperdiploid. Ein Ansprechen wurde bei 67% der Patienten gesehen, davon waren 5% stringente komplette Remissionen (sCR), 15% komplette Remissionen (CR), 23% sehr gute partielle Remissionen (VGPR) und 24% partielle Remissionen. Patienten, die gegenüber Bortezomib nicht refraktär, sensitiv oder naiv waren, sprachen mit einer Rate von 90%, 89% und 92% besser auf die Dreierkombination an als Patienten mit bortezomibrefraktärer Erkrankung (31%). Der frühere Einsatz der Kombination innerhalb der ersten 3 Therapielinien erreichte ein Ansprechen bei 89% der Patienten, der spätere Einsatz nur bei 38%. Waren Patienten nicht refraktär gegenüber Bortezomib und erhielten sie die Kombination innerhalb der ersten drei Therapielinien, sprachen 97% der Patienten auf die Therapie an (sCR: 10%, CR: 23%, VGPR: 41%). Auch eine hohe BCL2-Expression ging mit einem besseren Ansprechen auf die Kombinationstherapie einher. Eine Phase-III-Studie (NCT#02755597) wurde bereits gestartet; der sinnvolle Einschluss von Patienten, die auf Bortezomib nicht refraktär waren und 1 bis 3 vorangegangene Therapielinien hatten, wurde durch die Ergebnisse der PhaseIb-Studie «untermauert». Aktualisierte Ergebnisse der POLLUX-Studie bestätigen Daratumumab Mit der zusätzlichen Gabe von Daratumumab (Darzalex®) zu Lenalidomid und Dexamethason (DRd vs. Rd) wurde in der multizentrischen, randomisierten, offenen Phase-III-Studie POLLUX ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) erreicht. In einer aktualisierten Auswertung wurde die Wirksamkeit von Daratumumab auch für diverse Subgruppen bestätigt. Nach 18 Monaten waren Patienten mit 1 bis 3 vorangegangenen Therapielinien in 77% der Fälle im DRd-Arm und in 50% der Fälle im Rd-Arm progressionsfrei (HR = 0,36; p < 0,0001). Ein Ansprechen wurde bei 94% versus 77% beobachtet, wobei es mit längerer Nachbeobachtungszeit zu einer Vertiefung der Remissionen im DRd-Arm kam. Der Therapievorteil mit Daratumumab wurde für lenalidomidnaive Patienten (18-Monats-PFS: 76% vs. 49%; HR = 0,37; p < 0,0001) und für mit Lenalidomid vor- behandelte Patienten (79% vs. 59%; HR = 0,45; p = 0,042) bestätigt. Ebenso profitierten Patienten, die refraktär ge- genüber Bortezomib (65% vs. 40%; HR = 0,51; p = 0,021) oder der letzten Thera- pielinie (65% vs. 37%; HR = 0,45; p = 0,0014) waren. Ein tieferes Ansprechen einschliesslich MRD-Negativität wurde unabhängig von einer vorangegangenen Therapie mit Lenalidomid oder bortezo- mibrefraktärer Erkrankung häufiger im Daratumumab-Arm erreicht. Der Thera- pieerfolg wurde durch die zusätzliche Daratumumab-Gabe sowohl bei Hoch- risikopatienten als auch bei Patienten mit normalem Risiko verbessert. Das Sicher- heitsprofil blieb unverändert zu den be- reits berichteten Daten (5). L Ine Schmale Referenzen: 1. Stadtmauer E et al.: Comparison of autologous he- matopoietic cell transplanst (autoHCT), bortezomib, lenalidomide (Len) and dexamethasone (RVD) consolidation with Len maintenance (ACM), tandem autoHCT with Len maintenance (AM) for up-front treatment of patients with multiple myeloma (MM): Primary results from the randomized prospective phase III trial of the blood and marrow transplant clinical networt (BMT CTN 0702 – STaMINA Trial, NCT#01109004). ASH 2016, #LBA1. 2. Jackson GH et al.: Lenalidomide is a highly effective maintenance therapy in myeloma patients of all ages: Results of the phase III myeloma XI study. ASH 2016, Abstr. #1143. 3. Roussel M et al.: Frontline therapy with carfilzomib, lenalidomide, and dexamethasone (KRd) induction followed by autologous stem cell transplantation, KRd consolidation and lenalidomide maintenance in newly diagnosed multiple myeloma patients: Primary results of the Intergroupe Francophone du Myélome (IFM) KRd Phase II study. ASH 2016, Abstr. #1142. 4. Moreau P et al.: Venetoclax combined with bortezomib and dexamethasone for patients with relapsed/ refractory multiple myeloma. ASH 2016, Abstr. #975. 5. Moreau P et al.: Efficacy of daratumumab, lenalidomide, and dexamethasone versus lenalidomide and dexamethasone alone for relapsed or refractory multiple myeloma among patients with 1 or 3 prior lines of therapy based on previous treatment exposure: Updated analysis of POLLUX. ASH 2016, Abstr. #489. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2017 39