Transkript
Kongressbericht
IASLC – 17th World Congress on Lung Cancer, Wien, Dezember 2016
Lungenkarzinom
«Die Suchtbehandlung sollte immerTeil derTherapie sein»
Mehr ärztliches Engagement im Kampf gegen den Tabak forderte eine prominent besetzte Expertenrunde zum Auftakt der World Conference on Lung Cancer. Konferenzpräsident Prof. Dr. Robert Pirker brachte zur Eröffnung der Gesprächsrunde das Programm auf den Punkt: «Wir müssen klarmachen, was wir fordern. Wir fordern Tabakkontrolle.»
Es sei höchste Zeit zu handeln, führte Dr. Nise Yamaguchi, Executive Director, Institute of Advances in Medicine, São Paulo, aus: «Buchstäblich jede Sekunde sterben Menschen an den Folgen des Rauchens. Unser Institut versucht, in enger Zusammenarbeit mit dem Parlament, mehr Bewusstsein für Tabakkontrolle zu schaffen.» Initiativen aus der Ärzteschaft wünscht sich auch Karin Kadenbach, österreichisches Mitglied des Europäischen Parlaments: «Üblicherweise braucht es Druck aus der Öffentlichkeit, in diesem Fall aus der medizinischen Community, damit die Politik zu handeln beginnt.» Dies gelte ganz besonders auf der europäischen Ebene, da dem Europäischen Parlament das Initiativrecht fehle. Da Gesetzesinitiativen von der EU-Kommission oder vom Rat kommen müssten, gelte es, auf diese entsprechenden Einfluss zu nehmen, um die Dinge in Bewegung zu setzen.
Vermehrt über Umgang mit Suchterkrankung informieren
Deutlich kritisiert wurde die Position der Tabakindustrie, ein «Recht auf Rauchen» zu fordern oder Rauchen als demokratische Freiheit darzustellen. Auf diese Diskussion dürfe man sich von vornherein nicht einlassen, betonte Dr. Carolyn Dresler, früheres Mitglied des IASLC-Boards, da Nikotinabhängigkeit vor allem als Suchterkrankung gesehen werden müsse und man sich dieser Problematik daher nicht mit dem Argument der Freiheit nähern sollte. Die Freiheit zu rauchen, sei gegenüber dem Recht der Menschen auf rauchfreie Luft zu vernachlässigen. Im Umgang mit der Suchterkrankung Rauchen ortete die Runde massive Defizite.
Es sei von erheblicher Wichtigkeit, Ärzte besser über die Methoden und Möglichkeiten der Suchtbehandlung zu informieren. In diesem Zusammenhang wurde das Erstellen kurzer, klarer Faktenblätter für Ärzte angeregt. Diese sollten nicht zuletzt auch Argumentationshilfen für öffentliche Diskussionen bieten.
«Wir wissen, dass Rauchen für die Patienten
katastrophale Folgen hat. Es verschlechtert
das Ansprechen auf die Therapie und insgesamt
die Prognose.»
Auch Pirker schloss sich dieser Forderung an, gab jedoch zu bedenken, dass er unter Onkologen zuweilen auf ein erstaunliches Desinteresse stosse: «Wenn wir den häufigen und tödlichen Lungenkrebs besiegen wollen, dann müssen Ärzte mehr über Rauchen und Sucht wissen. Wir sollten uns mehr auf die Prävention konzentrieren und nicht nur auf die neuen Immuntherapien.»
Defizite in der Therapie suchtkranker Raucher
Dr. Martina Pötschke-Langer, Vorsitzende des deutschen Aktionsbündnisses Nichtrauchen e.V., ortete ebenfalls Defizite in der Behandlung suchtkranker Raucher – selbst auf onkologischen Stationen: «In der Onkologie wird versucht, Patienten mit Lungenkarzinom zu behandeln. Aber Teil dieser Behandlung sollte nicht zuletzt auch die Therapie der Sucht sein. Wir wissen, dass Rauchen für die Patienten katastrophale Folgen hat. Es verschlechtert das Ansprechen auf die The-
rapie und insgesamt die Prognose. Die Suchtbehandlung sollte immer Teil der Therapie sein.» Dr. Vera da Costa e Silva, Head of Secretariat of the WHO Framework Convention on Tobacco Control, unterstrich die Bedeutung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen den Tabak. Als positives Beispiel nannte sie Ungarn, wo in den vergangenen Jahren vorbildliche Massnahmen zur Tabakkontrolle umgesetzt wurden. Dies sei, so der ehemalige ungarische Gesundheitsminister Dr. Miklós Szócska, nur möglich gewesen, weil sich die Öffentlichkeit hinter die geplanten Massnahmen gestellt habe. Beispielsweise haben Umfragen gezeigt, dass sogar 60 Prozent der Raucher das Rauchverbot in Lokalen unterstützten. Abschliessend wies da Costa e Silva auf die intensiven Lobbyingbemühungen der Tabakindustrie hin, die darauf hinausliefen, die gegen den Tabak gerichtete Legislative zu verhindern, zu verwässern oder zumindest zu verzögern: «Die Industrie ist sehr aggressiv. Je mehr sie unter Druck gerät, desto aggressiver wird sie. Dieses Problem haben wir weltweit. Aber es muss etwas geschehen. Menschen sterben, und täglich werden Menschen vom Nikotin abhängig.» Dass der Druck auf die Industrie in nächster Zeit noch grösser werden könnte, zeigte nicht zuletzt ein Statement von Kadenbach: «Wir hören immer, man könne Zigaretten nicht verbieten. Warum kann man das nicht? Natürlich kann man Zigaretten verbieten. Nikotin wäre dann eine Droge, die allenfalls von Ärzten an schwer suchtkranke Patienten unter kontrollierten Bedingungen abgegeben werden darf.» L
Reno Barth
Quelle: Round Table «Policy Dialogue: Tobacco Control in Central Europe» im Rahmen der IASLC 17th World Conference on Lung Cancer, am 4. Dezember 2016 in Wien.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2017
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