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EHA 2016 – 21st Congress of European Hematology Association, Kopenhagen, 9. bis 12. Juni 2016
Hodgkin-Lymphome
Risikoadaptierte Behandlung und neue Optionen
Die PET-gesteuerte, risikoadaptierte Therapie des Hodgkin-Lymphoms im Frühstadium war ein wichtiges Thema am diesjährigen EHA-Jahreskongress. Daneben waren Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung des Therapieerfolgs, insbesondere im Hinblick auf Spättoxizitäten, und neue Optionen, wie der Checkpoint-Inhibitor Nivolumab, ein Thema.
«Die Behandlung des Hodgkin-Lymphoms (HL) im Frühstadium stellt aufgrund der hohen Überlebensrate, die wir hier erreichen können, eine Erfolgsgeschichte dar», sagte Dr. med. Marc André, Yvoir (Belgien). «In der LYSA-EORTC-H9Studie, deren Resultate gerade zur Publikation eingereicht wurden, lag das 5-Jahres-Gesamtüberleben beispielsweise bei 98%.» Wie unter anderem George Canellos und Kollegen feststellen konnten, kommt es längerfristig dennoch zu einer langsamen Abnahme der Überlebensrate infolge der Erkrankung (1). «Diese Abnahme steht in Verbindung mit Spättoxizitäten, insbesondere mit dem Auftreten von Zweitneoplasien», erklärte der Referent. Die Problematik der sekundären Tumoren bei HL-Patienten wurde in einer kürzlich publizierten Arbeit eingehend untersucht (2). Michael Schaapvelt und Kollegen eruierten bei 3905 HL-Patienten den Langzeiteffekt verschiedener Behandlungen im Hinblick auf das Risiko für eine Zweitneoplasie. Dabei erfüllte sich nicht die Hoffnung, dass dank der Einführung von weniger toxischen Therapien in den späten Achtzigerjahren auch das Risiko für sekundäre Malignome reduziert wird. Vielmehr blieb die Inzidenz etwa gleich hoch. «Vor diesem Hintergrund sollten wir bei der Behandlung des Hodgkin-Lymphoms zurzeit das Ziel haben, die hohen Überlebensraten beizubehalten, jedoch die Spättoxizitäten – und dabei insbesondere die sekundären Malignome – zu reduzieren», so Marc André.
Die FDG-PET-gesteuerte Therapie
Eine Möglichkeit, um dieses Ziel zu erreichen, stellt die Steuerung der Therapie
durch eine früh im Behandlungsverlauf durchgeführte FDG-PET-Untersuchung dar. Bereits 2007 konnte für HL-Patienten im fortgeschrittenen Stadium, die nach 2 Zyklen ABVD (Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin and Dacarbazin) FDG-PETnegativ waren, ein besseres progressionsfreies Überleben (PFS) als für FDG-PETpositive Patienten gezeigt werden (3). Bei Patienten im Frühstadium der Erkrankung wurde dies vor Kurzem ebenfalls nachgewiesen (4). Radford und Kollegen haben in ihrer Nicht-UnterlegenheitsStudie RAPID den Einfluss einer FDGPET-gesteuerten Therapiestrategie auf das PFS untersucht (5). Dazu führten sie nach 3 Zyklen ABVD eine FDG-PET durch. Patienten mit einem negativen Befund wurden zu einer lokalen Radiotherapie (30 Gy, involved field) oder keiner weiteren Behandlung randomisiert. PET-positive Patienten erhielten dagegen einen 4. ABVD-Zyklus und dann eine Radiotherapie. «Diese Studie konnte schliesslich die Nicht-Unterlegenheit der Strategie, bei PET-negativen Patienten keine weitere Behandlung mehr durchzuführen, nicht bestätigen», fasste der Referent die Studienresultate zusammen. Die EORTC/LYSA/FIL-H10-Studie untersuchte, ob das Behandlungsresultat von PET-positiven HL-Patienten im Frühstadium durch eine frühe Intensivierung der Chemotherapie verbessert und ob die Radiotherapie bei früh PET-negativen Patienten weggelassen werden kann (6). Es zeigte sich schliesslich, dass nach 2 Zyklen ABVD weiterhin PET-positive Patienten im Hinblick auf ihr PFS von einer Intensivierung der Therapie mit BEACOPPesc und danach von einer Radiotherapie profitieren konnten. Sie wiesen ein signifikant besseres 5-Jahres-PFS
im Vergleich zu Patienten auf, bei denen die ABVD-Behandlung abgeschlossen und danach eine Radiotherapie durchgeführt wurde (5-Jahres-PFS: 91% vs. 77%, HR = 0,42; 95%-KI: 0,23–0,74, p = 0,002). «Auch in Bezug auf das Gesamtüberleben zeigte das intensivere Regime einen Vorteil, jedoch war dieser knapp nicht signifikant», meinte der Redner. Die Analyse der Patienten mit einem negativen Befund konnte erneut die NichtUnterlegenheit der Strategie, bei diesen Patienten die Radiotherapie wegzulassen, nicht bestätigen. «Trotz allem war aber das Überleben der nach 2 oder 3 ABVD-Zyklen PET-negativen Patienten sowohl in der RAPID- als auch in der H10Studie sehr gut, und dies unabhängig davon, ob sie eine konsolidierende Radiotherapie erhalten hatten oder nicht», ergänzte André. Um die Studien in Bezug auf das Auftreten von sekundären Malignomen auswerten zu können, sei das Follow-up aber noch zu kurz. Dr. André fasste seine Ausführungen zusammen: «Ein frühes FDG-PET eignet sich zur Wahl einer risikoadaptierten Therapiestrategie und sollte zum Standard werden. Bei früh PET-positiven Patienten ist eine frühe Intensivierung mit BEACOPPesc als die beste Option anzusehen. Bei früh PET-negativen Patienten besteht die Möglichkeit, für den Preis einer leicht schlechteren Krankheitskontrolle auf die Radiotherapie zu verzichten.»
Neue Behandlungsansätze beim Hodgkin-Lymphom
Prof. Dr. med. Igor Aurer, Zagreb (Kroatien), stellte die guten Behandlungsresultate heraus, die beim HL erreicht werden können. «Dabei müssen wir aber bedenken, dass dies vor allem auf jüngere Patienten zutrifft. Patienten über 65 Jahre haben bereits ein deutlich schlechteres Outcome.» Wünschenswert wären daher besser wirksame Erstlinienoptionen für ältere Patienten. «Aber auch bessere Salvagetherapien und Strategien zur Reduktion der Toxizität einer Behandlung sind nach wie vor ein grosses Bedürfnis. Bei
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der Radiotherapie wurde in dieser Hinsicht bereits ein wichtiger Fortschritt erreicht, und zwar durch die Reduktion der Grösse des Bestrahlungsfeldes und der Dosis. Eine weitere Verbesserung stellt zudem die bereits besprochene PETbasierte Patientenselektion dar.» Die Verträglichkeit der Chemotherapie, insbesondere bei älteren Patienten, könne durch das Weglassen von Bleomycin verbessert werden. «Dies scheint insbesondere bei Patienten über 70 wichtig zu sein.»
Bendamustin und Brentuximab vedotin Aurer wies auf weitere Therapieoptionen hin, die zur Verbesserung von Wirksamkeit und Verträglichkeit, nicht nur bei älteren Patienten, beitragen könnten. Eine dieser Optionen stellt Bendamustin (Ribomustin®) dar. In einer retrospektiven Analyse einer kleinen Gruppe (n = 28) stark vorbehandelter Patienten mit einem rezidivierten oder refraktären HL führte die Therapie mit Bendamustin zu einer Rate objektiven Ansprechens (ORR) von 50%, mit einem kompletten Ansprechen (CR) bei 29% der Patienten (7). Das mediane PFS betrug 5,7 Monate. «Bendamustin als Monotherapie weist zudem eine akzeptable Wirksamkeit und Verträglichkeit auf. Als Dosierung scheint bei den meisten Patienten 90 mg/m2 an den Tagen 1 und 2 alle 4 Wochen optimal zu sein», ergänzte der Redner. Neben der Monotherapie sei Bendamustin zudem auch ein vielversprechender Chemotherapiebestandteil für ältere Patienten. Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab vedotin (Adcetris®) erreichte in der pivotalen Phase-II-Studie bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem HL eine ORR von 75% mit einer CR-Rate von 34% (8). Bei Patienten ohne CR lag die Remissionsdauer bei 10 Monaten (9). «Daher empfehlen die meisten Experten, das Ansprechen auf Brentuximab mittels Stammzelltransplantation zu konsolidieren. Zudem müssen wir daran denken, dass Brentuximab vedotin auch mit einer pulmonalen Toxizität einhergehen kann, die zwar selten ist, aber schwerwiegend sein kann», gab Prof. Aurer zu bedenken. Dies hänge vermutlich mit dem Antikörperteil des Konjugats zusammen. «Es wird daher empfohlen, Brentuximab vedotin
Tabelle:
CheckMate-205-Studie, Kohorte B: Nivolumab-Ansprechraten der Patienten mit klassischem Hodgkin-Lymphom und Progress nach Stammzelltransplantation und Brentuximab vedotin (10)
Objektives Ansprechen, n (%) – IRRC* – Prüfärzte Bestes Gesamtansprechen IRRC, n (%) – komplettes Ansprechen – partielles Ansprechen – stabile Erkrankung – Progression – nicht bestimmbar
Ansprechrate (n = 80)
53 (66) 58 (73)
7 (9) 46 (58) 18 (23) 6 (8) 3 (4)
*IRRC: Independent Radiologic Review Committee
nicht mit Gemcitabin und Bleomycin zu kombinieren. Ich selbst bin zudem der Meinung (obwohl es dazu meines Wissens noch keine Daten gibt), dass auch eine gleichzeitige Radiotherapie des Mediastinums vermieden werden sollte.»
Nivolumab bei stark vorbehandelten Patienten Prof. Dr. Anas Younes, New York (USA), präsentierte Daten der Kohorte B der Studie CheckMate 205 (10). In dieser Kohorte wurde der Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab (Opdivo®) bei 80 Patienten mit klassischem HL eingesetzt, bei denen es nach einer autologen Stammzelltransplantation und Brentuximab vedotin zu einem Progress gekommen war. «Nach einem medianen Follow-up von 8,9 Monaten zeigten die Patienten hohe Ansprechraten und auch eine vielversprechende Dauer ihres Ansprechens.» So lag die ORR bei 66% (gemäss Independent Radiologic Review Committee, IRRC) respektive 73% (gemäss den Prüfärzten) (Tabelle). Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 2,1 Monate und die mediane Dauer eines Ansprechens 7,8 Monate. Prof. Younes betonte: «Ein Grossteil der Patienten, insgesamt 62,3%, wiesen zum Zeitpunkt dieser Analyse weiterhin ein Ansprechen auf.» Nach 6 Monaten waren 77% der Patienten am Leben und ohne Krankheitsprogression. Die am häufigsten aufgetretenen Nebenwirkungen (> 15%) waren Fatigue, infusionsassoziierte Reaktionen und Rash. «Der PD-1-Checkpoint-Inhibitor Nivolu-
mab stellt damit eine wichtige neue Behandlungsoption für Patienten mit klassischem Hodgkin-Lymphom und einer progredienten Erkrankung nach mehreren Vortherapien dar, denn für diese Gruppe bestehen bis heute nur begrenzte Therapiemöglichkeiten», schloss Younes. I
Therese Schwender
Referenzen: 1. Canellos GP et al.: Treatment of Hodgkin lymphoma: a 50-year perspective. J Clin Oncol 2014; 32: 163–168. 2. Schaapveld M et al. Second Cancer Risk Up to 40 Years after Treatment for Hodgkin’s Lymphoma. N Engl J Med. 2015; 373: 2499–2511. 3. Gallamini A et al.: Early interim 2-[18F]fluoro-2-deoxy-Dglucose positron emission tomography is prognostically superior to international prognostic score in advanced-stage Hodgkin’s lymphoma: a report from a joint Italian-Danish study. J Clin Oncol 2007; 25: 3746–3752. 4. Rigacci L et al.: The prognostic value of positron emission tomography performed after two courses (INTERIM-PET) of standard therapy on treatment outcome in early stage Hodgkin lymphoma: A multicentric study by the fondazione italiana linfomi (FIL). Am J Hematol 2015; 90: 499–503. 5. Radford J et al.: Results of a trial of PET-directed therapy for early-stage Hodgkin’s lymphoma. N Engl J Med. 2015; 372: 1598–1607. 6. Raemaekers J et al.: Early FDG-PET adapted treatment improved the outcome of early FDG-PET positive patients with stages I/II Hodgkin lymphoma: final results of the randomized Intergroup EORTC/LYSA/FIL H10 trial. Presented at the 13th International Conference on Malignant Lymphoma, Lugano, Switzerland. June 17–20, 2015. 7. Ghesquières H et al.: Clinical experience of bendamustine in relapsed or refractory Hodgkin lymphoma: a retrospective analysis of the French compassionate use program in 28 patients. Leuk Lymphoma. 2013; 54: 2399–2404. 8. Younes A et al.: Results of a pivotal phase II study of brentuximab vedotin for patients with relapsed or refractory Hodgkin’s lymphoma. J Clin Oncol 2012; 30: 2183–2189. 9. Gopal AK et al.: Durable remissions in a pivotal phase 2 study of brentuximab vedotin in relapsed or refractory Hodgkin lymphoma. Blood 2015; 125: 1236–1243. 10. Engert A et al.: CHECKMATE 205: A Phase 2 Study of Nivolumab in Patients with Classical Hodgkin Lymphoma Following Autologous Stem Cell Transplantation and Brentuximab Vedotin. Haematologica 2016; 101 (S1): Abstract S793.
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