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ASCO 2016 – 52nd Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 3. bis 7. Juni 2016
Fortgeschrittenes Bronchialkarzinom – SCLC und NSCLC
Immunonkologische Strategien und zielgerichtete TKI-Therapie stetig im Vormarsch
Das Bronchialkarzinom gehört zu den Vorreitern der individualisierten Therapie aufgrund von histologischen und molekularbiologischen Erkenntnissen. Auch bei «kleinen» Entitäten mit seltenen Mutationen werden jetzt zielgerichtete Therapien ge-
NSCLC: Bevacizumab plus Chemotherapie je nach Konstellation
prüft, wie beispielsweise bei der RET-Fusion. Zudem werden zielgerichtete Therapien
Die französische Phase-III-Studie ULTIMATE untersuchte, ob mit der zusätz-
weiterhin optimiert und immunonkologische Strategien in die Behandlung integriert. lichen Gabe von Bevacizumab zu wöchent-
lichem Paclitaxel, wie es für Ovarial- und
SCLC: Checkpoint-Inhibitoren kombiniert als neue Option
4,4 Monate; die 1-Jahres-OS-Rate 43%, 35% und 33%. Zum Ende der KaplanMeier-Kurven bildeten sich Immunthe-
für Mammakarzinom gezeigt wurde, die Ansprechrate und das progressionsfreie Überleben (PFS) verbessert werden können (2). 166 Patienten mit fortgeschritte-
Patienten mit fortgeschrittenem kleinzel- rapie-typische Plateaus aus. Nebenwir- nem, nicht squamösem NSCLC erhielten
ligem Bronchialkarzinom (SCLC) spre- kungen vom Grad 3/4 traten häufiger im 2:1-randomisiert Paclitaxel (90 mg/m2,
chen häufig auf die Erstlinientherapie an, Studienarm mit 1 mg/kg Nivolumab plus d1 + 8 + 15, q4w) plus Bevacizumab
haben aber nach der platinbasierten 3 mg/kg Ipilimumab auf (30%). «Dennoch (Avastin®) (10 mg/kg, d1 + 15, q4w) oder
Standardchemotherapie nur begrenzte waren die Patienten sehr motiviert, die Docetaxel (75 mg/m2, q3w). Zum Zeit-
Optionen in der Zweitlinientherapie. Die Therapie weiter zu nehmen», sagte Scott punkt des Tumorprogresses war ein
Checkpoint-Blockade könnte eine davon Joseph Antonia, Moffitt Cancer Center, Cross-over in den anderen Studienarm
sein, wie Ergebnisse der dreiarmigen Tampa (USA), «und nur 11% der Patienten erlaubt. Primärer Endpunkt war das PFS.
Phase-II-Studie CheckMate 032 darle- brachen die Therapie ab.» Die Wirksam- Die Patienten waren median 59,7 Jahre
gen (1). Eingeschlossen wurden hier 216 keitsdaten seien beeindruckend, bemerkte alt, wobei 18,2% der Patienten im Doce-
Patienten mit progressiver Erkrankung Antonia, und die Nebenwirkungen in der taxel-Arm versus 9,0% der Patienten im
nach wenigstens einer Erstlinientherapie, Regel mit den etablierten Sicherheits- Paclitaxel/Bevacizumab-Arm ≥ 70 Jahre
inklusive platinbasierter Chemotherapie, leitlinien medizinisch handhabbar. Die alt waren. 16,4% versus 8,1% der Patien-
unabhängig von der Platinsensitivität und Kombination von 1 mg/kg Nivolumab plus ten waren Nie-Raucher, und bei 36,4%
der PD-L1-Expression. Zwei Studienarme 3 mg/kg Ipilimumab wird in einer Phase-III- versus 46,8 % der Patienten war die Dia-
untersuchten Kombinationen von Ipilimu- Studie weiter untersucht.
gnose ≤ 9 Monate vor Studieneinschluss
mab (Yervoy®) und Nivolumab (Opdivo®)
gestellt worden. 69,3% aller Studienteil-
in verschiedenen Dosierungen; im drit-
ten Studienarm erhielten Patienten eine
Nivolumab-Monotherapie. Ipilimumab wurde für 4 Zyklen verabreicht, Nivolumab bis zum Krankheitsprogress. Der primäre Endpunkt war die objektive
Tabelle:
CheckMate 032-Studie – Ansprechen unter Nivolumab ± Ipilimumab
beim fortgeschrittenen SCLC
(mod. nach Antonia et al., ASCO 2016)
Ansprechrate (ORR). Etwa die Hälfte der
Nivolumab-1
Nivolumab-3
Studienteilnehmer hatte zwei bis drei
Nivolumab-3
+ Ipilimumab-3 + Ipilimumab-1
vorangegangene Therapielinien erhalten. Nur bei bis zu einem Viertel der Patienten der drei Studienarme wurde eine PD-LExpression ≥ 1% nachgewiesen. Die Kombinationsarme, insbesondere bei
Objektive Ansprechrate, % (n/N) gesamthaft
platinsensitiv platinresistent
(n = 98)
10 (10/98) 11 (6/55) 10 (3/30)
(n = 61)
23 (14/61) 28 (7/25) 17 (4/23)
(n = 61)
19 (10/54) 19 (4/21) 10 (2/21)
höherer Ipilimumab-Dosierung, waren der Beste Ansprechrate (%)
Monotherapie in Bezug auf das Anspre- komplettes Ansprechen
0
2
0
chen überlegen: Unter den Kombinatio- partielles Ansprechen 10 21 19
nen sprachen 23% und 19% versus 10%
Krankheitsstabilisierung
22
21
17
unter Monotherapie an (Tabelle). Das
Fortschreiten
53 38 54
der Erkrankung
Ansprechen war unabhängig von der PD- unbestimmbar
12 13 11
L1-Expression. Das mediane Gesamt- kein Tumorassessment
2
5
0
überleben (OS) betrug in den drei Stu- im Follow-up
dienarmen 7,7 Monate, 6,0 Monate und
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2016
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nehmer wurden in der Studie in der Zweitlinie und 28,9% in der Drittlinie behandelt. Etwa ein Drittel aller Patienten hatte bereits Bevacizumab in vorangegangenen Therapielinien erhalten. Ein Ansprechen wurde signifikant häufiger unter Paclitaxel/Bevacizumab beobachtet (22,5% vs. 5,5%; p = 0,006). Das PFS betrug median 5,4 vs. 3,9 Monate (HR = 0,62; p = 0,006). Patienten mit vorangegangener Bevacizumab-Therapie profitierten laut Subgruppenauswertungen möglicherweise besser unter Docetaxel. Beim OS wurden im Median 9,9 Monate unter Paclitaxel/Bevacizumab versus 11,4 Monate unter Docetaxel festgestellt (HR = 1,18; p = 0,40), allerdings nahmen 38,2% der Patienten im Docetaxel-Arm die Möglichkeit des Cross-overs wahr, wogegen nur 8,3% der Paclitaxel/ Bevacizumab-randomisierten Patienten in den Docetaxel-Arm wechselten. Nebenwirkungen aller Grade traten im Paclitaxel/Bevacizumab-Arm signifikant häufiger auf als im Docetaxel-Arm (98,2% vs. 90,9%; p = 0,03), wohingegen Grad 3/4Nebenwirkungen häufiger unter Docetaxel beobachtet wurden (45,9% vs. 54,5%); p = 0,30). Vor allem klinisch relevante hämatologische Toxizitäten Grad 3/4 traten deutlich häufiger bei Docetaxeltherapierten Patienten auf. Die Lebensqualität war unter beiden Therapieregimen vergleichbar.
NSCLC: RET-Inhibierung mit neuem Tyrosinkinasehemmer
Bei etwa 1 bis 2% der NSCLC-Patienten wird eine RET-Modifikation nachgewiesen. In der einarmigen Phase-II-Studie LURET wurde Vandetanib, ein Tyrosin-
kinasehemmer von RET, EGFR und VEGFR, bei Patienten mit nicht squamösen Tumoren und RET-Fusion eingesetzt (3). Die Patienten hatten bereits wenigstens eine Chemotherapie erhalten. Von 1536 NSCLC-Patienten waren 34 Patienten RET-positiv, 19 Patienten wurden mit RET-Inhibitoren behandelt (ITT-Population), und 17 Patienten waren schliesslich für den primären Endpunkt, das ORR, auswertbar. Die Patienten waren im Schnitt 59 Jahre alt, in drei Vierteln der Fälle Frauen und in zwei Dritteln NieRaucher. Die häufigsten Fusionspartner von RET waren KIF5B (53%) und CCDC6 (31%). Insgesamt wurde bei den auswertbaren Daten von 17 Patienten eine Ansprechrate von 53% festgestellt. Eine höhere Ansprechrate wurde bei Patienten mit DDCD6-RET-Fusion beobachtet. Das PFS der ITT-Population betrug median 4,7 Monate, und 47% der Patienten überlebten ein Jahr. Bei 84% der Patienten wurden Nebenwirkungen Grad ≥ 3 berichtet (nur 1 Patient mit Grad-4- und kein Patient mit Grad-5-Nebenwirkungen). Es brachen 21% der Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab, 84% unterbrachen die Therapie, und 53% reduzierten die Dosis. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Bluthochdruck und Rash. Auch andere TKI binden an RET und können bei RET-positiven Patienten wirksam sein. In dem globalen RET-NSCLC-Register GLORY wurden bis Dezember 2015 132 Patienten aus den USA, Asien und Europa aufgenommen, von denen 41 Patienten mit einem RET-Inhibitor behandelt wurden (4). Am häufigsten wurden Cabozantinib (34%), Vandetinib (27%)
und Sunitinib (24%) eingesetzt. Der Zeitpunkt war meistens in der dritten Therapielinie. Das mediane PFS betrug 2,9 Monate, das mediane OS 6,8 Monate und die mediane Dauer der Therapie 2,2 Monate. 23% der Patienten sprachen auf die Therapie an.
Fazit für die Praxis
Beim fortgeschrittenen kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) ist die Kombination von Ipilimumab plus Nivolumab laut Phase-II-Studie CheckMate 032 eine vielversprechende Zweit-/Drittlinien-Therapieoption. Die Therapie mit wöchentlichem Paclitaxel plus Bevacizumab als Zweit-/Drittlinientherapie beim nicht squamösen, nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) war einer Docetaxel-Therapie in Bezug auf Ansprechen und PFS überlegen. Es traten zudem signifikant weniger häufig hämatologische Toxizitäten auf. RET-Inhibitoren sind aktiv in der Behandlung von Patienten mit RET-positivem NSCLC. Tumoren mit DDCD6RET-Fusion scheinen empfindlicher zu sein als Tumoren mit KIF5B-RET-Fusion, zumindest gegenüber Vandetanib. I
Ine Schmale
Referenzen: 1. Antonia SJ et al.: Checkmate 032: Nivolumab (N) alone or in combination with ipilimumab (I) for the treatment of recurrent small cell lung cancer (SCLC). ASCO 2016, Vortrag, Abstr. #100 2. Cortot AB et al.: Weekly paclitaxel plus bevacizumab versus docetaxel as second or third-line treatment in advanced non-squamous non-small cell lung cancer (NSCLC): Results from the phase III study IFCT-1103 ULTIMATE. ASCO 2016, Vortrag, Abstr. #9005 3. Seto T et al.: A phase II open-label single-arm study of vandetanib in patients with advanced RET-rearranged nonsmall cell lung cancer (NSCLC): Luret study. ASCO 2016, Poster Discussion, Abstr. #9012 4. Gautschi O et al.: Targeting RET in patients with RETrearranged lung cancers: results from a global registry. ASCO 2016, Poster Discussion, Abstr. #9014
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