Transkript
ASCO2016– 52nd AnnualMeetingoftheAmericanSocietyofClinical Oncology,Chicago,3.bis7.Juni2016
Nierenzellkarzinom
Deutlicher Überlebensvorteil unter zwei neuen Therapieoptionen bestätigt
Für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom gibt es gute Neuigkeiten: Zwei neue Therapieoptionen bringen einen markanten Fortschritt in der Verlängerung des Überlebens nach Versagen der antiangiogenen Therapie. Langzeitergebnisse von Phase-I/II-Studien zeigen für Nivolumab einen lang anhaltenden Überlebensvorteil für Patienten aller Ansprechgruppen. Die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens unter Cabozantinib überträgt sich auf das Gesamtüberleben, insbesondere bei Patienten mit schlechter Prognose durch Knochenmetastasen.
Nivolumab: Langzeitüberleben ≥ 4 Jahre für ein Drittel der Patienten bestätigt ...
Der PD-1-Inhibitor Nivolumab (Opdivo®) wurde aufgrund der Ergebnisse der Phase-III-Studie CheckMate 025 für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (RCC) nach antiangiogener Therapie von der EMA zugelassen. Um zu untersuchen, ob der gezeigte Überlebensvorteil unter Nivolumab anhaltend ist, wurden die Überlebens- und Sicherheitsdaten von RCC-Patienten der Phase-I- und Phase-II-Studien – nun in der Nachbeobachtungszeit über mehr als 4 Jahre – ausgewertet (1). Die Phase-I-Studie NCT00730639 untersuchte 1 mg/kg oder 10 mg/kg Nivolumab q2w bei Patienten mit Tumorprogress nach 1 bis 5 systemischen Therapien. Die Phase-II-Studie NCT01354431 untersuchte in drei Studienarmen 0,3 mg/kg, 2 mg/kg und 10 mg/kg Nivolumab q3w bei Patienten mit 1 bis 3 vorangegangenen Therapielinien. In beiden Studien wurde bis zum nachgewiesenen Progress oder bis zu nicht tolerierbarer Toxizität behandelt. Die Kaplan-Meier-Überlebenskurven der beiden Studien verlaufen ähnlich und laufen beide in einem Plateau bei etwa einem Drittel der Patienten aus. Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 22,4 respektive 23,4 Monate. Die Patienten profitierten unabhängig vom MSKCC-Risiko-Score und vom Gesundheitszustand. Als bedeutsam erwies sich insbesondere die Auswertung in Bezug auf das Ansprechen: Bei den Respondern
lebten nach 48 Monaten noch etwa 60%, aber auch etwa ein Drittel der Patienten mit stabiler Erkrankung und ein Fünftel der Patienten mit progressiver Erkrankung (Tabelle).
... unter guter Verträglichkeit Die Langzeitsicherheitsdaten der Phase-Iund Phase-II-Studien bestätigen mit Grad-3/4-Nebenwirkungen bei 17,6% und 14,4% (sowie vergleichbar geringem Therapieabbrechen bei 8,8% und 9,6%) der Studienteilnehmer die gute Verträglichkeit von Nivolumab. Die Langzeitbeobachtung der relevanten Nebenwirkungen aller Grade in der Phase-II-Studie zeigt, dass die meisten Nebenwirkungen innerhalb der ersten 6 Monate auftraten und nach 30 Monaten keine Toxizitäten mehr beobachtet wurden.
Profit auch noch nach Krankheitsprogress
Das Ansprechmuster von Immuntherapien unterscheidet sich unter anderem aufgrund von Immunzellinfiltration in den Tumor von dem zielgerichteter Therapien. Ein wichtiger Aspekt der Immuntherapien, der beim ASCO-Kongress 2016 in einer Posterpräsentation thematisiert wurde, ist daher die Behandlung über den RECIST-definierten Progress hinaus (2). In der CheckMate-025-Studie (Nivolumab vs. Everolimus) war die Behandlung über den Progress hinaus erlaubt, wenn die Wirksubstanz gut vertragen und ein klinischer Benefit beobachtet wurde. Unter Nivolumab waren 316 Patienten progredient, von denen 153 über den Progress
hinaus, definiert als ≥ 4 Wochen, und 18 für einen kurzen Zeitraum, definiert als < 4 Wochen, weiter therapiert wurden. Nivolumab deutlich überlegen Im Everolimus-Arm zeigten 320 Patienten einen Tumorprogress, 65 Patienten wurden über den Progress hinaus sowie 111 Patienten über einen kurzen Zeitraum weiterbehandelt. Im experimentellen Arm erhielten Patienten, die über den Progress hinaus behandelt wurden, Nivolumab für median 8,8 Monate und Patienten, bei denen die Therapie mit dem Progress abgebrochen wurde, Nivolumab für median 2,3 Monate. Etwa die Hälfte der über den Progress hinaus behandelten Patienten wies eine weitere Reduktion der Tumorlast auf, und bei 14% wurde eine Reduktion der Tumorlast von ≥ 30% erreicht. Das mediane OS betrug für Patienten, die über den Progress hinaus behandelt wurden, 28,1 Monate und für Patienten ohne Behandlung über den Progress hinaus 15,0 Monate (Hazard Ratio [HR] = 0,41). Zum Vergleich: Von den 52 Patienten, die mit Everolimus über den Krankheitspro- Tabelle: Anteil der Patienten mit Langzeitüberleben ≥4 Jahre entsprechend Risiko, Allgemeinzustand und Ansprechen in der Phase-II-Studie NCT01354431 mit Nivolumab n = 48 MSKCC-Risiko-Gruppe (%) Niedriges Risiko 40 Mittleres Risiko 44 Hohes Risiko 17 Karnofsky-Performance-Status (%) 90 oder 100 69 70 oder 80 31 Bestes Ansprechen (%) Komplettes Ansprechen (CR) 2 Partielles Ansprechen (PR) 46 Stabile Erkrankung (SD) 33 Progressive Erkrankung (PD) 19 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2016 7 ASCO2016– 52nd AnnualMeetingoftheAmericanSocietyofClinical Oncology,Chicago,3.bis7.Juni2016 gress hinaus behandelt wurden, wies nur annähernd ein Viertel der Patienten eine Reduktion der Tumorlast auf, aber bei keinem der Patienten wurde eine Reduktion ≥ 30% gesehen. Cabozantinib: Mortalitätsrisiko signifikant gesenkt Cabozantinib (Cometriq®) ist ein neuer Tyrosinkinaseinhibitor (TKI), der unter anderem an MET, VEGFR und AXL bindet. Die randomisierte Phase-III-Studie METEOR zeigte eine signifikante Überlegenheit im progressionsfreien Überleben (PFS) (= primärer Studienendpunkt) von Cabozantinib gegenüber Everolimus beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom nach Therapieversagen eines VEGFR-TKI. Beim ASCO-Kongress 2016 wurden die Ergebnisse des sekundären Endpunkts OS präsentiert (3). Die METEOR-Studie schloss 658 Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (aRCC) und einem Krankheitsfortschreiten nach wenigstens einer vorangegangenen VEGFR-TKI-Therapie innerhalb von 6 Monaten ein. Die Patienten erhielten randomisiert 60 mg Cabozantinib oder 10 mg Everolimus bis zum Verlust eines klinischen Vorteils durch die Behandlung oder bis zu nicht tolerierbaren Toxizitäten. Ein Cross-over war im Studienprotokoll nicht erlaubt. PFS und OS teilweise fast verdoppelt, Ansprechen sechsfach erhöht Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Das mediane PFS betrug 7,4 Monate unter Cabozantinib versus 3,9 Monate unter Everolimus (HR = 0,51; p < 0,0001). Ein Ansprechen zeigten 17% versus 3% der Patienten laut unabhängigen Beobachtern und 24% versus 4% laut den Prüfärzten. Der Vorteil im PFS übertrug sich auf das OS. Median lebten Patienten im Cabozantinib-Arm 21,4 Monate und im Everolimus-Arm 16,5 Monate (HR = 0,66; p = 0,0003). Die Kaplan-Meier-Kurven separierten früh und blieben über den kompletten Studienzeitraum getrennt. Der für den Cabozantinib-Arm beobachtete Überlebensvorteil bestätigte sich über alle untersuchten Subgruppen. Die Ergebnisse mit Sunitinib oder Pazopanib als alleinige Vortherapie waren vergleichbar. Bei Patienten mit Knochenmetastasen reduzierte Cabozantinib im Vergleich zu Everolimus das Risiko zu versterben um 46%. Patienten lebten median 20,1 versus 12,1 Monate (HR = 0,54). Wiesen Patienten Knochen- und Viszeralmetastasen auf, überlebten sie median 20,1 (vs. 10,7) Monate (HR = 0,45). Für diese Gruppe von Patienten mit einer schlechten Prognose sollte die Wirkung von Cabozanitinib auf den Knochenstoffwechsel und auf Knochenmetastasen ge- sondert untersucht werden, so Diskutant Daniel J. George vom Duke Cancer Institute/USA. Fazit für die Praxis Die Immuntherapie mit Nivolumab führt bei einem Drittel der Patienten zu einem Langzeitüberleben von ≥ 4 Jahren – wobei auch ein Fünftel der Patienten mit Tumorprogress nach RECIST zu den Langzeitüberlebenden gehört. Da das Ansprechen auf eine Immuntherapie mit den RECIST-Kriterien nicht adäquat abgebildet wird, ist eine Behandlung über den Progress hinaus bei selektierten Patienten angebracht. Cabozantinib bewirkt nach Versagen vorgängiger TKI-Therapien ein deutlich verlängertes Gesamtüberleben im Vergleich zu Everolimus. Damit wurden zwei neue Therapieoptionen für die Zweit-/ Drittlinientherapie deutlich bestätigt. I Ine Schmale Referenzen: 1. McDermott DF et al.: Long-term overall survival (OS) with nivolumab in previously treated patients with advanced renal cell carcinoma (aRCC) from phase I and phase II studies. ASCO-Jahrestagung 2016, Vortrag, Abstr. #4507. 2. Escudier BJ et al.: Treatment beyond progression with nivolumab in patients with advanced renal cell carcinoma (aRCC) in the phase III CheckMate 025 study. ASCO-Jahrestagung 2016, Poster, Abstr. #4509. 3. Choueiri TK et al.: Overall survival in METEOR, a randomized phase 3 trial of cabozantinib versus everolimus in patients with advanced renal cell carcinoma. ASCO-Jahrestagung 2016, Vortrag, Abstr. #4506. 8 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2016